Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 88 SO 1335/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 B 177/06 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 29. Juni 2006 geändert und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 21. Juni 2006 zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im vorliegenden Verfahren die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung laufender Sozialhilfe. Die 51-jährige, nicht erwerbsgeminderte Antragstellerin ist polnische Staatsbürgerin und hält sich seit Dezember 2002 in Deutschland auf. Am 1. Januar 2006 erhielt sie eine Freizügigkeitsbescheinigung gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU – FreizügG/EU.
Die Antragstellerin bezog seit Januar 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – SGB II, die ihr zuletzt mit Bescheid vom 6. Dezember 2005 gewährt worden waren.
Einen Antrag der Antragstellerin auf Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU im Hinblick auf eine konkrete Beschäftigung lehnte die Bundesagentur für Arbeit mit Bescheid vom 20. April 2006 ab. Einen weiteren Antrag der Antragstellerin auf Erteilung einer Arbeitsgenehmigung nach § 12 a der Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArGV) lehnte die Bundesagentur für Arbeit mit Bescheid vom 23. Februar 2006 ab.
Mit Bescheid vom 15. März 2006 hob der Beigeladene die Bewilligung der Leistungen nach dem SGB II mit Wirkung ab dem 1. April 2006 mit der Begründung auf, dass die Antragstellerin aufgrund der Versagung der Arbeitsgenehmigung keine Arbeit aufnehmen dürfe und daher nicht leistungsberechtigt sei.
Den Antrag auf Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) vom 03. April 2006 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom selben Tage ab. Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt könne nur Personen im Alter der Antragstellerin gewährt werden, die voll erwerbsgemindert seien. Über den hiergegen am 7. April 2006 erhobenen Widerspruch, mit dem die Antragstellerin geltend gemacht hat, dem Anwendungsbereich des SGB II nicht zu unterfallen, jedenfalls aber gegenüber dem Antragsgegner als zuerst angegangenem Leistungsträger einen Anspruch auf vorläufige Leistungen gemäß § 43 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I - zu haben, ist noch nicht entschieden.
Am 21. Juni 2006 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung sowohl gegen den Antragsgegner als auch gegen den Beigeladenen beantragt; letztere ist unter dem Az.: 94 AS 5529/06 ER beim Sozialgericht Berlin anhängig.
Mit Beschluss vom 29. Juni 2006 hat das Sozialgericht den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII zu gewähren. Die Antragstellerin sei nicht erwerbsfähig im Sinne von § 8 Abs. 2 SGB II. Die rein theoretische Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitserlaubnis reiche hierfür nicht aus. Vielmehr müsse eine prognostische Bewertung ergeben, dass eine Beschäftigungserlaubnis bei entsprechender Antragstellung erteilt werden würde oder jedenfalls eine konkrete Aussicht hierauf bestehe. Dies sei zu verneinen. Der Arbeitsmarkt müsse für die Antragstellerin als verschlossen angesehen werden.
Gegen den ihm am 12. Juli 2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 25. Juli 2006 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, die Antragstellerin sei erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), da ihr die Aufnahme einer Beschäftigung zumindest erlaubt werden könnte. Damit seien Ansprüche auf Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches gemäß § 21 SGB XII ausgeschlossen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners verwiesen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner zu Unrecht vorläufig zur Gewährung von Leistungen verpflichtet.
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht mit der hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht, die eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen würde (§ 86 b Abs. 2 Satz 1, Satz 4 Sozialgerichtsgesetz SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung ZPO ). Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand steht der Antragstellerin kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII zu.
Nach § 21 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt. Dies schließt einen Anspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner aus, da sie dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II ist.
Nach § 7 Abs. 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig sind, hilfsbedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Die Erwerbsfähigkeit im Sinne dieser Regelung definiert § 8 SGB II. Danach ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs. 1). Im Sinne von Abs. 1 können Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte (Abs. 2). Letztere Voraussetzung liegt bei der Antragstellerin vor, weshalb sie erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II ist. Der Antragstellerin könnte eine Tätigkeit erlaubt werden.
Dabei kann sich die Antragstellerin auch als Polin auf das Freizügigkeitsrecht aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU) berufen, das die Unionsbürgerrichtlinie (Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004, ABl. EU Nr. L 158 vom 30. April 2004, Seite 44, berichtigt ABl. EU Nr. L 229 vom 29. Juni 2004, Seite 35) umsetzt. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU können sich Unionsbürger als Arbeitnehmer in Deutschland aufhalten. Für die Antragstellerin als Polin und damit als Staatsangehörige eines Staates, der mit Vertrag vom 16. April 2003 der Europäischen Union beitrat (BGBl. 2003 II Seite 1408), sieht § 13 FreizügG/EU jedoch insoweit eine Sonderregelung vor, als das Gesetz nur Anwendung findet, wenn die Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 284 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) genehmigt wurde. Den Angehörigen der Staaten, die der Europäischen Union mit dem vorgenannten Vertrag vom 16. April 2003 beigetreten sind, sind indessen nicht gehindert, ihr prinzipiell unbeschränktes Aufenthaltsrecht als Arbeitsuchende geltend zu machen. Durch die Genehmigungsbedürftigkeit der Beschäftigung ist die Arbeitsuche für sie zwar europarechtlich zulässigerweise erschwert, aber sie ist nicht von vornherein erfolglos, da die Genehmigung erteilt werden kann (vgl. dazu Strick, NJW 2005, Seite 2182, 2186). Unter Berücksichtigung des § 13 FreizügG/EU könnte deshalb eine Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 2 SGB II Angehörigen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erlaubt werden, die mit Vertrag vom 16. April 2003 beigetreten sind und deren prinzipiell unbeschränktes Aufenthaltsrecht als Arbeitsuchende lediglich zur Abschottung der Arbeitsmärkte erschwert worden ist. Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob in jedem Fall, in dem einem Nicht EU Ausländer eine Arbeitserlaubnis erteilt werden könnte, vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 SGB II ausgegangen werden muss oder ob solche Antragsteller dem rechtlichen Arbeitsmarktzugang (noch) derart fern stehen, dass dieses nicht gerechtfertigt ist (vgl. dazu LSG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 13. Dezember 2005, L 25 B 1281/05 AS ER; in diesem Sinne auch der Beschluss gemäß § 199 Abs. 2 SGG vom 11. August 2006 im vorliegenden Verfahren). Jedenfalls für Angehörige der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gilt dieses nicht.
Dem steht auch nicht die Ablehnung der Arbeitsgenehmigung nach § 12 a ArGV entgegen. Der Antragstellerin kann – unabhängig von dieser an besondere Voraussetzungen geknüpften Erlaubnis – eine Arbeitserlaubnis für eine konkrete Tätigkeit erteilt werden.
Da die Anragstellerin im Übrigen die sozialmedizinischen Voraussetzungen der Erwerbsfähigkeit des § 7 Abs. 1 SGB II erfüllt, ist sie grundsätzlich leistungsberechtigt im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II.
Damit ist ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII gemäß § 21 SGB XII ausgeschlossen.
Ob die Antragstellerin tatsächlich Leistungen nach dem SGB II erhält, ist insoweit unerheblich. Insbesondere kann dahinstehen, ob sie nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgenommen ist. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II sind von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende u. a. Ausländer ausgenommen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Mit der Neufassung von Satz 2 hat der Gesetzgeber Art. 24 Abs. 2 i. V. m. Art. 14 Abs. 4 lit. b der Richtlinie 2004/38/EG (a. a. O.) umgesetzt (vgl. BT Drs. 16/688, S. 13). Danach ist der Aufnahmemitgliedsstaat nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder ggf. während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 lit. b einen Anspruch auf Sozialhilfe zu gewähren. In den Gründen zu der Richtlinie 2004/38/EG heißt es, dass Personen, die ihr Aufenthaltsrecht ausüben, während ihres ersten Aufenthalts die Sozialleistungen des Aufnahmemitgliedsstaates nicht unangemessen in Anspruch nehmen sollen (vgl. Amtsblatt der Europäischen Union vom 30. April 2004, L 158/81, Rn. 10). Dem ist zu entnehmen, dass es sich bei § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht etwa um eine Regelung handelt, die die Voraussetzung der – rechtlichen –Erwerbsfähigkeit und damit Anwendbarkeit des SGB II ausschließt, sondern lediglich eine Anspruchsvoraussetzung für einen Anspruch nach dem SGB II darstellt. Ansonsten hätten Personen, die durch diese Regelung von einem Anspruch nach dem SGB II ausgeschlossen sind, regelmäßig einen Anspruch nach dem SGB XII, was der vorgenannten europarechtlichen Intention der Regelung widersprechen würde.
Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf vorläufige Leistungen durch den Antragsgegner gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I, wie ihn die Antragstellerin im Widerspruchsverfahren reklamiert hat, liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift hat in den Fällen, in denen ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht und zwischen mehreren Leistungsträgern streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist, der zuerst angegangene Leistungsträger die Leistungen zu erbringen, wenn dies der Berechtigte beantragt. Vorliegend besteht aber nicht Streit zwischen dem Antragsgegner und dem Beigeladenen über die Zuständigkeit, sondern ist bereits ein materieller Anspruch der Antragstellerin auf die begehrte Leistung nicht glaubhaft gemacht.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im vorliegenden Verfahren die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung laufender Sozialhilfe. Die 51-jährige, nicht erwerbsgeminderte Antragstellerin ist polnische Staatsbürgerin und hält sich seit Dezember 2002 in Deutschland auf. Am 1. Januar 2006 erhielt sie eine Freizügigkeitsbescheinigung gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU – FreizügG/EU.
Die Antragstellerin bezog seit Januar 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – SGB II, die ihr zuletzt mit Bescheid vom 6. Dezember 2005 gewährt worden waren.
Einen Antrag der Antragstellerin auf Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU im Hinblick auf eine konkrete Beschäftigung lehnte die Bundesagentur für Arbeit mit Bescheid vom 20. April 2006 ab. Einen weiteren Antrag der Antragstellerin auf Erteilung einer Arbeitsgenehmigung nach § 12 a der Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArGV) lehnte die Bundesagentur für Arbeit mit Bescheid vom 23. Februar 2006 ab.
Mit Bescheid vom 15. März 2006 hob der Beigeladene die Bewilligung der Leistungen nach dem SGB II mit Wirkung ab dem 1. April 2006 mit der Begründung auf, dass die Antragstellerin aufgrund der Versagung der Arbeitsgenehmigung keine Arbeit aufnehmen dürfe und daher nicht leistungsberechtigt sei.
Den Antrag auf Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) vom 03. April 2006 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom selben Tage ab. Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt könne nur Personen im Alter der Antragstellerin gewährt werden, die voll erwerbsgemindert seien. Über den hiergegen am 7. April 2006 erhobenen Widerspruch, mit dem die Antragstellerin geltend gemacht hat, dem Anwendungsbereich des SGB II nicht zu unterfallen, jedenfalls aber gegenüber dem Antragsgegner als zuerst angegangenem Leistungsträger einen Anspruch auf vorläufige Leistungen gemäß § 43 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I - zu haben, ist noch nicht entschieden.
Am 21. Juni 2006 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung sowohl gegen den Antragsgegner als auch gegen den Beigeladenen beantragt; letztere ist unter dem Az.: 94 AS 5529/06 ER beim Sozialgericht Berlin anhängig.
Mit Beschluss vom 29. Juni 2006 hat das Sozialgericht den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII zu gewähren. Die Antragstellerin sei nicht erwerbsfähig im Sinne von § 8 Abs. 2 SGB II. Die rein theoretische Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitserlaubnis reiche hierfür nicht aus. Vielmehr müsse eine prognostische Bewertung ergeben, dass eine Beschäftigungserlaubnis bei entsprechender Antragstellung erteilt werden würde oder jedenfalls eine konkrete Aussicht hierauf bestehe. Dies sei zu verneinen. Der Arbeitsmarkt müsse für die Antragstellerin als verschlossen angesehen werden.
Gegen den ihm am 12. Juli 2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 25. Juli 2006 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, die Antragstellerin sei erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), da ihr die Aufnahme einer Beschäftigung zumindest erlaubt werden könnte. Damit seien Ansprüche auf Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches gemäß § 21 SGB XII ausgeschlossen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners verwiesen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner zu Unrecht vorläufig zur Gewährung von Leistungen verpflichtet.
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht mit der hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht, die eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen würde (§ 86 b Abs. 2 Satz 1, Satz 4 Sozialgerichtsgesetz SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung ZPO ). Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand steht der Antragstellerin kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII zu.
Nach § 21 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt. Dies schließt einen Anspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner aus, da sie dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II ist.
Nach § 7 Abs. 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig sind, hilfsbedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Die Erwerbsfähigkeit im Sinne dieser Regelung definiert § 8 SGB II. Danach ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs. 1). Im Sinne von Abs. 1 können Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte (Abs. 2). Letztere Voraussetzung liegt bei der Antragstellerin vor, weshalb sie erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II ist. Der Antragstellerin könnte eine Tätigkeit erlaubt werden.
Dabei kann sich die Antragstellerin auch als Polin auf das Freizügigkeitsrecht aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU) berufen, das die Unionsbürgerrichtlinie (Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004, ABl. EU Nr. L 158 vom 30. April 2004, Seite 44, berichtigt ABl. EU Nr. L 229 vom 29. Juni 2004, Seite 35) umsetzt. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU können sich Unionsbürger als Arbeitnehmer in Deutschland aufhalten. Für die Antragstellerin als Polin und damit als Staatsangehörige eines Staates, der mit Vertrag vom 16. April 2003 der Europäischen Union beitrat (BGBl. 2003 II Seite 1408), sieht § 13 FreizügG/EU jedoch insoweit eine Sonderregelung vor, als das Gesetz nur Anwendung findet, wenn die Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 284 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) genehmigt wurde. Den Angehörigen der Staaten, die der Europäischen Union mit dem vorgenannten Vertrag vom 16. April 2003 beigetreten sind, sind indessen nicht gehindert, ihr prinzipiell unbeschränktes Aufenthaltsrecht als Arbeitsuchende geltend zu machen. Durch die Genehmigungsbedürftigkeit der Beschäftigung ist die Arbeitsuche für sie zwar europarechtlich zulässigerweise erschwert, aber sie ist nicht von vornherein erfolglos, da die Genehmigung erteilt werden kann (vgl. dazu Strick, NJW 2005, Seite 2182, 2186). Unter Berücksichtigung des § 13 FreizügG/EU könnte deshalb eine Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 2 SGB II Angehörigen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erlaubt werden, die mit Vertrag vom 16. April 2003 beigetreten sind und deren prinzipiell unbeschränktes Aufenthaltsrecht als Arbeitsuchende lediglich zur Abschottung der Arbeitsmärkte erschwert worden ist. Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob in jedem Fall, in dem einem Nicht EU Ausländer eine Arbeitserlaubnis erteilt werden könnte, vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 SGB II ausgegangen werden muss oder ob solche Antragsteller dem rechtlichen Arbeitsmarktzugang (noch) derart fern stehen, dass dieses nicht gerechtfertigt ist (vgl. dazu LSG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 13. Dezember 2005, L 25 B 1281/05 AS ER; in diesem Sinne auch der Beschluss gemäß § 199 Abs. 2 SGG vom 11. August 2006 im vorliegenden Verfahren). Jedenfalls für Angehörige der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gilt dieses nicht.
Dem steht auch nicht die Ablehnung der Arbeitsgenehmigung nach § 12 a ArGV entgegen. Der Antragstellerin kann – unabhängig von dieser an besondere Voraussetzungen geknüpften Erlaubnis – eine Arbeitserlaubnis für eine konkrete Tätigkeit erteilt werden.
Da die Anragstellerin im Übrigen die sozialmedizinischen Voraussetzungen der Erwerbsfähigkeit des § 7 Abs. 1 SGB II erfüllt, ist sie grundsätzlich leistungsberechtigt im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II.
Damit ist ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII gemäß § 21 SGB XII ausgeschlossen.
Ob die Antragstellerin tatsächlich Leistungen nach dem SGB II erhält, ist insoweit unerheblich. Insbesondere kann dahinstehen, ob sie nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgenommen ist. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II sind von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende u. a. Ausländer ausgenommen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Mit der Neufassung von Satz 2 hat der Gesetzgeber Art. 24 Abs. 2 i. V. m. Art. 14 Abs. 4 lit. b der Richtlinie 2004/38/EG (a. a. O.) umgesetzt (vgl. BT Drs. 16/688, S. 13). Danach ist der Aufnahmemitgliedsstaat nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder ggf. während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 lit. b einen Anspruch auf Sozialhilfe zu gewähren. In den Gründen zu der Richtlinie 2004/38/EG heißt es, dass Personen, die ihr Aufenthaltsrecht ausüben, während ihres ersten Aufenthalts die Sozialleistungen des Aufnahmemitgliedsstaates nicht unangemessen in Anspruch nehmen sollen (vgl. Amtsblatt der Europäischen Union vom 30. April 2004, L 158/81, Rn. 10). Dem ist zu entnehmen, dass es sich bei § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht etwa um eine Regelung handelt, die die Voraussetzung der – rechtlichen –Erwerbsfähigkeit und damit Anwendbarkeit des SGB II ausschließt, sondern lediglich eine Anspruchsvoraussetzung für einen Anspruch nach dem SGB II darstellt. Ansonsten hätten Personen, die durch diese Regelung von einem Anspruch nach dem SGB II ausgeschlossen sind, regelmäßig einen Anspruch nach dem SGB XII, was der vorgenannten europarechtlichen Intention der Regelung widersprechen würde.
Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf vorläufige Leistungen durch den Antragsgegner gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I, wie ihn die Antragstellerin im Widerspruchsverfahren reklamiert hat, liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift hat in den Fällen, in denen ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht und zwischen mehreren Leistungsträgern streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist, der zuerst angegangene Leistungsträger die Leistungen zu erbringen, wenn dies der Berechtigte beantragt. Vorliegend besteht aber nicht Streit zwischen dem Antragsgegner und dem Beigeladenen über die Zuständigkeit, sondern ist bereits ein materieller Anspruch der Antragstellerin auf die begehrte Leistung nicht glaubhaft gemacht.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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