Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 67 U 518/99 W00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 38/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. April 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls der Klägerin vom 13. Juli 1995.
Die im Jahre 1955 geborene Klägerin, eine Diplom-Ökonomin, ist als Sachbearbeiterin im tätig. Im Jahre 1983 traten bei ihr Beschwerden im Wirbelsäulenbereich auf, die bis 1987 eine Behandlung erforderlich machten. Am 22. September 1993 erlitt sie auf dem Weg zu ihrer Dienststelle in B einen Verkehrsunfall als Fußgängerin. Im Durchgangsarztbericht wurde eine Prellung und Schürfung des rechten Knies diagnostiziert.
Am 13. Juli 1995 wurde die Klägerin erneut auf dem Weg zur Arbeit verletzt, als ein Lastkraftwagen auf ihr an einer Kreuzung stehendes Fahrzeug auffuhr. Dr. M diagnostizierte in seinem Durchgangsarztbericht vom 13. Juli 1995 ein HWS-Schleudertrauma, eine Schädelprellung und eine Kontusion des rechten Knies. Für eine Woche wurde die Klägerin zur stationären Behandlung in das Krankenhaus F eingewiesen. Im September 1995 befand die Klägerin sich im Reha Zentrum H zur erweiterten ambulanten Physiotherapie. Der sie weiter behandelnde Durchgangsarzt Prof. Dr. S berichtete unter dem 25. September 1995, dass die Klägerin weiterhin über Kopf-, HWS- und Schulterschmerzen klage. Die von der Nervenärztin Dr. M durchgeführten Untersuchungen mittels EEG und Dopplersonografie ergaben einen im Wesentlichen unauffälligen Befund. Im November 1995 nahm die Klägerin zur Belastungserprobung die Arbeit mit zunächst vier Stunden täglich auf, von Anfang 1996 an arbeitete sie wieder vollschichtig. In seinem Bericht vom 13. Februar 1996 schätzte der Durchgangsarzt Prof. Dr. S die MdE auf 0 v.H. ein.
Bei fortdauernden Beschwerden begab die Klägerin sich im Februar 1996 bei dem Nervenarzt Dr. H in Behandlung, der in seinen Berichten vom 17. und 22. Dezember 1996 ein chronisches posttraumatisches Zervikalsyndrom bei arthromuskulärer Dysfunktion (Gelenk- und Muskeldysfunktion) nach HWS-Distorsion mit Bandscheibenvorfall C 5/6 und Bandscheibenprotrusionen C 3/4 und C 4/5 mit BWS-Symptomatik, neurologischer Symptomatik (Kopfschmerzsyndrom, Sehprobleme) und psychischer Symptomatik (Hirnleistungsstörungen) diagnostizierte.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Prof. Dr. M am 1. April 1998 ein neurologisches Gutachten, das später nach § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) gelöscht worden ist.
Mit Bescheid vom 17. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 1999 lehnte es die Beklagte ab, der Klägerin wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 13. Juli 1995 eine Rente zu gewähren.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht Berlin ihr Rentenbegehren weiterverfolgt. Das Sozialgericht hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte und diverse weitere medizinische Unterlagen eingeholt, u.a. den Bericht des Nervenarztes Dr. H an die H-Versicherung vom 22. Juni 2000, in dem dieser infolge des Unfalls eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. angenommen hat. Ferner hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Einholung des fachneurologischen Gutachtens des Prof. Dr. H vom 9. Mai 2001, der nach Untersuchung der Klägerin zu dem Schluss gelangte, dass die unfallbedingten Gesundheitsstörungen sei langem abgeklungen seien. Die unfall-bedingte MdE sei auf unter 10 v.H. einzuschätzen.
Mit Gerichtsbescheid vom 29. April 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Gestützt auf das ihm seinerzeit vorliegende Gutachten des Prof. Dr. M vom 1. April 1998 hat es einen Rentenanspruch der Klägerin mit der Begründung verneint, dass die durch den Unfall erlittenen Verletzungen nicht als Ursache von länger andauernden Beschwerden und Funktionsbeeinträchtigungen, die eine MdE von mindestens 10 v.H. rechtfertigten, über die 13. Woche hinaus begründen könnten.
Die Klägerin hat gegen den Gerichtsbescheid Berufung eingelegt. Hierzu trägt sie insbesondere vor: Die Gutachter hätten sich lediglich auf die – unvollständigen - Angaben des sie zunächst behandelnden Durchgangsarztes Dr. M gestützt, nicht aber auf die Diagnosen des Durchgangsarztes Prof. Dr. S. Am Tage des Unfalls seien Sehbeschwerden aufgetreten, tags darauf Schmerzen und Bewegungsstörungen am linken Daumen. Ferner sei dem Gutachten des Prof. Dr. H durch die Löschung des Gutachtens von Prof. Dr. M die Grundlage entzogen worden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. April 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr aufgrund des Unfalls vom 13. Juli 1995 eine Verletztenteilrente nach einer MdE von mindestens 30 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Entscheidung fest.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Außerdem wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte, des Verwaltungsvorgangs des Beklagten und der Gerichtsakte des Sozialgerichts Berlin zum Az. S 67 U 646/99-15 verwiesen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat in dem Gerichtsbescheid vom 29. April 2002 zutreffend einen Anspruch der Klägerin auf eine Verletztenteilrente wegen ihres Arbeitsunfalls vom 13. Juli 1995 verneint.
Maßgebend sind die Vorschriften der §§ 580 Abs. 1, 581 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO), da der streitgegenständliche Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches, Siebtes Buch (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten ist. Danach wird wegen der gesundheitlichen Folgen eines Arbeitsunfalls eine Verletztenrente gewährt, wenn die Erwerbsfähigkeit über die 13. Woche hinaus um wenigstens ein Fünftel, also um 20 v.H., gemindert ist. Sollte die Erwerbsfähigkeit bereits infolge eines früheren Arbeitsunfalls gemindert sein, so reicht es für den Anspruch auf Verletztenrente zwar aus, wenn die Hundertsätze der durch die einzelnen Arbeitsunfälle verursachten Minderung zusammen wenigstens die Zahl Zwanzig erreichen. Jedoch sind hierbei die Folgen eines Arbeitsunfalls nur dann zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern.
Nach Überzeugung des Senats erlitt die Klägerin durch den Verkehrsunfall vom 13. Juli 1995 keine Verletzungen, die über die 13. Woche hinaus dauernde und zu einer MdE von mindestens 10 v.H. führende Funktionsbeeinträchtigungen zur Folge hätten. Hierbei stützt sich der Senat insbesondere auf die Ausführungen von Prof. Dr. H in seinem Gutachten vom 9. Mai 2001. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diesem Gutachten durch die Löschung des vorangegangenen Gutachtens von Prof. Dr. M nicht die Grundlage entzogen worden. Denn Prof. Dr. H hat die Ergebnisse des Vorgutachters nicht unkritisch übernommen, sondern ist – wie seine Ausführungen zeigen – aufgrund eigener Untersuchung der Klägerin und selbständiger Würdigung der ihm vorliegenden Befunde zu seinen Schlussfolgerungen gelangt.
Zwischen dem Unfallereignis und den von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsstörungen muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) genügt für die Bejahung dieses Ursachenzusammenhangs die hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSGE 58, 76, 79). Hierunter ist eine Wahrscheinlichkeit zu verstehen, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann.
Ein derartiger Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallgeschehen und dem bei der Klägerin bestehenden HWS-Syndrom kann nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Die Klägerin erlitt durch den Auffahrunfall ein HWS-Schleudertrauma. Die Einschätzung des Gutachters Prof. Dr. H, dass hierbei der Schweregrad I anzunehmen sei, stimmt mit den allgemeinen unfallmedizinischen Erfahrungen überein (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Nr. 8.3.4.2.3 (S. 556ff.). Vom Durchgangsarzt Dr. M wurde ein endgradiger Schmerz bei der Kopfdrehung nach rechts und links sowie ventral und dorsal bei nur mäßiger muskulärer Verspannung festgestellt. Es gab keine Hinweise auf neurologische Störungen, insbesondere traten keine Paraesthesie (Fehlempfindungen des Tastsinns) oder sonstige Ausfallerscheinungen auf. Ferner nahm Dr. M als weiteren Befund einen nur mäßigen Kopfschmerz auf. Ebensowenig ergab die Röntgenuntersuchung einen Anhalt für knöcherne Veränderungen. In Übereinstimmung mit den vorangegangenen Feststellungen von Dr. M und Dr. H beschreibt Prof. Dr. H nach Auswertung der MRT-Aufnahmen der HWS bei der Klägerin einen Bandscheibenvorfall auf der Etage C 5/6 und Bandscheibenprotrusionen auf den Etagen C 3/4 und C 4/5. Dass es sich hierbei um traumatische Folgen des streitgegenständlichen Unfalls handeln könnte, steht nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest. Hiergegen spricht, dass bei der Klägerin bereits 1983 Beschwerden im HWS-Bereich aufgetreten sind. Die Einschätzung des Dr. H im Bericht vom 17. Dezember 1996, diese Beschwerden seien "Jahre vor dem ersten Unfall" manualtherapeutisch behoben worden, so dass die Klägerin danach voll belastbar gewesen sei, überzeugt nicht, da Dr. H die Klägerin erstmals am 20. Februar 1996, also nach dem Unfall, untersucht hatte. Zudem wiesen die Röntgenaufnahmen der HWS vom 9. April 1996 keine Veränderung gegenüber den Voraufnahmen von September 1993 und Juli 1995 auf. Beanstandungsfrei und in Übereinstimmung mit den Erfahrungswerten der Unfallmedizin (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O., Nr. 8.3.4.5 (S. 562) hat der Gutachter die MdE auf 20 v.H. – allein – für die Dauer von drei Monaten eingeschätzt. Nach Ablauf dieser Frist ist eine unfallbedingte MdE von unter 10 v.H. anzunehmen.
Ebensowenig können die von der Klägerin vorgebrachten Beschwerden im BWS- und Schulterbereich mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf den streitgegenständlichen Unfall zurückgeführt werden. Für die Annahme des Dr. H in seinen Berichten von Dezember 1996, der sich Dr. S in den durchgangsärztlichen Nachschauberichten aus den Jahren 1997 und 1998 anschloss, es läge bei der Klägerin eine BWS-Distorsion mit Schulterprellung vor, sprechen keine objektivierbaren Gesichtspunkte, zumal weder Dr. H noch Dr. S ihre Diagnosen näher begründen. Zeitnah nach dem Unfall hat der Durchgangsarzt Dr. M nach Untersuchung der Klägerin derartige Beschwerden im BWS- und Schulterbereich nicht aufgenommen. Auch zeigte, worauf der Gutachter Prof. Dr. H hinweist, das MRT der BWS vom 18. März 1997 keinerlei Auffälligkeiten. Gleichermaßen unauffällig war der am 10. Februar 1997 erhobene MRT-Befund der Schulter. Insbesondere fand sich kein Nachweis von Traumafolgen innerhalb des Schultergelenks.
Ferner ergibt sich eine unfallbedingte MdE von mindestens 10 v.H. auch nicht aus den Kopfschmerzen, den Sehstörungen, den Konzentrationsstörungen, den Ermüdungs-erscheinungen und dem brennenden Gefühl im linken Daumen, die von der Klägerin gegenüber dem Gutachter Prof. Dr. H bei der Untersuchung am 4. April 2001 beklagt worden sind. Der Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 9. Mai 2001 zu dem Schluss gelangt, dass diese Beschwerden – die in auffälliger Diskrepanz zu dem körperlichen Befund ständen – unmöglich auf den Unfall vom 13. Juli 1995 zurückzuführen seinen. Jedenfalls ist nach Überzeugung des Senats nicht erwiesen, dass das Unfallgeschehen mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit die Ursache für diese Symptomatik bildet. Neurologische Auffälligkeiten wurden weder von den die Klägerin behandelnden Ärzten noch von dem Gutachter Prof. Dr. H festgestellt. Auch ist die Einschätzung des Sachverständigen nachvollziehbar und überzeugend, dass es nach der Art des Unfalls zu keiner bleibenden Hirnverletzung gekommen ist. Bei der Untersuchung durch den Durchgangsarzt Dr. M fand sich lediglich eine geringe Prellmarke am Haaransatz frontal. Das Vorliegen eines Schädelhirntraumas wurde nach röntgenologischer und neurologischer Untersuchung der Klägerin übereinstimmend ausgeschlossen.
Die nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Berufung keinen Erfolg hat.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls der Klägerin vom 13. Juli 1995.
Die im Jahre 1955 geborene Klägerin, eine Diplom-Ökonomin, ist als Sachbearbeiterin im tätig. Im Jahre 1983 traten bei ihr Beschwerden im Wirbelsäulenbereich auf, die bis 1987 eine Behandlung erforderlich machten. Am 22. September 1993 erlitt sie auf dem Weg zu ihrer Dienststelle in B einen Verkehrsunfall als Fußgängerin. Im Durchgangsarztbericht wurde eine Prellung und Schürfung des rechten Knies diagnostiziert.
Am 13. Juli 1995 wurde die Klägerin erneut auf dem Weg zur Arbeit verletzt, als ein Lastkraftwagen auf ihr an einer Kreuzung stehendes Fahrzeug auffuhr. Dr. M diagnostizierte in seinem Durchgangsarztbericht vom 13. Juli 1995 ein HWS-Schleudertrauma, eine Schädelprellung und eine Kontusion des rechten Knies. Für eine Woche wurde die Klägerin zur stationären Behandlung in das Krankenhaus F eingewiesen. Im September 1995 befand die Klägerin sich im Reha Zentrum H zur erweiterten ambulanten Physiotherapie. Der sie weiter behandelnde Durchgangsarzt Prof. Dr. S berichtete unter dem 25. September 1995, dass die Klägerin weiterhin über Kopf-, HWS- und Schulterschmerzen klage. Die von der Nervenärztin Dr. M durchgeführten Untersuchungen mittels EEG und Dopplersonografie ergaben einen im Wesentlichen unauffälligen Befund. Im November 1995 nahm die Klägerin zur Belastungserprobung die Arbeit mit zunächst vier Stunden täglich auf, von Anfang 1996 an arbeitete sie wieder vollschichtig. In seinem Bericht vom 13. Februar 1996 schätzte der Durchgangsarzt Prof. Dr. S die MdE auf 0 v.H. ein.
Bei fortdauernden Beschwerden begab die Klägerin sich im Februar 1996 bei dem Nervenarzt Dr. H in Behandlung, der in seinen Berichten vom 17. und 22. Dezember 1996 ein chronisches posttraumatisches Zervikalsyndrom bei arthromuskulärer Dysfunktion (Gelenk- und Muskeldysfunktion) nach HWS-Distorsion mit Bandscheibenvorfall C 5/6 und Bandscheibenprotrusionen C 3/4 und C 4/5 mit BWS-Symptomatik, neurologischer Symptomatik (Kopfschmerzsyndrom, Sehprobleme) und psychischer Symptomatik (Hirnleistungsstörungen) diagnostizierte.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Prof. Dr. M am 1. April 1998 ein neurologisches Gutachten, das später nach § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) gelöscht worden ist.
Mit Bescheid vom 17. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 1999 lehnte es die Beklagte ab, der Klägerin wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 13. Juli 1995 eine Rente zu gewähren.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht Berlin ihr Rentenbegehren weiterverfolgt. Das Sozialgericht hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte und diverse weitere medizinische Unterlagen eingeholt, u.a. den Bericht des Nervenarztes Dr. H an die H-Versicherung vom 22. Juni 2000, in dem dieser infolge des Unfalls eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. angenommen hat. Ferner hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Einholung des fachneurologischen Gutachtens des Prof. Dr. H vom 9. Mai 2001, der nach Untersuchung der Klägerin zu dem Schluss gelangte, dass die unfallbedingten Gesundheitsstörungen sei langem abgeklungen seien. Die unfall-bedingte MdE sei auf unter 10 v.H. einzuschätzen.
Mit Gerichtsbescheid vom 29. April 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Gestützt auf das ihm seinerzeit vorliegende Gutachten des Prof. Dr. M vom 1. April 1998 hat es einen Rentenanspruch der Klägerin mit der Begründung verneint, dass die durch den Unfall erlittenen Verletzungen nicht als Ursache von länger andauernden Beschwerden und Funktionsbeeinträchtigungen, die eine MdE von mindestens 10 v.H. rechtfertigten, über die 13. Woche hinaus begründen könnten.
Die Klägerin hat gegen den Gerichtsbescheid Berufung eingelegt. Hierzu trägt sie insbesondere vor: Die Gutachter hätten sich lediglich auf die – unvollständigen - Angaben des sie zunächst behandelnden Durchgangsarztes Dr. M gestützt, nicht aber auf die Diagnosen des Durchgangsarztes Prof. Dr. S. Am Tage des Unfalls seien Sehbeschwerden aufgetreten, tags darauf Schmerzen und Bewegungsstörungen am linken Daumen. Ferner sei dem Gutachten des Prof. Dr. H durch die Löschung des Gutachtens von Prof. Dr. M die Grundlage entzogen worden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. April 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr aufgrund des Unfalls vom 13. Juli 1995 eine Verletztenteilrente nach einer MdE von mindestens 30 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Entscheidung fest.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Außerdem wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte, des Verwaltungsvorgangs des Beklagten und der Gerichtsakte des Sozialgerichts Berlin zum Az. S 67 U 646/99-15 verwiesen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat in dem Gerichtsbescheid vom 29. April 2002 zutreffend einen Anspruch der Klägerin auf eine Verletztenteilrente wegen ihres Arbeitsunfalls vom 13. Juli 1995 verneint.
Maßgebend sind die Vorschriften der §§ 580 Abs. 1, 581 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO), da der streitgegenständliche Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches, Siebtes Buch (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten ist. Danach wird wegen der gesundheitlichen Folgen eines Arbeitsunfalls eine Verletztenrente gewährt, wenn die Erwerbsfähigkeit über die 13. Woche hinaus um wenigstens ein Fünftel, also um 20 v.H., gemindert ist. Sollte die Erwerbsfähigkeit bereits infolge eines früheren Arbeitsunfalls gemindert sein, so reicht es für den Anspruch auf Verletztenrente zwar aus, wenn die Hundertsätze der durch die einzelnen Arbeitsunfälle verursachten Minderung zusammen wenigstens die Zahl Zwanzig erreichen. Jedoch sind hierbei die Folgen eines Arbeitsunfalls nur dann zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern.
Nach Überzeugung des Senats erlitt die Klägerin durch den Verkehrsunfall vom 13. Juli 1995 keine Verletzungen, die über die 13. Woche hinaus dauernde und zu einer MdE von mindestens 10 v.H. führende Funktionsbeeinträchtigungen zur Folge hätten. Hierbei stützt sich der Senat insbesondere auf die Ausführungen von Prof. Dr. H in seinem Gutachten vom 9. Mai 2001. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diesem Gutachten durch die Löschung des vorangegangenen Gutachtens von Prof. Dr. M nicht die Grundlage entzogen worden. Denn Prof. Dr. H hat die Ergebnisse des Vorgutachters nicht unkritisch übernommen, sondern ist – wie seine Ausführungen zeigen – aufgrund eigener Untersuchung der Klägerin und selbständiger Würdigung der ihm vorliegenden Befunde zu seinen Schlussfolgerungen gelangt.
Zwischen dem Unfallereignis und den von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsstörungen muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) genügt für die Bejahung dieses Ursachenzusammenhangs die hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSGE 58, 76, 79). Hierunter ist eine Wahrscheinlichkeit zu verstehen, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann.
Ein derartiger Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallgeschehen und dem bei der Klägerin bestehenden HWS-Syndrom kann nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Die Klägerin erlitt durch den Auffahrunfall ein HWS-Schleudertrauma. Die Einschätzung des Gutachters Prof. Dr. H, dass hierbei der Schweregrad I anzunehmen sei, stimmt mit den allgemeinen unfallmedizinischen Erfahrungen überein (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Nr. 8.3.4.2.3 (S. 556ff.). Vom Durchgangsarzt Dr. M wurde ein endgradiger Schmerz bei der Kopfdrehung nach rechts und links sowie ventral und dorsal bei nur mäßiger muskulärer Verspannung festgestellt. Es gab keine Hinweise auf neurologische Störungen, insbesondere traten keine Paraesthesie (Fehlempfindungen des Tastsinns) oder sonstige Ausfallerscheinungen auf. Ferner nahm Dr. M als weiteren Befund einen nur mäßigen Kopfschmerz auf. Ebensowenig ergab die Röntgenuntersuchung einen Anhalt für knöcherne Veränderungen. In Übereinstimmung mit den vorangegangenen Feststellungen von Dr. M und Dr. H beschreibt Prof. Dr. H nach Auswertung der MRT-Aufnahmen der HWS bei der Klägerin einen Bandscheibenvorfall auf der Etage C 5/6 und Bandscheibenprotrusionen auf den Etagen C 3/4 und C 4/5. Dass es sich hierbei um traumatische Folgen des streitgegenständlichen Unfalls handeln könnte, steht nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest. Hiergegen spricht, dass bei der Klägerin bereits 1983 Beschwerden im HWS-Bereich aufgetreten sind. Die Einschätzung des Dr. H im Bericht vom 17. Dezember 1996, diese Beschwerden seien "Jahre vor dem ersten Unfall" manualtherapeutisch behoben worden, so dass die Klägerin danach voll belastbar gewesen sei, überzeugt nicht, da Dr. H die Klägerin erstmals am 20. Februar 1996, also nach dem Unfall, untersucht hatte. Zudem wiesen die Röntgenaufnahmen der HWS vom 9. April 1996 keine Veränderung gegenüber den Voraufnahmen von September 1993 und Juli 1995 auf. Beanstandungsfrei und in Übereinstimmung mit den Erfahrungswerten der Unfallmedizin (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O., Nr. 8.3.4.5 (S. 562) hat der Gutachter die MdE auf 20 v.H. – allein – für die Dauer von drei Monaten eingeschätzt. Nach Ablauf dieser Frist ist eine unfallbedingte MdE von unter 10 v.H. anzunehmen.
Ebensowenig können die von der Klägerin vorgebrachten Beschwerden im BWS- und Schulterbereich mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf den streitgegenständlichen Unfall zurückgeführt werden. Für die Annahme des Dr. H in seinen Berichten von Dezember 1996, der sich Dr. S in den durchgangsärztlichen Nachschauberichten aus den Jahren 1997 und 1998 anschloss, es läge bei der Klägerin eine BWS-Distorsion mit Schulterprellung vor, sprechen keine objektivierbaren Gesichtspunkte, zumal weder Dr. H noch Dr. S ihre Diagnosen näher begründen. Zeitnah nach dem Unfall hat der Durchgangsarzt Dr. M nach Untersuchung der Klägerin derartige Beschwerden im BWS- und Schulterbereich nicht aufgenommen. Auch zeigte, worauf der Gutachter Prof. Dr. H hinweist, das MRT der BWS vom 18. März 1997 keinerlei Auffälligkeiten. Gleichermaßen unauffällig war der am 10. Februar 1997 erhobene MRT-Befund der Schulter. Insbesondere fand sich kein Nachweis von Traumafolgen innerhalb des Schultergelenks.
Ferner ergibt sich eine unfallbedingte MdE von mindestens 10 v.H. auch nicht aus den Kopfschmerzen, den Sehstörungen, den Konzentrationsstörungen, den Ermüdungs-erscheinungen und dem brennenden Gefühl im linken Daumen, die von der Klägerin gegenüber dem Gutachter Prof. Dr. H bei der Untersuchung am 4. April 2001 beklagt worden sind. Der Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 9. Mai 2001 zu dem Schluss gelangt, dass diese Beschwerden – die in auffälliger Diskrepanz zu dem körperlichen Befund ständen – unmöglich auf den Unfall vom 13. Juli 1995 zurückzuführen seinen. Jedenfalls ist nach Überzeugung des Senats nicht erwiesen, dass das Unfallgeschehen mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit die Ursache für diese Symptomatik bildet. Neurologische Auffälligkeiten wurden weder von den die Klägerin behandelnden Ärzten noch von dem Gutachter Prof. Dr. H festgestellt. Auch ist die Einschätzung des Sachverständigen nachvollziehbar und überzeugend, dass es nach der Art des Unfalls zu keiner bleibenden Hirnverletzung gekommen ist. Bei der Untersuchung durch den Durchgangsarzt Dr. M fand sich lediglich eine geringe Prellmarke am Haaransatz frontal. Das Vorliegen eines Schädelhirntraumas wurde nach röntgenologischer und neurologischer Untersuchung der Klägerin übereinstimmend ausgeschlossen.
Die nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Berufung keinen Erfolg hat.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
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