L 16 R 98/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 472/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 98/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 9. Juni 2005 wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Altersrente aus der deutschen Versicherung.

Der 1942 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz in Marokko.

In der Bundesrepublik war er von März 1971 bis Juni 1974 versicherungspflichtig beschäftigt (Meldebestätigung der AOK F.). Beschäftigt war er beim Bauunternehmen K. oHG, dort wurde zwar eine Krankmeldung von September bis November 1973 vermerkt, jedoch keine Unfallmeldung aus dem Jahre 1971 aufgeführt. Der Kläger bezog sich im Rahmen seines im Mai 1978 gestellten Rentenantrags auf einen Unfall und Gesundheitsstörungen im Jahre 1971. Bei der Berufsgenossenschaft machte er die Anerkennung eines Arbeitsunfalls geltend. Im Auftrag der LVA Hessen fand eine Untersuchung des Klägers statt. Mit Bescheid vom 31.07.1979 wurde der Antrag auf Gewährung von Rente wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit abgelehnt, da der Kläger vollschichtig noch leichte Arbeiten mit Einschränkungen verrichten könne. Auch die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung einer Berufskrankheit mit Bescheid vom 20.08.1979 ab.

Im Namen des Klägers stellte Frau D. M. von A. , Marokko, unter Vorlage einer Vollmacht, einen Antrag auf Beitragserstattung, der am 11.10.1979 bei der LVA Hessen eingegangen ist. Auf diesen Antrag wurden mit Bescheid vom 21.01.1980 Beiträge in Höhe von 1.815,90 DM erstattet. Der Kläger erhielt ein Schreiben der LVA Hessen vom 28.01.1980, mit dem ihm mitgeteilt wurde, dass entsprechend seiner Vollmacht der Erstattungsbescheid an D. M. abgesandt und der Erstattungsbeitrag in Höhe von 1.815,90 DM an sie überwiesen wurde.

Mit Schreiben vom 19.02.2004 beantragte der Kläger, ihm seine Rente aus Deutschland zu überweisen. Er übersandte eine Heiratsurkunde sowie Kopien seiner Arbeitserlaubnis.

Mit Bescheid vom 26.05.2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rente wegen Alters ab, da die bis 28.06.1974 zur Deutschen Rentenversicherung entrichteten Beiträge von der LVA Hessen erstattet worden seien und deshalb kein Rentenanspruch bestehe. Der Bescheid ist, nachgewiesen durch den Rückschein, dem Kläger am 17.06.2004 zugestellt worden.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2004 zurück mit der Begründung, ein Anspruch bestehe nicht, da die Beiträge für die Zeit vom 18.05.1971 bis 28.06.1974 auf Antrag erstattet worden seien, so dass rentenrechtliche Zeiten nicht mehr berücksichtigungsfähig seien.

Dagegen richtet sich die zum Sozialgericht Augsburg erhobene Klage. Der Kläger trägt vor, sein Antrag sei ohne weiteren Grund zurückgewiesen worden. Er sei alt, könne nicht mehr arbeiten und müsse deshalb die Rentenleistung erhalten; gewohnt habe er in der Umgebung von F. und bei der Firma A. gearbeitet. Er habe in dieser Zeit Frau M. D. eine Vollmacht gegeben, aber ganz bestimmt habe sie keinen Antrag auf Beitragserstattung gestellt, davon wisse er nichts.

Mit Gerichtsbescheid vom 09.06.2004 wies das Sozialgericht die Klage ab und führte zur Begründung aus, dass der Kläger keinen Anspruch auf Altersrente habe, da keine Beiträge zur Deutschen Rentenversicherung wirksam zurückgelegt worden seien. Aufgrund der Erstattung nach der damals gültigen Vorschrift des § 13 Abs.7 RVO sei keine rentenrechtlich beachtliche Zeit in Deutschland mehr vorhanden. Aus den erstatteten Beiträgen könne er keine Ansprüche mehr herleiten. Es sei auch nachgewiesen, dass die Auszahlung der Beiträge an die Bevollmächtigte erfolgte. Davon habe der Kläger gewusst. Denn zum einen habe er der Frau M. Vollmacht erteilt und zum anderen sei nicht nachvollziehbar, dass er erst im Jahre 2002 rüge, seit 1979 keine Zahlung erhalten zu haben. Die Bevollmächtigte sei auch zur Entgegennahme der Zahlung nach den Vorschriften des BGB (§ 362 BGB) berechtigt gewesen. Deshalb könne der Kläger gegenüber der Beklagten nicht erfolgreich einwenden, dass er den Erstattungsbetrag von der Bevollmächtigten nicht erhalten habe.

Mit Schreiben vom 01.02.2006, eingegangen am 10.02.2006, legte der Kläger Berufung ein. Er trug vor, die Berufung verspätet zu erheben, denn er sei sehr krank gewesen.

Er legte ärztliche Verordnungen vor, die zum Teil unleserlich sind und zum Teil Medikamentenverordnungen ohne Diagnosen darstellen.

Mit Schreiben vom 01.03.2006 wurde der Kläger auf die verspätete Einlegung der Berufung hingewiesen und aufgefordert, Gründe zu benennen, die zur Fristversäumnis geführt haben. Er wurde im weiteren Schreiben vom 25.04.2006 darauf hingewiesen, dass die vorgelegten ärztlichen Unterlagen keinesfalls ausreichten, um eine Erkrankung nachzuweisen, die ihn an der rechtzeitigen Einlegung der Berufung gehindert hätte. Es wäre der Nachweis einer Erkrankung notwendig, die ihn gehindert habe, den Brief zu fertigen und abzusenden. Außerdem wurde er darauf hingewiesen, dass der von ihm unterschriebene Antrag auf Beitragserstattung vorliege, die Beiträge in Höhe von 1.815,90 DM erstattet worden seien und er selbst von der LVA Hessen über diese Erstattung informiert worden sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 09.06.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2004 aufzuheben und ihm Altersrente dem Grunde nach zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten des Sozialgerichts Augsburg, der Beklagten, der Landesversicherungsanstalt Hessen und des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung wurde vom Kläger zwar formgemäß eingelegt; sie ist jedoch unzulässig, da sie verspätet eingelegt wurde.

Gemäß § 151 Abs.1 i.V.m. §§ 153 Abs.1, 87 Abs.1 Satz 2 SGG ist die Berufung innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des angefochtenen Urteils einzulegen. Über diese Frist wurde der Kläger im angefochtenen Gerichtsbescheid ausdrücklich und unmissverständlich belehrt. Nach dem vorliegenden Rückschein wurde der Gerichtsbescheid am 05.07.2005 ausgehändigt, damit ist eine Zustellung an den Kläger persönlich am 05.07.2005 nachgewiesen. Die Frist für die Einlegung der Berufung begann daher am 06.07.2005 und endete mit Ablauf des 05.10.2005. Die Berufung ist jedoch erst am 10.02.2006 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangen. Sie ist also nicht fristgemäß eingelegt worden.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 67 Abs.1 SGG). Ohne Verschulden versäumt ist eine gesetzliche Frist, wenn der Beteiligte diejenige Sorgfalt aufgewendet hat, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen der allgemeinen Verkehrsanschauung vernünftigerweise zuzumuten ist (BSGE 72, 158). Auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt durch einen gewissenhaft und sachgemäß handelnden Prozessführenden muss das Versäumnis der Verfahrensfrist nicht vermeidbar gewesen sein (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 67 Rdnr.3).

Kein Verschulden ist anzunehmen, wenn das fristwahrende Schriftstück den postalischen Bestimmungen entsprechend richtig frankiert und so rechtzeitig zur Post gegeben ist, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Post bei regelmäßigem Betriebsablauf den Empfänger fristgemäß erreicht hätte. Der Kläger hat das Berufungsschreiben, das das Datum 01.02.2006 trägt, als einfachen Brief zur Post gegeben. Es ist am 02.02.2006 von der marokkanischen Post abgestempelt und beim BayLSG am 10.02.2006 eingegangen. Damit sind zwischen dem Ende der Frist am 05.10.2005 und dem Eingang des Berufungsschreibens mehr als vier Monate vergangen. Der Kläger hat zwar eingewandt, wegen Erkrankung die Frist nicht eingehalten zu haben, es ist aber nicht ersichtlich, dass er vier Monate lang gehindert war, das Berufungsschreiben zu fertigen und an das Bayer. Landessozialgericht zu übersenden. Vielmehr kann aus den vorgelegten ärztlichen Verordnungen nicht erkannt werden, dass der Kläger an so schwerwiegenden Erkrankungen leidet, die eine solch lange Fristversäumnis erklären könnten. Insbesondere ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen und aus dem Vortrag des Klägers nicht, dass er sich z.B. in stationärer Behandlung befunden habe. Allein die Verordnung von Medikamenten kann eine Unfähigkeit, einen Brief zu fertigen und diesen zu versenden, nicht begründen. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 25.04.2006 auch auf diese Umstände hingewiesen und es wurde ihm nochmals Gelegenheit gegeben, Nachweise über die Art und Dauer seiner Erkrankung vorzulegen. Dazu hat sich der Kläger aber nicht mehr geäußert.

Krankheit schließt Verschulden nur aus, wenn der Beteiligte so schwer erkrankt ist, dass er nicht selbst handeln und auch nicht einen anderen beauftragen kann (s. Keller in Meyer-Ladewig, § 67 Anm.7c SGG). Diese strengen Anforderungen erfüllt der Kläger keineswegs, so dass Gründe für eine Wiedereinsetzung nicht glaubhaft gemacht sind. Aus diesen Gründen ist die Berufung als unzulässig, da verspätet, zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe gemäß § 160 Abs.2 Ziffer 1 und 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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