L 5 KR 24/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 KR 310/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 24/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 132/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 2. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die zulassungsübergreifende Behandlung eines Fibromyalgiesyndroms mit polyvalenten Immunglobulinen (off-label-use).

1.

Die 1967 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin leidet an einem Fibromyalgiesyndrom vor dem Hintergrund einer Autoimmunthyreoiditis. Am 16.01.2001 beantragte sie über die Schmerzambulanz der Universität W. (Leiter: Prof.Dr.S.) Kostenerstattung einer Behandlung mit polyvalentem Immunglobulin. In einer Stellungnahme führte der MDK Bayern aus, für ein Fibromyalgiesyndrom seien medikamentöse, nichtmedikamentöse, krankengymnastische, physikalische sowie psychotherapeutische Behandlungswege vorhanden, die in einem integrierten Konzept angewandt werden sollten. Zu den zugelassenen Methoden zähle die Behandlung mit polyvalenten Immunglobulinen nicht. Deren Qualität und Wirkungsweise sei nicht ausreichend wissenschaftlich nachprüfbar, so dass insoweit keine medizinische Indikation bestehe. Darauf erwiderte die Schmerzambulanz der Universitätsklinik W. , bei der Klägerin habe die neopathologische Ursache der Erkrankung nicht gefunden werden können, zahlreiche stationäre Aufenthalte und neurologische Behandlungen seien erfolglos geblieben. Die Gabe niedrig dosierter Immunglobuline habe einen sehr guten therapeutischen Effekt gezeigt, welcher jedoch nur kurzfristig angehalten habe. Im Rahmen eines individuellen Heilversuches werde die Kostenübernahme beantragt, im Falle fehlender Wirkung werde die Therapie diese abgebrochen. Unter dem 02.10.2001 erteilte daraufhin die Beklagte eine Kostenzusage für eine Behandlungsdauer von zwei Monaten.

Unter dem 11.12.2001 beantragte die Klägerin die Fortsetzung der Kostenerstattung. Mit Bescheid vom 16.04.2002/Widerspruchsbescheid vom 25.10.2002 lehnte die Beklagte dies ab mit der Begründung, für das Krankheitsbild der Fibromyalgie lägen medikamentöse und nichtmedikamentöse, krankengymnastische sowie psychotherapeutische Behandlungswege vor. Polyvalente Immunglobulie seien zur Vorbeugung und Behandlung von Infekten bei primären und sekundären Immunkrankheiten zugelassen, nicht jedoch für die Behandlung der Fibromyalgie. Zudem lägen wissenschaftliche Studien, die die Wirksamkeit der begehrten Behandlung bewiesen, nicht vor.

2.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben und geltend gemacht, bei ihrer Erkrankung handele es sich um eine schwerwiegende, welche die Lebensqualität auf Dauer beeinträchtige und für die keine andere Therapie verfügbar sei. Aufgrund der Datenlage sowie einer Stellungnahme des Prof. Dr.S. bestehe die begründete Aussicht, mit der begehrten Therapie Behandlungserfolge zu erzielen. Die Voraussetzungen für die zulassungsübergreifende Anwendung der polyvalenten Immunglobuline (off-label-use) seien damit erfüllt.

Mit Urteil vom 02.12.2004 hat das Sozialgericht die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Voraussetzungen für eine zulassungsübergreifende Therapie mit polyvalenten Immunglobulinen seien nicht erfüllt. Bei der Klägerin liege keine die Lebenqualität erheblich beeinträchtigende Erkrankung vor. Im Übrigen stünden ausreichende anderweitige Therapien zur Verfügung. Für die Anwendung und Wirksamkeit des begehrten Medikamentes im Bereich der Fibromyalgie lägen keine ausreichenden wissenschaftlichen Nachweise vor. Deshalb könne offen bleiben, ob die Klägerin mangels vertragsärztlicher Verordnung ohnehin die begehrte Leistung nicht beanspruchen könne.

3.

Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt mit der Begründung, die Voraussetzungen für eine zulassungsübergreifende Anwendung seien erfüllt. Unter Bezugnahme auf Ausführungen des Prof. Dr.S. sei festzustellen, dass erst die gewünschte Behandlung der Klägerin ein erträgliches Leben ermögliche. Bei ihrem Krankheitsbild handele es sich um eines, welches nicht diagnosebezogen definiert werden könne, so dass insoweit auch keine ausreichenden Forschungsergebnisse vorliegen könnten bzw. nicht zu erwarten seien. Im Verhandlungstermin am 25.07.2006 hat die Klägerin vortragen lassen, sie habe seit der Ablehnung und derzeit die begehrte Medikation von der Schmerzambulanz der Universitätsklinik W. im Rahmen eines wissenschaftlichen Projekts erhalten; sie fürchte, nach Beendigung dieses Projekts von dort nicht mehr die Behandlung zu erhalten, so dass sie jedenfalls für die Zukunft Kostenfreistellung begehre.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 02.12.2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2002 zu verurteilen, sie von den anfallenden Kosten für die Behandlung mit polyvalenten Immunglobulinen freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 02.12.2004 zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 25.07.2006 waren die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Rentenrechtsstreits S 2 RA 216/04, Sozialgericht Würzburg. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Instanzen wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151, 153 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Obwohl die Klägerin derzeit die Kosten der begehrten Behandlung mit polyvalenten Immunglobulinen nicht zu tragen hat, weil sie diese im Rahmen eines universitären Projektes ohne Kostenberechnung erhält, kann für die Zukunft ein Anspruch darauf bestehen, von den Kosten für die Behandlung freigestellt zu werden. Denn das universitäre Projekt ist zeitlich befristet und wird in absehbarer Zeit auslaufen, so dass die Klägerin ein ausreichendes Rechtsschutzbedürfnis geltend machen kann.

Die Berufung bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Behandlung der Erkrankung Fibromyalgie mit polyvalenten Immunglobulinen hat. Der streitgegenständliche Bescheid vom 16.04.2002/Widerspruchsbescheid vom 25.10.2002 ist somit ebensowenig zu beanstanden wie das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 02.12.2004. Insoweit hat das Sozialgericht ausführlich und zutreffend dargestellt, dass die Voraussetzungen für den begehrten off-label-use nicht erfüllt sind. Das Sozialgericht hat insoweit die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts richtig angewandt (vgl. Bundessozialgericht Urteil vom 19.03.2002 - B 1 KR 37/00 R, vom 18.05.2004 - B 1 KR 21/02 R und vom 19.10.2004 - B 1 KR 27/02 R). Der Senat nimmt auf diese Ausführungen Bezug, weist aus diesen Gründen die Berufung zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs.2 SGG.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass bei der Klägerin kein heterogener Symtomenkomplex im Sinne eines unbestimmten Krankheitsbildes vorliegt, bei welchem zum therapeutischen Nutzen zugelassener Medikamente keine generelle Aussage möglich ist. Zum einen ergibt sich aus dem im Rentenverfahren eingeholten Gutachten des Dr.F. , Leiter des Fibromyalgiezentrums Bad B. vom 09.06.2004, dass bei der Klägerin ein fassbares, klares Fibromyalgiesyndrom und keine Somatisierungsstörung bzw. anhaltende somatoforme Schmerzstörung vorliegt. Widerlegt wird die Auffassung des Prof.Dr.S. von einer seltenen bzw. individuell-singulären unerforschbaren Erkrankung mit heterogenem Symtomenkomplex auch dadurch, dass nach einer Mitteilung des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller e.V. (www.vfa.de) bis 2009 15 neue Präparate gegen Rheuma und davon eins gegen Fibromyalgie arzneimittelrechtlich zugelassen werden sollen. Damit ist ausreichend belegt, dass das Fibromyalgiesyndrom der medizinischen Forschung zugänglich ist und diese auch tatsächlich betrieben wird. Auch international wird das Fibromyalgiesyndrom weiterhin erforscht, insbesondere auf dem Gebiet der medikamentösen Behandlung (vgl. Schweizerische Fibromyalgie-Vereinigung, www.fibromyalgie.ch).

Auch aus der versuchsweisen Behandlung für zwei Monate, die die Beklagte wohl auf Kulanzbasis übernommen hat, kann die Klägerin keinen Anspruch auf weitere Behandlung herleiten. Denn wie aus dem Ausgeführten ersichtlich war diese Entscheidung mit den Rechtsvorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung nicht vereinbar. Es bleibt deshalb der Beklagten der Weg offen, sich von dieser Entscheidung zu lösen und auf den Stand des rechtmäßigen Verhaltens zurückzukehren.

Die Berufung war deshalb in vollem Umfange zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich, § 160 Nrn.1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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