S 1 AS 469/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AS 469/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 9. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Mai 2006 verurteilt, im Zeitraum 1. März 2006 bis 30. Juni 2006 für Unterkunft/Heizung monatlich 586,67 EUR (statt 335,64 EUR) zu bewilligen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin außergerichtliche Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der Leistung für Unterkunft/Heizung für die Zeit von März 2006 bis Juni 2006.

Die Klägerin hatte 2005 Arbeitslosengeld II von der ARGE Augsburger Land bezogen. Vom 15.07.2005 bis 31.10.2005 bestand ein Beschäftigungsverhältnis als Diplompädagogin in F ... Die Klägerin hatte dort auch eine Wohnung genommen. Das Beschäftigungsverhältnis endete wegen längerer Arbeitsunfähigkeit. Nachdem der zuständige MDK zum 24.12.2006 den Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit festgestellt hatte, hatte sich die Klägerin sofort bei der Dienststelle der Agentur für Arbeit F. arbeitslos gemeldet und Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt, dem entsprochen wurde.

Vom 10.01.2006 bis 04.02.2006 befand sich die Klägerin mit Übergangsgeldbezug in einer medizinischen Reha-Maßnahme. Für die Zeit davor wurde im Weiteren ein Krankengeldanspruch anerkannt, nachdem die Entscheidung des MDK korrigiert worden war.

Nach Ende der medizinischen Reha-Maßnahme hatte sich die Klägerin bei der Agentur für Arbeit Augsburg arbeitslos gemeldet. Dem Antrag wurde im Weiteren wegen fehlender Anwartschaft nicht entsprochen. Nach Zugang dieses Ablehnungsbescheides beantragte die Klägerin bei der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Mit dem Antrag wurde die Erklärung abgegeben, dass Bereitschaft bestünde, die Unterkunftskosten zu senken. Die Klägerin hatte am 23.11.2005 einen Mietvertrag für eine Wohnung in der W.-Straße in A. zum 01.02.2006 unterschrieben (Grundmiete mit Betriebskosten und Heizungskosten 586,67 EUR monatlich).

Mit Bescheid vom 09.03.2006 bewilligte die Beklagte für die Zeit ab 01.03.2006 bis 31.08.2006 Arbeitslosengeld II. Dabei wurde für Unterkunft/Heizung nur der für eine Person anerkannte Regelwert von 335,64 EUR bewilligt.

Dagegen legte die Klägerin am 13.03.2006 Widerspruch ein, der im Weiteren mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2006 zurückgewiesen wurde. Der Weigerung, zeitgerecht eine angemessene Wohnung zu suchen, sei gleichzusetzen, wenn die Anmietung der Wohnung weniger als 6 Monate vor der Beantragung von Arbeitslosengeld II erfolgte und zu diesem Zeitpunkt absehbar war, dass die Aufwendungen für die Unterkunft ohne (künftige) Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld II nicht getragen werden könnten.

Gegen den Widerspruchsbescheid legte die Klägerin am 12.06.2006 Klage zum Sozialgericht Augsburg ein. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.09.2006 beantragte die Klägerin,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 09.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.05.2006 zu verurteilen, für die Zeit vom 01.03.2006 - 30.06.2006 für Unterkunft/Heizung 586,67 EUR statt 335,64 EUR monatlich zu bewilligen.

Die Vertreterin der Beklagten beantragte im Termin die Klageabweisung.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen nicht möglich ist oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für 6 Monate (§ 22 Abs. 1 SGB II).

Der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung eine vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte Formulierung übernommen. Solange die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II vorliegen, hat der Leistungsträger die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen als Bedarf zu berücksichtigen. Ein Ermessen steht nicht zur Seite (Adolph in Linhart/Adolph SGB II, Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - Asylbeweberleistungsgesetz § 22 SGB II Rdnr 21).

Die Formulierung "in der Regel" umfasst auch die Möglichkeit die Bewilligung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf einen kürzeren Zeitraum als 6 Monate zu begrenzen. Es müssen dafür aber sachgerechte Gründe vorliegen, erst recht, wenn die Übernahme der tatsächlichen Kosten "auf Null reduziert" wird.

Es müssten dann bereits im Vorfeld der Antragstellung Obliegenheiten gegenüber dem Leistungsträger vorliegen. Aus der Tatsache, dass die Klägerin 2005 Leistungen von der ARGE Augsburger Land bezogen hat, kann zwar abgeleitet werden, dass das Problem, dass nur angemessene Unterkunftskosten übernommen werden, bekannt war. Es kann daraus aber nicht das Wissen müssen abgeleitet werden, welche Unterkunftskosten bei einem anderen künftigen Leistungsträger angemessen sind.

Nach dem glaubhaften Ablauf hatte die Klägerin in F. eine Arbeitsstelle gefunden, hatte auch dort für die Arbeit eine Unterkunft genommen. Glaubhaft nur wegen der Erkrankung und der deswegen gesuchten Nähe zur Familie hat die Klägerin dann im November 2005 einen Mietvertrag für eine Wohnung in A. abgeschlossen. Für die Kammer war ebenso glaubhaft, dass sie zu diesem Zeitpunkt davon ausging, Anspruch auf höhere Leistungen gegen die Agentur für Arbeit zu haben. Es wurde entsprechend Leistungsantrag bei der Agentur für Arbeit gestellt. Bei Anmietung der Wohnung ging die Klägerin glaubhaft davon aus, dass sie nicht hilfebedürftig im Sinn von SGB II werden würde. Voraussetzung wäre weiter, dass diese Obliegenheit einem bestimmten Leistungsträger gegenüber vor einer Leistungsantragstellung besteht, wofür eine gesetzliche Grundlage fehlt (vgl. Blüggel in Eicher/Spellbrink Kommentar SGB II § 56 Rdnr 6, 7).

Die Klägerin ist mit der Arbeitsaufnahme in F. auch ihrer Mitwirkungspflicht nach § 2 SGB II nachgekommen. Aus dieser Pflicht zum Eigenengagement ergibt sich auch, dass man die Hoffnung haben darf, aus einer Hilfebedürftigkeit herauszukommen. Es ist vom Gesetz nicht geboten alle aktuellen Entscheidungen auf die Möglichkeit einer eventuellen zukünftigen Hilfebedürftigkeit auszurichten.

Damit war dem Klageantrag zu entsprechen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Rechtskraft
Aus
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