L 9 B 71/06 KR ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 7 KR 225/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 B 71/06 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 01. Dezember 2005 geändert. Die Anträge des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes werden abgelehnt. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 01. Dezember 2005 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Aufhebung der Vollziehung aus dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Oktober 2005 angeordnet, wobei hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung zwischen den vom Sozialgericht unter dem zuerst genannten Aktenzeichen verbundenen Verfahren S 7 KR 225/05 ER und S 7 KR 286/05 ER zu unterscheiden ist.

Bezüglich des am 28. Oktober 2005 anhängig gemachten Verfahrens S 7 KR 286/05 ER, in dem der Antragsteller beantragt hat, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den vorgenannten Bescheid anzuordnen, gilt, dass dieser Antrag wegen doppelter Rechtshängigkeit bereits unzulässig ist. Denn dieser Antrag ist schon vor der Verbindung der beiden Verfahren Gegenstand des vom Antragsteller am 11. August 2005 anhängig gemachten Verfahrens S 7 KR 225/05 ER gewesen. In diesem Verfahren hatte der Antragsteller zwar beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 14. Februar 2005 anzuordnen, weil zum Zeitpunkt der Antragstellung der Widerspruch noch nicht beschieden und demzufolge die Erhebung einer Anfechtungsklage mangels Vorverfahrens zulässigerweise noch nicht möglich gewesen ist. Dieser Antrag umfasst jedoch von Anfang an die Zeit bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheides vom 14. Februar 2005 und war damit im Rahmen eines einheitlichen Verfahrens darauf gerichtet, die aufschiebende Wirkung desjenigen Rechtsbehelfs anzuordnen, der den Eintritt der Bestandskraft jeweils verhinderte. Lediglich klarstellend war der Antrag nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 06. Oktober 2005 und Erhebung der Anfechtungsklage dahingehend umzustellen, dass nunmehr die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage angeordnet werden sollte (vgl. hierzu Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: EL 2, 2/98, § 80 RdNr. 363 unter Hinweis auf BVerwGE 78, 198, 210).

Anders als der am 28. Oktober 2005 anhängig gemachte und zunächst unter dem Aktenzeichen S 7 KR 286/05 ER geführte Antrag ist der dem ursprünglichen Verfahren S 7 KR 225/05 ER zugrunde liegende Antrag vom 11. August 2005 zwar zulässig, aber unbegründet. Er lässt sich aus Sicht des Senats nicht dahingehend auslegen, dass mit ihm (auch) die Aufhebung der Vollziehung im Sinne des § 86 b Abs. 1 Satz 2 SGG beantragt worden ist. Vielmehr ist er allein darauf gerichtet, dass das Gericht nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung des maßgeblichen Rechtsbehelfs (hier: der nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 06. Oktober 2005 erhobenen Anfechtungsklage) anordnet. Denn abgesehen davon, dass sich der Antragsteller bei der Formulierung seines Antrags anwaltlicher Hilfe bedient hat und der Antrag seinem Wortlaut nach Auslegungsspielräume nicht eröffnet, fehlt es auch im Übrigen an greifbaren Anhaltspunkten dafür, dass hier ein Antrag im Sinne des § 86 b Absatz 1 Satz 2 SGG gestellt werden sollte. Derartige Anhaltspunkte lassen sich insbesondere nicht aus dem Umstand entnehmen, dass der Antragsteller vor Einleitung des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens bei der Antragsgegnerin darum ersucht hat, die sofortige Vollziehung aus dem Bescheid vom 14. Februar 2005 auszusetzen, weil er mit diesem Ersuchen lediglich den Wortlaut des § 86 a Abs. 3 Satz 1 SGG aufgegriffen hat, der die Aussetzung der Vollziehung durch die Verwaltung selbst betrifft, die ihrerseits mit dem in § 86 b Abs. 1 Satz 2 SGG geregelten (unselbständigen) Folgenbeseitigungsanspruch nicht gleichzusetzen ist.

Mit dem Antrag, die aufschiebende Wirkung der zwischenzeitlich gegen den Bescheid vom 14. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Oktober 2005 erhobenen Anfechtungsklage anzuordnen, vermag der Antragsteller indes nicht durchzudringen. Da dieser Antrag einen Beitragsbescheid betrifft, bei dem die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage nach § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG kraft Gesetzes entfällt, ergibt sich der Maßstab für die Begründetheitsprüfung aus § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG. Hiernach soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides lassen sich hier nicht feststellen. Denn sie bestehen nur dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs nach der im vorliegenden Verfahren allein gebotenen summarischen Prüfung wahrscheinlicher ist als sein Misserfolg. Dies ist hier nicht der Fall, weil sich die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage derzeit als allenfalls offen darstellen.

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid sind die §§ 237 Satz 1 Nr. 2, 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Abs. 1 Satz 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) i. V. m. § 57 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs. Hiernach gehören zu den beitragspflichtigen Einnahmen versicherungspflichtiger Rentner u. a. Renten der betrieblichen Altersversorgung sowie nicht regelmäßig wiederkehrende Leistungen, wie z. B. Kapitalabfindungen, soweit sie an die Stelle einer Rente der betrieblichen Altersversorgung treten oder ihre Zahlung anstelle einer Rente der betrieblichen Altersversorgung bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden ist; liegen die zuletzt genannten Voraussetzungen vor, ist im Wege einer Fiktion, längstens jedoch für 120 Monate, ein Einhundertzwanzigstel dieser Leistungen als monatlicher Zahlbetrag der Rente der betrieblichen Altersversorgung bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen.

Soweit die Beteiligten im vorstehenden Zusammenhang allein darüber streiten, ob die dem Antragsteller zum 01. Dezember 2004 von der G-AG gezahlte Kapitalleistung in Höhe von 16.759, 60 EUR zu den beitragspflichtigen Einnahmen im vorgenannten Sinne gehört, lässt sich nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht mit dem oben dargestellten Wahrscheinlichkeitsgrad feststellen, dass sich der Antragsteller mit seiner – die vorgenannte Frage verneinenden – Auffassung im Hauptsacheverfahren durchsetzen wird. Denn es darf insoweit nicht außer Betracht bleiben, dass die gezahlte Kapitalleistung ihren Ursprung unstreitig in einer – durch Entgeltumwandlung finanzierten – so genannten Direktversicherung findet, bei der es sich nach der in § 1 b Abs. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) enthaltenen Legaldefinition um eine durch den Arbeitgeber auf das Leben des bezugsberechtigten Arbeitnehmers abgeschlossene Lebensversicherung handelt, die der betrieblichen Altersversorgung dient. Dass die Einstufung der Kapitalleistung als Leistung der betrieblichen Altersversorgung unterbleiben müsste, weil der Antragsteller vor Eintritt des Versicherungsfalles aus dem der Direktversicherung zugrunde liegenden Arbeitsverhältnis ausgeschieden und hierdurch – verbunden mit dem Recht, die Versicherung mit eigenen Mitteln fortzuführen – zum Versicherungsnehmer der Lebensversicherung geworden ist, erscheint entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht hinreichend wahrscheinlich. Denn hiergegen spricht, dass sich der Gesetzgeber in § 1 b Abs. 5 BetrAVG mit der Frage des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem der Direktversicherung zugrunde liegenden Arbeitsverhältnis befasst und unter der Überschrift "Unverfallbarkeit und Durchführung der betrieblichen Altersversorgung" u. a. ausdrücklich geregelt hat, dass der aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidende Arbeitnehmer die – aus der durch Entgeltumwandlung finanzierten Direktversicherung resultierende – Anwartschaft behält und darüber hinaus berechtigt ist, die Versicherung mit eigenen Beiträgen fortzusetzen. Diese Regelung, nach der auch im Fall des Antragstellers verfahren worden ist, lässt erkennen, dass das Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem der Direktversicherung zugrunde liegenden Arbeitsverhältnis und die hierdurch bedingte Änderung der Versicherungsmodalitäten den inneren Zusammenhang zu der ursprünglich gegebenen Direktversicherung als einer der betrieblichen Altersversorgung dienenden Lebensversicherung nicht löst. Hierbei dürfte keine Rolle spielen, ob sich hierdurch – wie im vorliegenden Fall– zu Lasten des Arbeitnehmers die (monatliche) Prämie erhöht, weil die Voraussetzungen für den dem Arbeitgeber als bisherigem Versicherungsnehmer zugestandenen Prämienrabatt nicht mehr vorliegen (vgl. hinsichtlich des vorstehenden Ergebnisses das von der Antragsgegnerin in das Beschwerdeverfahren eingeführte, rechtskräftig gewordene Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. November 2005 - L 11 KR 3216/05 -). Dass das Landessozialgericht Baden-Württemberg in dem zitierten Urteil nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die – allerdings nicht eingelegte - Revision zugelassen hatte und das Bundessozialgericht – soweit ersichtlich – bislang noch nicht entschieden hat, ob der nach den eingangs genannten Vorschriften erforderliche Zusammenhang zur betrieblichen Altersversorgung durch die Änderung des Versicherungsnehmerstatus nach Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem einer Direktversicherung zugrunde liegenden Arbeitsverhältnis und die weitere Entrichtung von Beiträgen durch ihn gelöst wird, vermag hieran nichts zu ändern. Sonstige Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides vom 14. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Oktober 2005, die einen Erfolg der erhobenen Anfechtungsklage wahrscheinlicher erscheinen lassen könnten als einen Misserfolg, hat der Antragsteller nicht geltend gemacht; sie sind auch sonst nicht ersichtlich.

Der Antragsteller kann sich überdies auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Vollziehung des angefochtenen Bescheides für ihn eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne des § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG zur Folge hätte. Soweit er in diesem Zusammenhang allein vorgetragen hat, es könne ihm als Rentner im Hinblick auf sein fortgeschrittenes Lebensalter nicht zugemutet werden, die möglicherweise erst nach Ablauf des in § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V geregelten Verteilungszeitraums von 120 Kalendermonaten zu erwartende endgültige Aufhebung des aus seiner Sicht rechtswidrigen Bescheides abzuwarten, reicht dieses Vorbringen zur Begründung einer Härte gemäß § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG nicht aus. Denn es darf insoweit nicht verkannt werden, dass mit dem Bescheid eine monatliche (Mehr-)Belastung in Höhe von lediglich 21,50 EUR geregelt worden ist. Dass und aus welchen Gründen der Antragsteller nicht in der Lage sein soll, diesen Betrag für längstens 120 Monate aufzubringen, ist weder dargelegt worden noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in analoger Anwendung und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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