Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 751/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 41/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Januar 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) und die Gewährung einer Verletztenrente.
Die 1960 geborene Klägerin war von 1978 bis 1990 als Krankenpflegehelferin und seit 1992 als Krankenschwester, zuletzt im Gkrankenhaus H, beschäftigt.
Im Oktober 2001 erstattete die Betriebsärztin des G-krankenhauses eine Anzeige wegen des Vorliegens der Berufskrankheit nach Nrn. 2109 und 2108. Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Hamburg-Münchener Krankenkasse bei und holte einen Befundbericht des die Klägerin seit Januar 2001 wegen Wirbelsäulen-Beschwerden behandelnden Orthopäden Dr. B und des Neurochirurgen Dr. B ein, der eine Behandlung wegen Beschwerden in der Halswirbelsäule mitteilte. Auf der Grundlage der vom Krankenhaus S und dem G-krankenhaus H ausgefüllten Erhebungsbögen zur Ermittlung der Belastung der Wirbelsäule nahm der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten eine wirbelsäulenbelastende Tätigkeit nach den Kriterien der Beklagten für die Zeit von 1979 bis 1992 und von 1995 bis Oktober 2001 an.
Die Beklagte holte ein Gutachten von Prof. Dr. N vom 20. Dezember 2002 ein, der zu dem Ergebnis gelangte, bei der Klägerin lägen ein pseudoradikuläres Lumbalsyndrom und beginnende degenerative Veränderungen der Bandscheiben selbst mit breitbasigen medialen Bandscheibenprotrusionen bzw. assoziierten knöchernen Strukturen im Bereich L 4/5 und L5/S1 vor. Das für die spezielle Wirbelsäulenbelastung in den Pflegeberufen zu erwartende besondere Schadensmuster sei letztlich nicht nachzuweisen. Die nicht über das Maß der Normalbevölkerung hinausgehenden degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule seien nicht als Erkrankung im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2108 anzusehen.
Auf eine Bitte der Beklagten um ergänzende Erläuterungen, warum bei der Klägerin keine berufliche Verursachung der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule angenommen werden könne, führte Prof. Dr. N in einer ergänzenden Stellungnahme vom 27. Mai 2003 aus, eine durch eine äußere Belastung der Wirbelsäule entstandene Schädigung der Bandscheiben müsse von einer anlagebedingten Erkrankung unterschieden werden. Als wesentliche Kriterien hierfür seien zeitgleich mit einer Bandscheibenschädigung Verschleißerscheinungen der die Bandscheiben umgebenden Strukturen wie der kleinen Wirbelgelenke, des Bandapparates und der Wirbelkörpergrund- und Abschlussplatten selbst festzustellen. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall.
Die von der Beklagten gehörte Gewerbeärztin M kam in einer Stellungnahme vom 24. April 2003 zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nicht erfüllt seien.
Durch Bescheid vom 14. August 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankung der Wirbelsäule als Berufskrankheit ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf besondere Leistungen oder Maßnahmen, die dem Entstehen der Berufskrankheit entgegen wirkten. Die Annahme, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung zumindest zu einem wesentlichen Teil ihre Ursache in berufsbedingtem schweren Heben und Tragen oder Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung habe, sei nur begründet, wenn bestimmte belastungsreaktive Reaktionen in Form von osteochondrotischen Veränderungen bevorzugt an der unteren Lendenwirbelsäule und spondylotischen Veränderungen an der unteren Brustwirbelsäule mit Ausdehnung auf die obere Lendenwirbelsäule vorlägen. Bei der Klägerin fehlten entsprechende degenerative Veränderungen.
Mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht Berlin hat die Klägerin die Anerkennung ihres Lendenwirbelsäulenleidens als Berufkrankheit sowie eine Verletztenrente begehrt und geltend gemacht, dass sich die Bandscheibenerkrankung unter den Belastungen, die ihre Arbeit mit sich bringe, jedenfalls verschlimmert habe.
Das Sozialgericht hat die im Rentenverfahren eingeholten Gutachten zur Akte genommen und Dr. E mit der Erstattung eines orthopädischen Zusammenhangsgutachtens beauftragt. Dr. E hat in seinem Gutachten vom 3. September 2004 die Auffassung vertreten, die belastungsadaptiven Reaktionen stellten das einzige Kriterium dar, das auf die berufliche Verursachung einer bandscheibenbedingten Erkrankung hinweise, da eine derartige Erkrankung aus sich heraus keine bestimmte Verursachung erkennen lasse. Dem Alter vorauseilende degenerative Veränderungen wie Randkantenanbauten und Sklerosierungen der Grund- und Deckplatten an den Wirbelkörpern der Lendenwirbelsäule als sogenannte belastungsadaptive Reaktionen seien bei der Klägerin nicht nachweisbar. Es fänden sich ein minimaler Bandscheibenschaden bei L4/L5 mit einer konsekutiven Bandscheibenvorwölbung sowie ein geringer Bandscheibenschaden des letzten Bewegungssegmentes.
Durch Urteil vom 27. Januar 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es könne dahingestellt bleiben, ob das Kriterium der belastungsadaptiven Reaktionen nur eines von mehreren Abgrenzungskriterien für die Feststellung einer beruflich bedingten Bandscheibenerkrankung sei oder ein unverzichtbares Positivkriterium, da auch weitere Kriterien nicht erfüllt seien. Es habe sich kein über den altersüblichen Grad hinausgehender Verschleißzustand der Lendenwirbelsäule gezeigt.
Gegen das am 24. Februar 2005 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 15. März 2005. Sie macht geltend, das Gutachten von Dr. E sei widersprüchlich. Während er einerseits auf einen Verschleiß der kleinen Wirbelgelenke hinweise, werde dieser Aspekt bei der zusammenfassenden Diskussion vernachlässigt. Auch bei Fehlen der belastungsadaptiven Veränderungen sei eine Feststellung der Kausalität nicht ausgeschlossen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Januar 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. August 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Anerkennung ihres Lendenwirbelsäulenleidens als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV eine Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Auf Rückfrage des Senats hat Dr. E in einer Stellungnahme vom 30. Juni 2005 ausgeführt, körperliche Schwerarbeit führe nach den Untersuchungen vieler Autoren zu einer Linksverschiebung eines Verschleißes der Lendenwirbelsäule, also zu einem früheren und häufigeren Auftreten der Chondrose und Spondylose. Auch überwiege bei Schwerarbeitenden ein polysegmentaler Befall. Bei der Klägerin hätten sich noch keine dem Altersüblichen vorauseilende degenerativen Veränderungen gezeigt.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie M vom 5. April 2006 eingeholt. Der Gutachter ist zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Klägerin pseudoradikuläre Beschwerden im Vordergrund stünden. Die Druckschmerzen an vielen Ansatzstellen seien nicht typisch für das alleinige Vorliegen einer Bandscheibenprotrusion. Die geringen Veränderungen an der Brustwirbelsäule und der Lendenwirbelsäule zusammengenommen würden einen normalen Alterungsprozess der Wirbelsäule belegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akten des SG - S 25 U 751/03) und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen, da die Klägerin keinen Anspruch auf Anerkennung ihrer Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV und Gewährung einer Verletztenrente hat.
Berufskrankheiten sind die Krank¬heiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bun¬des¬rates bezeichnet hat und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2,3 oder 6 Sozialgesetzbuch (SGB VII) begründenden Tätigkeit erleidet. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrank¬hei¬ten gehören nach der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV "bandscheibenbedingte Erkran¬kun¬gen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätig¬keiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederauf¬le¬ben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".
Die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als einer solchen nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV setzt eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule voraus, die durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (arbeitstechnische Voraussetzungen) entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben. Als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein.
Für das Vorliegen des Tatbestandes der Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungs-begründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht (BSG, SozR 3-2200 § 551 Nr. 16 m. w. N.). Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn bei Abwägung aller Umstände den für den Kausalzusammenhang sprechenden ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 285, 286 = SozR 2200 § 548 Nr. 38).
Die Klägerin erfüllt durch ihre langjährige Tätigkeit als Krankenschwesterhelferin bzw. Krankenschwester die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2108. Sie leidet nach einhelliger Auffassung der im Verfahren angehörten Sachverständigen auch an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule.
Der Senat kann jedoch - wie schon das Sozialgericht - nicht den Kausalzusammenhang zwischen der die Lendenwirbelsäule belastenden Tätigkeit der Klägerin und ihrer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit feststellen. Gegen einen Kausalzusammenhang haben Prof. Dr. N und Dr. E nachvollziehbar mehrere Kriterien dargelegt. Prof. Dr. N hat darauf hingewiesen, dass die Bandscheibenvorwölbungen nicht mit entsprechenden, das Altersübliche überschreitenden degenerativen Veränderungen im Bereich der Wirbelgelenke und der den Bandscheiben benachbarten Strukturen einhergehen. Auch seien keine das altersübliche Maß überschreitenden knöchernen Veränderungen im Bereich der Wirbelkörperabschlussplatten sowie der kleinen Wirbelgelenke nachweisbar. Diese Einschätzung wird von Dr. E geteilt. Demnach haben zwei Sachverständige das nach der medizinischen Fachliteratur erforderliche Kriterium eines einwirkungskonformen Krankheitsbildes (vgl. Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Loseblatt-Kommentar, M 2108 Anm. 5.3.) verneint. Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass in dem von der Klägerin für maßgeblich angesehenen MRT- Befund vom 1. Oktober 2001 eine osteochondrotisch bedingte Bandscheibenvorwölbung und ein beginnender Verschleiß der kleinen Wirbelgelenke aufgeführt ist, weil es sich dabei nach der übereinstimmenden Auffassung der medizinischen Sachverständigen nicht um einen das altersübliche Maß überschreitenden Verschleißzustand handelt. Hierauf hat Dr. E in seiner vom Senat eingeholten Stellungnahme nochmals ergänzend verwiesen und die Bedeutung dieses Kriteriums neben dem Fehlen von belastungsadaptiven Reaktionen herausgestellt. Diese Einschätzung ist von dem auf Antrag der Klägerin gehörten Orthopäden M bestätigt worden. Des weiteren hat Prof. Dr. N für den Senat nachvollziehbar darauf abgestellt, dass gerade das für die spezielle Wirbelsäulenbelastung in den Pflegeberufen zu erwartende Krankheitsmuster bei der Klägerin nicht nachgewiesen sei.
Nach alledem hatte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg.
Die dem Ergebnis in der Hauptsache folgende Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) und die Gewährung einer Verletztenrente.
Die 1960 geborene Klägerin war von 1978 bis 1990 als Krankenpflegehelferin und seit 1992 als Krankenschwester, zuletzt im Gkrankenhaus H, beschäftigt.
Im Oktober 2001 erstattete die Betriebsärztin des G-krankenhauses eine Anzeige wegen des Vorliegens der Berufskrankheit nach Nrn. 2109 und 2108. Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Hamburg-Münchener Krankenkasse bei und holte einen Befundbericht des die Klägerin seit Januar 2001 wegen Wirbelsäulen-Beschwerden behandelnden Orthopäden Dr. B und des Neurochirurgen Dr. B ein, der eine Behandlung wegen Beschwerden in der Halswirbelsäule mitteilte. Auf der Grundlage der vom Krankenhaus S und dem G-krankenhaus H ausgefüllten Erhebungsbögen zur Ermittlung der Belastung der Wirbelsäule nahm der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten eine wirbelsäulenbelastende Tätigkeit nach den Kriterien der Beklagten für die Zeit von 1979 bis 1992 und von 1995 bis Oktober 2001 an.
Die Beklagte holte ein Gutachten von Prof. Dr. N vom 20. Dezember 2002 ein, der zu dem Ergebnis gelangte, bei der Klägerin lägen ein pseudoradikuläres Lumbalsyndrom und beginnende degenerative Veränderungen der Bandscheiben selbst mit breitbasigen medialen Bandscheibenprotrusionen bzw. assoziierten knöchernen Strukturen im Bereich L 4/5 und L5/S1 vor. Das für die spezielle Wirbelsäulenbelastung in den Pflegeberufen zu erwartende besondere Schadensmuster sei letztlich nicht nachzuweisen. Die nicht über das Maß der Normalbevölkerung hinausgehenden degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule seien nicht als Erkrankung im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2108 anzusehen.
Auf eine Bitte der Beklagten um ergänzende Erläuterungen, warum bei der Klägerin keine berufliche Verursachung der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule angenommen werden könne, führte Prof. Dr. N in einer ergänzenden Stellungnahme vom 27. Mai 2003 aus, eine durch eine äußere Belastung der Wirbelsäule entstandene Schädigung der Bandscheiben müsse von einer anlagebedingten Erkrankung unterschieden werden. Als wesentliche Kriterien hierfür seien zeitgleich mit einer Bandscheibenschädigung Verschleißerscheinungen der die Bandscheiben umgebenden Strukturen wie der kleinen Wirbelgelenke, des Bandapparates und der Wirbelkörpergrund- und Abschlussplatten selbst festzustellen. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall.
Die von der Beklagten gehörte Gewerbeärztin M kam in einer Stellungnahme vom 24. April 2003 zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nicht erfüllt seien.
Durch Bescheid vom 14. August 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankung der Wirbelsäule als Berufskrankheit ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf besondere Leistungen oder Maßnahmen, die dem Entstehen der Berufskrankheit entgegen wirkten. Die Annahme, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung zumindest zu einem wesentlichen Teil ihre Ursache in berufsbedingtem schweren Heben und Tragen oder Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung habe, sei nur begründet, wenn bestimmte belastungsreaktive Reaktionen in Form von osteochondrotischen Veränderungen bevorzugt an der unteren Lendenwirbelsäule und spondylotischen Veränderungen an der unteren Brustwirbelsäule mit Ausdehnung auf die obere Lendenwirbelsäule vorlägen. Bei der Klägerin fehlten entsprechende degenerative Veränderungen.
Mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht Berlin hat die Klägerin die Anerkennung ihres Lendenwirbelsäulenleidens als Berufkrankheit sowie eine Verletztenrente begehrt und geltend gemacht, dass sich die Bandscheibenerkrankung unter den Belastungen, die ihre Arbeit mit sich bringe, jedenfalls verschlimmert habe.
Das Sozialgericht hat die im Rentenverfahren eingeholten Gutachten zur Akte genommen und Dr. E mit der Erstattung eines orthopädischen Zusammenhangsgutachtens beauftragt. Dr. E hat in seinem Gutachten vom 3. September 2004 die Auffassung vertreten, die belastungsadaptiven Reaktionen stellten das einzige Kriterium dar, das auf die berufliche Verursachung einer bandscheibenbedingten Erkrankung hinweise, da eine derartige Erkrankung aus sich heraus keine bestimmte Verursachung erkennen lasse. Dem Alter vorauseilende degenerative Veränderungen wie Randkantenanbauten und Sklerosierungen der Grund- und Deckplatten an den Wirbelkörpern der Lendenwirbelsäule als sogenannte belastungsadaptive Reaktionen seien bei der Klägerin nicht nachweisbar. Es fänden sich ein minimaler Bandscheibenschaden bei L4/L5 mit einer konsekutiven Bandscheibenvorwölbung sowie ein geringer Bandscheibenschaden des letzten Bewegungssegmentes.
Durch Urteil vom 27. Januar 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es könne dahingestellt bleiben, ob das Kriterium der belastungsadaptiven Reaktionen nur eines von mehreren Abgrenzungskriterien für die Feststellung einer beruflich bedingten Bandscheibenerkrankung sei oder ein unverzichtbares Positivkriterium, da auch weitere Kriterien nicht erfüllt seien. Es habe sich kein über den altersüblichen Grad hinausgehender Verschleißzustand der Lendenwirbelsäule gezeigt.
Gegen das am 24. Februar 2005 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 15. März 2005. Sie macht geltend, das Gutachten von Dr. E sei widersprüchlich. Während er einerseits auf einen Verschleiß der kleinen Wirbelgelenke hinweise, werde dieser Aspekt bei der zusammenfassenden Diskussion vernachlässigt. Auch bei Fehlen der belastungsadaptiven Veränderungen sei eine Feststellung der Kausalität nicht ausgeschlossen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Januar 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. August 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Anerkennung ihres Lendenwirbelsäulenleidens als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV eine Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Auf Rückfrage des Senats hat Dr. E in einer Stellungnahme vom 30. Juni 2005 ausgeführt, körperliche Schwerarbeit führe nach den Untersuchungen vieler Autoren zu einer Linksverschiebung eines Verschleißes der Lendenwirbelsäule, also zu einem früheren und häufigeren Auftreten der Chondrose und Spondylose. Auch überwiege bei Schwerarbeitenden ein polysegmentaler Befall. Bei der Klägerin hätten sich noch keine dem Altersüblichen vorauseilende degenerativen Veränderungen gezeigt.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie M vom 5. April 2006 eingeholt. Der Gutachter ist zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Klägerin pseudoradikuläre Beschwerden im Vordergrund stünden. Die Druckschmerzen an vielen Ansatzstellen seien nicht typisch für das alleinige Vorliegen einer Bandscheibenprotrusion. Die geringen Veränderungen an der Brustwirbelsäule und der Lendenwirbelsäule zusammengenommen würden einen normalen Alterungsprozess der Wirbelsäule belegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akten des SG - S 25 U 751/03) und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen, da die Klägerin keinen Anspruch auf Anerkennung ihrer Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV und Gewährung einer Verletztenrente hat.
Berufskrankheiten sind die Krank¬heiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bun¬des¬rates bezeichnet hat und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2,3 oder 6 Sozialgesetzbuch (SGB VII) begründenden Tätigkeit erleidet. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrank¬hei¬ten gehören nach der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV "bandscheibenbedingte Erkran¬kun¬gen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätig¬keiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederauf¬le¬ben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".
Die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als einer solchen nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV setzt eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule voraus, die durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (arbeitstechnische Voraussetzungen) entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben. Als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein.
Für das Vorliegen des Tatbestandes der Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungs-begründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht (BSG, SozR 3-2200 § 551 Nr. 16 m. w. N.). Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn bei Abwägung aller Umstände den für den Kausalzusammenhang sprechenden ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 285, 286 = SozR 2200 § 548 Nr. 38).
Die Klägerin erfüllt durch ihre langjährige Tätigkeit als Krankenschwesterhelferin bzw. Krankenschwester die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2108. Sie leidet nach einhelliger Auffassung der im Verfahren angehörten Sachverständigen auch an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule.
Der Senat kann jedoch - wie schon das Sozialgericht - nicht den Kausalzusammenhang zwischen der die Lendenwirbelsäule belastenden Tätigkeit der Klägerin und ihrer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit feststellen. Gegen einen Kausalzusammenhang haben Prof. Dr. N und Dr. E nachvollziehbar mehrere Kriterien dargelegt. Prof. Dr. N hat darauf hingewiesen, dass die Bandscheibenvorwölbungen nicht mit entsprechenden, das Altersübliche überschreitenden degenerativen Veränderungen im Bereich der Wirbelgelenke und der den Bandscheiben benachbarten Strukturen einhergehen. Auch seien keine das altersübliche Maß überschreitenden knöchernen Veränderungen im Bereich der Wirbelkörperabschlussplatten sowie der kleinen Wirbelgelenke nachweisbar. Diese Einschätzung wird von Dr. E geteilt. Demnach haben zwei Sachverständige das nach der medizinischen Fachliteratur erforderliche Kriterium eines einwirkungskonformen Krankheitsbildes (vgl. Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Loseblatt-Kommentar, M 2108 Anm. 5.3.) verneint. Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass in dem von der Klägerin für maßgeblich angesehenen MRT- Befund vom 1. Oktober 2001 eine osteochondrotisch bedingte Bandscheibenvorwölbung und ein beginnender Verschleiß der kleinen Wirbelgelenke aufgeführt ist, weil es sich dabei nach der übereinstimmenden Auffassung der medizinischen Sachverständigen nicht um einen das altersübliche Maß überschreitenden Verschleißzustand handelt. Hierauf hat Dr. E in seiner vom Senat eingeholten Stellungnahme nochmals ergänzend verwiesen und die Bedeutung dieses Kriteriums neben dem Fehlen von belastungsadaptiven Reaktionen herausgestellt. Diese Einschätzung ist von dem auf Antrag der Klägerin gehörten Orthopäden M bestätigt worden. Des weiteren hat Prof. Dr. N für den Senat nachvollziehbar darauf abgestellt, dass gerade das für die spezielle Wirbelsäulenbelastung in den Pflegeberufen zu erwartende Krankheitsmuster bei der Klägerin nicht nachgewiesen sei.
Nach alledem hatte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg.
Die dem Ergebnis in der Hauptsache folgende Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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