Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 2265/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3903/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 18.08.2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die am 1948 in K. geborene Klägerin begehrt die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls.
Die Klägerin fiel am 01.08.2000 kurz vor Arbeitsende in den Räumen der Buchbinderei S., B , beim Absteigen von einem Podest auf ein am Boden liegendes Holzstück nach vorne auf das linke Knie. Arbeitsunfähigkeit trat nicht ein. Erstmals am 13.03.2001 stellte sich die Klägerin wegen eines Reizzustandes am linken Kniegelenk mit leichter Ergussbildung bei dem Orthopäden Dr. S. vor. Bei diesem Arzt war bereits am 11.01.2001 eine Behandlung wegen lumbaler Beschwerden und Schulterbeschwerden erfolgt. Kniebeschwerden waren an diesem Tag von der Klägerin nicht geklagt worden. Bei Dr. S. gab die Klägerin anlässlich der Nachbehandlung am 06.09.2001 erstmals an, sie habe sich das linke Kniegelenk Mitte August 2000 bei der Arbeit verletzt.
Vom 21.06. bis zum 25.06.2001 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in der Chirurgischen Abteilung des H. Krankenhauses (Chefarzt Dr. Schw.). Dort wurde am 22.06.2001 eine diagnostische Arthroskopie durchgeführt, die eine ältere Teilruptur des vorderen linken Kreuzbandes ergab (Entlassungsbrief Oberarzt Dr. R. vom 25.06.2001). Dort hatte die Klägerin angegeben, sie habe seit mehreren Wochen Schmerzen im linken Knie.
Am 30.07.2001 führte der Nuklearmediziner Dr. K. ein Knochenszintigramm durch, das bezüglich des linken Kniegelenks eine aktivierte Gonarthrose ergab sowie eine Kapselextension und das Vorliegen von Bakerzysten. Die Klägerin hatte gegenüber Dr. K. angegeben, sie sei vor einem Jahr im Betrieb gestürzt und seither bestünden Schmerzen im linken Kniegelenk.
Im November 2001 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Anerkennung und Entschädigung des Arbeitsunfalles vom 01.08.2000.
Prof. Dr. S., Chefarzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Klinikum H., erstattete am 28.08.2002 im Auftrag der Beklagten ein Gutachten. Er führte zusammenfassend aus, ein Verdrehtrauma sei von der Klägerin auf mehrmaliges Befragen nicht angegeben worden. Die Beschwerden der Klägerin im linken Kniegelenk stünden in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 01.08.2000, sie seien vielmehr auf eine aktivierte bzw. fortschreitende Gonarthrose im linken Kniegelenk zurückzuführen.
Mit Bescheid vom 28.10.2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 01.08.2000 keinen Anspruch auf Rente, weil ihre Erwerbsfähigkeit über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls nicht um wenigstens 20 v. H. gemindert sei. Die durch den Unfall verursachte leichte Knieprellung links sei folgenlos abgeheilt. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.2003 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 02.09.2003 Klage zum Sozialgericht Heilbronn erhoben und u.a. vorgebracht, bezüglich des Unfallhergangs könnten Verständigungsprobleme mit Prof. S. bestanden haben. Jedenfalls sei sie beim Heruntertreten von einem Podest auf einem am Boden liegenden Holzstück ausgerutscht, ihr Bein sei ruckartig seitlich nach links weggeknickt und sie sei direkt auf das linke Knie gestürzt. Außerdem habe die Plötzlichkeit des Unfalls sicherlich dazu geführt, dass sie sich nicht erinnern könne, ob sich das Bein verdreht habe.
Die Durchführung der vom Sozialgericht beabsichtigten Begutachtung durch den Orthopäden Dr. T. hat die Klägerin abgelehnt.
Mit Urteil vom 18.08.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, aufgrund des bisher vorliegenden Beweisergebnisses müsse davon ausgegangen werden, dass die Beschwerden im linken Knie und die Teilruptur des vorderen Kreuzbandes links nicht mit Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 01.08.2000 zurückzuführen seien, sondern auf unfallunabhängige Aufbrauchs- und Verschleißerscheinungen. Eine weitere Aufklärung sei in Folge der Weigerung der Klägerin, sich durch Dr. T. begutachten zu lassen, nicht möglich gewesen.
Gegen das am 26.08.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.09.2005 Berufung eingelegt und vorgebracht, sie sei beim Absteigen von einem Podest auf ein am Boden liegendes Holzstück getreten und auf das linke Knie gestürzt. Bei der Eigenart des Unfallgeschehens sei ein Verdrehen des Kniegelenks zwar nicht erinnerlich, aber nicht ausgeschlossen, weil ihr Bein ruckartig seitlich weggerutscht sei. Im Übrigen habe Dr. Schw. in seinem Arztbrief vom 30.04.2002 ihre Unfallschilderung so wiedergegeben, dass sie über ein am Boden liegendes Stück Holz gerutscht sei, sich dabei das linke Kniegelenk verdreht habe und anschließend mit dem Kniegelenk auf dem Boden aufgeschlagen sei. Es sei zu ermitteln, ob bei diesem Geschehensablauf ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und ihren Kniebeschwerden gegeben sei. Außerdem habe sie bereits am 11.01.2001 anlässlich ihres Besuches bei Dr. S. über ihre Kniebeschwerden berichtet. Dies sei von diesem leider nicht dokumentiert worden. Sie legt die Erklärung der M. K. vom 06.04.2006 vor.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 18.08.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 01.08.2000 Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, es sei nicht bewiesen, dass es bei dem Unfall am 01.08.2000 zu einer Kniegelenksverdrehung gekommen sei. Vielmehr habe die Klägerin auf mehrfaches Befragen durch Prof. Dr. S. angegeben, dass sie sich das linke Knie nicht verdreht habe. Auch sei nach medizinischer Lehrmeinung nicht jedes Verdrehtrauma geeignet ein vorderes Kreuzband zu zerreißen.
Der Senat hat das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin von der AOK K. beigezogen sowie den Operationsbericht von Dr. Schw. vom 19.04.2002.
Außerdem hat der Senat das Gutachten von Dr. V., Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie am Diakonie-Krankenhaus S. H., vom 28.01.2006 eingeholt. Er hat seiner Begutachtung nach Vorgabe des Senats einen dahingehenden Unfallablauf zugrundegelegt, dass die Klägerin beim Absteigen von einem Podest auf ein am Boden liegendes Holzstück getreten und nach vorne auf das linke Knie gefallen ist. Er hat zusammenfassend ausgeführt, am linken Kniegelenk bestehe ein Verlust/Aufbrauch des vorderen Kreuzbandes mit grenzgradig kompensierter Stabilität, ein degenerativer Umbauvorgang des Kniescheibengleitlagers (Arthrose) in leicht- bis mittelgradigem Ausmaß und ein innenseitig betonter degenerativer Umbauvorgang (Arthrose) der gelenkigen Verbindungen zwischen dem Oberschenkelgelenkkörper und dem Schienbeinkopf in mittelgradigem Ausmaß. Es sei davon auszugehen, dass am 01.08.2000 eine Prellung des linken Kniegelenks eingetreten sei ohne einen wesentlichen strukturellen Gewebeschaden zu verursachen. Mit einer folgenlosen Ausheilung dieses Schadens sei spätestens drei Wochen nach dem Ereignis zu rechnen. Die Verschlimmerung eines Vorschadens, bedingt durch das Ereignis vom 01.08.2000, liege nicht vor. Beigefügt war der röntgenologische Befundbericht von Dr. R., Chefarzt der Radiologischen Abteilung am Diakoniekrankenhaus in S. H. vom 27.01.2006.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gem. § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Gewährung von Verletztenrente.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 2. Mai 2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Hiervon ausgehend kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der Arbeitsunfall vom 01.08.2000 bei der Klägerin Folgen mit einer MdE um 20 v. H. über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls hinaus hinterlassen hat.
Hierbei geht der Senat von folgendem Unfallhergang aus: Die Klägerin trat beim Absteigen von einem Podest auf ein am Boden liegendes Holzstück und fiel nach vorne auf das linke Knie. Zu dieser Überzeugung ist der Senat deshalb gelangt, weil die Klägerin am 20.06.2002 anlässlich eines Gespräches in den Räumen der Firma S. mit einem Angestellten der Beklagten und in Anwesenheit ihres Bevollmächtigten und ihrer Schwägerin als Dolmetscherin angegeben hat, sie sei auf einem Podest gestanden, über ein Holzstück gerutscht und nach vorne auf das linke Knie gefallen. Eine Verdrehung des linken Kniegelenkes habe nicht stattgefunden. Der Senat geht von dieser ersten Angabe bezüglich einer etwaigen Verdrehung des linken Kniegelenks beim Sturz aus, weil zum einen bei dieser Angabe der Klägerin ihre Schwägerin als Dolmetscherin anwesend war (anlässlich späterer Urteilsschilderungen wurde immer wieder auf die erheblichen Sprachprobleme der Klägerin abgestellt) und zum anderen, weil zu diesem Zeitpunkt die Begutachtung durch Prof. Dr. S., der auf das Fehlen jeglicher Verdrehbewegungen abgestellt hat, noch nicht vorgelegen hat. Im Übrigen hat auch Prof. Dr. S. in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass er die Klägerin mehrmals zum Vorliegen eines etwaigen Verdrehtraumas befragt habe und diese ein solches verneint hat. Hinzu kommt, dass die Klägerin im Berufungsverfahren einräumt, dass ihr ein Verdrehen des Kniegelenkes nicht erinnerlich sei. Der Hinweis der Klägerin auf den ambulanten Arztbrief von Dr. Schw. vom 30.04.2002 in dem zum Unfallablauf angegeben wird, die Klägerin habe sich das linke Kniegelenk verdreht, führt zu keiner anderen Auffassung des Senats, nachdem die Klägerin im Berufungsverfahren selbst angegeben hat, ein Verdrehtrauma sei ihr nicht erinnerlich. Einen direkten Zeugen für den Unfallablauf ergibt sich nach den Ermittlungen der Beklagten in der Firma S. nicht.
Nach Überzeugung des Senats besteht zwischen den am 22.06.2001 anlässlich der Operation durch Dr. Schw. im linken Kniegelenk gefundenen Gesundheitsstörungen und dem Arbeitsunfall vom 01.08.2000 kein wahrscheinlicher ursächlicher Zusammenhang. Hiervon geht der Senat aufgrund der Gutachten von Prof. Dr. S. vom 28.08.2002 (wird vom Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet) und dem überzeugenden Gutachten von Dr. V. vom 28.01.2006 aus. Danach reicht ein einfacher Sturz aus niedriger Höhe auf das Knie ohne Verdrehbewegung nicht aus, um ein Kreuzband teilweise zu zerreißen, ein Zustand, wie er nach dem OP-Bericht vom 22.06.2001 bei der Klägerin vorliegt. Hinzu kommt, dass ein traumatischer Gewebeschaden im Regelfall mit einer Einblutung in die Gelenkhöhle oder alternativ in die Kniekehle einhergeht. Beide genannten Einblutungsalternativen gehen mit einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung des betroffenen Gelenkes einher, die zu einem eindrucksvollen sofortigen Funktionsverlust mit starken Schmerzen führt. Zu einer Einblutung kann es bei der Klägerin nicht gekommen sein, denn sie hat am Folgetag ihre Arbeit wieder aufgenommen und der erste Arztbesuch wegen Schmerzen im linken Kniegelenk fand erst am 13.03.2001 bei Dr. S. statt. Die von der Klägerin vorgelegte Bestätigung der M. K. vom 06.04.2006 kann den Senat deshalb nicht davon überzeugen, dass die Schmerzen der Klägerin im linken Kniegelenk nach dem Unfall im August 2000 so stark waren, dass von einer Einblutung auszugehen wäre. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass die Klägerin - wie sie vorträgt und entgegen den Angaben von Dr. S. - bereits bei ihrem Arztbesuch am 11.01.2001 Kniebeschwerden geltend gemacht hätte, ändert dies nichts daran, dass nicht vom Vorliegen einer Einblutung ausgegangen werden kann, weil auch dann immerhin zwischen dem Unfall und dem erstmaligen Erwähnen der Kniebeschwerden links fünf Monate vergangen waren. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Klägerin bei der Erstbehandlung von Seiten des linken Kniegelenks bei Dr. S. am 13.03.2001 kein Unfallereignis im Zusammenhang mit den Kniebeschwerden angab. Dies geschah erstmals anlässlich der Erstellung eines Knochenszintigramms durch Dr. K. am 30.07.2001.
Der eigentliche Verletzungsmechanismus der vorderen Kreuzbandruptur ist - so die überzeugende Darstellung von Dr. V. - die Subluxation, in schweren Fällen die Luxation des Kniegelenkes. Typisch hierfür ist die unkontrollierte Landung nach einem Sprung oder der Sturz mit hoher Geschwindigkeit oder die Armaturenbrettverletzung beim nicht angeschnallten KFZ-Insassen, ist aber auch bei Stürzen auf die Bordsteinkante oder eine Treppenstufe zu erklären. Der Sturz nach vorne auf flachen Boden erfüllt demgegenüber nicht das Kriterium einer unphysiologischen Belastung des vorderen Kreuzbandes. Ein gewaltsamer Abschermechanismus zwischen den beiden Gelenkkörpern des Kniegelenkes mit Betroffensein des vorderen Kreuzbandes, ist bei einem derartigen Vorgang nicht erkennbar. Der häufigste traumatische Verletzungsmechanismus des vorderen Kreuzbandes ist die indirekte Gewalteinwirkung. Indirekte Gewalt bedeutet eine Gewalteinwirkung über Hebel und Drehmechanismen fortgeleitet auf das betroffene Kniegelenk (z. B. Drehsturz). Bei einem Sturz nach vorne auf das Knie mit Aufschlag auf flachem Boden ist am ehesten eine Relativbewegung des Oberschenkelkörpers gegenüber dem Schienbeinkopf zu erwarten. Wenn - wie es überwiegend zu erwarten ist - der Schienbeinkopf zuerst auf den Boden auftrifft, verbleibt er abrupt in dieser statischen Position. Dem gegenüber wird der Oberschenkelgelenkkörper bedingt durch die Kinetik des im Fallen begriffenen Körpers gewaltsam weiter geschoben. Bei diesem Vorgang tritt tendenziell eine Entspannung des vorderen Kreuzbandes und eine Zugbelastung des hinteren Kreuzbandes auf. Ein solcher Vorgang ist folglich nicht mit einer Schädigung des vorderen Kreuzbandes vereinbar, weil eine gewaltmäßige Belastung des vorderen Kreuzbandes unter solchen Bedingungen nicht erkennbar ist.
Danach ist davon auszugehen, dass am 01.08.2000 lediglich eine Prellung des linken Kniegelenkes ohne einen wesentlichen strukturellen Gewebeschaden eingetreten ist, die spätestens nach drei Wochen ausgeheilt war.
Daran ändert auch nichts die Angabe von Dr. S. gegenüber Dr. Schw. im Arztbrief vom 11.01.2002, das angegebene Unfallereignis wäre geeignet gewesen die Kreuzbandverletzung zu verursachen, denn Dr. S. hat keine Begründung hierfür gegeben.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die am 1948 in K. geborene Klägerin begehrt die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls.
Die Klägerin fiel am 01.08.2000 kurz vor Arbeitsende in den Räumen der Buchbinderei S., B , beim Absteigen von einem Podest auf ein am Boden liegendes Holzstück nach vorne auf das linke Knie. Arbeitsunfähigkeit trat nicht ein. Erstmals am 13.03.2001 stellte sich die Klägerin wegen eines Reizzustandes am linken Kniegelenk mit leichter Ergussbildung bei dem Orthopäden Dr. S. vor. Bei diesem Arzt war bereits am 11.01.2001 eine Behandlung wegen lumbaler Beschwerden und Schulterbeschwerden erfolgt. Kniebeschwerden waren an diesem Tag von der Klägerin nicht geklagt worden. Bei Dr. S. gab die Klägerin anlässlich der Nachbehandlung am 06.09.2001 erstmals an, sie habe sich das linke Kniegelenk Mitte August 2000 bei der Arbeit verletzt.
Vom 21.06. bis zum 25.06.2001 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in der Chirurgischen Abteilung des H. Krankenhauses (Chefarzt Dr. Schw.). Dort wurde am 22.06.2001 eine diagnostische Arthroskopie durchgeführt, die eine ältere Teilruptur des vorderen linken Kreuzbandes ergab (Entlassungsbrief Oberarzt Dr. R. vom 25.06.2001). Dort hatte die Klägerin angegeben, sie habe seit mehreren Wochen Schmerzen im linken Knie.
Am 30.07.2001 führte der Nuklearmediziner Dr. K. ein Knochenszintigramm durch, das bezüglich des linken Kniegelenks eine aktivierte Gonarthrose ergab sowie eine Kapselextension und das Vorliegen von Bakerzysten. Die Klägerin hatte gegenüber Dr. K. angegeben, sie sei vor einem Jahr im Betrieb gestürzt und seither bestünden Schmerzen im linken Kniegelenk.
Im November 2001 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Anerkennung und Entschädigung des Arbeitsunfalles vom 01.08.2000.
Prof. Dr. S., Chefarzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Klinikum H., erstattete am 28.08.2002 im Auftrag der Beklagten ein Gutachten. Er führte zusammenfassend aus, ein Verdrehtrauma sei von der Klägerin auf mehrmaliges Befragen nicht angegeben worden. Die Beschwerden der Klägerin im linken Kniegelenk stünden in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 01.08.2000, sie seien vielmehr auf eine aktivierte bzw. fortschreitende Gonarthrose im linken Kniegelenk zurückzuführen.
Mit Bescheid vom 28.10.2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 01.08.2000 keinen Anspruch auf Rente, weil ihre Erwerbsfähigkeit über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls nicht um wenigstens 20 v. H. gemindert sei. Die durch den Unfall verursachte leichte Knieprellung links sei folgenlos abgeheilt. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.2003 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 02.09.2003 Klage zum Sozialgericht Heilbronn erhoben und u.a. vorgebracht, bezüglich des Unfallhergangs könnten Verständigungsprobleme mit Prof. S. bestanden haben. Jedenfalls sei sie beim Heruntertreten von einem Podest auf einem am Boden liegenden Holzstück ausgerutscht, ihr Bein sei ruckartig seitlich nach links weggeknickt und sie sei direkt auf das linke Knie gestürzt. Außerdem habe die Plötzlichkeit des Unfalls sicherlich dazu geführt, dass sie sich nicht erinnern könne, ob sich das Bein verdreht habe.
Die Durchführung der vom Sozialgericht beabsichtigten Begutachtung durch den Orthopäden Dr. T. hat die Klägerin abgelehnt.
Mit Urteil vom 18.08.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, aufgrund des bisher vorliegenden Beweisergebnisses müsse davon ausgegangen werden, dass die Beschwerden im linken Knie und die Teilruptur des vorderen Kreuzbandes links nicht mit Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 01.08.2000 zurückzuführen seien, sondern auf unfallunabhängige Aufbrauchs- und Verschleißerscheinungen. Eine weitere Aufklärung sei in Folge der Weigerung der Klägerin, sich durch Dr. T. begutachten zu lassen, nicht möglich gewesen.
Gegen das am 26.08.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.09.2005 Berufung eingelegt und vorgebracht, sie sei beim Absteigen von einem Podest auf ein am Boden liegendes Holzstück getreten und auf das linke Knie gestürzt. Bei der Eigenart des Unfallgeschehens sei ein Verdrehen des Kniegelenks zwar nicht erinnerlich, aber nicht ausgeschlossen, weil ihr Bein ruckartig seitlich weggerutscht sei. Im Übrigen habe Dr. Schw. in seinem Arztbrief vom 30.04.2002 ihre Unfallschilderung so wiedergegeben, dass sie über ein am Boden liegendes Stück Holz gerutscht sei, sich dabei das linke Kniegelenk verdreht habe und anschließend mit dem Kniegelenk auf dem Boden aufgeschlagen sei. Es sei zu ermitteln, ob bei diesem Geschehensablauf ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und ihren Kniebeschwerden gegeben sei. Außerdem habe sie bereits am 11.01.2001 anlässlich ihres Besuches bei Dr. S. über ihre Kniebeschwerden berichtet. Dies sei von diesem leider nicht dokumentiert worden. Sie legt die Erklärung der M. K. vom 06.04.2006 vor.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 18.08.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 01.08.2000 Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, es sei nicht bewiesen, dass es bei dem Unfall am 01.08.2000 zu einer Kniegelenksverdrehung gekommen sei. Vielmehr habe die Klägerin auf mehrfaches Befragen durch Prof. Dr. S. angegeben, dass sie sich das linke Knie nicht verdreht habe. Auch sei nach medizinischer Lehrmeinung nicht jedes Verdrehtrauma geeignet ein vorderes Kreuzband zu zerreißen.
Der Senat hat das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin von der AOK K. beigezogen sowie den Operationsbericht von Dr. Schw. vom 19.04.2002.
Außerdem hat der Senat das Gutachten von Dr. V., Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie am Diakonie-Krankenhaus S. H., vom 28.01.2006 eingeholt. Er hat seiner Begutachtung nach Vorgabe des Senats einen dahingehenden Unfallablauf zugrundegelegt, dass die Klägerin beim Absteigen von einem Podest auf ein am Boden liegendes Holzstück getreten und nach vorne auf das linke Knie gefallen ist. Er hat zusammenfassend ausgeführt, am linken Kniegelenk bestehe ein Verlust/Aufbrauch des vorderen Kreuzbandes mit grenzgradig kompensierter Stabilität, ein degenerativer Umbauvorgang des Kniescheibengleitlagers (Arthrose) in leicht- bis mittelgradigem Ausmaß und ein innenseitig betonter degenerativer Umbauvorgang (Arthrose) der gelenkigen Verbindungen zwischen dem Oberschenkelgelenkkörper und dem Schienbeinkopf in mittelgradigem Ausmaß. Es sei davon auszugehen, dass am 01.08.2000 eine Prellung des linken Kniegelenks eingetreten sei ohne einen wesentlichen strukturellen Gewebeschaden zu verursachen. Mit einer folgenlosen Ausheilung dieses Schadens sei spätestens drei Wochen nach dem Ereignis zu rechnen. Die Verschlimmerung eines Vorschadens, bedingt durch das Ereignis vom 01.08.2000, liege nicht vor. Beigefügt war der röntgenologische Befundbericht von Dr. R., Chefarzt der Radiologischen Abteilung am Diakoniekrankenhaus in S. H. vom 27.01.2006.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gem. § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Gewährung von Verletztenrente.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 2. Mai 2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Hiervon ausgehend kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der Arbeitsunfall vom 01.08.2000 bei der Klägerin Folgen mit einer MdE um 20 v. H. über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls hinaus hinterlassen hat.
Hierbei geht der Senat von folgendem Unfallhergang aus: Die Klägerin trat beim Absteigen von einem Podest auf ein am Boden liegendes Holzstück und fiel nach vorne auf das linke Knie. Zu dieser Überzeugung ist der Senat deshalb gelangt, weil die Klägerin am 20.06.2002 anlässlich eines Gespräches in den Räumen der Firma S. mit einem Angestellten der Beklagten und in Anwesenheit ihres Bevollmächtigten und ihrer Schwägerin als Dolmetscherin angegeben hat, sie sei auf einem Podest gestanden, über ein Holzstück gerutscht und nach vorne auf das linke Knie gefallen. Eine Verdrehung des linken Kniegelenkes habe nicht stattgefunden. Der Senat geht von dieser ersten Angabe bezüglich einer etwaigen Verdrehung des linken Kniegelenks beim Sturz aus, weil zum einen bei dieser Angabe der Klägerin ihre Schwägerin als Dolmetscherin anwesend war (anlässlich späterer Urteilsschilderungen wurde immer wieder auf die erheblichen Sprachprobleme der Klägerin abgestellt) und zum anderen, weil zu diesem Zeitpunkt die Begutachtung durch Prof. Dr. S., der auf das Fehlen jeglicher Verdrehbewegungen abgestellt hat, noch nicht vorgelegen hat. Im Übrigen hat auch Prof. Dr. S. in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass er die Klägerin mehrmals zum Vorliegen eines etwaigen Verdrehtraumas befragt habe und diese ein solches verneint hat. Hinzu kommt, dass die Klägerin im Berufungsverfahren einräumt, dass ihr ein Verdrehen des Kniegelenkes nicht erinnerlich sei. Der Hinweis der Klägerin auf den ambulanten Arztbrief von Dr. Schw. vom 30.04.2002 in dem zum Unfallablauf angegeben wird, die Klägerin habe sich das linke Kniegelenk verdreht, führt zu keiner anderen Auffassung des Senats, nachdem die Klägerin im Berufungsverfahren selbst angegeben hat, ein Verdrehtrauma sei ihr nicht erinnerlich. Einen direkten Zeugen für den Unfallablauf ergibt sich nach den Ermittlungen der Beklagten in der Firma S. nicht.
Nach Überzeugung des Senats besteht zwischen den am 22.06.2001 anlässlich der Operation durch Dr. Schw. im linken Kniegelenk gefundenen Gesundheitsstörungen und dem Arbeitsunfall vom 01.08.2000 kein wahrscheinlicher ursächlicher Zusammenhang. Hiervon geht der Senat aufgrund der Gutachten von Prof. Dr. S. vom 28.08.2002 (wird vom Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet) und dem überzeugenden Gutachten von Dr. V. vom 28.01.2006 aus. Danach reicht ein einfacher Sturz aus niedriger Höhe auf das Knie ohne Verdrehbewegung nicht aus, um ein Kreuzband teilweise zu zerreißen, ein Zustand, wie er nach dem OP-Bericht vom 22.06.2001 bei der Klägerin vorliegt. Hinzu kommt, dass ein traumatischer Gewebeschaden im Regelfall mit einer Einblutung in die Gelenkhöhle oder alternativ in die Kniekehle einhergeht. Beide genannten Einblutungsalternativen gehen mit einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung des betroffenen Gelenkes einher, die zu einem eindrucksvollen sofortigen Funktionsverlust mit starken Schmerzen führt. Zu einer Einblutung kann es bei der Klägerin nicht gekommen sein, denn sie hat am Folgetag ihre Arbeit wieder aufgenommen und der erste Arztbesuch wegen Schmerzen im linken Kniegelenk fand erst am 13.03.2001 bei Dr. S. statt. Die von der Klägerin vorgelegte Bestätigung der M. K. vom 06.04.2006 kann den Senat deshalb nicht davon überzeugen, dass die Schmerzen der Klägerin im linken Kniegelenk nach dem Unfall im August 2000 so stark waren, dass von einer Einblutung auszugehen wäre. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass die Klägerin - wie sie vorträgt und entgegen den Angaben von Dr. S. - bereits bei ihrem Arztbesuch am 11.01.2001 Kniebeschwerden geltend gemacht hätte, ändert dies nichts daran, dass nicht vom Vorliegen einer Einblutung ausgegangen werden kann, weil auch dann immerhin zwischen dem Unfall und dem erstmaligen Erwähnen der Kniebeschwerden links fünf Monate vergangen waren. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Klägerin bei der Erstbehandlung von Seiten des linken Kniegelenks bei Dr. S. am 13.03.2001 kein Unfallereignis im Zusammenhang mit den Kniebeschwerden angab. Dies geschah erstmals anlässlich der Erstellung eines Knochenszintigramms durch Dr. K. am 30.07.2001.
Der eigentliche Verletzungsmechanismus der vorderen Kreuzbandruptur ist - so die überzeugende Darstellung von Dr. V. - die Subluxation, in schweren Fällen die Luxation des Kniegelenkes. Typisch hierfür ist die unkontrollierte Landung nach einem Sprung oder der Sturz mit hoher Geschwindigkeit oder die Armaturenbrettverletzung beim nicht angeschnallten KFZ-Insassen, ist aber auch bei Stürzen auf die Bordsteinkante oder eine Treppenstufe zu erklären. Der Sturz nach vorne auf flachen Boden erfüllt demgegenüber nicht das Kriterium einer unphysiologischen Belastung des vorderen Kreuzbandes. Ein gewaltsamer Abschermechanismus zwischen den beiden Gelenkkörpern des Kniegelenkes mit Betroffensein des vorderen Kreuzbandes, ist bei einem derartigen Vorgang nicht erkennbar. Der häufigste traumatische Verletzungsmechanismus des vorderen Kreuzbandes ist die indirekte Gewalteinwirkung. Indirekte Gewalt bedeutet eine Gewalteinwirkung über Hebel und Drehmechanismen fortgeleitet auf das betroffene Kniegelenk (z. B. Drehsturz). Bei einem Sturz nach vorne auf das Knie mit Aufschlag auf flachem Boden ist am ehesten eine Relativbewegung des Oberschenkelkörpers gegenüber dem Schienbeinkopf zu erwarten. Wenn - wie es überwiegend zu erwarten ist - der Schienbeinkopf zuerst auf den Boden auftrifft, verbleibt er abrupt in dieser statischen Position. Dem gegenüber wird der Oberschenkelgelenkkörper bedingt durch die Kinetik des im Fallen begriffenen Körpers gewaltsam weiter geschoben. Bei diesem Vorgang tritt tendenziell eine Entspannung des vorderen Kreuzbandes und eine Zugbelastung des hinteren Kreuzbandes auf. Ein solcher Vorgang ist folglich nicht mit einer Schädigung des vorderen Kreuzbandes vereinbar, weil eine gewaltmäßige Belastung des vorderen Kreuzbandes unter solchen Bedingungen nicht erkennbar ist.
Danach ist davon auszugehen, dass am 01.08.2000 lediglich eine Prellung des linken Kniegelenkes ohne einen wesentlichen strukturellen Gewebeschaden eingetreten ist, die spätestens nach drei Wochen ausgeheilt war.
Daran ändert auch nichts die Angabe von Dr. S. gegenüber Dr. Schw. im Arztbrief vom 11.01.2002, das angegebene Unfallereignis wäre geeignet gewesen die Kreuzbandverletzung zu verursachen, denn Dr. S. hat keine Begründung hierfür gegeben.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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