L 3 U 53/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 13 U 248/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 53/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 10.12.2003 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass Ziffer 2 des Urteils aufgehoben wird
II. Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Unfall des Klägers am 16.04.1999 als Arbeitsunfall zu entschädigen ist.

Der 1973 geborene Kläger ist Schreinermeister und übt diese Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses aus. Seit 01.06.1998 hat er zusätzlich ein Gewerbe angemeldet (Einbau von genormten Baufertigteilen). Am Freitag, den 16.04.1999, kam er gegen 15.00 Uhr auf die Baustelle des mit ihm befreundeten J. E ... Dessen Einfamilienhaus in M. , S.weg , befand sich in der letzten Phase des Innenausbaus. Der Kläger trug Arbeitskleidung und brachte Werkzeug mit. E. hatte ihm einen Auftrag für den Einbau von Türen erteilt und ihn im Laufe der Woche telefonisch gefragt, wann er einmal vorbeischauen könne, um ihn wegen eines Problems mit der Dachverkleidung über dem Treppenhaus zu beraten. Zu diesem Zeitpunkt war die Treppe vom Erdgeschoss bis zum Keller bereits als Viertelpodesttreppe betoniert, die Treppe vom Erdgeschoss zum Obergeschoss fehlte noch. Der Kläger betrat mit E. das Treppenpodest im Erdgeschoss, um die Probleme am Dachfenster zu betrachten. Dabei stürzte er vom nicht gesicherten Podest auf das darunter liegende zweite Podest und zog sich einen Schädelbasisbruch zu. Nachdem er wieder gesund war, brachte der Kläger die Dachverkleidung an.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 04.10.2000 die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung für den Unfall vom 16.04.1999 ab. Der Kläger sei wie ein Unternehmer tätig geworden. Eine Versicherung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (SGB VII) wie ein Beschäftigter scheide damit aus. Er habe einen Auftrag mit Werkvertragscharakter erfüllt. Den hiergegen vom Kläger eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2001, bekannt gegeben am 16.09.2002, zurück.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.10.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2001 zu verurteilen, den Unfall vom 16.04.1999 als Arbeitsunfall anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen zu gewähren. Er hat insbesondere vorgetragen, dass er zwar seine Fachkenntnisse bei der Anbringung der Verkleidung eingebracht, aber nach den Wünschen, Vorstellungen und Anweisungen des Bauherrn E. gehandelt habe. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 10.12.2003 abgewiesen. Außerdem hat es dem Kläger Missbrauchskosten in Höhe von 400,00 EUR auferlegt. Zur Begründung hat das SG darauf verwiesen, dass der Kläger wie ein Unternehmer im Rahmen eines privatrechtlichen Gefälligkeitsvertrages tätig geworden sei. Anders als bei einem Beschäftigungsverhältnis stelle dabei der Auftragnehmer nicht seine Arbeitskraft zur Verfügung, sondern wirke fremdnützig im Interesse des Auftraggebers.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Er hat dargelegt, dass er für den Bauherrn E. zwar als Selbständiger tätig gewesen sei, jedoch nur im Zusammenhang mit dem Setzen der Innentüren. Am Unfalltag sei er E. bei der Verkleidung eines Dachfensters behilflich gewesen und habe arbeitnehmerähnliche Tätigkeiten verrichtet. Der Bauherr habe beim Anbringen der Verkleidung lediglich seine Hilfe in Anspruch genommen. Dem widerspreche nicht, dass er dabei seine Fachkenntnisse gebrauchen konnte. Die Beklagte hat demgegenüber darauf hingewiesen, dass die Erteilung eines fachmännischen Rates als unternehmer-ähnlich zu werten sei. Es handele sich um einen Auftrag mit Werkvertragscharakter, der als unternehmerähnliche Tätigkeit zu werten sei.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 10.12.2003 zu verurteilen, den Unfall vom 16.04.1999 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 10.12.2003 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten beider Instanzen, die beigezogene staatsanwalt- schaftliche Akte 131 JS 92887/99, die Eigenbauakten des Bau- herrn J. E. und die Schadensakten der B ...

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entschädigung des Unfalles vom 16.04.1999 als Arbeitsunfall, weil er zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. Zum Unfallzeitpunkt bestand zwischen dem Kläger und der Beklagten kein Versicherungsverhältnis, aus dem der geltend gemachte Entschädigungsanspruch hätte entstehen können.

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 und 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Der Kläger war nicht Arbeitnehmer des Bauherrn E. und daher nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert. Er war aber auch nicht nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII versichert, weil er nicht wie ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherter tätig wurde. Zur Überzeugung des Senats steht vielmehr fest, dass der Kläger bei seiner Hilfe für den Bauherrn E. unternehmerähnlich tätig wurde.

Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII sind Personen versichert, die "wie" nach Abs. 1 Nr. 1 Versicherte - wenn auch nur vorüberge- hend - tätig werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 17.03.1992, SozR 3-2200 § 539 Nr. 16) setzt ein solcher Versicherungsschutz voraus, dass es sich um eine dem in Betracht kommenden Unternehmen dienende Tätigkeit handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und sonst ihrer Art nach von Personen verrichtet werden kann, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen. Sie muss ferner unter solchen Umständen geleistet werden, dass sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist. Eine Eingliederung in das Unternehmen ist dabei ebensowenig erforderlich wie die persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom Unternehmer. Auch wenn die Arbeit von geringem wirtschaftlichen Wert ist und sie unentgeltlich geleistet wird, steht dies der Anwendung von § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nicht entgegen. Wurde der Verletzte jedoch wie ein Selbständiger tätig, wird kein Versicherungsschutz begründet. Ob eine Tätigkeit im konkreten Einzelfall unter Beachtung dieser Grundsätze als arbeitnehmer- oder unternehmerähnlich zu qualifizieren ist, richtet sich nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, unter denen sie verrichtet wurde. Da meistens einige Umstände für und andere gegen ein beschäftigungsähnliches Verhältnis sprechen, ist das Gesamtbild der Tätigkeit entscheidend (Ricke in: Kasseler Kommentar, § 2 SGB VII Rdnr. 4; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 34.12).

Unternehmerähnlich sind Tätigkeiten, die eher mit einem anderen Vertragtyp als mit einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, d.h. einem Dienstvertrag, vergleichbar sind. Beim Werkvertrag verpflichten sich die Unternehmer (Hersteller) zur Herstellung eines versprochenen Werkes, d.h. zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolges gegen Vergütung. Wird keine Vergütung vereinbart, so sind in diesem Fall die Voraussetzungen eines Auftrages mit Werkvertragscharakter erfüllt (BSG, 27.10.1987, HV-Info 3/88, 213). Unternehmerähnlichkeit liegt auch vor, wenn der Be- troffene nach außen wie ein Unternehmer handelt (BSGE 42, 121), d.h. dann, wenn die Betätigung der eines Architekten, Ingenieurs oder Handwerksmeisters gleichzustellen ist (Bereiter- Hahn/Mehrtens, § 2 SGB VII Anm. 34.14).

Ausgehend vom Gesamtbild ist der Senat der Auffassung, dass der Kläger als Handwerksmeister am Freitag Nachmittag dem Bauherrn E. einen Rat erteilen und hierbei seine Fachkenntnisse einbringen sollte. Es kann dahingestellt bleiben, ob er auch reparieren sollte - dagegen spricht das Fehlen eines Gerüsts - denn auch dann hätte er seine speziellen Fachkenntnisse als Schreinermeister verwertet, so dass seine Tätigkeit unternehmerähnlich wäre (vgl. Keller, Arbeitnehmerähnliche oder unternehmerähnliche Tätigkeit? Ein Beitrag zur Rechtsanwendung des § 2 Abs. 2 SGB VII, NZS 2001, 188, 193). Hinzu kommt, dass sämtliche Merkmale für eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit wie die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung in den Betrieb fehlen. Der Senat geht deshalb davon aus, dass der Kläger für den Bauherrn E. einen Auftrag mit Werkvertragscharakter durchführen sollte. Dieser Auftrag mit Werkvertragscharakter entspricht exakt der Tätigkeit eines selbständigen Architekten, Ingenieurs oder Handwerksmeisters.

Ein weiteres Indiz für eine unternehmerähnliche Tätigkeit sieht der Senat darin, dass der Kläger über die Zeit der Beratung entscheiden konnte und deshalb erst am Freitag Nachmittag auf die Baustelle kam. Ein Termin wurde ihm vom Bauherrn E. nicht vorgegeben.

Im Ergebnis hat das SG die Klage also zu Recht abgewiesen. Die Berufung war insoweit bezüglich der Ziffer 1 des Urteils zurückzuweisen.

Die Ziffer 2 war demgegenüber aufzuheben. Dem SG ist zuzustimmen, dass eine missbräuchliche Rechtsverfolgung im Sinne von § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch die Fälle der Weiterverfolgung eines Verfahrens trotz offensichtlicher Aussichtslosigkeit umfasst. Allerdings ist der Senat der Auffassung, dass im vorliegenden Verfahren keine offensichtliche Aussichtslosigkeit gegeben war. Davon kann nur dann ausgegangen werden, wenn die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Rechtsfragen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung zweifelsfrei geklärt sind oder sich die Lösung unmittelbar aus dem Wortlaut der Bestimmung ableiten lässt (Knittel in Hennig, SGG, § 192 Rdnr. 13). Da im vorliegenden Fall die Entscheidung, ob Versicherungsschutz bestanden hat bzw. eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit vorlag, aufgrund des Gesamtbildes im Einzelfall anhand der von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriterien zu treffen war und sich das Ergebnis dieser Bewertung weder unmittelbar aus dem Gesetz noch anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Einzelfall ermitteln ließ, waren die Voraussetzungen für die Verhängung von Missbrauchskosten nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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