Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 P 41/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 P 14/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 31. Januar 2005 und Abänderung des Bescheids vom 6. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2004 verurteilt, dem Kläger Leistungen nach der Pflegestufe II ab 1. Januar 2006 zu gewähren.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II.
Der 1950 geborene Kläger leidet an einem Morbus Down-Syndrom. Er bezieht seit 19. September 1999 Leistungen aus der Pflegestufe I. Dem Bescheid vom 8. September 1999 lag u.a. eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK) vom 30. August 1999 zugrunde, wonach Pflegebedürftigkeit in Pflegestufe I seit Oktober 1997 vorliegt.
Einen Antrag auf Leistungen nach der Pflegestufe II vom 17. September 2002 hatte die Beklagte mit Bescheid vom 17. Oktober 2002 nach Einholung einer Stellungnahme des MDK abgelehnt. Den Widerspruch hatte sie mit Widerspruchsbescheid vom 2. Januar 2003 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage zum Sozialgericht Landshut hatte der Kläger zurückgenommen, nachdem er am 18. August 2003 einen erneuten Antrag auf Leistungen nach einer höheren Pflegestufe gestellt hatte.
Die Beklagte holte zu dem erneuten Antrag eine Stellungnahme des MDK vom 4. November 2003 nach Hausbesuch ein. Darin wurde weiterhin die Pflegestufe I empfohlen. Der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege betrage 74 Minuten pro Tag (Körperpflege 44 Minuten, Ernährung 20 Minuten, Mobilität 10 Minuten), für hauswirtschaftliche Versorgung 60 Minuten pro Tag. Mit Bescheid vom 6. November 2003 lehnte die Beklagte den Antrag ab.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte eine erneute Stellungnahme des MDK vom 31. März 2004 nach Aktenlage ein. Danach ergaben sich keine neuen Erkenntnisse für eine Änderung der im Gutachten getroffenen Entscheidung (Pflegestufe I). Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2004 zurück.
Mit der hiergegen gerichteten Klage zum Sozialgericht Nürnberg begehrte der Kläger Pflegeleistungen nach der Pflegestufe II ab August 2003. Das Sozialgericht holte einen aktuellen Befundbericht der Allgemeinärztin Dr. V. ein und beauftragte die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. F. mit der Erstellung eines Gutachtens. Der Sachverständige führte im Gutachten vom 18. September 2004 aus, beim Kläger bestehe insbesondere ein Down-Syndrom bei Trisomie 21, eine Intelligenzminderung, ein Zustand nach rezidivierenden Synkopen (kurzzeitiger Bewusstseinsverlust) bei Hypotonie und Sinusbradykardie, ein Verdacht auf cholagene Diarrhoe bei Zustand nach Cholezystektomie sowie eine partielle Stuhlinkontinenz. Im Bereich der Grundpflege sei ein Bedarf von 91 Minuten (Körperpflege: 45 Minuten, Ernährung 30 Minuten, Mobilität 16 Minuten), für hauswirtschaftliche Versorgung 60 Minuten, insgesamt 151 Minuten täglich anzusetzen. Es bleibe bei der Einstufung in die Pflegestufe I. Zwar sei es seit Ende 2003 wiederholt zu Synkopen gekommen; dies fordere vom Betreuer eine erhöhte Aufmerksamkeit. Die tatsächlichen Fähigkeiten des Klägers hätten sich jedoch hierdurch nicht verändert. Die Diskrepanz zwischen den aktuell ermittelten Zeitwerten und den von der Pflegeperson angegebenen Zeitwerten beruhe darauf, dass der Betreuer Verrichtungen, wie das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, die Begleitung bei Spaziergängen und die Behandlungspflege aufführe. Diese Tätigkeiten seien jedoch nicht im Sinne des SGB XI anrechenbar. Entsprechendes gelte für angegebene Zeitwerte einer Rundumbeaufsichtigung.
Mit Urteil vom 31. Januar 2005 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es folgte dabei weitgehend dem Gutachten der Dr. F. , das sich im Ergebnis auch mit den Stellungnahmen des MDK decke. Der Kläger sei im Hinblick auf die Beweglichkeit seiner Extremitäten nach wie vor in der Lage, alle Verrichtungen im Bereich der Grundpflege grundsätzlich selbst vorzunehmen. Der Hilfebedarf werde durch ständige Anleitung und (in geringerem Maße) durch Teilübernahme von Verrichtungen geprägt. Dazu komme ein allgemeiner Beaufsichtigungsbedarf, der im Bereich der Grundpflege keine Berücksichtigung finden könne. Hinsichtlich der hauswirtschaftlichen Versorgung sei zu bedenken, dass der Kläger und der Betreuer zusammen im Ergebnis einen gemeinsamen Haushalt führten.
Zur Begründung der Berufung brachte der Kläger vor, die Zeitangaben seines Betreuers für die Pflege seien nicht berücksichtigt worden. Diese seien objektiver, da sie aus der täglichen Praxis stammten. Dass sein Pfleger und er zusammen einen Haushalt führten, sei nicht zutreffend. Schließlich werde nicht auf die Pflegesachleistung "häusliche Pflegehilfe" eingegangen, auf die er Anspruch habe. Die Beklagte verweigere diese Leistung, obwohl Pflegestufe I vorliege.
Die Beklagte wies darauf hin, dass der Kläger Pflegegeld erhalte. Pflegesachleistungen würde er erhalten, wenn ihn ein ambulanter Pflegedienst versorgen würde, was nicht der Fall sei.
Der Betreuer des Klägers machte mit Schriftsatz vom 5. Januar 2006 eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers geltend. In einem vom Senat eingeholten Befundbericht der Dr. V. vom 23. Januar 2006 wurde der Gesundheitszustand als gleichbleibend bezeichnet. Die Beklagte holte eine erneute Stellungnahme des MDK vom 6. Februar 2006 ein, wonach die Pflegestufe II seit Januar 2006 gerechtfertigt sei. Im Bereich der Grundpflege sei der Hilfebedarf auf 147 Minuten pro Tag, im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung auf 70 Minuten, insgesamt somit auf 217 Minuten pro Tag gestiegen. Nach den Angaben des Betreuers könne der Kläger alle Verrichtungen im Alltag nicht mehr selbstständig durchführen. Er müsse angeleitet, beaufsichtigt und teilweise unterstützt werden. Unregelmäßig träten plötzliche Benommenheitszustände und rezidivierende Durchfälle auf. Es sei regelmäßige Hilfe bei der Toilettenbenutzung notwendig. Die Beklagte erklärte mit Schriftsatz vom 23. Februar 2006, aufgrund dieses Gutachtens Leistungen der Pflegestufe II ab 1. Januar 2006 zu erbringen. Eine Äußerung des Klägers ging hierzu nicht ein.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 31. Januar 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2004 zu verurteilen, ihm Leistungen der Pflegestufe II ab 1. August 2003 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 31. Januar 2005 zurückzuweisen, soweit diese über das Anerkenntnis der Pflegeleistungen nach der Stufe II ab 1. Januar 2006 hinausgeht.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akte der Beklagten, der Gerichtsakte des Sozialgerichts Landshut, die beigezogen wurde, sowie der Klage- und Berufungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und insoweit begründet, als dem Kläger dem Anerkenntnis der Beklagten zufolge ab 1. Januar 2006 Leistungen nach der Pflegestufe II zustehen. Darüberhinaus, soweit ein über das Anerkenntnis auf Gewährung von Leistungen der Pflegestufe II ab 1. Januar 2006 hinausgehender Anspruch geltend gemacht wird, ist die Berufung unbegründet.
Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da dieser ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen worden war (§ 110 Abs. 1 S. 2 SGG). Der Rechtsstreit war nicht zu vertagen (§ 202 SGG in Verbindung mit § 227 Abs. 1 ZPO), da kein erheblicher Grund hierfür vorlag. Insbesondere ergibt sich aus dem Schreiben des Betreuers vom 21. Juli 2006 kein derartiger Grund, da dieser darin sein Nichterscheinen nur allgemein damit entschuldigt, den Kläger nicht alleine zu Hause lassen zu können, und ein persönliches Erscheinen des Betreuers nicht erforderlich war (Putzo, in: Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 227 Rdnr. 7).
Die Beklagte gab mit Schriftsatz vom 23. Februar 2006 ein Teilanerkenntnis ab, in dem sie sich wegen der vom MdK festgestellten Verschlechterung des Gesundheitszustandes bereit erklärte, Leistungen der Pflegestufe II ab 1. Januar 2006 zu erbringen. Um einen Rechtsstreit (teilweise) zu erledigen, ist die Annahme des Anerkenntnisses erforderlich (§ 101 Abs. 2 SGG). Die Annahme ist eine einseitige Prozesshandlung, die vom Kläger nicht, auch nicht konkludent, abgegeben wurde. Die Beklagte war daher entsprechend ihrem Teilanerkenntnis unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 31. Januar 2005 und unter Abänderung des Bescheids vom 6. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2004 zu verurteilen, dem Kläger Leistungen nach der Pflegestufe II ab 1. Januar 2006 zu gewähren.
Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen, da dem Kläger für die Zeit vom 1. August 2003 bis 31. Dezember 2005 kein Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe II in Form von Pflegegeld zusteht.
Maßgebend für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den einzelnen Pflegestufen ist der Umfang des Pflegebedarfs bei denjenigen gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, die in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgeführt und dort in die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität (Nrn. 1 bis 3), die zur Grundpflege gehören, sowie den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung (Nr. 4) aufgeteilt sind. Der dort aufgeführte Katalog von Verrichtungen stellt, nach Ergänzung um die im Gesetz offenbar versehentlich nicht ausdrücklich genannten Verrichtungen Sitzen und Liegen (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 14), eine abschließende Regelung dar (BSGE 82, 27), die sich am üblichen Tagesablauf eines gesunden bzw. nicht behinderten Menschen orientiert (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 3).
Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen, hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen.
Zur Grundpflege zählen:
1. im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung; 2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung; 3. im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.
Zutreffend ging das Sozialgericht davon aus, dass dem Kläger ab August 2003 Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung lediglich nach der Pflegestufe I zustehen. Das Sozialgericht bezog sich dabei vor allem auf die gutachterlichen Äußerungen der Dr. F. vom 18. September 2004. Die medizinische Sachverständige gelangt zu einem täglichen Hilfebedarf für die Grundpflege in Höhe von 91 Minuten, für die hauswirtschaftliche Versorgung in Höhe von 60 Minuten. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung für den hier noch streitigen Zeitraum von August 2003 bis 1. Januar 2006 an. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend weist er darauf hin, dass die von dem Betreuer des Klägers ermittelten Zeitangaben, die mit 158 Minuten für die Grundpflege deutlich höher als die von der Gutachterin anerkannten sind, nicht maßgeblich sein können. Der Betreuer berücksichtigte dabei Verrichtungen wie das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zum Spaziergang mit 20 Minuten täglich. Bei der Begleitung zum Spazierengehen handelt es sich um eine Verrichtung, die im Bereich der Grundpflege keine Berücksichtigung findet (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 1999, Az.: B 3 P 7/98 R).
Deutliche Abzüge bei den vom Kläger geltend gemachten Zeitangaben sind auch deshalb zu machen, weil darin auch eine allgemeine Aufsicht enthalten ist. Das Bundesssozialgericht (hier zitierte aus: BSG, Beschluss vom 8. Mai 2001, Az.: B 3 P 4/01 B) hat bereits mehrfach entschieden, dass eine allgemeine Aufsicht, die darin besteht zu überwachen, ob die erforderlichen Verrichtungen des täglichen Lebens von dem Pflegebedürftigen ordnungsgemäß ausgeführt werden, und dazu führt, dass dieser gelegentlich - auch wiederholt - zu bestimmten Handlungen aufgefordert werden muss, nicht ausreicht, weil eine nennenswerte Beanspruchung der Pflegeperson damit nicht verbunden ist. Ein Beaufsichtigungsbedarf ist nur zu berücksichtigen, wenn die Pflegeperson dabei nicht nur verfügbar und einsatzbereit, sondern durch die notwendigen Aufsichtsmaßnahmen - wie bei der Übernahme von Verrichtungen - auch zeitlich und örtlich in der Weise gebunden ist, dass sie vorübergehend an der Erledigung anderer Dinge gehindert ist, denen sie sich widmen würde bzw. könnte (z.B. Arbeiten aller Art im Haushalt oder Freizeitgestaltung), wenn die Notwendigkeit der Hilfeleistung nicht bestünde (Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 5 und 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6). Dementsprechend wurde eine Beaufsichtigung und Kontrolle bei der Nahrungsaufnahme als berücksichtigungsfähige Hilfe eingestuft, wenn sie von einer solchen Intensität ist, dass die Pflegeperson - wie beim Füttern - praktisch an der Erledigung anderer Aufgaben gehindert ist bzw. diese, wenn auch möglicherweise nur kurzzeitig, unterbrechen muss, die Hilfe also über das - gewissermaßen "nebenbei" erfolgende - bloße "Im-Auge-Behalten" des Pflegebedürftigen und das nur vereinzelte, gelegentliche Auffordern bzw. Ermahnen hinausgeht (Urteil des 10. Senats vom 27. August 1998 - B 10 KR 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 7).
Die medizinische Sachverständige orientierte sich bei der Bewertung des Zeitbedarfs im Bereich der Grundpflege jeweils an dem über eine allgemeine Aufsicht hinausgehenden Aufwand des Pflegers im Sinne der o.g. Rechtsprechung des BSG. Dabei wurde auch berücksichtigt, dass der Kläger vor allem eine kontinuierliche Betreuung bei bestimmten Verrichtungen des Alltags wie im Bereich der Ernährung oder der Mobilität benötigt.
Hinsichtlich der hauswirtschaftlichen Versorgung ist von einem - ungekürzten - Zeitbedarf von 60 Minuten auszugehen.
Damit ergibt sich im Ergebnis, dass im Bereich der Grundpflege ein Zeitbedarf von 120 Minuten gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI in der Zeit ab August 2003 zunächst nicht erreicht wurde, so dass die Beklagte zutreffend weiterhin die Pflegestufe I zugrunde legte.
Erst ab 1. Januar 2006 liegen die Voraussetzungen der Pflegestufe II vor. Im Bereich der Grundpflege ist danach ab diesem Zeitpunkt ein Hilfebedarf vom 147 Minuten pro Tag, im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung vom 70 Minuten, insgesamt somit 217 Minuten pro Tag anzusetzen. Der Kläger kann seit 2006 alle Verrichtungen im Alltag nicht mehr selbstständig durchführen. Er muss angeleitet, beaufsichtigt und teilweise unterstützt werden. Die Kontrolle der Ausscheidungsorgane hat deutlich nachgelassen; es ist regelmäßige Hilfe bei der Toilettenbenutzung notwendig. Zwar gab die behandelnde Allgemeinärztin in dem Befundbericht vom 23. Januar 2006 an, der Gesundheitszustand des Klägers sei gleichbleibend, doch widerspricht dies den Angaben des Betreuers, der mit Schriftsatz vom 5. Januar 2006 von einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers in letzter Zeit berichtet. Eine Neubewertung für die Zeit ab Januar 2006 ist daher schlüssig. Die Beklagte war ihrem Anerkenntnis entsprechend zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Obwohl der Kläger insoweit obsiegte, als ihm für die Zeit ab 1. Januar 2006 Leistungen nach der Pflegestufe II zuzusprechen waren, ist eine teilweise Kostenerstattung nicht angezeigt, da die Beklagte nach Bekanntwerden der wesentlichen Veränderung des Gesundheitszustandes aufgrund der von ihr eingeholten Stellungnahme des MDK den Anspruch ab 1. Januar 2006 unverzüglich anerkannte (zum Ganzen: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. § 193 Rdnr. 12 c).
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II.
Der 1950 geborene Kläger leidet an einem Morbus Down-Syndrom. Er bezieht seit 19. September 1999 Leistungen aus der Pflegestufe I. Dem Bescheid vom 8. September 1999 lag u.a. eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK) vom 30. August 1999 zugrunde, wonach Pflegebedürftigkeit in Pflegestufe I seit Oktober 1997 vorliegt.
Einen Antrag auf Leistungen nach der Pflegestufe II vom 17. September 2002 hatte die Beklagte mit Bescheid vom 17. Oktober 2002 nach Einholung einer Stellungnahme des MDK abgelehnt. Den Widerspruch hatte sie mit Widerspruchsbescheid vom 2. Januar 2003 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage zum Sozialgericht Landshut hatte der Kläger zurückgenommen, nachdem er am 18. August 2003 einen erneuten Antrag auf Leistungen nach einer höheren Pflegestufe gestellt hatte.
Die Beklagte holte zu dem erneuten Antrag eine Stellungnahme des MDK vom 4. November 2003 nach Hausbesuch ein. Darin wurde weiterhin die Pflegestufe I empfohlen. Der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege betrage 74 Minuten pro Tag (Körperpflege 44 Minuten, Ernährung 20 Minuten, Mobilität 10 Minuten), für hauswirtschaftliche Versorgung 60 Minuten pro Tag. Mit Bescheid vom 6. November 2003 lehnte die Beklagte den Antrag ab.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte eine erneute Stellungnahme des MDK vom 31. März 2004 nach Aktenlage ein. Danach ergaben sich keine neuen Erkenntnisse für eine Änderung der im Gutachten getroffenen Entscheidung (Pflegestufe I). Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2004 zurück.
Mit der hiergegen gerichteten Klage zum Sozialgericht Nürnberg begehrte der Kläger Pflegeleistungen nach der Pflegestufe II ab August 2003. Das Sozialgericht holte einen aktuellen Befundbericht der Allgemeinärztin Dr. V. ein und beauftragte die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. F. mit der Erstellung eines Gutachtens. Der Sachverständige führte im Gutachten vom 18. September 2004 aus, beim Kläger bestehe insbesondere ein Down-Syndrom bei Trisomie 21, eine Intelligenzminderung, ein Zustand nach rezidivierenden Synkopen (kurzzeitiger Bewusstseinsverlust) bei Hypotonie und Sinusbradykardie, ein Verdacht auf cholagene Diarrhoe bei Zustand nach Cholezystektomie sowie eine partielle Stuhlinkontinenz. Im Bereich der Grundpflege sei ein Bedarf von 91 Minuten (Körperpflege: 45 Minuten, Ernährung 30 Minuten, Mobilität 16 Minuten), für hauswirtschaftliche Versorgung 60 Minuten, insgesamt 151 Minuten täglich anzusetzen. Es bleibe bei der Einstufung in die Pflegestufe I. Zwar sei es seit Ende 2003 wiederholt zu Synkopen gekommen; dies fordere vom Betreuer eine erhöhte Aufmerksamkeit. Die tatsächlichen Fähigkeiten des Klägers hätten sich jedoch hierdurch nicht verändert. Die Diskrepanz zwischen den aktuell ermittelten Zeitwerten und den von der Pflegeperson angegebenen Zeitwerten beruhe darauf, dass der Betreuer Verrichtungen, wie das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, die Begleitung bei Spaziergängen und die Behandlungspflege aufführe. Diese Tätigkeiten seien jedoch nicht im Sinne des SGB XI anrechenbar. Entsprechendes gelte für angegebene Zeitwerte einer Rundumbeaufsichtigung.
Mit Urteil vom 31. Januar 2005 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es folgte dabei weitgehend dem Gutachten der Dr. F. , das sich im Ergebnis auch mit den Stellungnahmen des MDK decke. Der Kläger sei im Hinblick auf die Beweglichkeit seiner Extremitäten nach wie vor in der Lage, alle Verrichtungen im Bereich der Grundpflege grundsätzlich selbst vorzunehmen. Der Hilfebedarf werde durch ständige Anleitung und (in geringerem Maße) durch Teilübernahme von Verrichtungen geprägt. Dazu komme ein allgemeiner Beaufsichtigungsbedarf, der im Bereich der Grundpflege keine Berücksichtigung finden könne. Hinsichtlich der hauswirtschaftlichen Versorgung sei zu bedenken, dass der Kläger und der Betreuer zusammen im Ergebnis einen gemeinsamen Haushalt führten.
Zur Begründung der Berufung brachte der Kläger vor, die Zeitangaben seines Betreuers für die Pflege seien nicht berücksichtigt worden. Diese seien objektiver, da sie aus der täglichen Praxis stammten. Dass sein Pfleger und er zusammen einen Haushalt führten, sei nicht zutreffend. Schließlich werde nicht auf die Pflegesachleistung "häusliche Pflegehilfe" eingegangen, auf die er Anspruch habe. Die Beklagte verweigere diese Leistung, obwohl Pflegestufe I vorliege.
Die Beklagte wies darauf hin, dass der Kläger Pflegegeld erhalte. Pflegesachleistungen würde er erhalten, wenn ihn ein ambulanter Pflegedienst versorgen würde, was nicht der Fall sei.
Der Betreuer des Klägers machte mit Schriftsatz vom 5. Januar 2006 eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers geltend. In einem vom Senat eingeholten Befundbericht der Dr. V. vom 23. Januar 2006 wurde der Gesundheitszustand als gleichbleibend bezeichnet. Die Beklagte holte eine erneute Stellungnahme des MDK vom 6. Februar 2006 ein, wonach die Pflegestufe II seit Januar 2006 gerechtfertigt sei. Im Bereich der Grundpflege sei der Hilfebedarf auf 147 Minuten pro Tag, im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung auf 70 Minuten, insgesamt somit auf 217 Minuten pro Tag gestiegen. Nach den Angaben des Betreuers könne der Kläger alle Verrichtungen im Alltag nicht mehr selbstständig durchführen. Er müsse angeleitet, beaufsichtigt und teilweise unterstützt werden. Unregelmäßig träten plötzliche Benommenheitszustände und rezidivierende Durchfälle auf. Es sei regelmäßige Hilfe bei der Toilettenbenutzung notwendig. Die Beklagte erklärte mit Schriftsatz vom 23. Februar 2006, aufgrund dieses Gutachtens Leistungen der Pflegestufe II ab 1. Januar 2006 zu erbringen. Eine Äußerung des Klägers ging hierzu nicht ein.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 31. Januar 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2004 zu verurteilen, ihm Leistungen der Pflegestufe II ab 1. August 2003 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 31. Januar 2005 zurückzuweisen, soweit diese über das Anerkenntnis der Pflegeleistungen nach der Stufe II ab 1. Januar 2006 hinausgeht.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akte der Beklagten, der Gerichtsakte des Sozialgerichts Landshut, die beigezogen wurde, sowie der Klage- und Berufungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und insoweit begründet, als dem Kläger dem Anerkenntnis der Beklagten zufolge ab 1. Januar 2006 Leistungen nach der Pflegestufe II zustehen. Darüberhinaus, soweit ein über das Anerkenntnis auf Gewährung von Leistungen der Pflegestufe II ab 1. Januar 2006 hinausgehender Anspruch geltend gemacht wird, ist die Berufung unbegründet.
Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da dieser ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen worden war (§ 110 Abs. 1 S. 2 SGG). Der Rechtsstreit war nicht zu vertagen (§ 202 SGG in Verbindung mit § 227 Abs. 1 ZPO), da kein erheblicher Grund hierfür vorlag. Insbesondere ergibt sich aus dem Schreiben des Betreuers vom 21. Juli 2006 kein derartiger Grund, da dieser darin sein Nichterscheinen nur allgemein damit entschuldigt, den Kläger nicht alleine zu Hause lassen zu können, und ein persönliches Erscheinen des Betreuers nicht erforderlich war (Putzo, in: Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 227 Rdnr. 7).
Die Beklagte gab mit Schriftsatz vom 23. Februar 2006 ein Teilanerkenntnis ab, in dem sie sich wegen der vom MdK festgestellten Verschlechterung des Gesundheitszustandes bereit erklärte, Leistungen der Pflegestufe II ab 1. Januar 2006 zu erbringen. Um einen Rechtsstreit (teilweise) zu erledigen, ist die Annahme des Anerkenntnisses erforderlich (§ 101 Abs. 2 SGG). Die Annahme ist eine einseitige Prozesshandlung, die vom Kläger nicht, auch nicht konkludent, abgegeben wurde. Die Beklagte war daher entsprechend ihrem Teilanerkenntnis unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 31. Januar 2005 und unter Abänderung des Bescheids vom 6. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2004 zu verurteilen, dem Kläger Leistungen nach der Pflegestufe II ab 1. Januar 2006 zu gewähren.
Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen, da dem Kläger für die Zeit vom 1. August 2003 bis 31. Dezember 2005 kein Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe II in Form von Pflegegeld zusteht.
Maßgebend für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den einzelnen Pflegestufen ist der Umfang des Pflegebedarfs bei denjenigen gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, die in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgeführt und dort in die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität (Nrn. 1 bis 3), die zur Grundpflege gehören, sowie den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung (Nr. 4) aufgeteilt sind. Der dort aufgeführte Katalog von Verrichtungen stellt, nach Ergänzung um die im Gesetz offenbar versehentlich nicht ausdrücklich genannten Verrichtungen Sitzen und Liegen (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 14), eine abschließende Regelung dar (BSGE 82, 27), die sich am üblichen Tagesablauf eines gesunden bzw. nicht behinderten Menschen orientiert (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 3).
Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen, hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen.
Zur Grundpflege zählen:
1. im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung; 2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung; 3. im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.
Zutreffend ging das Sozialgericht davon aus, dass dem Kläger ab August 2003 Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung lediglich nach der Pflegestufe I zustehen. Das Sozialgericht bezog sich dabei vor allem auf die gutachterlichen Äußerungen der Dr. F. vom 18. September 2004. Die medizinische Sachverständige gelangt zu einem täglichen Hilfebedarf für die Grundpflege in Höhe von 91 Minuten, für die hauswirtschaftliche Versorgung in Höhe von 60 Minuten. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung für den hier noch streitigen Zeitraum von August 2003 bis 1. Januar 2006 an. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend weist er darauf hin, dass die von dem Betreuer des Klägers ermittelten Zeitangaben, die mit 158 Minuten für die Grundpflege deutlich höher als die von der Gutachterin anerkannten sind, nicht maßgeblich sein können. Der Betreuer berücksichtigte dabei Verrichtungen wie das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zum Spaziergang mit 20 Minuten täglich. Bei der Begleitung zum Spazierengehen handelt es sich um eine Verrichtung, die im Bereich der Grundpflege keine Berücksichtigung findet (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 1999, Az.: B 3 P 7/98 R).
Deutliche Abzüge bei den vom Kläger geltend gemachten Zeitangaben sind auch deshalb zu machen, weil darin auch eine allgemeine Aufsicht enthalten ist. Das Bundesssozialgericht (hier zitierte aus: BSG, Beschluss vom 8. Mai 2001, Az.: B 3 P 4/01 B) hat bereits mehrfach entschieden, dass eine allgemeine Aufsicht, die darin besteht zu überwachen, ob die erforderlichen Verrichtungen des täglichen Lebens von dem Pflegebedürftigen ordnungsgemäß ausgeführt werden, und dazu führt, dass dieser gelegentlich - auch wiederholt - zu bestimmten Handlungen aufgefordert werden muss, nicht ausreicht, weil eine nennenswerte Beanspruchung der Pflegeperson damit nicht verbunden ist. Ein Beaufsichtigungsbedarf ist nur zu berücksichtigen, wenn die Pflegeperson dabei nicht nur verfügbar und einsatzbereit, sondern durch die notwendigen Aufsichtsmaßnahmen - wie bei der Übernahme von Verrichtungen - auch zeitlich und örtlich in der Weise gebunden ist, dass sie vorübergehend an der Erledigung anderer Dinge gehindert ist, denen sie sich widmen würde bzw. könnte (z.B. Arbeiten aller Art im Haushalt oder Freizeitgestaltung), wenn die Notwendigkeit der Hilfeleistung nicht bestünde (Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 5 und 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6). Dementsprechend wurde eine Beaufsichtigung und Kontrolle bei der Nahrungsaufnahme als berücksichtigungsfähige Hilfe eingestuft, wenn sie von einer solchen Intensität ist, dass die Pflegeperson - wie beim Füttern - praktisch an der Erledigung anderer Aufgaben gehindert ist bzw. diese, wenn auch möglicherweise nur kurzzeitig, unterbrechen muss, die Hilfe also über das - gewissermaßen "nebenbei" erfolgende - bloße "Im-Auge-Behalten" des Pflegebedürftigen und das nur vereinzelte, gelegentliche Auffordern bzw. Ermahnen hinausgeht (Urteil des 10. Senats vom 27. August 1998 - B 10 KR 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 7).
Die medizinische Sachverständige orientierte sich bei der Bewertung des Zeitbedarfs im Bereich der Grundpflege jeweils an dem über eine allgemeine Aufsicht hinausgehenden Aufwand des Pflegers im Sinne der o.g. Rechtsprechung des BSG. Dabei wurde auch berücksichtigt, dass der Kläger vor allem eine kontinuierliche Betreuung bei bestimmten Verrichtungen des Alltags wie im Bereich der Ernährung oder der Mobilität benötigt.
Hinsichtlich der hauswirtschaftlichen Versorgung ist von einem - ungekürzten - Zeitbedarf von 60 Minuten auszugehen.
Damit ergibt sich im Ergebnis, dass im Bereich der Grundpflege ein Zeitbedarf von 120 Minuten gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI in der Zeit ab August 2003 zunächst nicht erreicht wurde, so dass die Beklagte zutreffend weiterhin die Pflegestufe I zugrunde legte.
Erst ab 1. Januar 2006 liegen die Voraussetzungen der Pflegestufe II vor. Im Bereich der Grundpflege ist danach ab diesem Zeitpunkt ein Hilfebedarf vom 147 Minuten pro Tag, im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung vom 70 Minuten, insgesamt somit 217 Minuten pro Tag anzusetzen. Der Kläger kann seit 2006 alle Verrichtungen im Alltag nicht mehr selbstständig durchführen. Er muss angeleitet, beaufsichtigt und teilweise unterstützt werden. Die Kontrolle der Ausscheidungsorgane hat deutlich nachgelassen; es ist regelmäßige Hilfe bei der Toilettenbenutzung notwendig. Zwar gab die behandelnde Allgemeinärztin in dem Befundbericht vom 23. Januar 2006 an, der Gesundheitszustand des Klägers sei gleichbleibend, doch widerspricht dies den Angaben des Betreuers, der mit Schriftsatz vom 5. Januar 2006 von einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers in letzter Zeit berichtet. Eine Neubewertung für die Zeit ab Januar 2006 ist daher schlüssig. Die Beklagte war ihrem Anerkenntnis entsprechend zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Obwohl der Kläger insoweit obsiegte, als ihm für die Zeit ab 1. Januar 2006 Leistungen nach der Pflegestufe II zuzusprechen waren, ist eine teilweise Kostenerstattung nicht angezeigt, da die Beklagte nach Bekanntwerden der wesentlichen Veränderung des Gesundheitszustandes aufgrund der von ihr eingeholten Stellungnahme des MDK den Anspruch ab 1. Januar 2006 unverzüglich anerkannte (zum Ganzen: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. § 193 Rdnr. 12 c).
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved