L 3 B 128/06 AS-ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 6 AS 700/05 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 B 128/06 AS-ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 17.03.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Der Beschwerdeführer und Antragssteller (Bf.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Beschwerde- und Antragsgegnerin (Bg.), ihm vorläufig Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs – Grundsiche-rung für Arbeitssuchende – (SGB II) zu gewähren, was die Bg. unter Verweis auf Ansprü-che des Bf. nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) abgelehnt hat. Der derzeit 43 Jahre alte, erwerbsfähige Bf. äthiopischer Staatsangehörigkeit reiste im Jahre 1988 in die ehemalige DDR ein, studierte Veterinärmedizin, promovierte anschließend erfolgreich und heiratete schließlich am 27.07.2001 eine deutsche Staatsangehörige mit der er ein gemeinsames, derzeit 4 Jahre altes Kind hat. Er war deshalb anfangs im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung für Studium und Promotion in der Bundesrepublik Deutschland und erhielt danach wegen seiner Eheschließung mit Bescheid vom 28.08.2001 eine Auf-enthaltserlaubnis nach § 17 i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 1 des Ausländergesetzes (AuslG). Diese wurde jedoch nachträglich mit Bescheid der Ausländerbehörde vom 26.10.2002 bis zur Bekanntgabe dieses Bescheides befristet, weil die Ehefrau das Scheidungsverfahren einge-leitet und die eheliche Lebensgemeinschaft beendet hatte. Der dagegen erhobene Wider-spruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2005 zurückgewiesen und die zum Verwaltungsgericht Leipzig erhobene Klage am 11.04.2006 zurückgenommen. Während des laufenden Widerspruchs- und Klageverfahrens wurde die Abschiebung des Bf. ausgesetzt und er erhielt ab 26.10.2002 eine Duldung. Diese Duldung bestand – zuletzt seit 01.01.2005 nach § 60a Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) – fort und wurde schließlich am 21.06.2006 in eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG um-gewandelt, weil der nach Klagerücknahme vollziehbar ausreisepflichtige Bf. unverschuldet an der Ausreise gehindert sei, da ihm sein Heimatland Äthiopien keinen Pass ausstelle und seine Abschiebung bereits seit 18 Monaten ausgesetzt sei. Der Bf. hatte zunächst nach dem Ende seiner letzten, mit Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit (BA) ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung Arbeitslosengeld (Alg) bis zur Anspruchserschöpfung am 03.02.2005 bezogen. Danach erhielt er von der Bg. vom 10.02.2005 bis 24.04.2005 Alg II einschließlich des befristeten Zuschlags nach Alg-Bezug. Sein Folgeantrag auf Alg II vom 07.04.2005 wurde jedoch von der Bg. mit Bescheid vom 10.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2005 abgelehnt, weil der Bf. nur im Besitz einer ausländerrechtlichen Duldung sei und er damit Ansprüche nach dem AsylbLG habe. Dies schließe einen Anspruch auf Alg II aus. Die dagegen am 22.07.2005 zum Sozialgericht Leipzig erhobene Klage ist dort unter dem Az. S 6 AS 483/05 anhängig. Der Bf. erhält deshalb derzeit Leistungen nach dem AsylbLG. Am 14.09.2005 hat der Bf. beim Sozialgericht Leipzig den Erlass einer einstweiligen An-ordnung gerichtet auf die vorläufige Weitergewährung des Alg II einschließlich des befris-teten Alg-Zuschlags beantragt. Dies hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 17.03.2006 abgelehnt, weil die Klage in der Hauptsache keine Aussicht auf Erfolg habe. Ein Anspruch auf Alg II sei wegen des Anspruchs nach dem AsylbLG ausgeschlossen. Mit seiner dagegen am 03.04.2006 erhobenen Beschwerde, der das Sozialgericht nicht ab-geholfen hat, macht der Bf. unter Einbeziehung seiner Ausführungen in der Hauptsache und im erstinstanzlichen Anordnungsverfahren geltend, dass er sich berechtigterweise in Deutschland aufhalte, hier aufgrund der seit 29.08.2001 unbefristeten Arbeitsgenehmigung der BA arbeiten dürfe, dies bis 06.08.2004 auch getan und deshalb anschließend bis 03.02.2005 sogar Alg von der BA erhalten habe. Selbst die Bg. habe ihm bis 24.04.2005 Alg II mit Alg-Zuschlag gezahlt. Die nunmehr bezogenen Leistungen nach dem AsylbLG seien deutlich niedriger. Er könne davon seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten. Außer-dem könne er deshalb sein Umgangsrecht mit seinem Kind nicht mehr ausüben, denn er könne sich die Fahrkarte von L ... nach B ... nicht leisten. Da er kein Alg II erhalte, sei er nicht renten- und krankenversichert und auch als Arbeitnehmer beeinträchtigt, weil er z.B. keinen Vermittlungsgutschein erhalte. Seit dem 21.06.2006 habe er wieder eine Aufenthaltserlaubnis, daher müsse er wenigstens jetzt Alg II bekommen. Der Beschwerdeführer beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 17.03.2006 aufzuheben und die Be-schwerdeführer im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläu-fig Arbeitslosengeld II einschließlich des befristeten Zuschlags nach dem Bezug von Arbeitslosengeld zu gewähren. Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 17.03.2006 zurückzuweisen. Sie nimmt im Wesentlichen auf die in der Hauptsache angegriffenen Bescheide Bezug. Inzwischen hat die Bg. den weiteren Antrag des Bf. vom 23.06.2006 auf Gewährung von Alg II mit Bescheid vom 11.07.2006 mit der gleichen Begründung wie zuvor abgelehnt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge einschließlich der beige-zogenen Akten des Verwaltungsgerichts Leipzig und der Akte der Ausländerbehörde Be-zug genommen, die Gegenstand des Verfahrens waren. II. Die gemäß § 172 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat den zulässigen Antrag des Bf. auf Erlass einer einstweiligen Anord-nung zu Recht abgelehnt. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zur Rege-lung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einst-weilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilpro-zessordnung (ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfah-ren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung ergehen und dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache gesichert werden soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Der Bf. hat danach bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht aufgrund einer vorläufi-gen, summarischen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahr-scheinlichkeit dafür spricht, dass dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und deshalb der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren mit dem gleichen Begehren voraussichtlich Erfolg haben würde. Dabei wird der Sachverhalt gemäß § 103 SGG von Amts wegen unter Heranziehung der Beteiligten ermittelt, soweit dies un-ter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens geboten ist (Krodel, NZS 2002, 234 ff.; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitver-fahren, 4. Auflage 1998, Rn. 152, 338; jeweils m.w.N.). Dies zugrunde gelegt spricht nach Aktenlage mehr dagegen als dafür, dass der Bf. mit sei-nem Begehren in der Hauptsache Erfolg haben kann. Denn ein Anspruch des Bf. auf Alg II gegenüber der Bg. (einschließlich der Kosten für die Ausübung des Umgangsrechts mit seinem Kind und des Alg-Zuschlags) ist für die in der Hauptsache streitigen Zeit ab 25.04.2005 nach dem insoweit klaren Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II durchgängig ? auch über den 21.06.2006 hinaus - ausgeschlossen. Dies folgt daraus, dass die Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausdrücklich ausgenommen sind, was bereits nach der ursprünglichen, vom 01.01.2005 bis 31.03.2006 geltenden Fassung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II galt, wo dies in Halbsatz 2 der Vorschrift geregelt war. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen werden. Daran hat sich nichts durch die ab 01.04.2006 geltende Neufassung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II gemäß Art. 1 Nr. 2 Buchst. a des SGB II-Änderungsgesetzes vom 24.03.2006 (BGBl. I Seite 558) geändert. Denn danach sind von den Leistungen nach dem SGB II die-jenigen Ausländer ausgenommen, - deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt und ihre Fa-milienangehörigen sowie - Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG. Der Bf. ist jedoch seit 25.04.2005 durchgängig über den 21.06.2006 hinaus Leistungsbe-rechtigter nach § 1 AsylbLG. Gemäß § 1 AsylbLG sind – unter anderem – leistungsberechtigt nach dem AsylbLG dieje-nigen Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die eine - Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Var. 4 AsylbLG) oder - Duldung gemäß § 60a AufenthG (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG) besitzen. Da der Bf. Ausländer ist, in dem in der Hauptsache streitigen Zeitraum ab 25.04.2005 nur eine Duldung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG besaß, weil ihm die Ausreise mangels Reise-pass (den er von seinem Heimatland Äthiopien nicht erhält) unmöglich war, und er auch ab 21.06.2006 lediglich eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG erhalten hat, weil die Abschiebung bereits mehr als 18 Monate ausgesetzt ist, findet somit auf ihn seit 25.04.2005 ununterbrochen das AsylbLG Anwendung. Er ist deshalb nach dem Wortlaut des Gesetzes von Leistungen nach dem SGB II insgesamt ausgenommen. Dem steht nicht entgegen, dass bis zur Klagerücknahme am 11.04.2006 die Aufhebung der am 28.08.2001 erteilten Aufenthaltserlaubnis noch nicht bestandskräftig war. Denn inzwi-schen ist die Bestandskraft eingetreten, so dass feststeht, dass diese damals erteilte Aufent-haltserlaubnis seit 26.10.2002 nicht mehr existiert und somit auch ab 25.04.2005 keine Wirkungen mehr entfalten kann. Allerdings wird in der juristischen Literatur teilweise bezweifelt, ob der Leistungsaus-schluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II, soweit er an § 1 AsylbLG anknüpft, in Fällen wie dem vorliegenden verfassungsrechtlich haltbar ist. Bedenken werden zum einen dahingehend geäußert, dass § 1 AsylbLG auch diejenigen erwerbsfähigen und erwerbsberechtigten Ausländer von den Leistungen nach dem SGB II ausschließe, bei denen – anders als bei Asylbewerbern, Bürgerkriegsflüchtlingen und Ge-duldeten – eine günstige Aufenthaltsprognose bestehe, d.h. bei denen zu erwarten sei, dass sie auf Dauer in Deutschland bleiben werden, was insbesondere auf die in § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG genannten Ausländer mit Aufenthaltserlaubnissen nach den §§ 23 Abs. 1, 24 und 25 Abs. 4 und 5 AufenthG zutreffe. Diese Ausländern seien angesichts ihres daraus resul-tierenden, offenkundigen Integrationsbedarfs dem typischen Förderkreis des SGB II zuzu-rechnen (Geiger, InfAuslR 2004, Seiten 360 f.). Zwar sei es nach den neueren Entschei-dungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Kinder- und Erziehungsgeld für Ausländer legitim, die Vergabe von Sozialleistungen an Ausländer von deren voraussicht-licher Aufenthaltsdauer in Deutschland abhängig zu machen (BVerfG, Beschl. v. 06.07.2004, Az. 1 BvR 2515/95, SozR 4-7833 § 1 Nr. 4; BVerfG, Beschl. v. 06.07.2004, Az. 1 BvL 4/97, SozR 4-5870 § 1 Nr. 1). Jedoch habe das BVerfG in diesen Entscheidun-gen klargestellt, dass zum Erreichen dieses Ziels nicht an den erteilten Aufenthaltstitel an-geknüpft werden dürfe, weil dies ungeeignet und willkürlich sei (Geiger, info also 2005, Seiten 147 ff.). Zum anderen werden zumindest Zweifel geltend gemacht, wenn die Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG als Erwerbsberechtigte versicherungspflichtig beschäftigt waren, nach-folgend deshalb Alg bezogen haben und nunmehr sofort auf das gegenüber dem SGB II niedrigere Leistungsniveau des AsylbLG, insbesondere ohne Anspruch auf den Alg-Zuschlag nach § 24 SGB II, abfallen und deshalb zugleich auch keinen Anspruch auf die Förderleistungen zur Integration am Arbeitsmarkt nach dem SGB II haben (Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Aufl. 2005, § 7 Rn. 15; Sieveking, ZAR 2004, Seiten 283 ff.; Geiger, InfAuslR 2004, Seiten 360 f.). Diese Bedenken teilt der Senat jedenfalls in der vorliegenden Konstellation nicht, auch wenn der Bf. mit seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG und seinem bis 03.02.2005 bezogenen Alg in diesem Sinne betroffen ist. Soweit zu bedenken gegeben wird, dass bei den in § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG genannten Ausländern mit Aufenthaltserlaubnissen nach den §§ 23 Abs. 1, 24 und 25 Abs. 4 und 5 AufenthG häufig zu erwarten sei, dass sie auf Dauer in Deutschland bleiben werden (güns-tige Aufenthaltsprognose mit deshalb notwendigem Integrationsbedarf), so ist dies jeden-falls für die dem Bf. erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG in der hier vorliegenden Konstellation (tatsächliches Ausreisehindernis wegen Passlosigkeit) unzutref-fend. Denn die einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer wegen eines bloßen Ausreise-hindernisses erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG kann jederzeit mit Wegfall des Hindernisses entzogen werden. Insbesondere bei dem nur tatsächlichen Aus-reisehindernis der Passlosigkeit (wie beim Bf.) kann dieser Wegfall jederzeit eintreten und ist rein zufällig. Daran ändert nichts, dass eine solche Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Auf-enthG nur erteilt werden kann, wenn mit dem Wegfall des Hindernisses auf absehbare Zeit nicht zu rechnen ist. Denn dies war gerade nicht der Grund, weshalb dem Bf. die Aufent-haltserlaubnis erteilt wurde, sondern die Tatsache, dass gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 Auf-enthG die Abschiebung des Bf. bereits seit 18 Monaten ausgesetzt war. Selbst wenn jedoch der Gesetzgeber mit dieser Frist von 18 Monaten eine Vermutung dahin aufstellen wollte, dass nach deren Ablauf mit dem Wegfall des Hindernisses auf absehbare Zeit nicht (mehr) zu rechnen ist, gilt weiterhin, dass das Hindernis jederzeit – aus welchen Gründen auch immer – ungeachtet dieser Vermutung doch wegfallen kann. Der Aufenthalt des Ausländers bleibt somit – jedenfalls in Fällen der Passlosigkeit – auch dann in einem bloßen Schwebezustand, wenn er länger andauert. In diesen Fällen besteht deshalb trotz unter Umständen tatsächlich langer Aufenthaltsdauer lediglich ein ungesi-chertes Aufenthaltsrecht in Deutschland, das jederzeit enden kann und somit keinen erhöh-ten, über das SGB II zu befriedigenden Integrationsbedarf nach sich zieht, der den Leis-tungsausschluss aus dem System des SGB II in Frage stellen könnte. Anderes gilt auch nicht vor dem Hintergrund der beiden Entscheidungen des BVerfG zum Kinder- und Erziehungsgeld für Ausländer. Denn die dort für verfassungswidrig erklärten Regelungen schlossen pauschal alle Ausländer vom Kinder- und Erziehungsgeld aus, de-nen keine Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis nach dem damaligen AuslG erteilt worden war. Davon betroffen waren insbesondere auch ausnahmslos alle Ausländer, die nur eine Aufenthaltsbefugnis nach den §§ 30 ff. AuslG besaßen, ohne dass nach Inhalt und Zweck der jeweiligen Aufenthaltsbefugnis im Einzelfall differenziert wurde. Die in den §§ 30 ff. AuslG geregelte Aufenthaltsbefugnis entsprach dabei in weiten Teilen den neuen Aufenthaltstiteln nach den §§ 22 bis 26 AufenthG. Anders als die damals geltenden Regelungen zum Kinder- und Erziehungsgeld greift je-doch § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG nur diejenigen Aufenthaltstitel aus den §§ 22 bis 26 Auf-enthG heraus, bei denen tatsächlich nur von einem vorübergehenden, jedenfalls aber von einem ungesicherten Aufenthalt im Bundesgebiet auszugehen ist. Gerade wegen des Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II und der Notwendig-keit, in diesen Leistungssausschluss nur diejenigen Ausländer einzubeziehen, deren Auf-enthalt vorübergehend bzw. ungesichert und ohne längerfristige Aufenthaltsperspektive ist, hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 18.03.2005 nochmals reagiert (Art. 6 Nr. 6a des Ge-setzes zur Änderung des AufenthG u. anderer Gesetze v. 14.03.2005, BGBl. I Seite 721): Er hat dazu die Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG aus dem Anwendungs-bereich des § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG ganz heraus genommen und eine Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG auf Aufenthaltstitel nach den §§ 23 Abs. 1 und 24 AufenthG beschränkt, die den Ausländern "wegen des Krieges in ihrem Heimatland", mithin trotz fehlender längerfristiger Aufenthaltsperspektive, erteilt wurden (BT-Drs. 15/4491, Sei-te 14; Adolph in: Linhart/Adolph, SGB II, SGB XII und AsylbLG, Stand: Mai 2006, § 7 SGB II Rn. 39 und § 1 AsylbLG Rn. 30a m.w.N.). Der Gesetzgeber ist sich mithin der ver-fassungsrechtlichen Problematik bewusst gewesen und hat darauf reagiert. Jedenfalls für den hier zu beurteilenden Fall eines tatsächlichen Ausreisehindernisses in Form der bloßen Passlosigkeit ist deshalb angesichts des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraums ein Verfassungsverstoß nicht ersichtlich, zumal allein die Passlo-sigkeit die tatsächliche Durchführung einer rechtlich zulässigen Abschiebung hindert, so dass sich dieses Ausreisehindernis von den übrigen Ausreisehindernissen im Sinne des § 25 Abs. 5 AufenthG nach Art und Gewicht nochmals deutlich abhebt (BVerwG, Urt. v. 03.06.2003, Az. 5 C 32/02, NVwZ 2004, 491 ff.). Auch das mit diesem Ausschluss aus dem System des SGB II verbundene sofortige Absin-ken auf das niedrigere Niveau des AsylbLG im Anschluss an den Bezug von Alg begegnet vor diesem Hintergrund – jedenfalls in den Fällen der bloßen Passlosigkeit – keinen Be-denken. Der Senat schließt sich insoweit der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesverwal-tungsgerichts (BVerwG) an, wonach aus der bestehenden Ausreisepflicht mit an sich recht-lich zulässiger Abschiebung, der lediglich ein vorübergehendes, tatsächliches Hindernis entgegensteht, eine normativ schwächere Bindung an das Bundesgebiet folgt, die auch die aus dem Sozialstaatsgebot folgende Einstandspflicht des Gesetzgebers für die auf seinem Gebiet lebenden Ausländer beeinflusst. Der Gesetzgeber darf deshalb angesichts seines breiten Gestaltungsspielraums zwar ausreisepflichtigen Ausländern, die aus tatsächlichen Gründen an einer Ausreise gehindert sind, nicht das absolute Existenzminimum verwei-gern und sie so in eine ausweglose Lage bringen. Er kann aber bei der Leistungshöhe be-rücksichtigen, dass es sich um einen Personenkreis handelt, für den er gemäß seiner eige-nen Rechtsordnung keine Verantwortung übernehmen will, weil es sich um grundsätzlich ausreisepflichtige Personen handelt (BVerwG, Urt. v. 03.06.2003, Az. 5 C 32/02, NVwZ 2004, 491 ff.). So liegt der Fall auch hier: Der Bf. ist vollziehbar ausreisepflichtig und nur wegen seiner Passlosigkeit ist eine Ausreise vorübergehend nicht realisierbar. Zu-mindest in diesen Fällen ist der Gesetzgeber deshalb nicht gehindert, solchen Ausländern nur das Existenzminimum zu gewähren, um sie nicht in eine ausweglose Lage zu bringen. Er ist jedoch nicht verpflichtet, ihnen eine weitergehende Integration anzubieten, wenn er ohnehin davon ausgeht, dass diese Ausländer Deutschland bei Wegfall des derzeitigen Hindernisses (hier der Passlosigkeit) zu verlassen haben. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber das Absinken auf das Leistungs-niveau des AsylbLG, das als besonderes soziales Sicherungssystem sowohl Regelungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§§ 3 ff. AsylbLG) als auch Regelungen zur Annahme und Durchführung von Arbeitsgelegenheiten (§ 5 AsylbLG) bereitstellt (Adolph in: Lin-hart/Adolph, SGB II, SGB XII und AsylbLG, Stand: Mai 2006, § 7 SGB II Rn. 39), nicht unbegrenzt zulässt, sondern eine Stufung vorsieht: Denn nach 3 Jahren des Leistungsbe-zugs – falls dem Bf. bis dahin die Ausreise weiterhin nicht möglich ist – steigen seine Leis-tungen wieder auf das dem SGB II vergleichbare Niveau der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 A-sylbLG). Bei weiter fortdauernder Passlosigkeit besteht schließlich 7 Jahre nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis die Möglichkeit, eine Niederlassungserlaubnis zu erhalten (§ 26 Abs. 4 AufenthG), welche den Bf. dann ganz aus dem Leistungsbereich des AsylbLG he-rausführen würde. Auch das sofortige Absinken vom Alg-Bezug auf das Niveau des AsylbLG ist deshalb nach alledem in Fällen wie hier eine verfassungsrechtlich noch hinnehmbare Entscheidung des Gesetzgebers.

Der vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehene Ausschluss von Ausländern aus dem Leis-tungssystem des SGB II in Fällen einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG wegen eines Ausreisehindernisses in Form bloßer Passlosigkeit (wie beim Bf.) erscheint somit vor dem Hintergrund des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers sowie des in diesen Fällen ungesicherten Aufenthalts des betroffenen Ausländers im Bundesgebiet gerechtfertigt und ein Erfolg des Bf. in der Hauptsache somit auch aus verfassungsrechtli-cher Sicht nicht überwiegend wahrscheinlich. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Diese Entscheidung ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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