Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
9 RJ 9/04
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 21/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 7. Dezember 2004 und der Bescheid der Beklagten vom 8. Januar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2003 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbs- minderung ausgehend von dem Eintritt des Leistungsfalles im August 2003 ab 1. September 2003 zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im gesam- ten Verfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
Die 1947 geborene Klägerin war nach dem Abschluss einer Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau ca. ein Jahr als Verkäuferin und nach einer zwischenzeitlichen Familienphase von 1981 an fortlaufend als Raumpflegerin bei der Fa. S beschäftigt. Seit September 2002 war sie arbeitsunfähig krank.
Im September 2002 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung. Aufgrund ihres Nervenleidens und Gelenkbeschwerden könne sie keiner beruflichen Tätigkeit mehr nachgehen. Die Beklagte zog einen Befundbericht der Ärzte für Neurologie und Psychiatrie Dres. D und F (09/02) nebst weiteren ärztlichen Unterlagen bei und veranlasste eine gutachtliche Untersuchung der Klägerin durch Dr. M , Ärztin für Neurologie und Psychiatrie (11/02). Mit Bescheid vom 8. Januar 2003 lehnte sie den Rentenantrag ab. Die Voraussetzungen für eine Rentengewährung seien nicht gegeben. Die Klägerin leide nach den ärztlichen Feststellungen unter einem Zustand nach Querschnittsmyelitis und einem vertebragenen Schwindel. Hiermit sei sie noch in der Lage, sechs Stunden und mehr auf dem Arbeitsmarkt tätig zu sein.
Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie sei insgesamt nicht belastbar, fühle sich ständig müde und zerschlagen. Nach zwei Hörstürzen sei sie fast schwerhörig, außerdem habe sie zurzeit Probleme mit den Augen; ihre Sehleistung sei nicht mehr ausreichend. Auch sei sie der Ansicht, die Wegstrecke von 500 m nicht in 20 Minuten bewältigen zu können.
Vom 10. Januar 2003 bis zum 06. März 2003 nahm die Klägerin an einer medizinischen Maßnahme zur Rehabilitation teil, aus der sie mit den Diagnosen "rezidivierende Schwindelattacken, chronisches Halswirbelsäulensyndrom, reaktive depressive Entwicklung, Zustand nach Querschnittsmyelitis unklarer Genese 1996 mit zurückgebliebener geringfügiger Gangunsicherheit, Hypercholesterinämie" arbeitsunfähig und im Übrigen mit der Annahme eines Leistungsvermögens für 6 Stunden und mehr für leichte bis mittelschwere Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen entlassen wurde.
Die Beklagte zog neben dem Reha-Entlassungsbericht einen Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. W (06/03) bei und veranlasste eine weitere sozialmedizinische Begutachtung durch Dr. Sa , Ärztin für Neurologie und Psychiatrie (10/03). Durch Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2003 wies sie den Widerspruch zurück und führte dazu im Wesentlichen aus: Auch nach erneuter Begutachtung der Klägerin sei das in dem angefochtenen Bescheid festgestellte Leistungsvermögen nicht zu beanstanden. Die Klägerin leide unter einer leichten Störung der Bewegungskoordination nach Rückenmarksentzündung 1996 und habe mäßige Funktionseinschränkungen der Halswirbelsäule und wiederholte Schwindelzustände bei degenerativen Veränderungen und eine deutliche Bewegungseinschränkung der rechten Hand nach Fahrradunfall sowie Mittelhandfraktur. Es bestehe eine Hörminderung beidseits. Die Klägerin sei noch in der Lage, sechs Stunden und mehr leichte Arbeiten ohne Schichtarbeiten und ohne besonderen Zeitdruck sowie ohne Fremd- und Eigengefährdung zu verrichten. Zu vermeiden seien auch das Steigen auf Leitern und Gerüsten sowie Überkopfarbeiten. Auch Zwangshaltungen dürfe die Klägerin nicht einnehmen. Mit besonderen Anforderungen an die Gang- und Standsicherheit sowie an das Hörvermögen dürfe die Tätigkeit nicht verbunden sein.
Hiergegen hat die Klägerin am 14. Januar 2004 bei dem Sozialgericht Kiel Klage erhoben, zu deren Begründung sie sich auf die Widerspruchsbegründung bezogen und die Auffassung vertreten hat, die Wechselwirkung der bei ihr bestehenden Leiden sei dergestalt, dass sie ohne negative Folgen für ihre Gesundheit selbst leichte Tätigkeiten nicht mehr vollschichtig verrichten könne.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid vom 08. Januar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Das Sozialgericht hat Befundberichte von Dr. W (06/04), und Dr. D (08/04) sowie Arztbriefe, u.a. des Fachartes für Anästhesiologie Dr. Sb beigezogen, in denen vor allem über ein CRPS (Morbus Sudeck) im Bereich der rechten Hand der Klägerin berichtet wird. In der mündlichen Verhandlung am 7. Dezember 2004 hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Sachverständigenvernehmung des Arztes für Chirurgie Dr. H zu den Gesundheitsstörungen und dem Leistungsvermögen und des Verwaltungsbeamten K zu der beruflichen Verweisbarkeit der Klägerin.
Durch Urteil vom 7. Dezember 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sie sei noch in der Lage, leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen, ohne Überkopfarbeiten, ohne Arbeiten, bei denen der rechte Arm über die Horizontale gehoben werden müsse, ohne kraftvolle Arbeiten mit dem linken Arm sowie ohne feinmotorische Arbeiten aufgrund der starken Gebrauchseinschränkung der rechten Hand. Auch Tätigkeiten mit längeren Wegstrecken müssten vermieden werden sowie häufiges Klettern oder Steigen und Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Tätigkeiten auf unebenem und rutschigem Untergrund. Die Tätigkeit sollte keine Anforderungen an ein intaktes Gehör voraussetzen und nicht mit besonderem Zeitdruck oder besonderer nervlicher Belastung einhergehen. Die Klägerin sei in der Lage, Wegstrecken von 500 m in 20 Minuten zurückzulegen und dabei auch öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Die Klägerin leide überwiegend unter Gesundheitsstörungen mit Folgen für den Bewegungsapparat. Es bestehe ein Zustand nach entzündlicher Erkrankung des Rückenmarks im Februar 1996 mit verbliebener Gangunsicherheit sowie eine Verschleißumformung der Halswirbelsäule mit Bandscheibenschaden. Außerdem bestünden eine ausgeprägte Bewegungseinschränkung der rechten Schulter für Vorwärts- und Seitwärtsführung sowie für die Rückführung, ein knöchern in günstiger Stellung ausgeheilter Bruch des dritten Mittelhandknochens rechts sowie des körperfernen Speichenendes rechts mit bestehen gebliebener konzentrischer Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenks und eine ausgeprägte Gebrauchsbeeinträchtigung der rechten Hand durch Beugekontrakturen der Langfinger, die zu einem Kraftverlust der rechten Hand bei Rechtshändigkeit führten und zu eingeschränkten feinmotorischen Beweglichkeiten aufgrund der Streckhemmung und des inkompletten Faustschlusses. Weiter bestehe im Bereich der rechten Hand eine Gefäßumlaufstörung (Morbus Sudeck) mit einer belastungsabhängigen Schwellneigung der rechten Hand, welche mit Schmerzen verbunden sei. Eine Hörminderung beidseits bei Zustand nach zweimaligem Hörsturz sowie Ohrgeräusch links seien zudem zu berücksichtigen; leise Umgangssprache könne von der Klägerin nicht wahrgenommen werden. Dies habe der Sachverständige Dr. H dem Gericht nachvollziehbar erläutert. Umfangs- und Bewegungsprüfungen hätten das hier wiedergegebene Leistungsbild gezeigt. Für die Kammer sei nachvollziehbar, dass aufgrund der Gangunsicherheit der Klägerin eine Tätigkeit auf unebenem Untergrund nicht zumutbar sei. Die Gangunsicherheit wirke sich auch bei steigenden Bewegungen aus, so dass Arbeiten auf Leitern und Gerüsten ebenso auszuschließen seien. Die Verschleißumformung an der Halswirbelsäule sowie die ausgeprägte Bewegungseinschränkung der rechten Schulter führten zu Einschränkungen von Bewegungsabläufen, so dass Arbeiten über der Horizontale oder ein längeres Heben und Tragen von Lasten der Klägerin nicht zugemutet werden könnten. Ein untervollschichtiges Leistungsvermögen ergebe sich jedoch zur Überzeugung der Kammer hieraus nicht. Auch unter Berücksichtigung der psychischen Entwicklung, die besonderen Zeitdruck und besondere nervliche Belastung der Klägerin nicht mehr zumutbar erscheinen lasse, seien Anhaltspunkte für ein weiter eingeschränktes Leistungsvermögen, insbesondere in zeitlicher Hinsicht, für leichte Arbeiten nicht erkennbar. Dieses ergebe sich auch nicht aus den eingeholten Befundberichten. Dr. D als behandelter Psychiater/Neurologe der Klägerin berichte in seinem Befundbericht aus August 2004 über eine letzte Wiedervorstellung der Klägerin am 18. Mai 2004. Auch er beschreibe im Schwerpunkt, dass die Klägerin die eingeschränkte Einsetzbarkeit des rechten Armes bzw. der rechten Hand stark belaste. Dr. D beschreibe den psychischen Zustand als einen chronifizierten depressiven Erschöpfungs- und Versagenszustand. Zur Überzeugung der Kammer sei durch den Ausschluss von besonderem Zeitdruck und besonderer nervlicher Belastung diesem psychischen Bild ausreichend Rechnung getragen. Mit dem so festgestellten Leistungsvermögen sei die Klägerin nicht voll erwerbsgemindert im Sinne des Gesetzes. Sie sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt insbesondere in der Aufsicht und Kontrolle tätig zu sein. Die Kammer sei davon überzeugt, dass die Klägerin insbesondere noch als Wächterin und Pförtnerin tätig sein könne. Aus dem Leistungsbild der Klägerin seien keine Einschränkungen abzuleiten, die einer solchen Tätigkeit entgegenstünden. Soweit Herr K diesen Tätigkeiten das mangelnde Hörvermögen der Klägerin entgegen gestellt habe, sei die Kammer hiervon nicht überzeugt. Eine derartige Hörminderung, als dass solche Tätigkeiten nicht ausgeübt werden können, bestehe bei der Klägerin nicht. Sowohl bei Dr. H als auch in der mündlichen Verhandlung sei der Klägerin lediglich das Verstehen leiser Umgangssprache nicht möglich gewesen; normal laute Umgangssprache sei von ihr verstanden worden. Eine deutliche Einschränkung der Hörminderung ergebe sich auch nicht aus dem von den Hals-Nasen-Ohrenärzten B und R vorgelegten Befundbericht vom 22. November 2004. Hier sei die Diagnose der Innenohrschwerhörigkeit beidseits gestellt und auf eine Hörgeräteversorgung hingewiesen worden. Dres. B und R wiesen in diesem Bericht darauf hin, dass sich diagnostisch trotz subjektiver Hörverschlechterung beidseits reintonaudometrisch eine annähernd symmetrische Innenohrhoch- und Mitteltonschwerhörigkeit in etwa vergleichbar zu Hörbefunden 1996 darstelle. 1996 sei die Klägerin noch in der Lage gewesen, mit diesen Hörbefunden beruflich tätig zu sein. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingewandt habe, der Klägerin sei das Tragen der Hörgeräte deshalb nicht möglich, weil ihr aufgrund der Gebrauchseinschränkung der rechten Hand das Einsetzen der Hörgeräte nicht möglich sei, hätten jedenfalls die behandelnden HNO-Ärzte in dem Befundbericht vom 22. November 2004 hierauf nicht hingewiesen. Die Klägerin sei dort sogar über die Möglichkeit einer Hörgeräteneuverordnung aufgeklärt worden. Sie habe aber keine neuen Hörgeräte verschrieben bekommen wollen, sondern zunächst erproben wollen, ob sie nach der Gehörgangsreinigung besser zu Recht komme.
Gegen das ihr am 20. Januar 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16. Februar 2005 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt: Soweit das Sozialgericht sich der Wertung des Sachverständigen K , wonach ihr der Arbeitsmarkt verschlossen sei, nicht habe anschließen können mit der Begründung, sie habe bis 1996 eine berufliche Tätigkeit ausgeübt und sie habe der Verhandlung folgen können, vermöge dies nicht zu überzeugen. Für die von ihr bis 1996 ausgeübte Tätigkeit als Raumpflegerin sei ihr Hörvermögen ohne Bedeutung gewesen. Im Hinblick auf die Kommunikationsfähigkeit sei auch der Eindruck in der mündlichen Verhandlung nicht von Bedeutung, da die Verhandlung im Gerichtssaal in einer besonders geschützten Umgebung stattfinde und die Säle im Hinblick auf den möglichen Ausschluss der Öffentlichkeit schallisoliert sein müssten. Der Sachverständige K habe aber darauf hingewiesen, dass sie in jeder, also nicht nur in einer besonders schallgeschützten Situation kommunikativ tätig sein müsse. Hierin habe er auch die besondere Problematik gesehen. Der Eindruck des Gerichts entspreche auch nicht dem Eindruck des medizinischen Sachverständigen, der darauf hingewiesen habe, dass sie dem Gespräch mit ihm nur habe folgen können, wenn sie ihn auch angeschaut habe, leise Umgangssprache sei von ihr nicht verstanden und auch nur wahrgenommen worden, wenn ein direkter Blickkontakt bestanden habe. Für eine Tätigkeit im aufpassenden und kontrollierenden Bereich seien jedoch uneingeschränktes Sehen und Hören unerlässlich, da es gerade darum gehe, ungewöhnliche Situationen wahrzunehmen. Dazu gehöre es, auch unter akustisch schlechten Bedingungen uneingeschränkt hören zu können und auf die Ansprache mehrerer Personen gleichzeitig zu reagieren oder aus allgemeinen Umgebungsgeräuschen ungewöhnliche Geräusche herausfiltern zu können. Über solche Fähigkeiten verfüge sie nicht mehr und zwar selbst dann nicht, wenn man unterstelle, dass sie normale Umgangssprache verstehe. Eine Versorgung mit Hörgeräten würde an dieser Problematik nichts ändern, zumindest dann nicht, wenn es sich um so genannte Festbetragshörgeräte handele, mit denen nur ein ausreichendes, aber kein optimales Hören erreicht werde. Weitergehende Hörhilfen würden im Bereich der Sozialversicherung nicht bezahlt, sie seien ihr finanziell auch nicht zugänglich. Eine Erörterung dieser Problematik auch mit dem berufskundigen Sachverständigen habe in der mündlichen Verhandlung nicht stattgefunden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 7. Dezember 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 8. Januar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend vom Eintritt des Leistungsfalles im August 2003 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich dem angefochtenen Urteil an.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts Befundberichte der Dres. Sb und Kollegen (5/05), der Dres. D und F , der Dres. B und R und der Dres. W und Ha (jeweils 6/05) eingeholt und die Verfahrensakte S 10 SB 229/03 – SG Kiel - beigezogen. In jenem Verfahren wurde durch Anerkenntnis des beklagten Landes Schleswig-Holstein in der mündlichen Verhandlung am 20. April 2005 ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 seit August 2003 festgestellt.
In der mündlichen Verhandlung am 27. Juni 2006 hat der Senat den Arzt für HNO-Krankheiten Dr. L zu der Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin auf seinem Fachgebiet und den Verwaltungsbeamten Ka zu der Frage der beruflichen Verweisbarkeit der Klägerin vernommen. Wegen des Inhaltes der Gutachten wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Prozessakte S 10 SB 229/03 Bezug genommen, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§ 143 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist begründet. Das angefochtene Urteil und die Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und abzuändern, weil die Klägerin seit September 2003 – hierauf hat sie ihr Begehren in der mündlichen Verhandlung beschränkt - Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
Die rechtlichen Voraussetzungen des in § 43 Abs. 2 SGB VI geregelten Anspruchs sind in dem angefochtenen Urteil zutreffend wiedergegeben; hierauf nimmt der Senat entsprechend § 153 Abs. 2 SGG Bezug. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass die Klägerin die allgemeine Wartezeit von 60 Kalendermonaten und ebenso die sog. besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erfüllt, da sie in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung (mehr als) 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist die Klägerin auch voll erwerbsgemindert. Sie kann zwar noch mehr als 6 Stunden arbeitstäglich tätig sein, dies jedoch nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes; ihr ist der allgemeine Arbeitsmarkt verschlossen.
Der Senat trifft auf der Grundlage der in der Akte enthaltenen medizinischen Unterlagen einschließlich der sozialmedizinischen Gutachten sowie der am 27. Juni 2006 durchgeführten Beweisaufnahme zu den Gesundheitsstörungen und dem Leistungsvermögen der Klägerin folgende Feststellungen: 1996 trat bei der Klägerin eine Querschnittsmyelitis unklarer Genese mit Gangstörung, Bewegungsstörung, Blasen- und Darmfunktionsstörung auf. Diese bildete sich im Laufe der Zeit weitgehend zurück, es verblieben leichte Empfindungsstörungen im Bereich der Beine. Bis 2001 war die Klägerin damit noch 7 Stunden arbeitstäglich als Raumpflegerin beschäftigt, danach noch für 6 Stunden. Arbeitsunfähigkeit bestand erst seit September 2002, dies aber nicht wegen der Folgen der Myelitis, sondern wegen seit einigen Monaten bestehender, auf degenerative Veränderungen in der HWS zurückgeführter Schwindelzustände. Nachvollziehbar wurde in allen sozialmedizinischen Gutachten aus dem Residualzustand nach Myelitis keine Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin in zeitlicher Hinsicht abgeleitet, sondern nur die Beschränkung des Leistungsmaßes auf leichte Arbeiten. In dieser Beurteilung stimmen das Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. M , der Reha-Entlassungsbericht aus März 2003 (hier wurden sogar noch leichte bis mittelschwere Arbeiten für zumutbar gehalten) als auch das Gutachten der Nervenärztin Dr. Sa überein. Die dabei jeweils für erforderlich gehaltene qualitative Einschränkung betreffend Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten folgt dabei wohl sowohl aus dem verbliebenen leichten Sensibilitätsdefizit in den Beinen nach Myelitis als auch den geklagten Schwindelbeschwerden. Daneben besteht eine im Längsschnitt eher leichte psychische Störung, die ebenfalls einer Arbeitsleistung von mindestens 6 Stunden arbeitstäglich nicht entgegensteht. Bereits im Dezember 2000 wurde von den behandelnden Nervenärzten eine depressive Erschöpfung attestiert, im Oktober 2002 eine Neurasthenie. Im Entlassungsbericht über die Reha-Maßnahme Anfang 2003 wird ebenfalls eine reaktive depressive Entwicklung genannt mit einer zum damaligen Zeitpunkt ausgeprägten depressiven Symptomatik, weshalb eine zusätzliche antidepressive Medikation eingeleitet worden sei, innerhalb der kurzen Zeit aber noch ohne durchschlagenden Erfolg. Bei der Untersuchung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens im Oktober 2003 gab die Klägerin allerdings an, die behandelnde Nervenärztin habe die antidepressive Medikation bereits abgesetzt. Die Nervenärztin Dr. Sa gelangte in ihrem Gutachten deshalb zu der Einschätzung, unter Berücksichtigung der Vorgeschichte habe es sich am ehesten um eine depressiv gefärbte Anpassungsstörung gehandelt. Auch sie leitete hieraus nicht die Unterschreitung eines vollschichtigen Leistungsvermögens ab. Hinsichtlich der depressiven Störung und der neurologischen Problematik haben sich seitdem keine neuen Gesichtspunkte ergeben. Insbesondere stellte auch die Neurologin und Psychiaterin Dr. P in ihrem im April 2005 zu dem Verfahren nach dem SGB IX erstatteten Gutachten nur ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom mit depressiver Entwicklung "in Rückbildung" mit jetzt noch fassbarer leichter Angst- und Somatisierungsstörung fest, die sie mit einem GdB von 10 bewertete. Die neurologische Reststörung nach Myelitis bewertete sie mit einem GdB von 20. Beides spricht nicht für Störungen eines Ausmaßes, das die Unterschreitung eines vollschichtigen Leistungsvermögens nahe legen könnte. Aus den genannten Gesundheitsstörungen folgen die Einschränkung des Leistungsmaßes auf leichte Arbeiten und die qualitativen Einschränkungen: nicht auf Leitern und Gerüsten, ohne besonderen Zeitdruck, Fremd- und Eigengefährdung. Dr. H hat dies im Klageverfahren – nachvollziehbar - ergänzt um "keine Arbeiten auf unebenem oder rutschigem Untergrund" und "keine häufiger zurückzulegenden längeren Gehstrecken".
Eine weitere – für die Gesamtbeurteilung erhebliche – qualitative Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin ergibt sich aus den Folgen der durch einen Sturz verursachten distalen Radiusfraktur rechts, Metacarpale III-Schaftfraktur und distaler Radiusextensionsfraktur bei erneutem Sturz im August 2003. Die letztgenannten Frakturen heilten nicht komplikationslos ab, sondern es entwickelte sich ein (so die früher gängige Bezeichnung) Morbus Sudeck. Diese Diagnose findet sich u.a. in dem Bericht des Arztes für Allgemeinmedizin W aus April 2004. Zu der weiteren Entwicklung dieser Störung sind dem Bericht zahlreiche Arztbriefe des Dr. Sb , Facharzt für Anästhesiologie, beigefügt. Auch wenn diese Berichte mit den darin wiedergegeben Äußerungen der Klägerin vordergründig den Eindruck erwecken, es habe sich eine stetige Besserung der Beschwerden ergeben, teilt Dr. Sb , hieran anknüpfend, in einem Bericht aus September 2004 mit, die im Verlauf wiederholt vorgetragene Äußerung der Patientin, dass sie eigentlich ziemlich zufrieden sei, treffe nicht wirklich zu, sondern sie sei vielmehr Ausdruck der für CRPS (so die nunmehr übliche Bezeichnung für den Morbus Sudeck)-Patienten typischen "Neglect" Symptomatik. Zwar bestünden heute, d.h. über ein Jahr nach dem auslösenden Trauma, weiterhin deutlich weniger Schmerzen als früher, schon geringe Belastung der rechten Hand (Festhalten der Geldbörse, Abzählen von Geld) führe aber zu erheblichen Schmerzen. Auch heute sei noch nicht mit hinreichender Sicherheit über die zukünftige Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand zu entscheiden. Dr. H beschreibt sodann in seinem Gutachten aus Dezember 2005 eine weiterhin sehr ausgeprägte Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand. Die Klägerin könne mit dem rechten Arm keine kraftvollen Arbeiten durchführen. Es könnten aber auch keine wiederholten oder andauernden überwiegend feinmotorischen Arbeiten ausgeführt werden. Die rechte Hand sei derart eingeschränkt, dass sie von der Klägerin nur unterstützend benutzt und bei den meisten Arbeiten die linke Hand als Gebrauchshand eingesetzt werde. In den Einzelbefunden sind u.a. eine deutliche Kraftminderung, ein nur stark eingeschränkt möglicher Faustschluss (mit Abständen Finger/Hohlhand von 3 bis 6 cm) sowie nicht vollständige Streckung wegen Beugekontraktur in den Fingermittelgelenken genannt. Es bestehe auch eine schmerzhafte Schwellneigung der rechten Hand. Daneben ergab sich bei der Untersuchung durch Dr. H rechtsseitig eine Einschränkung der Handgelenks- und – wohl HWS-bedingt - auch der Schultergelenksbeweglichkeit, was zusätzlich die Einschränkung "ohne Überkopfarbeiten" und den Ausschluss von Arbeiten mit dem rechten Arm oberhalb der Horizontale bedingt.
Eine zusätzliche, insbesondere in Kombination mit der eingeschränkten Funktion der rechten Hand letztlich ausschlaggebende qualitative Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin folgt aus einer ausgeprägten Schwerhörigkeit. In der Akte findet sich dazu zunächst die wiederholte anamnestische Angabe von zwei Hörstürzen. Bereits bei der Untersuchung durch Dr. M bestand Schwerhörigkeit linksbetont. In dem Entlassungsbericht über die Reha-Maßnahme Anfang 2003 sind ein vermindertes Hörvermögen und das Tragen von Hörgeräten angegeben. Auch bei den Untersuchungen durch Dr. H (12/04) in diesem Verfahren und durch Dr. P , Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, und Dr. A , Arzt für Orthopädie (4/05), in dem Parallelverfahren gab die Klägerin jeweils Hörprobleme an. In dem ausführlichen Befundbericht der Dres. B und R aus 6/05 werden in der Zusammenfassung eine hochgradige Schwerhörigkeit rechts und eine mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit links im streng gutachterlichen Sinne attestiert. Mit diesem Hörvermögen sei von einer erheblichen Einschränkung im Gespräch, besonders in der Gruppe oder im Störlärm auszugehen. Dies hat die Beweisaufnahme des Senats bestätigt. Danach besteht bei der Klägerin eine beidseitige mittelgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit mit einer zusätzlichen übermäßigen Geräuschempfindlichkeit (sog. Hyperakusis). Typisches Zeichen hierfür ist nach den Ausführungen des Sachverständigen die Abnahme der Bandbreite zwischen Hörschwelle und Unbehaglichkeitsschwelle. Wegen der Gesundheitsstörung auf dem hno-ärztlichen Fachgebiet ist die Klägerin nicht mehr in der Lage, Tätigkeiten auszuführen, die ein intaktes Hörvermögen erfordern wie Einsätze an akustischen Signalanlagen, Fahrerin von öffentlichen Verkehrsmitteln, ebenso ein Einsatz als Wächterin oder an Telefonanlagen. Auch Arbeiten mit erhöhten Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit bei gleichzeitigem Störlärm wie etwa Tätigkeiten in größeren Geschäftsräumen sind ihr nicht zumutbar. Deutliche Einschränkungen bestehen nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. L aber auch dann, wenn nur durchschnittliche Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit gestellt werden. Die Klägerin kann eine solche Tätigkeit allenfalls 6 Stunden täglich verrichten, weil dabei für sie ständig eine erhöhte Konzentration auf den Gesprächspartner erforderlich ist. Insoweit hat sich aus dem Dialog der Sachverständigen Dr. L und Ka in der mündlichen Verhandlung eine weitere Konkretisierung ergeben, die der Sachverständige Ka in der schriftlichen Zusammenfassung seines mündlich erstatteten Gutachtens zutreffend wiedergegeben hat. Der Sachverständige Dr. L hat sinngemäß erläutert, dass er auch bei Tätigkeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an das Hörvermögen etwa von der doppelten Konzentrationsleistung der Klägerin gegenüber einer Versicherten mit normalem Hörvermögen ausgehe. Hieraus folgt jedoch zugleich, dass bereits Tätigkeiten, die mit nur durchschnittlichen Anforderungen an Hörvermögen und Kommunikationsfähigkeit verbunden sind, für die Klägerin eine besondere nervliche Belastung bedeuten, die aufgrund der Gesundheitsstörungen auf dem nervenärztlichen Fachgebiet auszuschließen ist. Die in den nervenärztlichen Gutachten genannte Einschränkung "ohne besonderen Zeitdruck", die aus der eingeschränkten nervlichen Belastbarkeit der Klägerin folgt, beinhaltet insoweit nur ein Beispiel einer besonderen nervlichen Belastung, die insgesamt zu vermeiden ist, um nicht eine Verschlechterung der psychischen Beeinträchtigung zu provozieren.
In der Summierung der genannten qualitativen Einschränkungen ist der Klägerin der allgemeine Arbeitsmarkt verschlossen. Zu dieser Einschätzung sind die berufkundigen Sachverständigen K und Ka übereinstimmend gelangt, und der Senat hält dies - auch aufgrund seiner Erkenntnisse aus einer Vielzahl von Verfahren mit auf das allgemeine Arbeitsfeld verweisbaren Versicherten - für überzeugend. Da, was keiner näheren Erörterung bedarf und zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, die typischen manuellen Arbeiten mit hoher Wiederholungsfrequenz bestimmter Handgriffe wie insbesondere Pack- und Sortier-, Prüf- und Kontrolltätigkeiten angesichts der Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand ausscheiden und die Klägerin aus der Jahrzehnte zurückliegenden Ausbildung als Einzelhandelskauffrau keine im Arbeitsleben auf höherer Ebene verwertbaren Kenntnisse mehr einbringt, bleiben nur die von dem Sachverständigen K allein noch diskutierten, wegen des eingeschränkten Hörvermögens von ihm aber nicht für möglich gehaltenen Überwachungstätigkeiten, auf die das Sozialgericht die Klägerin verwiesen hat. Die hiervon abweichende Auffassung des Sachverständigen K hat sich durch die Vernehmung des berufskundigen Sachverständigen Ka nach Durchführung der Beweisaufnahme auf dem hno-ärztlichen Fachgebiet bestätigt. Danach kommt die Klägerin zunächst nicht für Kassiertätigkeiten in Freizeiteinrichtungen in Betracht. Zum einen handelt es sich um Tätigkeiten mit fortlaufendem Publikumsverkehr, so dass die bereits dargelegte erhöhte nervliche Belastung im Zusammenhang mit der Notwendigkeit ständiger erhöhter Konzentration anfällt. Außerdem treten im Zusammenhang mit größeren Besuchergruppen, insbesondere Schulklassen, zumindest zeitweise erhebliche Nebengeräusche auf; den damit verbundenen erhöhten Anforderungen an das Hörvermögen ist die Klägerin unter Zugrundelegung der Beurteilung durch den Sachverständigen Dr. L nicht gewachsen. Zu Störgeräuschen kommt es auch bei Pförtnertätigkeiten. Zudem muss ein Pförtner stets in der Lage sein, ungewöhnliche Geräusche wahrzunehmen und darauf zu reagieren; hierzu ist die Klägerin aufgrund des eingeschränkten Hörvermögens nicht in der Lage. Auch eine Museumsaufsicht muss über ein gutes Hörvermögen verfügen, sie muss mit Besuchern kommunizieren und auf ungewöhnliche Geräusche achten und diese zuverlässig wahrnehmen können.
Die Klägerin hat damit, ausgehend von einem im August 2003 mit der Fraktur im Bereich der rechten Hand mit kompliziertem Heilungsverlauf und dem sich anschließenden Morbus Sudeck eingetretenen Leistungsfall seit dem 1. September 2003 (vgl. § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Rentengewährung ist nicht zu befristen, weil es sich bei einem verschlossenen Arbeitsmarkt um eine Rentengewährung unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage handelt und eine Besserung des Leistungsvermögens der Klägerin in den hier für die Feststellung der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes entscheidenden Bereichen (Hörvermögen, Funktion der rechten Hand) unter Zugrundelegung der medizinischen Feststellungen unwahrscheinlich ist (§ 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
Die 1947 geborene Klägerin war nach dem Abschluss einer Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau ca. ein Jahr als Verkäuferin und nach einer zwischenzeitlichen Familienphase von 1981 an fortlaufend als Raumpflegerin bei der Fa. S beschäftigt. Seit September 2002 war sie arbeitsunfähig krank.
Im September 2002 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung. Aufgrund ihres Nervenleidens und Gelenkbeschwerden könne sie keiner beruflichen Tätigkeit mehr nachgehen. Die Beklagte zog einen Befundbericht der Ärzte für Neurologie und Psychiatrie Dres. D und F (09/02) nebst weiteren ärztlichen Unterlagen bei und veranlasste eine gutachtliche Untersuchung der Klägerin durch Dr. M , Ärztin für Neurologie und Psychiatrie (11/02). Mit Bescheid vom 8. Januar 2003 lehnte sie den Rentenantrag ab. Die Voraussetzungen für eine Rentengewährung seien nicht gegeben. Die Klägerin leide nach den ärztlichen Feststellungen unter einem Zustand nach Querschnittsmyelitis und einem vertebragenen Schwindel. Hiermit sei sie noch in der Lage, sechs Stunden und mehr auf dem Arbeitsmarkt tätig zu sein.
Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie sei insgesamt nicht belastbar, fühle sich ständig müde und zerschlagen. Nach zwei Hörstürzen sei sie fast schwerhörig, außerdem habe sie zurzeit Probleme mit den Augen; ihre Sehleistung sei nicht mehr ausreichend. Auch sei sie der Ansicht, die Wegstrecke von 500 m nicht in 20 Minuten bewältigen zu können.
Vom 10. Januar 2003 bis zum 06. März 2003 nahm die Klägerin an einer medizinischen Maßnahme zur Rehabilitation teil, aus der sie mit den Diagnosen "rezidivierende Schwindelattacken, chronisches Halswirbelsäulensyndrom, reaktive depressive Entwicklung, Zustand nach Querschnittsmyelitis unklarer Genese 1996 mit zurückgebliebener geringfügiger Gangunsicherheit, Hypercholesterinämie" arbeitsunfähig und im Übrigen mit der Annahme eines Leistungsvermögens für 6 Stunden und mehr für leichte bis mittelschwere Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen entlassen wurde.
Die Beklagte zog neben dem Reha-Entlassungsbericht einen Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. W (06/03) bei und veranlasste eine weitere sozialmedizinische Begutachtung durch Dr. Sa , Ärztin für Neurologie und Psychiatrie (10/03). Durch Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2003 wies sie den Widerspruch zurück und führte dazu im Wesentlichen aus: Auch nach erneuter Begutachtung der Klägerin sei das in dem angefochtenen Bescheid festgestellte Leistungsvermögen nicht zu beanstanden. Die Klägerin leide unter einer leichten Störung der Bewegungskoordination nach Rückenmarksentzündung 1996 und habe mäßige Funktionseinschränkungen der Halswirbelsäule und wiederholte Schwindelzustände bei degenerativen Veränderungen und eine deutliche Bewegungseinschränkung der rechten Hand nach Fahrradunfall sowie Mittelhandfraktur. Es bestehe eine Hörminderung beidseits. Die Klägerin sei noch in der Lage, sechs Stunden und mehr leichte Arbeiten ohne Schichtarbeiten und ohne besonderen Zeitdruck sowie ohne Fremd- und Eigengefährdung zu verrichten. Zu vermeiden seien auch das Steigen auf Leitern und Gerüsten sowie Überkopfarbeiten. Auch Zwangshaltungen dürfe die Klägerin nicht einnehmen. Mit besonderen Anforderungen an die Gang- und Standsicherheit sowie an das Hörvermögen dürfe die Tätigkeit nicht verbunden sein.
Hiergegen hat die Klägerin am 14. Januar 2004 bei dem Sozialgericht Kiel Klage erhoben, zu deren Begründung sie sich auf die Widerspruchsbegründung bezogen und die Auffassung vertreten hat, die Wechselwirkung der bei ihr bestehenden Leiden sei dergestalt, dass sie ohne negative Folgen für ihre Gesundheit selbst leichte Tätigkeiten nicht mehr vollschichtig verrichten könne.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid vom 08. Januar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Das Sozialgericht hat Befundberichte von Dr. W (06/04), und Dr. D (08/04) sowie Arztbriefe, u.a. des Fachartes für Anästhesiologie Dr. Sb beigezogen, in denen vor allem über ein CRPS (Morbus Sudeck) im Bereich der rechten Hand der Klägerin berichtet wird. In der mündlichen Verhandlung am 7. Dezember 2004 hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Sachverständigenvernehmung des Arztes für Chirurgie Dr. H zu den Gesundheitsstörungen und dem Leistungsvermögen und des Verwaltungsbeamten K zu der beruflichen Verweisbarkeit der Klägerin.
Durch Urteil vom 7. Dezember 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sie sei noch in der Lage, leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen, ohne Überkopfarbeiten, ohne Arbeiten, bei denen der rechte Arm über die Horizontale gehoben werden müsse, ohne kraftvolle Arbeiten mit dem linken Arm sowie ohne feinmotorische Arbeiten aufgrund der starken Gebrauchseinschränkung der rechten Hand. Auch Tätigkeiten mit längeren Wegstrecken müssten vermieden werden sowie häufiges Klettern oder Steigen und Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Tätigkeiten auf unebenem und rutschigem Untergrund. Die Tätigkeit sollte keine Anforderungen an ein intaktes Gehör voraussetzen und nicht mit besonderem Zeitdruck oder besonderer nervlicher Belastung einhergehen. Die Klägerin sei in der Lage, Wegstrecken von 500 m in 20 Minuten zurückzulegen und dabei auch öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Die Klägerin leide überwiegend unter Gesundheitsstörungen mit Folgen für den Bewegungsapparat. Es bestehe ein Zustand nach entzündlicher Erkrankung des Rückenmarks im Februar 1996 mit verbliebener Gangunsicherheit sowie eine Verschleißumformung der Halswirbelsäule mit Bandscheibenschaden. Außerdem bestünden eine ausgeprägte Bewegungseinschränkung der rechten Schulter für Vorwärts- und Seitwärtsführung sowie für die Rückführung, ein knöchern in günstiger Stellung ausgeheilter Bruch des dritten Mittelhandknochens rechts sowie des körperfernen Speichenendes rechts mit bestehen gebliebener konzentrischer Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenks und eine ausgeprägte Gebrauchsbeeinträchtigung der rechten Hand durch Beugekontrakturen der Langfinger, die zu einem Kraftverlust der rechten Hand bei Rechtshändigkeit führten und zu eingeschränkten feinmotorischen Beweglichkeiten aufgrund der Streckhemmung und des inkompletten Faustschlusses. Weiter bestehe im Bereich der rechten Hand eine Gefäßumlaufstörung (Morbus Sudeck) mit einer belastungsabhängigen Schwellneigung der rechten Hand, welche mit Schmerzen verbunden sei. Eine Hörminderung beidseits bei Zustand nach zweimaligem Hörsturz sowie Ohrgeräusch links seien zudem zu berücksichtigen; leise Umgangssprache könne von der Klägerin nicht wahrgenommen werden. Dies habe der Sachverständige Dr. H dem Gericht nachvollziehbar erläutert. Umfangs- und Bewegungsprüfungen hätten das hier wiedergegebene Leistungsbild gezeigt. Für die Kammer sei nachvollziehbar, dass aufgrund der Gangunsicherheit der Klägerin eine Tätigkeit auf unebenem Untergrund nicht zumutbar sei. Die Gangunsicherheit wirke sich auch bei steigenden Bewegungen aus, so dass Arbeiten auf Leitern und Gerüsten ebenso auszuschließen seien. Die Verschleißumformung an der Halswirbelsäule sowie die ausgeprägte Bewegungseinschränkung der rechten Schulter führten zu Einschränkungen von Bewegungsabläufen, so dass Arbeiten über der Horizontale oder ein längeres Heben und Tragen von Lasten der Klägerin nicht zugemutet werden könnten. Ein untervollschichtiges Leistungsvermögen ergebe sich jedoch zur Überzeugung der Kammer hieraus nicht. Auch unter Berücksichtigung der psychischen Entwicklung, die besonderen Zeitdruck und besondere nervliche Belastung der Klägerin nicht mehr zumutbar erscheinen lasse, seien Anhaltspunkte für ein weiter eingeschränktes Leistungsvermögen, insbesondere in zeitlicher Hinsicht, für leichte Arbeiten nicht erkennbar. Dieses ergebe sich auch nicht aus den eingeholten Befundberichten. Dr. D als behandelter Psychiater/Neurologe der Klägerin berichte in seinem Befundbericht aus August 2004 über eine letzte Wiedervorstellung der Klägerin am 18. Mai 2004. Auch er beschreibe im Schwerpunkt, dass die Klägerin die eingeschränkte Einsetzbarkeit des rechten Armes bzw. der rechten Hand stark belaste. Dr. D beschreibe den psychischen Zustand als einen chronifizierten depressiven Erschöpfungs- und Versagenszustand. Zur Überzeugung der Kammer sei durch den Ausschluss von besonderem Zeitdruck und besonderer nervlicher Belastung diesem psychischen Bild ausreichend Rechnung getragen. Mit dem so festgestellten Leistungsvermögen sei die Klägerin nicht voll erwerbsgemindert im Sinne des Gesetzes. Sie sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt insbesondere in der Aufsicht und Kontrolle tätig zu sein. Die Kammer sei davon überzeugt, dass die Klägerin insbesondere noch als Wächterin und Pförtnerin tätig sein könne. Aus dem Leistungsbild der Klägerin seien keine Einschränkungen abzuleiten, die einer solchen Tätigkeit entgegenstünden. Soweit Herr K diesen Tätigkeiten das mangelnde Hörvermögen der Klägerin entgegen gestellt habe, sei die Kammer hiervon nicht überzeugt. Eine derartige Hörminderung, als dass solche Tätigkeiten nicht ausgeübt werden können, bestehe bei der Klägerin nicht. Sowohl bei Dr. H als auch in der mündlichen Verhandlung sei der Klägerin lediglich das Verstehen leiser Umgangssprache nicht möglich gewesen; normal laute Umgangssprache sei von ihr verstanden worden. Eine deutliche Einschränkung der Hörminderung ergebe sich auch nicht aus dem von den Hals-Nasen-Ohrenärzten B und R vorgelegten Befundbericht vom 22. November 2004. Hier sei die Diagnose der Innenohrschwerhörigkeit beidseits gestellt und auf eine Hörgeräteversorgung hingewiesen worden. Dres. B und R wiesen in diesem Bericht darauf hin, dass sich diagnostisch trotz subjektiver Hörverschlechterung beidseits reintonaudometrisch eine annähernd symmetrische Innenohrhoch- und Mitteltonschwerhörigkeit in etwa vergleichbar zu Hörbefunden 1996 darstelle. 1996 sei die Klägerin noch in der Lage gewesen, mit diesen Hörbefunden beruflich tätig zu sein. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingewandt habe, der Klägerin sei das Tragen der Hörgeräte deshalb nicht möglich, weil ihr aufgrund der Gebrauchseinschränkung der rechten Hand das Einsetzen der Hörgeräte nicht möglich sei, hätten jedenfalls die behandelnden HNO-Ärzte in dem Befundbericht vom 22. November 2004 hierauf nicht hingewiesen. Die Klägerin sei dort sogar über die Möglichkeit einer Hörgeräteneuverordnung aufgeklärt worden. Sie habe aber keine neuen Hörgeräte verschrieben bekommen wollen, sondern zunächst erproben wollen, ob sie nach der Gehörgangsreinigung besser zu Recht komme.
Gegen das ihr am 20. Januar 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16. Februar 2005 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt: Soweit das Sozialgericht sich der Wertung des Sachverständigen K , wonach ihr der Arbeitsmarkt verschlossen sei, nicht habe anschließen können mit der Begründung, sie habe bis 1996 eine berufliche Tätigkeit ausgeübt und sie habe der Verhandlung folgen können, vermöge dies nicht zu überzeugen. Für die von ihr bis 1996 ausgeübte Tätigkeit als Raumpflegerin sei ihr Hörvermögen ohne Bedeutung gewesen. Im Hinblick auf die Kommunikationsfähigkeit sei auch der Eindruck in der mündlichen Verhandlung nicht von Bedeutung, da die Verhandlung im Gerichtssaal in einer besonders geschützten Umgebung stattfinde und die Säle im Hinblick auf den möglichen Ausschluss der Öffentlichkeit schallisoliert sein müssten. Der Sachverständige K habe aber darauf hingewiesen, dass sie in jeder, also nicht nur in einer besonders schallgeschützten Situation kommunikativ tätig sein müsse. Hierin habe er auch die besondere Problematik gesehen. Der Eindruck des Gerichts entspreche auch nicht dem Eindruck des medizinischen Sachverständigen, der darauf hingewiesen habe, dass sie dem Gespräch mit ihm nur habe folgen können, wenn sie ihn auch angeschaut habe, leise Umgangssprache sei von ihr nicht verstanden und auch nur wahrgenommen worden, wenn ein direkter Blickkontakt bestanden habe. Für eine Tätigkeit im aufpassenden und kontrollierenden Bereich seien jedoch uneingeschränktes Sehen und Hören unerlässlich, da es gerade darum gehe, ungewöhnliche Situationen wahrzunehmen. Dazu gehöre es, auch unter akustisch schlechten Bedingungen uneingeschränkt hören zu können und auf die Ansprache mehrerer Personen gleichzeitig zu reagieren oder aus allgemeinen Umgebungsgeräuschen ungewöhnliche Geräusche herausfiltern zu können. Über solche Fähigkeiten verfüge sie nicht mehr und zwar selbst dann nicht, wenn man unterstelle, dass sie normale Umgangssprache verstehe. Eine Versorgung mit Hörgeräten würde an dieser Problematik nichts ändern, zumindest dann nicht, wenn es sich um so genannte Festbetragshörgeräte handele, mit denen nur ein ausreichendes, aber kein optimales Hören erreicht werde. Weitergehende Hörhilfen würden im Bereich der Sozialversicherung nicht bezahlt, sie seien ihr finanziell auch nicht zugänglich. Eine Erörterung dieser Problematik auch mit dem berufskundigen Sachverständigen habe in der mündlichen Verhandlung nicht stattgefunden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 7. Dezember 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 8. Januar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend vom Eintritt des Leistungsfalles im August 2003 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich dem angefochtenen Urteil an.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts Befundberichte der Dres. Sb und Kollegen (5/05), der Dres. D und F , der Dres. B und R und der Dres. W und Ha (jeweils 6/05) eingeholt und die Verfahrensakte S 10 SB 229/03 – SG Kiel - beigezogen. In jenem Verfahren wurde durch Anerkenntnis des beklagten Landes Schleswig-Holstein in der mündlichen Verhandlung am 20. April 2005 ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 seit August 2003 festgestellt.
In der mündlichen Verhandlung am 27. Juni 2006 hat der Senat den Arzt für HNO-Krankheiten Dr. L zu der Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin auf seinem Fachgebiet und den Verwaltungsbeamten Ka zu der Frage der beruflichen Verweisbarkeit der Klägerin vernommen. Wegen des Inhaltes der Gutachten wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Prozessakte S 10 SB 229/03 Bezug genommen, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§ 143 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist begründet. Das angefochtene Urteil und die Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und abzuändern, weil die Klägerin seit September 2003 – hierauf hat sie ihr Begehren in der mündlichen Verhandlung beschränkt - Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
Die rechtlichen Voraussetzungen des in § 43 Abs. 2 SGB VI geregelten Anspruchs sind in dem angefochtenen Urteil zutreffend wiedergegeben; hierauf nimmt der Senat entsprechend § 153 Abs. 2 SGG Bezug. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass die Klägerin die allgemeine Wartezeit von 60 Kalendermonaten und ebenso die sog. besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erfüllt, da sie in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung (mehr als) 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist die Klägerin auch voll erwerbsgemindert. Sie kann zwar noch mehr als 6 Stunden arbeitstäglich tätig sein, dies jedoch nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes; ihr ist der allgemeine Arbeitsmarkt verschlossen.
Der Senat trifft auf der Grundlage der in der Akte enthaltenen medizinischen Unterlagen einschließlich der sozialmedizinischen Gutachten sowie der am 27. Juni 2006 durchgeführten Beweisaufnahme zu den Gesundheitsstörungen und dem Leistungsvermögen der Klägerin folgende Feststellungen: 1996 trat bei der Klägerin eine Querschnittsmyelitis unklarer Genese mit Gangstörung, Bewegungsstörung, Blasen- und Darmfunktionsstörung auf. Diese bildete sich im Laufe der Zeit weitgehend zurück, es verblieben leichte Empfindungsstörungen im Bereich der Beine. Bis 2001 war die Klägerin damit noch 7 Stunden arbeitstäglich als Raumpflegerin beschäftigt, danach noch für 6 Stunden. Arbeitsunfähigkeit bestand erst seit September 2002, dies aber nicht wegen der Folgen der Myelitis, sondern wegen seit einigen Monaten bestehender, auf degenerative Veränderungen in der HWS zurückgeführter Schwindelzustände. Nachvollziehbar wurde in allen sozialmedizinischen Gutachten aus dem Residualzustand nach Myelitis keine Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin in zeitlicher Hinsicht abgeleitet, sondern nur die Beschränkung des Leistungsmaßes auf leichte Arbeiten. In dieser Beurteilung stimmen das Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. M , der Reha-Entlassungsbericht aus März 2003 (hier wurden sogar noch leichte bis mittelschwere Arbeiten für zumutbar gehalten) als auch das Gutachten der Nervenärztin Dr. Sa überein. Die dabei jeweils für erforderlich gehaltene qualitative Einschränkung betreffend Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten folgt dabei wohl sowohl aus dem verbliebenen leichten Sensibilitätsdefizit in den Beinen nach Myelitis als auch den geklagten Schwindelbeschwerden. Daneben besteht eine im Längsschnitt eher leichte psychische Störung, die ebenfalls einer Arbeitsleistung von mindestens 6 Stunden arbeitstäglich nicht entgegensteht. Bereits im Dezember 2000 wurde von den behandelnden Nervenärzten eine depressive Erschöpfung attestiert, im Oktober 2002 eine Neurasthenie. Im Entlassungsbericht über die Reha-Maßnahme Anfang 2003 wird ebenfalls eine reaktive depressive Entwicklung genannt mit einer zum damaligen Zeitpunkt ausgeprägten depressiven Symptomatik, weshalb eine zusätzliche antidepressive Medikation eingeleitet worden sei, innerhalb der kurzen Zeit aber noch ohne durchschlagenden Erfolg. Bei der Untersuchung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens im Oktober 2003 gab die Klägerin allerdings an, die behandelnde Nervenärztin habe die antidepressive Medikation bereits abgesetzt. Die Nervenärztin Dr. Sa gelangte in ihrem Gutachten deshalb zu der Einschätzung, unter Berücksichtigung der Vorgeschichte habe es sich am ehesten um eine depressiv gefärbte Anpassungsstörung gehandelt. Auch sie leitete hieraus nicht die Unterschreitung eines vollschichtigen Leistungsvermögens ab. Hinsichtlich der depressiven Störung und der neurologischen Problematik haben sich seitdem keine neuen Gesichtspunkte ergeben. Insbesondere stellte auch die Neurologin und Psychiaterin Dr. P in ihrem im April 2005 zu dem Verfahren nach dem SGB IX erstatteten Gutachten nur ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom mit depressiver Entwicklung "in Rückbildung" mit jetzt noch fassbarer leichter Angst- und Somatisierungsstörung fest, die sie mit einem GdB von 10 bewertete. Die neurologische Reststörung nach Myelitis bewertete sie mit einem GdB von 20. Beides spricht nicht für Störungen eines Ausmaßes, das die Unterschreitung eines vollschichtigen Leistungsvermögens nahe legen könnte. Aus den genannten Gesundheitsstörungen folgen die Einschränkung des Leistungsmaßes auf leichte Arbeiten und die qualitativen Einschränkungen: nicht auf Leitern und Gerüsten, ohne besonderen Zeitdruck, Fremd- und Eigengefährdung. Dr. H hat dies im Klageverfahren – nachvollziehbar - ergänzt um "keine Arbeiten auf unebenem oder rutschigem Untergrund" und "keine häufiger zurückzulegenden längeren Gehstrecken".
Eine weitere – für die Gesamtbeurteilung erhebliche – qualitative Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin ergibt sich aus den Folgen der durch einen Sturz verursachten distalen Radiusfraktur rechts, Metacarpale III-Schaftfraktur und distaler Radiusextensionsfraktur bei erneutem Sturz im August 2003. Die letztgenannten Frakturen heilten nicht komplikationslos ab, sondern es entwickelte sich ein (so die früher gängige Bezeichnung) Morbus Sudeck. Diese Diagnose findet sich u.a. in dem Bericht des Arztes für Allgemeinmedizin W aus April 2004. Zu der weiteren Entwicklung dieser Störung sind dem Bericht zahlreiche Arztbriefe des Dr. Sb , Facharzt für Anästhesiologie, beigefügt. Auch wenn diese Berichte mit den darin wiedergegeben Äußerungen der Klägerin vordergründig den Eindruck erwecken, es habe sich eine stetige Besserung der Beschwerden ergeben, teilt Dr. Sb , hieran anknüpfend, in einem Bericht aus September 2004 mit, die im Verlauf wiederholt vorgetragene Äußerung der Patientin, dass sie eigentlich ziemlich zufrieden sei, treffe nicht wirklich zu, sondern sie sei vielmehr Ausdruck der für CRPS (so die nunmehr übliche Bezeichnung für den Morbus Sudeck)-Patienten typischen "Neglect" Symptomatik. Zwar bestünden heute, d.h. über ein Jahr nach dem auslösenden Trauma, weiterhin deutlich weniger Schmerzen als früher, schon geringe Belastung der rechten Hand (Festhalten der Geldbörse, Abzählen von Geld) führe aber zu erheblichen Schmerzen. Auch heute sei noch nicht mit hinreichender Sicherheit über die zukünftige Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand zu entscheiden. Dr. H beschreibt sodann in seinem Gutachten aus Dezember 2005 eine weiterhin sehr ausgeprägte Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand. Die Klägerin könne mit dem rechten Arm keine kraftvollen Arbeiten durchführen. Es könnten aber auch keine wiederholten oder andauernden überwiegend feinmotorischen Arbeiten ausgeführt werden. Die rechte Hand sei derart eingeschränkt, dass sie von der Klägerin nur unterstützend benutzt und bei den meisten Arbeiten die linke Hand als Gebrauchshand eingesetzt werde. In den Einzelbefunden sind u.a. eine deutliche Kraftminderung, ein nur stark eingeschränkt möglicher Faustschluss (mit Abständen Finger/Hohlhand von 3 bis 6 cm) sowie nicht vollständige Streckung wegen Beugekontraktur in den Fingermittelgelenken genannt. Es bestehe auch eine schmerzhafte Schwellneigung der rechten Hand. Daneben ergab sich bei der Untersuchung durch Dr. H rechtsseitig eine Einschränkung der Handgelenks- und – wohl HWS-bedingt - auch der Schultergelenksbeweglichkeit, was zusätzlich die Einschränkung "ohne Überkopfarbeiten" und den Ausschluss von Arbeiten mit dem rechten Arm oberhalb der Horizontale bedingt.
Eine zusätzliche, insbesondere in Kombination mit der eingeschränkten Funktion der rechten Hand letztlich ausschlaggebende qualitative Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin folgt aus einer ausgeprägten Schwerhörigkeit. In der Akte findet sich dazu zunächst die wiederholte anamnestische Angabe von zwei Hörstürzen. Bereits bei der Untersuchung durch Dr. M bestand Schwerhörigkeit linksbetont. In dem Entlassungsbericht über die Reha-Maßnahme Anfang 2003 sind ein vermindertes Hörvermögen und das Tragen von Hörgeräten angegeben. Auch bei den Untersuchungen durch Dr. H (12/04) in diesem Verfahren und durch Dr. P , Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, und Dr. A , Arzt für Orthopädie (4/05), in dem Parallelverfahren gab die Klägerin jeweils Hörprobleme an. In dem ausführlichen Befundbericht der Dres. B und R aus 6/05 werden in der Zusammenfassung eine hochgradige Schwerhörigkeit rechts und eine mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit links im streng gutachterlichen Sinne attestiert. Mit diesem Hörvermögen sei von einer erheblichen Einschränkung im Gespräch, besonders in der Gruppe oder im Störlärm auszugehen. Dies hat die Beweisaufnahme des Senats bestätigt. Danach besteht bei der Klägerin eine beidseitige mittelgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit mit einer zusätzlichen übermäßigen Geräuschempfindlichkeit (sog. Hyperakusis). Typisches Zeichen hierfür ist nach den Ausführungen des Sachverständigen die Abnahme der Bandbreite zwischen Hörschwelle und Unbehaglichkeitsschwelle. Wegen der Gesundheitsstörung auf dem hno-ärztlichen Fachgebiet ist die Klägerin nicht mehr in der Lage, Tätigkeiten auszuführen, die ein intaktes Hörvermögen erfordern wie Einsätze an akustischen Signalanlagen, Fahrerin von öffentlichen Verkehrsmitteln, ebenso ein Einsatz als Wächterin oder an Telefonanlagen. Auch Arbeiten mit erhöhten Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit bei gleichzeitigem Störlärm wie etwa Tätigkeiten in größeren Geschäftsräumen sind ihr nicht zumutbar. Deutliche Einschränkungen bestehen nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. L aber auch dann, wenn nur durchschnittliche Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit gestellt werden. Die Klägerin kann eine solche Tätigkeit allenfalls 6 Stunden täglich verrichten, weil dabei für sie ständig eine erhöhte Konzentration auf den Gesprächspartner erforderlich ist. Insoweit hat sich aus dem Dialog der Sachverständigen Dr. L und Ka in der mündlichen Verhandlung eine weitere Konkretisierung ergeben, die der Sachverständige Ka in der schriftlichen Zusammenfassung seines mündlich erstatteten Gutachtens zutreffend wiedergegeben hat. Der Sachverständige Dr. L hat sinngemäß erläutert, dass er auch bei Tätigkeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an das Hörvermögen etwa von der doppelten Konzentrationsleistung der Klägerin gegenüber einer Versicherten mit normalem Hörvermögen ausgehe. Hieraus folgt jedoch zugleich, dass bereits Tätigkeiten, die mit nur durchschnittlichen Anforderungen an Hörvermögen und Kommunikationsfähigkeit verbunden sind, für die Klägerin eine besondere nervliche Belastung bedeuten, die aufgrund der Gesundheitsstörungen auf dem nervenärztlichen Fachgebiet auszuschließen ist. Die in den nervenärztlichen Gutachten genannte Einschränkung "ohne besonderen Zeitdruck", die aus der eingeschränkten nervlichen Belastbarkeit der Klägerin folgt, beinhaltet insoweit nur ein Beispiel einer besonderen nervlichen Belastung, die insgesamt zu vermeiden ist, um nicht eine Verschlechterung der psychischen Beeinträchtigung zu provozieren.
In der Summierung der genannten qualitativen Einschränkungen ist der Klägerin der allgemeine Arbeitsmarkt verschlossen. Zu dieser Einschätzung sind die berufkundigen Sachverständigen K und Ka übereinstimmend gelangt, und der Senat hält dies - auch aufgrund seiner Erkenntnisse aus einer Vielzahl von Verfahren mit auf das allgemeine Arbeitsfeld verweisbaren Versicherten - für überzeugend. Da, was keiner näheren Erörterung bedarf und zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, die typischen manuellen Arbeiten mit hoher Wiederholungsfrequenz bestimmter Handgriffe wie insbesondere Pack- und Sortier-, Prüf- und Kontrolltätigkeiten angesichts der Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand ausscheiden und die Klägerin aus der Jahrzehnte zurückliegenden Ausbildung als Einzelhandelskauffrau keine im Arbeitsleben auf höherer Ebene verwertbaren Kenntnisse mehr einbringt, bleiben nur die von dem Sachverständigen K allein noch diskutierten, wegen des eingeschränkten Hörvermögens von ihm aber nicht für möglich gehaltenen Überwachungstätigkeiten, auf die das Sozialgericht die Klägerin verwiesen hat. Die hiervon abweichende Auffassung des Sachverständigen K hat sich durch die Vernehmung des berufskundigen Sachverständigen Ka nach Durchführung der Beweisaufnahme auf dem hno-ärztlichen Fachgebiet bestätigt. Danach kommt die Klägerin zunächst nicht für Kassiertätigkeiten in Freizeiteinrichtungen in Betracht. Zum einen handelt es sich um Tätigkeiten mit fortlaufendem Publikumsverkehr, so dass die bereits dargelegte erhöhte nervliche Belastung im Zusammenhang mit der Notwendigkeit ständiger erhöhter Konzentration anfällt. Außerdem treten im Zusammenhang mit größeren Besuchergruppen, insbesondere Schulklassen, zumindest zeitweise erhebliche Nebengeräusche auf; den damit verbundenen erhöhten Anforderungen an das Hörvermögen ist die Klägerin unter Zugrundelegung der Beurteilung durch den Sachverständigen Dr. L nicht gewachsen. Zu Störgeräuschen kommt es auch bei Pförtnertätigkeiten. Zudem muss ein Pförtner stets in der Lage sein, ungewöhnliche Geräusche wahrzunehmen und darauf zu reagieren; hierzu ist die Klägerin aufgrund des eingeschränkten Hörvermögens nicht in der Lage. Auch eine Museumsaufsicht muss über ein gutes Hörvermögen verfügen, sie muss mit Besuchern kommunizieren und auf ungewöhnliche Geräusche achten und diese zuverlässig wahrnehmen können.
Die Klägerin hat damit, ausgehend von einem im August 2003 mit der Fraktur im Bereich der rechten Hand mit kompliziertem Heilungsverlauf und dem sich anschließenden Morbus Sudeck eingetretenen Leistungsfall seit dem 1. September 2003 (vgl. § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Rentengewährung ist nicht zu befristen, weil es sich bei einem verschlossenen Arbeitsmarkt um eine Rentengewährung unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage handelt und eine Besserung des Leistungsvermögens der Klägerin in den hier für die Feststellung der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes entscheidenden Bereichen (Hörvermögen, Funktion der rechten Hand) unter Zugrundelegung der medizinischen Feststellungen unwahrscheinlich ist (§ 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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