Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 20 U 511/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 310/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.05.2004 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 24.02.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2000 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Laut Unfallanzeige erlitt die Klägerin am 29.07.1998 einen Unfall, als sie aufgrund eines Fahrfehlers eines Autofahrers ihren Motorroller plötzlich abbremsen musste und infolgedessen auf die Straße stürzte.
Gegenüber dem Durchgangsarzt gab sie am 30.07.1998 an, sie sei von dem Pkw angefahren worden und auf die linke Körperhälfte gestürzt. Es habe ein beschwerdefreies Intervall bestanden. Der Durchgangsarzt diagnostizierte multiple Prellungen, HWS-Zerrung, Schürfwunden.
Ein MRT der Halswirbelsäule vom 31.07.1998 zeigte Chondrosen mit beginnenden Spondylosen C5 bis C7, eine flache Bandscheibenprotrusion C5/6, keinen Hinweis auf diskoligamentäre Zerreißung bei Fehlhaltung der oberen Halswirbelsäule und wohl durch die beginnende Osteochondrose bedingte Fehlstellung bei C6/7. Der Durchgangsarzt berichtete am 28.09.1998, die Klägerin gebe noch Beschwerden im Bereich der Brust- und Halswirbelsäule an; es fänden sich hier eine freie Beweglichkeit, jedoch endgradig deutliche Schmerzen, die Muskulatur sei erheblich verspannt, neurologisch zeigten sich keine Auffälligkeiten. Die praktische Ärztin Dr. P. erklärte im Bericht vom 05.02.1999, die Klägerin habe bei dem Unfall eine Commotio cerebri, HWS-Prellung und multiple Prellungen und Schürfwunden erlitten. Sie sei bis heute in ihrem Beruf als Lehrerin nicht arbeitsfähig. Es bestünden Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Schwindel, Kopfschmerzen und Übelkeit. Die Schilderung der Beschwerden sei glaubhaft.
Der Orthopäde Dr. L. führte im Schreiben vom 14.09.1999 aus, die Klägerin gebe an, dass sie vor dem Unfall nie Kopfbeschwerden gehabt habe. Daher müsse er davon ausgehen, dass die jetzigen Beschwerden Folge des Unfalles seien.
In einem Gutachten für die BfA vom 23.02.1999 (Untersuchungstag) kam der Nervenarzt Dr. R. zu dem Ergebnis, es bestehe kein Hinweis für das Vorliegen einer psychotischen Erkrankung, es zeigten sich keine Gedächtnis- oder Bewusstseinsstörungen, keine abgrenzbaren depressiven Phasen, allerdings im Zusammenhang mit den körperlichen Beschwerden reaktiv-depressive Verstimmungen. Die Klägerin gebe an, sie habe mit 38 Jahren ein Schleudertrauma erlitten und leide seit dieser Zeit unter chronischen Kopfschmerzen. Es handele sich um funktionelle Störungen mit psychogenem Schwindel und Überforderungssyndrom. Die neurologische Untersuchung habe keine neurologischen Ausfälle objektivieren können. Es empfehle sich ein Heilverfahren in einer psychosomatischen Klinik.
Die Klägerin gab an, sie habe 1984 ein HWS-Schleudertrauma erlitten. Nach zweieinhalbjähriger Therapie durch Dr. G. sei sie wieder völlig beschwerdefrei gewesen. Ansonsten habe sie in der Zeit bis zum Unfall nur wenige Tage in der Schule gefehlt.
Im Gutachten vom 12.01.2000 führte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.K. zusammenfassend aus, die angegebenen Beschwerden seien nicht mit dem Unfall in Zusammenhang zu bringen. Es handle sich im Grunde genommen nur um ein geringes Trauma mit relativ geringfügigen initialen Verletzungen. Außerdem sei die Klägerin nach Auskunft der Krankenkasse bereits 1994 wegen Migräne behandelt und für sechs Wochen krankgeschrieben worden. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit sei höchstens bis Ende 1998 zu bestätigen.
Der Orthopäde Dr. K. erklärte im Gutachten vom 18.01.2000, Unfallfolgen seien nicht mehr feststellbar. Auszuschließen seien eine Frakturschädigung an der Halswirbelsäule sowie eine unfallbedingte Zerreißung von Kapselbandgewebe oder der Längsbänder. Das Magnetresonanztomogramm (MRT) weise nicht die Spur einer Ödembildung oder von Einblutungen auf. Dagegen seien degenerative Veränderungen festgestellt, somit eine Vorschädigung der Halswirbelsäule. Immerhin sei die Klägerin noch in der Lage gewesen, mit dem Motorrad 3 bis 4 km zu ihrem Hausarzt zu fahren. Auch habe ein stundenlanges beschwerdefreies Intervall vorgelegen. Durch den Unfall sei es zu einer leichten bis mittelschweren Zerrverletzung der Halswirbelsäule sowie zu Prellungen und Schürfungen gekommen. Spätestens am 31.12.1998 seien diese Verletzungen ausgeheilt gewesen. Die MdE sei bis 30.11. 1998 auf 20 v.H., ab 01.12. bis 31.12.1998 auf 10 v.H. und danach mit weniger als 10 v.H. einzuschätzen.
Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 24.02.2000 den Unfall als Arbeitsunfall an, lehnte aber die Gewährung einer Rente ab. Durch den Unfall sei es zu einer leichten Schädelprellung, einer leichten Zerrverletzung der Halswirbelsäule und vielfachen Prellungen und Schürfungen gekommen. Unfallfolgen seien nicht verblieben.
Vom 11.11. bis 09.12.1999 wurde ein Heilverfahren durch die BfA in Bad H. durchgeführt. Die Klägerin gab ein Schleudertrauma 1984 an; bereits seit dieser Zeit habe sie chronische Cephalgien und Schmerzen im HWS-Bereich. Es hätten sich Hinweise auf neurotische Bewältigungsmuster im Sinne einer Selbstwertproblematik gezeigt, die für eine Aufrechterhaltung der Symptomatik infrage kämen. Es sei der Klägerin kaum gelungen, psychologische Co-Faktoren als Erklärung für ihre Schmerzen anzuerkennen.
Zur Begründung des Widerspruchs gegen den ablehnenden Bescheid übersandte die Klägerin ein Attest ihres Hausarztes Dr. E. für die Nordstern Versicherung vom 13.11.1998: erster Behandlungstag sei der 29.07.1998 gewesen. Es hätten eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung am linken Handgelenk bestanden, Hämatome der Extremitäten, Schürfwunden, Prellungen beiderseits, Commotio. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis 30.10.1998 angedauert. Jetzt träten nach längerem Unterricht Schmerzen auf, so dass die Klägerin nicht mehr weiter unterrichten könne.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2000 zurück.
Im hiergegen gerichteten Klageverfahren hat das Sozialgericht Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen. Dr. E. gab im Schreiben vom 18.09.2000 an, im März 1994 habe die Klägerin akute migräneartige prämenstruelle Beschwerden angegeben. Nach einer kurzfristigen Injektionsbehandlung sei es ihr wieder gut gegangen. Kurzfristige vegetative Stresssyndrome habe er zwei- dreimal in Phasen außergewöhnlicher Belastung diagnostiziert.
Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Chirurg Dr. L. hat im Gutachten vom 12.12.2000 zusammenfassend ausgeführt, trotz der durch den Unfallhergang gegebenen Möglichkeit einer schweren Halswirbelverletzung sei eine solche ausweislich der zeitnah zum Unfallereignis erhobenen Befunde mit größter Sicherheit nicht eingetreten. In den Tagen und Wochen nach dem Unfallereignis sei es zu einem vegetativ-neurasthenisch gefärbten Leistungsknick mit Somatisierung gekommen, für den das chirurgische Fachgebiet keine Erklärung biete. Objektiv bestünden an der Halswirbelsäule mäßiggradige noch alterskonforme degenerative Veränderungen, die ebenfalls für die beklagte Symptomatik keine ausreichende Erklärung böten. Jetzt bestünden höhergradige Muskelverspannungen und eine praktisch freie Beweglichkeit. Der während der Untersuchung aufgetretene Schwächeanfall finde keine Erklärung im Zustand der Halswirbelsäule.
Der gleichfalls zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Neurologe Dr. S. ist im Gutachten vom 14.03.2001 zu dem Ergebnis gekommen, es sei eine Stauchungsverletzung der Halswirbelsäule im Sinne einer HWS-Zerrung anzunehmen. Jetzt lägen eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vor und ein depressives Syndrom. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit sei der Unfall die Ursache für die Entwicklung der Schmerzstörung. Trotz der psychosozialen Belastungsfaktoren in der Vergangenheit (sexuelles Missbrauchserlebnis im Kindesalter, Exhibitionismus des Ehemannes) habe die Klägerin ein normales und erfülltes Leben führen können. Es gebe keinerlei Hinweise dafür, dass es ohne den Unfall zu einer psychischen Dekompensation gekommen wäre. Das Erlebnis, dass sich die Gesundheitsstörung nicht unter Kontrolle bringen ließ und die zahlreichen frustrierenden Arbeitsversuche seien gerade bei den zwanghaften Persönlichkeitsanteilen der Klägerin auslösend für die somatoforme Schmerzstörung gewesen. Die MdE sei bis 31.12.1999 mit 20 v.H., ab 01.01.1999 wegen der depressiven Begleitsymptomatik mit 30 v.H. einzuschätzen.
Hierzu hat die Beklagte eine Stellungnahme des Dr. K. vom 28.05.2001 übersandt, in der er erklärte, es handle sich um eine seelische Störung, deren Gründe schon Jahrzehnte vorher angelegt gewesen seien. Dem Unfall möge eine Art Auslösefunktion zukommen, jedoch sicherlich keine Funktion im Sinne einer Ursache. Es sei davon auszugehen, dass jede andere Belastung, die sich etwa um die gleiche Zeit ereignet hätte, zu einer ähnlichen psychischen Reaktion geführt hätte. Es handle sich bei einer derartigen somatoformen Schmerzstörung nicht um eine verletzungsspezifische seelische Störung. Ein kausaler Zusammenhang sei hier nicht gegeben.
Die Klägerin hat eine Stellungnahme des Arztes für Psychiatrie und Dipl.-Psychologen Dr. S. übersandt: Wenn auch ein hohes Konfliktpotenzial bestehe, so sei die Klägerin doch nie psychiatrisch krank oder behandlungsbedürftig gewesen. Ihr Leben habe erst durch den Unfall eine entscheidende Zäsur erfahren.
In der ergänzenden Stellungnahme vom 10.12.2002 hat Dr. S. die Auffassung vertreten, es gebe bei psychischen Erkrankungen kein spezielles Konflikt-Bedingungsgefüge, das automatisch zu einer bestimmten psychiatrischen Gesundheitsstörung führen würde. Es habe sicherlich bis zum Unfall eine grenzwertig kompensierte traumatisierte Persönlichkeit bestanden, jedoch ohne Krankheitswert, die durch das Unfallereignis dekompensiert sei. Prof. K. habe in einer wissenschaftlichen Abhandlung ausgeführt, die Annahme unabdingbarer frühkindlicher Traumata für die Pathogenese der somatoformen Störung sei erschüttert.
Hierzu hat Dr. K. am 26.02.2003 erklärt, eine somatoforme Schmerzstörung sei eine psychische Störung, die ein vielfältiges Bedingungsgefüge habe. Die Klägerin habe schwere Konflikte erlitten, die ganz erhebliche psychische Traumatisierungen dargestellt hätten. Offensichtlich seien diese seelische Störungen aber über Jahre hinweg asymptomatisch geblieben. Auch nach dem Unfall seien zunächst psychiatrische Symptome nicht festgestellt worden, sondern erstmals im von der BfA veranlassten Gutachten von Dr. P. vom Januar 2001. Sowohl der von Dr. R. als auch der von ihm im Januar 2000 erhobene psychiatrische Untersuchungsbefund seien normal gewesen. Trotz des geringen Schweregrades der Verletzungen habe sich mit zeitlicher Latenz ein chronisches psychiatrisches Krankheitsbild entwickelt. Nach Schönberger-Mehrtens-Valentin sei in einem solchen Fall zumindest ab einem bestimmten Zeitpunkt davon auszugehen, dass die rechtlich allein wesentliche Ursache für die psychische Störung die anfällige psychische Verfassung der Klägerin sei. Die somatoforme Schmerzstörung sei nicht im Unfallzusammenhang zu sehen.
In der ergänzenden Stellungnahme vom 16.04.2003 hat Dr. S. ausgeführt, nach gründlicher Durchsicht aller Befunde und des Langzeitverlaufs müsse er seine Meinung revidieren. Er müsse sich den Ausführungen von Dr. K. anschließen. Er habe die Krankheitsanlage als zu gering eingeschätzt und die psychische Belastung durch den Unfall als zu hoch. Auch das Weiterbestehen der psychischen Gesundheitsstörungen ohne Abklingen nach dem Unfall spreche für einen eigenständigen neurotischen Erkrankungsprozess. Der Unfall erfülle durch seine geringe Schwere nicht die Bedingung einer wesentlichen Mitursache.
Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Psychiater Prof. Dr. N. hat im Gutachten vom 18.02.2004 ausgeführt, die Klägerin habe durch die Aufgabe ihres Berufs eine Selbstwertkrise erlitten. An der Kette der Ereignisse, nämlich, dass der Arbeitsunfall zur Schmerzsymptomatik geführt habe und die nicht abklingenden Schmerzen der Klägerin zur Aufgabe des Berufs gezwungen hätten, bestehe kein Zweifel. Die aufkommende Frustration habe langfristig die Depressionen zur Folge gehabt und diese wiederum habe die Schmerzsymptomatik im Sinne einer Somatisierungsstörung verstärkt. Die anhaltende somatoforme Schmerzstörung sei mit Wahrscheinlichkeit durch den Unfall insofern mitverursacht, als der Unfall einer von mehreren Teilfaktoren, die zur Entstehung beigetragen hätten, sei, wobei keiner dieser Teilfaktoren - prämorbide Vulnerabilität, psychosoziale Belastung, unfallbedingte Schmerzen und psychische Fehlbewältigung - weggedacht werden könne. Der Unfall sei zumindest mittelbar eine wesentliche Mitursache. Die MdE werde auf 20 v.H. eingeschätzt.
Mit Urteil vom 11.05.2004 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 24.02.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2000 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin wegen des Unfalls ab 27.01.2001 Teilrente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente und Verletztengeld zu gewähren. Das Gericht stützte sich insbesondere auf das Gutachten von Prof. Dr. N. und die Ausführungen des Dr. S. im Gutachten vom 14.03.2001.
Zur Begründung der Berufung hat die Beklagte eingewandt, lediglich in einem zeitlichen Zusammenhang mit einem eher banalen Verkehrsunfall ohne relevante Körperschäden sei es zu einer psychischen Dekompensation gekommen. Gesicherte Erkenntnisse zur Kausalität habe auch Prof. Dr. N. nicht vorlegen können und ausgeführt, dass die Debatten über das "Reizthema" Somatisierungsstörung noch nicht abgeschlossen seien. Nach der herrschenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft sei nicht belegt, dass Ereignisse dieser Art allgemein geeignet seien, solche Krankheitsbilder hervorzurufen. Das unfallchirurgische Fachgebiet biete keine Erklärung für den Leistungsknick mit Somatisierung. Der Verkehrsunfall sei als beliebig austauschbare Ursache für die Dekompensation der schon durch unfallunabhängige psychische Belastungen grenzwertig kompensierten Persönlichkeit zu betrachten.
Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Arzt für Neurologie und Psychiatrie und Dipl.-Psychologe Dr. M. ist im Gutachten vom 09.06.2005 zu dem Ergebnis gekommen, es bestehe keine Depression mehr, sondern ein normaler psychopathologischer Befund, wie ihn auch Prof. Dr. N. beschrieben habe. Zu der episodisch aufgetretenden depressiven Störung sei anzumerken, dass zu keinem Zeitpunkt eine nervenärztliche Behandlung diesbezüglich dokumentiert sei. Die berufliche Zurückstufung der Klägerin von der Lehrerin mit verantwortungsvollen Sonderaufgaben zur Aushilfslehrkraft im Februar 2000 habe vor dem Hintergrund einer eher anankastischen Primärpersönlichkeit sicher eine so große Verletzung des Selbstwertgefühls bedeutet, dass erst ab diesem Zeitpunkt von einer somatoformen Schmerzstörung auszugehen sei. Sicherlich hätten auch andere Erlebnisse außerhalb der Tätigkeit der Klägerin die Schädigung etwa zu der gleichen Zeit herbeigeführt. Eine Verursachung und Entwicklung einer somatoformen Schmerzstörung in Zusammenhang mit einer körperlichen Bagatellverletzung seien nicht anzunehmen, wenn nicht andere Faktoren hinzukämen. Die somatoforme Schmerzstörung sei nicht von der Vorgeschichte der Klägerin und einem möglichen sekundären Krankheitsgewinn zu trennen, so dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Unfallzusammenhang nicht vorliege.
Die Klägerin hat dagegen eingewandt, es bestehe eine Kausalität zwischen dem Unfall und der somatoformen Schmerzstörung. Bei dem Unfall handele sich keinesfalls um eine Gelegenheitsursache. Dr. M. habe Prof. Dr. E. zitiert, der erklärt habe, in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn der Schmerzproblematik müsse eine psychosoziale Belastungssituation nachweisbar sein. Diese sei bei der Klägerin im Zusammenhang mit den Folgeschäden des Arbeitsunfalls gegeben. Die sich einstellenden psychosozialen Konflikte, die Erkenntnis, dass der Beruf aufgegeben werden musste, seien als die entscheidende Ursache für die Entwicklung der Schmerzstörung anzusehen. Diese Konflikte stünden mit dem Arbeitsunfall in einem sowohl inhaltlich wie auch zeitlich nachvollziehbaren Zusammenhang.
Beigezogen wurde die Akte des Sozialgerichts München im Rentenrechtsstreit der Klägerin gegen die BfA mit dem Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychatrie Dr. P. vom 12.01.2001.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, des Versorgungsamtes und der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich begründet.
Ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Unfallrente und von Verletztengeld ab Januar 2000 gemäß §§ 8, 56, 46 des Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII) ist nicht gegeben.
Dies steht zur Überzeugung des Senats fest im Hinblick auf die überzeugenden Ausführungen des ärztlichen Sachverständigen Dr. M. sowie des Dr. S. in der Stellungnahme vom 16.04.2003 und des Dr. K ...
Bei der Klägerin bestehen keine gesundheitlichen Störungen mehr, die Folge des Unfalls vom 29.07.1998 sind. Eine Gesundheitsstörung ist dann Folge eines Unfalls, wenn dieser zu deren Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Wenn mehrere Bedingungen gleichwertig oder annähernd gleichwertig zu dem Erfolg beigetragen haben, ist jede von ihnen Ursache im Rechtssinn. Kommt dagegen einem der Umstände gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, so ist er allein wesentliche Ursache (vgl. BSGE 13, 176). Die Leiden, die die Klägerin als Unfallfolge anerkannt haben möchte, bedürfen als anspruchsbegründende Tatbestandsmerkmale des vollen Beweises, das heißt, sie müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für das Bejahen des ursächlichen Zusammenhangs genügt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, das heißt, bei vernünftiger Abwägung aller Umstände muss den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommen, so dass darauf die richterliche Überzeugung begründet werden kann (vgl. BSGE 45, 286).
Schwerwiegende Folgen des Unfalls vom 29.07.1998 liegen aber über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus nicht vor. Der Unfall hat eine leichte bis allenfalls mittelschwere Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule bewirkt. Nach medizinisch-wissenschaftlichem Kenntnisstand kann eine solche Verletzung keinen Dauerschaden hinterlassen. Dies haben der Orthopäde Dr. K. im Gutachten vom 18.01.2000 sowie der Chirurg Dr. L. im Gutachten vom 12.12.2000 überzeugend dargelegt. Eine Frakturschädigung der Halswirbelsäule oder eine unfallbedingte Zerreißung von Kapselbandgewebe oder der Längsbänder ist auszuschließen. Das MRT vom 31.07.1998 wies, so Dr. K. , nicht die Spur einer Ödembildung oder von Einblutungen auf. Dagegen waren degenerative Veränderungen festzustellen, somit eine Vorschädigung der Halswirbelsäule. Auch Dr. L. hat betont, dass eine schwere Halswirbelverletzung ausweislich der zeitnah zum Unfallereignis erhobenen Befunde mit größter Sicherheit nicht eingetreten ist. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin in der Lage war, nach dem Unfall mit ihrem Motorroller selbst zum Arzt zu fahren.
Die jetzt bestehenden Beschwerden sind als eigenständige psychische Störungen zu sehen, denn das Schleudertrauma kann die vielfältigen Beschwerden nicht erklären. Der Unfall hat auch nicht ursächlich zu einer psychischen Fehlverarbeitung von Krankheitswert geführt. Bei der Klägerin bestand nämlich eine nachgewiesene Krankheitsanlage in Form einer zwanghaften, anankastischen Persönlichkeit. Der Unfall hat nur aufgrund des Zusammenwirkens mit diesen anlagebedingten Faktoren zu der jetzt bestehenden, von Dr. P. im Januar 2001 erstmals diagnostizierten somatoformen Schmerzstörung geführt, ist aber nicht deren rechtlich wesentliche Ursache; denn die Krankheitsanlage war, so Dr. M., bereits so ausgeprägt, dass die somatoforme Schmerzstörung wahrscheinlich zu etwa derselben Zeit und in etwa demselben Umfang auch bei anderer Gelegenheit hätte auftreten können.
Die Lebensgeschichte der Klägerin zeigt ein Reihe von belastenden Faktoren, wie den Missbrauch im Kindesalter, den frühen Tod des Vaters, den Exhibitionismus des Ehemanns, die Fehlgeburt bei Kinderwunsch und die erheblichen finanziellen Probleme bereits Mitte der achtziger Jahre als Folge des damaligen Autounfalles. Wie der behandelnde Arzt bestätigt hat, litt die Klägerin in Phasen außergewöhnlicher Belastung bereits früher unter kurzfristigen vegetativen Stresssyndromen. Diese Disposition gehört zur unfallunabhängigen Persönlichkeit der Klägerin. Allerdings ist erst mit dem Unfallereignis eine Krankheitsentwicklung in Gang gekommen. Hier handelt es sich um ein Syndrom, das in keiner Beziehung zur Schwere des auslösenden Umfallereignisses steht. Denn der Unfall hatte, wie auch der Durchgangsarzt am 30.07.1998 festgestellt hat, außer zu der HWS-Zerrung lediglich zu multiplen Prellungen und Schürfwunden geführt. Das Unfallereignis hat die bei der Klägerin vorliegende Schwäche getroffen, aber nicht wesentlich zu der Schmerzstörung, wie sie jetzt besteht, geführt. Hier sind die früheren psychischen Belastungen im Zusammenhang mit einer angeborenen Disposition ursächlich. Der Unfall ist nach medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis als Auslöser und nicht als Ursache der Symptomatik zu sehen. Im Fall der Klägerin ist gerade das Missverhältnis zwischen dem Trauma und seinen Folgen bemerkenswert. Das Trauma war ein leichter Verkehrsunfall und eine leichte, inzwischen längst abgeklungene Schädigung der Halswirbelsäule. Die noch immer bestehende Symptomatik, die sich erst in einem gewissen zeitlichen Abstand zum Unfall entwickelt und im weiteren Verlauf verstärkt hat, lässt keine Beziehung und erst recht keine besondere Beziehung zum Verkehrsunfall erkennen; im Gegenteil ist die Symptomatik im Verhältnis zum Unfall unangemessen. Dies bedeutet, dass die unfallunabhängige Disposition bei der Klägerin so stark ausgeprägt war, dass es nur noch eines geringfügigen Anstoßes bedurfte, um die jetzt bestehenden Gesundheitsstörungen auszulösen. Es ist wahrscheinlich, dass die Schädigung beliebig austauschbar wäre, das heißt, dass auch andere Bagatelltraumata ein ähnlich ausgeprägtes Beschwerdebild hätten herbeiführen können. Die Anlage der Klägerin ist durch das Unfallereignis nicht in rechtlich bedeutsamer Weise beeinflusst worden. Es ergibt sich lediglich ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Rückzug aus dem Erwerbsleben, ohne dass eine kausale Verknüpfung zwischen dem Unfall und dem Eintritt der somatoformen Schmerzstörung bestünde.
In diesem Zusammenhang sind die Feststellungen der im Rentenrechtsstreit zur Sachverständigen ernannten Dr. P. vom 12.01.2001 von Bedeutung, auf die Dr. K. und Dr. M. zurückgegriffen haben. Dr. P. , die lediglich nach dem aktuellen Leistungsvermögen gefragt war, führte aus, sicher habe der Unfall eine wesentliche auslösende Rolle gespielt. Überdauernde Folgen auf neurologischem oder orthopädischem Fachgebiet hätten sich nach dem Unfall nicht objektivieren lassen. Nach den erheblichen psychosozialen Belastungen in der Kindheit und Jugend habe sich die Klägerin ganz auf ihre Tätigkeit als Lehrerin konzentriert. Finanzielle Probleme in der Mitte der achtziger Jahre habe sie zwar noch meistern können, für eine zwanghafte Persönlichkeit stellten jedoch finanzielle Unsicherheiten eine massive Belastung dar, so dass diese Ereignisse bereits eine Tendenz zur inneren Anspannung gefördert hätten. Auf diesem Boden habe sich der Unfall ereignet. Durch den späteren Verlust des Arbeitsplatzes sei es zu einer ausgeprägten somatoformen Schmerzstörung gekommen. Es handle sich hier um ein ausgeprägtes psychiatrisch-psychosomatisches Krankheitsbild, das sich seit Februar 1999 eher noch verschlechtert habe. Der von Dr. P. sehr exakt beschriebene Krankheitsverlauf zeigt auf, welche Bedeutung die Persönlichkeitsstruktur der Klägerin und welchen Einfluss der Unfall auf die Entwicklung der Schmerzstörung hat bzw. haben. Im Ergebnis misst die Sachverständige dem Unfallgeschehen ebenso wie Dres. S. , K. und M. nur eine auslösende Funktion zu.
Demgegenüber sind die Ausführungen des Prof. Dr. N. - entgegen der Ansicht des Sozialgerichts - nicht geeignet, einen Anspruch auf Unfallrente zu begründen. Der Sachverständige legt seiner Beurteilung eine unzutreffende Kausalbewertung zugrunde. Wenn er darlegt, der Unfall sei neben einer prämorbiden Vulnerabilität, neben psychosozialen Belastungen und einer psychischen Fehlbewältigung einer von mehreren Teilfaktoren, die nicht hinweg gedacht werden könnten, so verkennt er das Wesen der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausaltheorie der wesentlichen Ursache, welche eine Abwägung der verschiedenen Ursachen nach ihrer Wertigkeit erfordert, wie bereits dargelegt.
Auch die Ausführungen des Sozialgerichts vermögen den Anspruch, eine somatoforme Schmerzstörung als Unfallfolge anzuerkennen, nicht zu untermauern. Soweit das Erstgericht Zweifel anklingen lässt, ob überhaupt eine Krankheitsanlage im Sinne einer anlagebedingten Persönlichkeitsstörung bestanden habe und beweisbar sei, ist darauf hinzuweisen, dass sämtliche Sachverständigen - auch Prof. Dr. N. - davon ausgingen. Die Ausführungen des Sozialgerichts zu den Anforderungen an den Nachweis unfallunabhängiger Kausalfaktoren gehen ins Leere.
Dass die Klägerin bis zum streitgegenständlichen Unfall nie psychisch krank und behandlungsbedürftig gewesen sei, reicht - soweit diese Feststellung überhaupt zutreffend sein sollte - im Hinblick auf die Typik des Verlaufs einer Schmerzstörung nicht aus. Denn typischerweise ist es hierbei so, dass krankmachende Belastungen zunächst mehr oder weniger gut verkraftet werden, aber dann, ohne besonderen äußeren Anlass, nicht mehr kompensiert werden können. Dass ein solcher Verlauf bei der Klägerin einsetzte und dass der Unfall eine unwesentliche Ursache im Verhältnis zur vorhandenen Krankheitsanlage war, stellten die Sachverständigen Dr. K. , Dr. S. und Dr. M. heraus. Der Senat schließt sich deren Urteil an.
Demnach ist ein Anspruch der Klägerin auf Anerkennung weiterer Unfallfolgen und Gewährung einer Rente nicht zu begründen.
Auf die Berufung der Beklagten waren das Urteil des Sozialgerichts vom 11.05.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Laut Unfallanzeige erlitt die Klägerin am 29.07.1998 einen Unfall, als sie aufgrund eines Fahrfehlers eines Autofahrers ihren Motorroller plötzlich abbremsen musste und infolgedessen auf die Straße stürzte.
Gegenüber dem Durchgangsarzt gab sie am 30.07.1998 an, sie sei von dem Pkw angefahren worden und auf die linke Körperhälfte gestürzt. Es habe ein beschwerdefreies Intervall bestanden. Der Durchgangsarzt diagnostizierte multiple Prellungen, HWS-Zerrung, Schürfwunden.
Ein MRT der Halswirbelsäule vom 31.07.1998 zeigte Chondrosen mit beginnenden Spondylosen C5 bis C7, eine flache Bandscheibenprotrusion C5/6, keinen Hinweis auf diskoligamentäre Zerreißung bei Fehlhaltung der oberen Halswirbelsäule und wohl durch die beginnende Osteochondrose bedingte Fehlstellung bei C6/7. Der Durchgangsarzt berichtete am 28.09.1998, die Klägerin gebe noch Beschwerden im Bereich der Brust- und Halswirbelsäule an; es fänden sich hier eine freie Beweglichkeit, jedoch endgradig deutliche Schmerzen, die Muskulatur sei erheblich verspannt, neurologisch zeigten sich keine Auffälligkeiten. Die praktische Ärztin Dr. P. erklärte im Bericht vom 05.02.1999, die Klägerin habe bei dem Unfall eine Commotio cerebri, HWS-Prellung und multiple Prellungen und Schürfwunden erlitten. Sie sei bis heute in ihrem Beruf als Lehrerin nicht arbeitsfähig. Es bestünden Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Schwindel, Kopfschmerzen und Übelkeit. Die Schilderung der Beschwerden sei glaubhaft.
Der Orthopäde Dr. L. führte im Schreiben vom 14.09.1999 aus, die Klägerin gebe an, dass sie vor dem Unfall nie Kopfbeschwerden gehabt habe. Daher müsse er davon ausgehen, dass die jetzigen Beschwerden Folge des Unfalles seien.
In einem Gutachten für die BfA vom 23.02.1999 (Untersuchungstag) kam der Nervenarzt Dr. R. zu dem Ergebnis, es bestehe kein Hinweis für das Vorliegen einer psychotischen Erkrankung, es zeigten sich keine Gedächtnis- oder Bewusstseinsstörungen, keine abgrenzbaren depressiven Phasen, allerdings im Zusammenhang mit den körperlichen Beschwerden reaktiv-depressive Verstimmungen. Die Klägerin gebe an, sie habe mit 38 Jahren ein Schleudertrauma erlitten und leide seit dieser Zeit unter chronischen Kopfschmerzen. Es handele sich um funktionelle Störungen mit psychogenem Schwindel und Überforderungssyndrom. Die neurologische Untersuchung habe keine neurologischen Ausfälle objektivieren können. Es empfehle sich ein Heilverfahren in einer psychosomatischen Klinik.
Die Klägerin gab an, sie habe 1984 ein HWS-Schleudertrauma erlitten. Nach zweieinhalbjähriger Therapie durch Dr. G. sei sie wieder völlig beschwerdefrei gewesen. Ansonsten habe sie in der Zeit bis zum Unfall nur wenige Tage in der Schule gefehlt.
Im Gutachten vom 12.01.2000 führte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.K. zusammenfassend aus, die angegebenen Beschwerden seien nicht mit dem Unfall in Zusammenhang zu bringen. Es handle sich im Grunde genommen nur um ein geringes Trauma mit relativ geringfügigen initialen Verletzungen. Außerdem sei die Klägerin nach Auskunft der Krankenkasse bereits 1994 wegen Migräne behandelt und für sechs Wochen krankgeschrieben worden. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit sei höchstens bis Ende 1998 zu bestätigen.
Der Orthopäde Dr. K. erklärte im Gutachten vom 18.01.2000, Unfallfolgen seien nicht mehr feststellbar. Auszuschließen seien eine Frakturschädigung an der Halswirbelsäule sowie eine unfallbedingte Zerreißung von Kapselbandgewebe oder der Längsbänder. Das Magnetresonanztomogramm (MRT) weise nicht die Spur einer Ödembildung oder von Einblutungen auf. Dagegen seien degenerative Veränderungen festgestellt, somit eine Vorschädigung der Halswirbelsäule. Immerhin sei die Klägerin noch in der Lage gewesen, mit dem Motorrad 3 bis 4 km zu ihrem Hausarzt zu fahren. Auch habe ein stundenlanges beschwerdefreies Intervall vorgelegen. Durch den Unfall sei es zu einer leichten bis mittelschweren Zerrverletzung der Halswirbelsäule sowie zu Prellungen und Schürfungen gekommen. Spätestens am 31.12.1998 seien diese Verletzungen ausgeheilt gewesen. Die MdE sei bis 30.11. 1998 auf 20 v.H., ab 01.12. bis 31.12.1998 auf 10 v.H. und danach mit weniger als 10 v.H. einzuschätzen.
Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 24.02.2000 den Unfall als Arbeitsunfall an, lehnte aber die Gewährung einer Rente ab. Durch den Unfall sei es zu einer leichten Schädelprellung, einer leichten Zerrverletzung der Halswirbelsäule und vielfachen Prellungen und Schürfungen gekommen. Unfallfolgen seien nicht verblieben.
Vom 11.11. bis 09.12.1999 wurde ein Heilverfahren durch die BfA in Bad H. durchgeführt. Die Klägerin gab ein Schleudertrauma 1984 an; bereits seit dieser Zeit habe sie chronische Cephalgien und Schmerzen im HWS-Bereich. Es hätten sich Hinweise auf neurotische Bewältigungsmuster im Sinne einer Selbstwertproblematik gezeigt, die für eine Aufrechterhaltung der Symptomatik infrage kämen. Es sei der Klägerin kaum gelungen, psychologische Co-Faktoren als Erklärung für ihre Schmerzen anzuerkennen.
Zur Begründung des Widerspruchs gegen den ablehnenden Bescheid übersandte die Klägerin ein Attest ihres Hausarztes Dr. E. für die Nordstern Versicherung vom 13.11.1998: erster Behandlungstag sei der 29.07.1998 gewesen. Es hätten eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung am linken Handgelenk bestanden, Hämatome der Extremitäten, Schürfwunden, Prellungen beiderseits, Commotio. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis 30.10.1998 angedauert. Jetzt träten nach längerem Unterricht Schmerzen auf, so dass die Klägerin nicht mehr weiter unterrichten könne.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2000 zurück.
Im hiergegen gerichteten Klageverfahren hat das Sozialgericht Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen. Dr. E. gab im Schreiben vom 18.09.2000 an, im März 1994 habe die Klägerin akute migräneartige prämenstruelle Beschwerden angegeben. Nach einer kurzfristigen Injektionsbehandlung sei es ihr wieder gut gegangen. Kurzfristige vegetative Stresssyndrome habe er zwei- dreimal in Phasen außergewöhnlicher Belastung diagnostiziert.
Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Chirurg Dr. L. hat im Gutachten vom 12.12.2000 zusammenfassend ausgeführt, trotz der durch den Unfallhergang gegebenen Möglichkeit einer schweren Halswirbelverletzung sei eine solche ausweislich der zeitnah zum Unfallereignis erhobenen Befunde mit größter Sicherheit nicht eingetreten. In den Tagen und Wochen nach dem Unfallereignis sei es zu einem vegetativ-neurasthenisch gefärbten Leistungsknick mit Somatisierung gekommen, für den das chirurgische Fachgebiet keine Erklärung biete. Objektiv bestünden an der Halswirbelsäule mäßiggradige noch alterskonforme degenerative Veränderungen, die ebenfalls für die beklagte Symptomatik keine ausreichende Erklärung böten. Jetzt bestünden höhergradige Muskelverspannungen und eine praktisch freie Beweglichkeit. Der während der Untersuchung aufgetretene Schwächeanfall finde keine Erklärung im Zustand der Halswirbelsäule.
Der gleichfalls zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Neurologe Dr. S. ist im Gutachten vom 14.03.2001 zu dem Ergebnis gekommen, es sei eine Stauchungsverletzung der Halswirbelsäule im Sinne einer HWS-Zerrung anzunehmen. Jetzt lägen eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vor und ein depressives Syndrom. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit sei der Unfall die Ursache für die Entwicklung der Schmerzstörung. Trotz der psychosozialen Belastungsfaktoren in der Vergangenheit (sexuelles Missbrauchserlebnis im Kindesalter, Exhibitionismus des Ehemannes) habe die Klägerin ein normales und erfülltes Leben führen können. Es gebe keinerlei Hinweise dafür, dass es ohne den Unfall zu einer psychischen Dekompensation gekommen wäre. Das Erlebnis, dass sich die Gesundheitsstörung nicht unter Kontrolle bringen ließ und die zahlreichen frustrierenden Arbeitsversuche seien gerade bei den zwanghaften Persönlichkeitsanteilen der Klägerin auslösend für die somatoforme Schmerzstörung gewesen. Die MdE sei bis 31.12.1999 mit 20 v.H., ab 01.01.1999 wegen der depressiven Begleitsymptomatik mit 30 v.H. einzuschätzen.
Hierzu hat die Beklagte eine Stellungnahme des Dr. K. vom 28.05.2001 übersandt, in der er erklärte, es handle sich um eine seelische Störung, deren Gründe schon Jahrzehnte vorher angelegt gewesen seien. Dem Unfall möge eine Art Auslösefunktion zukommen, jedoch sicherlich keine Funktion im Sinne einer Ursache. Es sei davon auszugehen, dass jede andere Belastung, die sich etwa um die gleiche Zeit ereignet hätte, zu einer ähnlichen psychischen Reaktion geführt hätte. Es handle sich bei einer derartigen somatoformen Schmerzstörung nicht um eine verletzungsspezifische seelische Störung. Ein kausaler Zusammenhang sei hier nicht gegeben.
Die Klägerin hat eine Stellungnahme des Arztes für Psychiatrie und Dipl.-Psychologen Dr. S. übersandt: Wenn auch ein hohes Konfliktpotenzial bestehe, so sei die Klägerin doch nie psychiatrisch krank oder behandlungsbedürftig gewesen. Ihr Leben habe erst durch den Unfall eine entscheidende Zäsur erfahren.
In der ergänzenden Stellungnahme vom 10.12.2002 hat Dr. S. die Auffassung vertreten, es gebe bei psychischen Erkrankungen kein spezielles Konflikt-Bedingungsgefüge, das automatisch zu einer bestimmten psychiatrischen Gesundheitsstörung führen würde. Es habe sicherlich bis zum Unfall eine grenzwertig kompensierte traumatisierte Persönlichkeit bestanden, jedoch ohne Krankheitswert, die durch das Unfallereignis dekompensiert sei. Prof. K. habe in einer wissenschaftlichen Abhandlung ausgeführt, die Annahme unabdingbarer frühkindlicher Traumata für die Pathogenese der somatoformen Störung sei erschüttert.
Hierzu hat Dr. K. am 26.02.2003 erklärt, eine somatoforme Schmerzstörung sei eine psychische Störung, die ein vielfältiges Bedingungsgefüge habe. Die Klägerin habe schwere Konflikte erlitten, die ganz erhebliche psychische Traumatisierungen dargestellt hätten. Offensichtlich seien diese seelische Störungen aber über Jahre hinweg asymptomatisch geblieben. Auch nach dem Unfall seien zunächst psychiatrische Symptome nicht festgestellt worden, sondern erstmals im von der BfA veranlassten Gutachten von Dr. P. vom Januar 2001. Sowohl der von Dr. R. als auch der von ihm im Januar 2000 erhobene psychiatrische Untersuchungsbefund seien normal gewesen. Trotz des geringen Schweregrades der Verletzungen habe sich mit zeitlicher Latenz ein chronisches psychiatrisches Krankheitsbild entwickelt. Nach Schönberger-Mehrtens-Valentin sei in einem solchen Fall zumindest ab einem bestimmten Zeitpunkt davon auszugehen, dass die rechtlich allein wesentliche Ursache für die psychische Störung die anfällige psychische Verfassung der Klägerin sei. Die somatoforme Schmerzstörung sei nicht im Unfallzusammenhang zu sehen.
In der ergänzenden Stellungnahme vom 16.04.2003 hat Dr. S. ausgeführt, nach gründlicher Durchsicht aller Befunde und des Langzeitverlaufs müsse er seine Meinung revidieren. Er müsse sich den Ausführungen von Dr. K. anschließen. Er habe die Krankheitsanlage als zu gering eingeschätzt und die psychische Belastung durch den Unfall als zu hoch. Auch das Weiterbestehen der psychischen Gesundheitsstörungen ohne Abklingen nach dem Unfall spreche für einen eigenständigen neurotischen Erkrankungsprozess. Der Unfall erfülle durch seine geringe Schwere nicht die Bedingung einer wesentlichen Mitursache.
Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Psychiater Prof. Dr. N. hat im Gutachten vom 18.02.2004 ausgeführt, die Klägerin habe durch die Aufgabe ihres Berufs eine Selbstwertkrise erlitten. An der Kette der Ereignisse, nämlich, dass der Arbeitsunfall zur Schmerzsymptomatik geführt habe und die nicht abklingenden Schmerzen der Klägerin zur Aufgabe des Berufs gezwungen hätten, bestehe kein Zweifel. Die aufkommende Frustration habe langfristig die Depressionen zur Folge gehabt und diese wiederum habe die Schmerzsymptomatik im Sinne einer Somatisierungsstörung verstärkt. Die anhaltende somatoforme Schmerzstörung sei mit Wahrscheinlichkeit durch den Unfall insofern mitverursacht, als der Unfall einer von mehreren Teilfaktoren, die zur Entstehung beigetragen hätten, sei, wobei keiner dieser Teilfaktoren - prämorbide Vulnerabilität, psychosoziale Belastung, unfallbedingte Schmerzen und psychische Fehlbewältigung - weggedacht werden könne. Der Unfall sei zumindest mittelbar eine wesentliche Mitursache. Die MdE werde auf 20 v.H. eingeschätzt.
Mit Urteil vom 11.05.2004 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 24.02.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2000 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin wegen des Unfalls ab 27.01.2001 Teilrente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente und Verletztengeld zu gewähren. Das Gericht stützte sich insbesondere auf das Gutachten von Prof. Dr. N. und die Ausführungen des Dr. S. im Gutachten vom 14.03.2001.
Zur Begründung der Berufung hat die Beklagte eingewandt, lediglich in einem zeitlichen Zusammenhang mit einem eher banalen Verkehrsunfall ohne relevante Körperschäden sei es zu einer psychischen Dekompensation gekommen. Gesicherte Erkenntnisse zur Kausalität habe auch Prof. Dr. N. nicht vorlegen können und ausgeführt, dass die Debatten über das "Reizthema" Somatisierungsstörung noch nicht abgeschlossen seien. Nach der herrschenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft sei nicht belegt, dass Ereignisse dieser Art allgemein geeignet seien, solche Krankheitsbilder hervorzurufen. Das unfallchirurgische Fachgebiet biete keine Erklärung für den Leistungsknick mit Somatisierung. Der Verkehrsunfall sei als beliebig austauschbare Ursache für die Dekompensation der schon durch unfallunabhängige psychische Belastungen grenzwertig kompensierten Persönlichkeit zu betrachten.
Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Arzt für Neurologie und Psychiatrie und Dipl.-Psychologe Dr. M. ist im Gutachten vom 09.06.2005 zu dem Ergebnis gekommen, es bestehe keine Depression mehr, sondern ein normaler psychopathologischer Befund, wie ihn auch Prof. Dr. N. beschrieben habe. Zu der episodisch aufgetretenden depressiven Störung sei anzumerken, dass zu keinem Zeitpunkt eine nervenärztliche Behandlung diesbezüglich dokumentiert sei. Die berufliche Zurückstufung der Klägerin von der Lehrerin mit verantwortungsvollen Sonderaufgaben zur Aushilfslehrkraft im Februar 2000 habe vor dem Hintergrund einer eher anankastischen Primärpersönlichkeit sicher eine so große Verletzung des Selbstwertgefühls bedeutet, dass erst ab diesem Zeitpunkt von einer somatoformen Schmerzstörung auszugehen sei. Sicherlich hätten auch andere Erlebnisse außerhalb der Tätigkeit der Klägerin die Schädigung etwa zu der gleichen Zeit herbeigeführt. Eine Verursachung und Entwicklung einer somatoformen Schmerzstörung in Zusammenhang mit einer körperlichen Bagatellverletzung seien nicht anzunehmen, wenn nicht andere Faktoren hinzukämen. Die somatoforme Schmerzstörung sei nicht von der Vorgeschichte der Klägerin und einem möglichen sekundären Krankheitsgewinn zu trennen, so dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Unfallzusammenhang nicht vorliege.
Die Klägerin hat dagegen eingewandt, es bestehe eine Kausalität zwischen dem Unfall und der somatoformen Schmerzstörung. Bei dem Unfall handele sich keinesfalls um eine Gelegenheitsursache. Dr. M. habe Prof. Dr. E. zitiert, der erklärt habe, in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn der Schmerzproblematik müsse eine psychosoziale Belastungssituation nachweisbar sein. Diese sei bei der Klägerin im Zusammenhang mit den Folgeschäden des Arbeitsunfalls gegeben. Die sich einstellenden psychosozialen Konflikte, die Erkenntnis, dass der Beruf aufgegeben werden musste, seien als die entscheidende Ursache für die Entwicklung der Schmerzstörung anzusehen. Diese Konflikte stünden mit dem Arbeitsunfall in einem sowohl inhaltlich wie auch zeitlich nachvollziehbaren Zusammenhang.
Beigezogen wurde die Akte des Sozialgerichts München im Rentenrechtsstreit der Klägerin gegen die BfA mit dem Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychatrie Dr. P. vom 12.01.2001.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, des Versorgungsamtes und der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich begründet.
Ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Unfallrente und von Verletztengeld ab Januar 2000 gemäß §§ 8, 56, 46 des Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII) ist nicht gegeben.
Dies steht zur Überzeugung des Senats fest im Hinblick auf die überzeugenden Ausführungen des ärztlichen Sachverständigen Dr. M. sowie des Dr. S. in der Stellungnahme vom 16.04.2003 und des Dr. K ...
Bei der Klägerin bestehen keine gesundheitlichen Störungen mehr, die Folge des Unfalls vom 29.07.1998 sind. Eine Gesundheitsstörung ist dann Folge eines Unfalls, wenn dieser zu deren Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Wenn mehrere Bedingungen gleichwertig oder annähernd gleichwertig zu dem Erfolg beigetragen haben, ist jede von ihnen Ursache im Rechtssinn. Kommt dagegen einem der Umstände gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, so ist er allein wesentliche Ursache (vgl. BSGE 13, 176). Die Leiden, die die Klägerin als Unfallfolge anerkannt haben möchte, bedürfen als anspruchsbegründende Tatbestandsmerkmale des vollen Beweises, das heißt, sie müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für das Bejahen des ursächlichen Zusammenhangs genügt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, das heißt, bei vernünftiger Abwägung aller Umstände muss den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommen, so dass darauf die richterliche Überzeugung begründet werden kann (vgl. BSGE 45, 286).
Schwerwiegende Folgen des Unfalls vom 29.07.1998 liegen aber über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus nicht vor. Der Unfall hat eine leichte bis allenfalls mittelschwere Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule bewirkt. Nach medizinisch-wissenschaftlichem Kenntnisstand kann eine solche Verletzung keinen Dauerschaden hinterlassen. Dies haben der Orthopäde Dr. K. im Gutachten vom 18.01.2000 sowie der Chirurg Dr. L. im Gutachten vom 12.12.2000 überzeugend dargelegt. Eine Frakturschädigung der Halswirbelsäule oder eine unfallbedingte Zerreißung von Kapselbandgewebe oder der Längsbänder ist auszuschließen. Das MRT vom 31.07.1998 wies, so Dr. K. , nicht die Spur einer Ödembildung oder von Einblutungen auf. Dagegen waren degenerative Veränderungen festzustellen, somit eine Vorschädigung der Halswirbelsäule. Auch Dr. L. hat betont, dass eine schwere Halswirbelverletzung ausweislich der zeitnah zum Unfallereignis erhobenen Befunde mit größter Sicherheit nicht eingetreten ist. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin in der Lage war, nach dem Unfall mit ihrem Motorroller selbst zum Arzt zu fahren.
Die jetzt bestehenden Beschwerden sind als eigenständige psychische Störungen zu sehen, denn das Schleudertrauma kann die vielfältigen Beschwerden nicht erklären. Der Unfall hat auch nicht ursächlich zu einer psychischen Fehlverarbeitung von Krankheitswert geführt. Bei der Klägerin bestand nämlich eine nachgewiesene Krankheitsanlage in Form einer zwanghaften, anankastischen Persönlichkeit. Der Unfall hat nur aufgrund des Zusammenwirkens mit diesen anlagebedingten Faktoren zu der jetzt bestehenden, von Dr. P. im Januar 2001 erstmals diagnostizierten somatoformen Schmerzstörung geführt, ist aber nicht deren rechtlich wesentliche Ursache; denn die Krankheitsanlage war, so Dr. M., bereits so ausgeprägt, dass die somatoforme Schmerzstörung wahrscheinlich zu etwa derselben Zeit und in etwa demselben Umfang auch bei anderer Gelegenheit hätte auftreten können.
Die Lebensgeschichte der Klägerin zeigt ein Reihe von belastenden Faktoren, wie den Missbrauch im Kindesalter, den frühen Tod des Vaters, den Exhibitionismus des Ehemanns, die Fehlgeburt bei Kinderwunsch und die erheblichen finanziellen Probleme bereits Mitte der achtziger Jahre als Folge des damaligen Autounfalles. Wie der behandelnde Arzt bestätigt hat, litt die Klägerin in Phasen außergewöhnlicher Belastung bereits früher unter kurzfristigen vegetativen Stresssyndromen. Diese Disposition gehört zur unfallunabhängigen Persönlichkeit der Klägerin. Allerdings ist erst mit dem Unfallereignis eine Krankheitsentwicklung in Gang gekommen. Hier handelt es sich um ein Syndrom, das in keiner Beziehung zur Schwere des auslösenden Umfallereignisses steht. Denn der Unfall hatte, wie auch der Durchgangsarzt am 30.07.1998 festgestellt hat, außer zu der HWS-Zerrung lediglich zu multiplen Prellungen und Schürfwunden geführt. Das Unfallereignis hat die bei der Klägerin vorliegende Schwäche getroffen, aber nicht wesentlich zu der Schmerzstörung, wie sie jetzt besteht, geführt. Hier sind die früheren psychischen Belastungen im Zusammenhang mit einer angeborenen Disposition ursächlich. Der Unfall ist nach medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis als Auslöser und nicht als Ursache der Symptomatik zu sehen. Im Fall der Klägerin ist gerade das Missverhältnis zwischen dem Trauma und seinen Folgen bemerkenswert. Das Trauma war ein leichter Verkehrsunfall und eine leichte, inzwischen längst abgeklungene Schädigung der Halswirbelsäule. Die noch immer bestehende Symptomatik, die sich erst in einem gewissen zeitlichen Abstand zum Unfall entwickelt und im weiteren Verlauf verstärkt hat, lässt keine Beziehung und erst recht keine besondere Beziehung zum Verkehrsunfall erkennen; im Gegenteil ist die Symptomatik im Verhältnis zum Unfall unangemessen. Dies bedeutet, dass die unfallunabhängige Disposition bei der Klägerin so stark ausgeprägt war, dass es nur noch eines geringfügigen Anstoßes bedurfte, um die jetzt bestehenden Gesundheitsstörungen auszulösen. Es ist wahrscheinlich, dass die Schädigung beliebig austauschbar wäre, das heißt, dass auch andere Bagatelltraumata ein ähnlich ausgeprägtes Beschwerdebild hätten herbeiführen können. Die Anlage der Klägerin ist durch das Unfallereignis nicht in rechtlich bedeutsamer Weise beeinflusst worden. Es ergibt sich lediglich ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Rückzug aus dem Erwerbsleben, ohne dass eine kausale Verknüpfung zwischen dem Unfall und dem Eintritt der somatoformen Schmerzstörung bestünde.
In diesem Zusammenhang sind die Feststellungen der im Rentenrechtsstreit zur Sachverständigen ernannten Dr. P. vom 12.01.2001 von Bedeutung, auf die Dr. K. und Dr. M. zurückgegriffen haben. Dr. P. , die lediglich nach dem aktuellen Leistungsvermögen gefragt war, führte aus, sicher habe der Unfall eine wesentliche auslösende Rolle gespielt. Überdauernde Folgen auf neurologischem oder orthopädischem Fachgebiet hätten sich nach dem Unfall nicht objektivieren lassen. Nach den erheblichen psychosozialen Belastungen in der Kindheit und Jugend habe sich die Klägerin ganz auf ihre Tätigkeit als Lehrerin konzentriert. Finanzielle Probleme in der Mitte der achtziger Jahre habe sie zwar noch meistern können, für eine zwanghafte Persönlichkeit stellten jedoch finanzielle Unsicherheiten eine massive Belastung dar, so dass diese Ereignisse bereits eine Tendenz zur inneren Anspannung gefördert hätten. Auf diesem Boden habe sich der Unfall ereignet. Durch den späteren Verlust des Arbeitsplatzes sei es zu einer ausgeprägten somatoformen Schmerzstörung gekommen. Es handle sich hier um ein ausgeprägtes psychiatrisch-psychosomatisches Krankheitsbild, das sich seit Februar 1999 eher noch verschlechtert habe. Der von Dr. P. sehr exakt beschriebene Krankheitsverlauf zeigt auf, welche Bedeutung die Persönlichkeitsstruktur der Klägerin und welchen Einfluss der Unfall auf die Entwicklung der Schmerzstörung hat bzw. haben. Im Ergebnis misst die Sachverständige dem Unfallgeschehen ebenso wie Dres. S. , K. und M. nur eine auslösende Funktion zu.
Demgegenüber sind die Ausführungen des Prof. Dr. N. - entgegen der Ansicht des Sozialgerichts - nicht geeignet, einen Anspruch auf Unfallrente zu begründen. Der Sachverständige legt seiner Beurteilung eine unzutreffende Kausalbewertung zugrunde. Wenn er darlegt, der Unfall sei neben einer prämorbiden Vulnerabilität, neben psychosozialen Belastungen und einer psychischen Fehlbewältigung einer von mehreren Teilfaktoren, die nicht hinweg gedacht werden könnten, so verkennt er das Wesen der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausaltheorie der wesentlichen Ursache, welche eine Abwägung der verschiedenen Ursachen nach ihrer Wertigkeit erfordert, wie bereits dargelegt.
Auch die Ausführungen des Sozialgerichts vermögen den Anspruch, eine somatoforme Schmerzstörung als Unfallfolge anzuerkennen, nicht zu untermauern. Soweit das Erstgericht Zweifel anklingen lässt, ob überhaupt eine Krankheitsanlage im Sinne einer anlagebedingten Persönlichkeitsstörung bestanden habe und beweisbar sei, ist darauf hinzuweisen, dass sämtliche Sachverständigen - auch Prof. Dr. N. - davon ausgingen. Die Ausführungen des Sozialgerichts zu den Anforderungen an den Nachweis unfallunabhängiger Kausalfaktoren gehen ins Leere.
Dass die Klägerin bis zum streitgegenständlichen Unfall nie psychisch krank und behandlungsbedürftig gewesen sei, reicht - soweit diese Feststellung überhaupt zutreffend sein sollte - im Hinblick auf die Typik des Verlaufs einer Schmerzstörung nicht aus. Denn typischerweise ist es hierbei so, dass krankmachende Belastungen zunächst mehr oder weniger gut verkraftet werden, aber dann, ohne besonderen äußeren Anlass, nicht mehr kompensiert werden können. Dass ein solcher Verlauf bei der Klägerin einsetzte und dass der Unfall eine unwesentliche Ursache im Verhältnis zur vorhandenen Krankheitsanlage war, stellten die Sachverständigen Dr. K. , Dr. S. und Dr. M. heraus. Der Senat schließt sich deren Urteil an.
Demnach ist ein Anspruch der Klägerin auf Anerkennung weiterer Unfallfolgen und Gewährung einer Rente nicht zu begründen.
Auf die Berufung der Beklagten waren das Urteil des Sozialgerichts vom 11.05.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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