Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 7 SO 110/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 B 156/06 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 26. Mai 2006 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 28. Dezember 2005 zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. M N, Wstraße , B, ge-währt.
Gründe:
I.
Der 1989 geborene Antragsteller leidet an einer zerebralen Bewegungsstörung, einer Erblindung des rechten Auges, einer Sehminderung des linken Auges, einer Entwicklungsdysgraphie und Dyslexie sowie einer leichten Schwerhörigkeit und einer auditiven Wahrnehmungsschwäche. Seit dem Schuljahr 2002/2003 besucht er die B Schule für Blinde und Sehgeschädigte K. Seit dem 08. August 2005 wohnt er regelmäßig von Montag bis Freitag in dem der Schule angegliederten Internat für Sehgeschädigte in der Trägerschaft der S gGmbH in K. Die Kosten der Beschulung und des Internats trägt der Schulträger, der L, mit Ausnahme eines monatlichen Eigenbetrages in Höhe von 135,00 EUR für den Internatsaufenthalt sowie eines hier nicht streitgegenständlichen Anteils an den Verpflegungskosten, der von den Eltern des Antragstellers erhoben wird. Eine Fallkonferenz zur Feststellung eines stationären Hilfebedarfs des Antragstellers wurde am 19. Oktober 2005 ohne Ergebnis beendet. Der Wohnort der gesetzlichen Vertreter des Antragstellers ist ca. 42,58 km von der Schule entfernt, die Fahrtzeit von dort zur Schule beträgt ca. 36 Minuten (Quelle: Internet www.de.map24.com "Routenplaner").
Mit Bescheid vom 22. November 2005 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf volle Kostenübernahme der stationären Eingliederungshilfe für die Unterbringung des Antragstellers im Internat für Sehgeschädigte K ab. Eine Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe komme wegen der Subsidiarität der Sozialhilfe nicht in Betracht, da die Kosten des Schulbesuches vom Schulverwaltungsamt des L übernommen würden, wobei das Schulverwaltungsamt des L diese Kosten erstatte.
Der hiergegen am 21. Dezember 2005 vom Antragsteller eingelegte Widerspruch ist bisher nicht beschieden worden.
Am 28. Dezember 2005 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung zur Übernahme des Eigenbeitrages an den Unterbringungskosten im Internat ab dem Monat Dezember 2005 für zunächst drei Monate begehrt und beantragt, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
Er sei in dem Internat sowohl aufgrund eines behinderungsbedingten Bedarfs als auch aufgrund der weiten Entfernung zwischen Wohn- und Schulort untergebracht worden. Bei dem geltend gemachten Eigenbeitrag zur Unterkunft in Höhe von monatlich 135,00 EUR handele es sich nicht um sonstige Kosten des Lebensunterhaltes. Bei erblindeten Schülern sei grundsätzlich davon auszugehen, dass wegen der Behinderung auch neben den rein schulischen Maßnahmen ein darüber hinausgehender stationärer Hilfebedarf bestehe. Dies ergebe sich u. a. aus dem Rundschreiben Nr. 10/2004 des Landesamtes für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg Landessozialamt vom 21. Juli 2004. Der Anordnungsgrund einer besonderen Eilbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass der Einrichtungsträger die Kündigung des abgeschlossenen Betreuungsvertrages bei fortbestehendem Zahlungsverzug angekündigt habe. Im Falle des Ausspruches einer solchen, hier zu erwartenden Kündigung könne er die Förderschule für Sehgeschädigte nicht mehr besuchen.
Der Antragsgegner ist dem zunächst mit dem Argument entgegengetreten, dass es sich bei der streitgegenständlichen Kostenbeteiligung um eine öffentlich-rechtliche Forderung gegen die Eltern des Antragstellers handele. Für eine Übernahme der von den Eltern geschuldeten Kostenbeteiligung sei im Rahmen der Eingliederungshilfe kein Raum. Sofern die Betreuung im Internat für Sehgeschädigte als Maßnahme der Eingliederungshilfe zu werten sei, habe eine Berechnung der Sozialhilfe in Einrichtungen nach § 19 Abs. 3, § 35, §§ 53, 54, 82 und 85 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch SGG XII zu erfolgen. Bei einem fiktiven Einkommen der Eltern des Antragstellers in Höhe von 2 000,00 EUR würde sich bereits ein monatlicher Einkommenseinsatz von 212,00 EUR ergeben.
Das Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 26. Mai 2006 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Eingliederungshilfe durch Übernahme der Unterbringungskosten im Internat für Sehgeschädigte in K in Höhe von monatlich 135,00 EUR ab dem Monat Dezember 2005 für drei Monate zu gewähren. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, die bedarfsgerechte Beschulung des Antragstellers erfordere seine Unterbringung in dem der Schule angegliederten Internat. Eine tägliche Anreise sei dem Antragsteller wegen der Entfernung der Schule von seinem Wohnort nicht zuzumuten. Ob der Antragsteller daneben einer besonderen behindertengerechten Betreuung in dem der Schule angeschlossenen Internat bedürfe, könne dahinstehen. Der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe stehe dem geltend gemachten Eingliederungsanspruch nicht entgegen. Denn entscheidend sei nicht, ob der Hilfesuchende einen Rechtsanspruch gegen einen Dritten habe, sondern, ob er die benötigte Hilfe auch tatsächlich erhalten oder den Anspruch gegen den Dritten rechtzeitig realisieren könne. Dies sei nicht der Fall. Der Antragsteller könne auch nicht auf einen gegenüber der Sozialhilfe vorrangigen Unterhaltsanspruch gegenüber seinen Eltern verwiesen werden, dies ergebe sich aus § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB XII. Ein Anordnungsgrund sei hinreichend glaubhaft gemacht, weil ansonsten eine fristlose Kündigung des Betreuungsvertrages drohe.
Der Antragsgegner hat gegen den ihm am 08. Juni 2006 zugestellten Beschluss am 05. Juli 2006 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 11. Juli 2006). Er trägt vor, der Antragsteller habe einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Der Zahlungsverzug bestehe den Angaben des Antragstellers zufolge bereits seit August 2005, ohne dass der Einrichtungsträger dies zum Anlass nehme, den Internatsvertrag zu kündigen. Die begehrte Übernahme der anteiligen Unterbringungskosten führe im Übrigen nur zu einer teilweisen Befriedigung der Ansprüche des Einrichtungsträgers mit der Folge, dass diesem wegen des Zahlungsrückstandes für die Monate August bis November 2005 ein Kündigungsrecht verbliebe.
Nach Information des zuständigen Schulverwaltungsamtes bestehe zudem für den Antragsteller die Möglichkeit der Nutzung eines täglichen Schülertransportes. Der Antragsteller habe auch keinen stationären Hilfebedarf im Sinne der Gewährung von Leistungen der Eingliederungs-hilfe. In der am 19. Oktober 2005 durchgeführten Fallkonferenz sei festgestellt worden, dass die stationäre Unterbringung im Internat für Sehbehinderte nicht notwendig sei. Sie erfolge nicht aus behinderungsbedingten, sondern aus pädagogischen Gründen und wegen der Entfernung zwischen Wohnort und Schule. Für den Fall, dass ein stationärer Hilfebedarf vorliegen würde, hätte sich der Antragsteller im Rahmen der häuslichen Ersparnis an den Kosten der stationären Unterbringung jedenfalls in Höhe des geltend gemachten Betrages zu beteiligen. Ferner sei ihm das Kindergeld gemäß § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII als Einkommen zuzurechnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 26. Mai 2006 aufzuheben und den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen und ihm auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
Er trägt vor, ein dringender Anordnungsgrund sei gegeben, weil inzwischen insgesamt vier Mahnschreiben des Internatsträgers vorlägen.
In dem vom Antragsteller eingereichten, mit "Letzte Mahnung" überschriebenen Schreiben des Einrichtungsträgers vom 28. August 2006 werden die Eltern des Antragstellers zur Begleichung der Rechnungsbeträge für den Zeitraum von Januar bis Juni 2006 sowie zur Begleichung der für den Zeitraum August bis Dezember 2006 entstandenen offenen Forderungen aufgefordert. Dort heißt es weiter, der Schulträger sei vom Schulverwaltungsamt des Landkreises aufgefordert worden, das gerichtliche Mahnverfahren einzuleiten, wenn der Gesamtbetrag der Forderungen in Höhe von 1 493,00 EUR nicht bis zum 06. September 2006 überwiesen werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf den Verwaltungsvorgang des Antragsgegners Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht stattgegeben.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung ZPO ). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Antragsteller hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Übernahme des Eigenanteils an den Kosten seiner Unterbringung im Internat für Sehgeschädigte im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII i. V. m. § 12 Eingliederungshilfeverordnung EinglHVO nicht glaubhaft gemacht. Nach den Feststellungen der am 19. Oktober 2005 stattgefundenen und ohne Ergebnis beendeten Fallkonferenz liegen Anhaltspunkte für das Erfordernis stationärer Eingliederungshilfe zugunsten des Antragstellers nicht vor. Die im Erhebungsbogen über die Kompetenzen der alltäglichen Lebensführung festgestellten Defizite sind offenkundig altersentsprechend und nicht behinderungsbedingt. Das Erfordernis einer Unterbringung des Antragstellers im Internat ist danach jedenfalls nicht mit der für eine teilweise Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Die Unterbringung des Antragsteller in dem der Schule angegliederten Internat ist auch nicht aufgrund der Entfernung der Schule vom elterlichen Wohnort zwingend notwendig. Insoweit ist es dem 17 jährigen Antragsteller zuzumuten, den Schulweg von rund 43 km und einer Fahrtdauer von 36 Minuten durch Inanspruchnahme des täglichen Schülertransportes zu bewältigen.
Daneben hat der Antragsteller auch einen Anordnungsgrund, die Notwendigkeit der erstrebten Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, nicht glaubhaft gemacht. Voraussetzung ist nämlich, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen aber auch der öffentlichen Interessen nicht zumutbar ist, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten (Keller in: Meyer/Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86 b Anm. 28). Des Weiteren muss die angestrebte Regelung zur Abwendung einer vorgetragenen drohenden Notlage geeignet sein. Maßgebend ist zumindest hinsichtlich der Beurteilung des Anordnungsgrundes die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (OVG Hamburg, NVWZ 1990, 976, OVG Bautzen, Sächsische Verwaltungsblätter 994, 114, Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage, § 24 Anm. 480). Die begehrte Anordnung muss zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts noch dringlich sein, liegt dies nicht mehr vor, ist der Antragsteller darauf zu verweisen, den geltend gemachten Anspruch im Hauptsacheverfahren durchzusetzen. So liegt es hier.
Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners zu Übernahme von Internatskosten für die Vergangenheit. Ausdrücklich hat er seinen Antrag bereits im erstinstanzlichen Verfahren auf die Monate Dezember 2005 bis Februar 2006 begrenzt. Da streitgegenständlich somit keine laufenden Leistungen sind, ist er gehalten, den geltend gemachten Anspruch im Hauptsacheverfahren zu verfolgen.
Auch aus den zum Verfahren eingereichten Mahnschreiben des Einrichtungsträgers folgt kein Anordnungsgrund für die erstrebte Regelung durch das Gericht. Nach der zuletzt mit Datum vom 28. August 2006 vom Internatsträger erteilten "Letzten Mahnung" wird von diesem offensichtlich eine Kündigung des Betreuungsvertrages nicht mehr in Erwägung gezogen. Vielmehr wird nunmehr (nur noch) die Einleitung eines gerichtlichen Mahnverfahrens angedroht. Die Einleitung eines gerichtlichen Mahnverfahrens gegenüber den Eltern des Antragstellers stellt aber keinen den Antragsteller selbst treffenden wesentlichen Nachteil dar. Auch aus dem Umstand eines Kündigungsrechts des Internatsträgers bei Nichtzahlung der streitgegenständlichen Internatsgebühren für die Monate Dezember 2005 bis Februar 2006 folgt sofern dies überhaupt noch als Option des Internatsträgers gegeben ist kein Anordnungsgrund. Der Antragsteller hat nämlich seit August 2005 die vom Internat in Rechnung gestellten 135,00 EUR nicht gezahlt, so dass die vorgetragene Notlage (Kündigung des Betreuungsvertrages wegen Zahlungsverzuges) durch Übernahme der Kosten für die streitgegenständlichen Monate nicht abgewendet werden könnte. Denn sowohl für die Monate August bis November 2005 als auch für die Monate ab März 2006 besteht Zahlungsverzug. Die begehrte Übernahme der anteiligen Unterbringungskosten würde daher allein dazu führen, dass der Internatsträger hinsichtlich seiner Ansprüche teilweise befriedigt wird, mit der Folge, dass ihm wegen des Zahlungsrückstandes für die übrigen Monate gleichwohl ein Kündigungsrecht zustünde. Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers ist trotz eines gerichtlichen Hinweises bei der Beschränkung des Antrages verblieben (vgl. bereits Beschluss des Senats vom 9. Mai 2006 im Verfahren L 23 B 38/06 SO ER, in dem der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Vertreter der dortigen Antragstellerin war).
Dem Antragsteller ist für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen (§ 73 a Abs. 1 SGG, § 114 Abs. 1 ZPO). Dabei kommt es auf die Erfolgsaussichten seiner Rechtsverfolgung nicht an, da er in erster Instanz obsiegt und der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat (§ 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 SGG.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Der 1989 geborene Antragsteller leidet an einer zerebralen Bewegungsstörung, einer Erblindung des rechten Auges, einer Sehminderung des linken Auges, einer Entwicklungsdysgraphie und Dyslexie sowie einer leichten Schwerhörigkeit und einer auditiven Wahrnehmungsschwäche. Seit dem Schuljahr 2002/2003 besucht er die B Schule für Blinde und Sehgeschädigte K. Seit dem 08. August 2005 wohnt er regelmäßig von Montag bis Freitag in dem der Schule angegliederten Internat für Sehgeschädigte in der Trägerschaft der S gGmbH in K. Die Kosten der Beschulung und des Internats trägt der Schulträger, der L, mit Ausnahme eines monatlichen Eigenbetrages in Höhe von 135,00 EUR für den Internatsaufenthalt sowie eines hier nicht streitgegenständlichen Anteils an den Verpflegungskosten, der von den Eltern des Antragstellers erhoben wird. Eine Fallkonferenz zur Feststellung eines stationären Hilfebedarfs des Antragstellers wurde am 19. Oktober 2005 ohne Ergebnis beendet. Der Wohnort der gesetzlichen Vertreter des Antragstellers ist ca. 42,58 km von der Schule entfernt, die Fahrtzeit von dort zur Schule beträgt ca. 36 Minuten (Quelle: Internet www.de.map24.com "Routenplaner").
Mit Bescheid vom 22. November 2005 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf volle Kostenübernahme der stationären Eingliederungshilfe für die Unterbringung des Antragstellers im Internat für Sehgeschädigte K ab. Eine Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe komme wegen der Subsidiarität der Sozialhilfe nicht in Betracht, da die Kosten des Schulbesuches vom Schulverwaltungsamt des L übernommen würden, wobei das Schulverwaltungsamt des L diese Kosten erstatte.
Der hiergegen am 21. Dezember 2005 vom Antragsteller eingelegte Widerspruch ist bisher nicht beschieden worden.
Am 28. Dezember 2005 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung zur Übernahme des Eigenbeitrages an den Unterbringungskosten im Internat ab dem Monat Dezember 2005 für zunächst drei Monate begehrt und beantragt, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
Er sei in dem Internat sowohl aufgrund eines behinderungsbedingten Bedarfs als auch aufgrund der weiten Entfernung zwischen Wohn- und Schulort untergebracht worden. Bei dem geltend gemachten Eigenbeitrag zur Unterkunft in Höhe von monatlich 135,00 EUR handele es sich nicht um sonstige Kosten des Lebensunterhaltes. Bei erblindeten Schülern sei grundsätzlich davon auszugehen, dass wegen der Behinderung auch neben den rein schulischen Maßnahmen ein darüber hinausgehender stationärer Hilfebedarf bestehe. Dies ergebe sich u. a. aus dem Rundschreiben Nr. 10/2004 des Landesamtes für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg Landessozialamt vom 21. Juli 2004. Der Anordnungsgrund einer besonderen Eilbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass der Einrichtungsträger die Kündigung des abgeschlossenen Betreuungsvertrages bei fortbestehendem Zahlungsverzug angekündigt habe. Im Falle des Ausspruches einer solchen, hier zu erwartenden Kündigung könne er die Förderschule für Sehgeschädigte nicht mehr besuchen.
Der Antragsgegner ist dem zunächst mit dem Argument entgegengetreten, dass es sich bei der streitgegenständlichen Kostenbeteiligung um eine öffentlich-rechtliche Forderung gegen die Eltern des Antragstellers handele. Für eine Übernahme der von den Eltern geschuldeten Kostenbeteiligung sei im Rahmen der Eingliederungshilfe kein Raum. Sofern die Betreuung im Internat für Sehgeschädigte als Maßnahme der Eingliederungshilfe zu werten sei, habe eine Berechnung der Sozialhilfe in Einrichtungen nach § 19 Abs. 3, § 35, §§ 53, 54, 82 und 85 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch SGG XII zu erfolgen. Bei einem fiktiven Einkommen der Eltern des Antragstellers in Höhe von 2 000,00 EUR würde sich bereits ein monatlicher Einkommenseinsatz von 212,00 EUR ergeben.
Das Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 26. Mai 2006 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Eingliederungshilfe durch Übernahme der Unterbringungskosten im Internat für Sehgeschädigte in K in Höhe von monatlich 135,00 EUR ab dem Monat Dezember 2005 für drei Monate zu gewähren. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, die bedarfsgerechte Beschulung des Antragstellers erfordere seine Unterbringung in dem der Schule angegliederten Internat. Eine tägliche Anreise sei dem Antragsteller wegen der Entfernung der Schule von seinem Wohnort nicht zuzumuten. Ob der Antragsteller daneben einer besonderen behindertengerechten Betreuung in dem der Schule angeschlossenen Internat bedürfe, könne dahinstehen. Der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe stehe dem geltend gemachten Eingliederungsanspruch nicht entgegen. Denn entscheidend sei nicht, ob der Hilfesuchende einen Rechtsanspruch gegen einen Dritten habe, sondern, ob er die benötigte Hilfe auch tatsächlich erhalten oder den Anspruch gegen den Dritten rechtzeitig realisieren könne. Dies sei nicht der Fall. Der Antragsteller könne auch nicht auf einen gegenüber der Sozialhilfe vorrangigen Unterhaltsanspruch gegenüber seinen Eltern verwiesen werden, dies ergebe sich aus § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB XII. Ein Anordnungsgrund sei hinreichend glaubhaft gemacht, weil ansonsten eine fristlose Kündigung des Betreuungsvertrages drohe.
Der Antragsgegner hat gegen den ihm am 08. Juni 2006 zugestellten Beschluss am 05. Juli 2006 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 11. Juli 2006). Er trägt vor, der Antragsteller habe einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Der Zahlungsverzug bestehe den Angaben des Antragstellers zufolge bereits seit August 2005, ohne dass der Einrichtungsträger dies zum Anlass nehme, den Internatsvertrag zu kündigen. Die begehrte Übernahme der anteiligen Unterbringungskosten führe im Übrigen nur zu einer teilweisen Befriedigung der Ansprüche des Einrichtungsträgers mit der Folge, dass diesem wegen des Zahlungsrückstandes für die Monate August bis November 2005 ein Kündigungsrecht verbliebe.
Nach Information des zuständigen Schulverwaltungsamtes bestehe zudem für den Antragsteller die Möglichkeit der Nutzung eines täglichen Schülertransportes. Der Antragsteller habe auch keinen stationären Hilfebedarf im Sinne der Gewährung von Leistungen der Eingliederungs-hilfe. In der am 19. Oktober 2005 durchgeführten Fallkonferenz sei festgestellt worden, dass die stationäre Unterbringung im Internat für Sehbehinderte nicht notwendig sei. Sie erfolge nicht aus behinderungsbedingten, sondern aus pädagogischen Gründen und wegen der Entfernung zwischen Wohnort und Schule. Für den Fall, dass ein stationärer Hilfebedarf vorliegen würde, hätte sich der Antragsteller im Rahmen der häuslichen Ersparnis an den Kosten der stationären Unterbringung jedenfalls in Höhe des geltend gemachten Betrages zu beteiligen. Ferner sei ihm das Kindergeld gemäß § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII als Einkommen zuzurechnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 26. Mai 2006 aufzuheben und den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen und ihm auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
Er trägt vor, ein dringender Anordnungsgrund sei gegeben, weil inzwischen insgesamt vier Mahnschreiben des Internatsträgers vorlägen.
In dem vom Antragsteller eingereichten, mit "Letzte Mahnung" überschriebenen Schreiben des Einrichtungsträgers vom 28. August 2006 werden die Eltern des Antragstellers zur Begleichung der Rechnungsbeträge für den Zeitraum von Januar bis Juni 2006 sowie zur Begleichung der für den Zeitraum August bis Dezember 2006 entstandenen offenen Forderungen aufgefordert. Dort heißt es weiter, der Schulträger sei vom Schulverwaltungsamt des Landkreises aufgefordert worden, das gerichtliche Mahnverfahren einzuleiten, wenn der Gesamtbetrag der Forderungen in Höhe von 1 493,00 EUR nicht bis zum 06. September 2006 überwiesen werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf den Verwaltungsvorgang des Antragsgegners Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht stattgegeben.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung ZPO ). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Antragsteller hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Übernahme des Eigenanteils an den Kosten seiner Unterbringung im Internat für Sehgeschädigte im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII i. V. m. § 12 Eingliederungshilfeverordnung EinglHVO nicht glaubhaft gemacht. Nach den Feststellungen der am 19. Oktober 2005 stattgefundenen und ohne Ergebnis beendeten Fallkonferenz liegen Anhaltspunkte für das Erfordernis stationärer Eingliederungshilfe zugunsten des Antragstellers nicht vor. Die im Erhebungsbogen über die Kompetenzen der alltäglichen Lebensführung festgestellten Defizite sind offenkundig altersentsprechend und nicht behinderungsbedingt. Das Erfordernis einer Unterbringung des Antragstellers im Internat ist danach jedenfalls nicht mit der für eine teilweise Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Die Unterbringung des Antragsteller in dem der Schule angegliederten Internat ist auch nicht aufgrund der Entfernung der Schule vom elterlichen Wohnort zwingend notwendig. Insoweit ist es dem 17 jährigen Antragsteller zuzumuten, den Schulweg von rund 43 km und einer Fahrtdauer von 36 Minuten durch Inanspruchnahme des täglichen Schülertransportes zu bewältigen.
Daneben hat der Antragsteller auch einen Anordnungsgrund, die Notwendigkeit der erstrebten Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, nicht glaubhaft gemacht. Voraussetzung ist nämlich, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen aber auch der öffentlichen Interessen nicht zumutbar ist, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten (Keller in: Meyer/Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86 b Anm. 28). Des Weiteren muss die angestrebte Regelung zur Abwendung einer vorgetragenen drohenden Notlage geeignet sein. Maßgebend ist zumindest hinsichtlich der Beurteilung des Anordnungsgrundes die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (OVG Hamburg, NVWZ 1990, 976, OVG Bautzen, Sächsische Verwaltungsblätter 994, 114, Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage, § 24 Anm. 480). Die begehrte Anordnung muss zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts noch dringlich sein, liegt dies nicht mehr vor, ist der Antragsteller darauf zu verweisen, den geltend gemachten Anspruch im Hauptsacheverfahren durchzusetzen. So liegt es hier.
Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners zu Übernahme von Internatskosten für die Vergangenheit. Ausdrücklich hat er seinen Antrag bereits im erstinstanzlichen Verfahren auf die Monate Dezember 2005 bis Februar 2006 begrenzt. Da streitgegenständlich somit keine laufenden Leistungen sind, ist er gehalten, den geltend gemachten Anspruch im Hauptsacheverfahren zu verfolgen.
Auch aus den zum Verfahren eingereichten Mahnschreiben des Einrichtungsträgers folgt kein Anordnungsgrund für die erstrebte Regelung durch das Gericht. Nach der zuletzt mit Datum vom 28. August 2006 vom Internatsträger erteilten "Letzten Mahnung" wird von diesem offensichtlich eine Kündigung des Betreuungsvertrages nicht mehr in Erwägung gezogen. Vielmehr wird nunmehr (nur noch) die Einleitung eines gerichtlichen Mahnverfahrens angedroht. Die Einleitung eines gerichtlichen Mahnverfahrens gegenüber den Eltern des Antragstellers stellt aber keinen den Antragsteller selbst treffenden wesentlichen Nachteil dar. Auch aus dem Umstand eines Kündigungsrechts des Internatsträgers bei Nichtzahlung der streitgegenständlichen Internatsgebühren für die Monate Dezember 2005 bis Februar 2006 folgt sofern dies überhaupt noch als Option des Internatsträgers gegeben ist kein Anordnungsgrund. Der Antragsteller hat nämlich seit August 2005 die vom Internat in Rechnung gestellten 135,00 EUR nicht gezahlt, so dass die vorgetragene Notlage (Kündigung des Betreuungsvertrages wegen Zahlungsverzuges) durch Übernahme der Kosten für die streitgegenständlichen Monate nicht abgewendet werden könnte. Denn sowohl für die Monate August bis November 2005 als auch für die Monate ab März 2006 besteht Zahlungsverzug. Die begehrte Übernahme der anteiligen Unterbringungskosten würde daher allein dazu führen, dass der Internatsträger hinsichtlich seiner Ansprüche teilweise befriedigt wird, mit der Folge, dass ihm wegen des Zahlungsrückstandes für die übrigen Monate gleichwohl ein Kündigungsrecht zustünde. Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers ist trotz eines gerichtlichen Hinweises bei der Beschränkung des Antrages verblieben (vgl. bereits Beschluss des Senats vom 9. Mai 2006 im Verfahren L 23 B 38/06 SO ER, in dem der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Vertreter der dortigen Antragstellerin war).
Dem Antragsteller ist für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen (§ 73 a Abs. 1 SGG, § 114 Abs. 1 ZPO). Dabei kommt es auf die Erfolgsaussichten seiner Rechtsverfolgung nicht an, da er in erster Instanz obsiegt und der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat (§ 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 SGG.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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