Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 307/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 310/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 29.07.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1955 geborene Kläger suchte am 17.11.2003 den Durchgangsarzt, den Chirurgen Dr. F. auf und berichtete, er sei am 06.11.2003 beim Hinabgehen auf betonierter Treppe ausgerutscht und auf den Rücken gefallen. Dr. F. diagnostizierte eine Schulterprellung links und eine LWS-Prellung.
Ein Magnetresonanztomogramm (MRT) vom 15.12.2003 zeigte einen Einriss der ansatznahen Supraspinatussehne, die Kontinuität der Rotatorenmanschette war erhalten. Außerdem wurden ein Reizerguss, eine Bursitis und eine leichte AC-Arthrose festgestellt. In einem Bericht vom 21.01.2004 ist angegeben, der Kläger habe sich beim Sturz mit dem linken Arm abgestützt; er habe sich anschließend geschont, habe aber am nächsten Tag die Arbeit bis zum 17.11.2003 fortgesetzt.
Im Gutachten vom 26.02.2004 führte der Chirurg Dr. S. aus, der Befund der Supraspinatussehne sei ausschließlich degenerativ, traumatische Veränderungen mit Strukturdurchtrennungen sowie Einblutungen als Hinweis auf eine traumatische Schädigung seien nicht beschrieben. Eine Röntgenaufnahme zeigte eine seitengleiche Stellung beider Oberarmköpfe, eine beidseits vermehrte Sklerosierung über dem Tuberculum-majus, linksseitig deutliche Aufbrauchsveränderungen des Schultereckgelenks. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte Dr. S. mit Null v.H. ein.
Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 08.04.2004 den Sturz als Arbeitsunfall an, der zu einer Stauchung des linken Schultergelenkes und einer Prellung der Lendenwirbelsäule geführt habe. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit wurde bis 22.02.2004 anerkannt. Die über diesen Zeitraum hinaus bestehenden Beschwerden seien nicht unfallbedingt.
Der Kläger legte Widerspruch ein, da Arbeitsfähigkeit noch nicht vorliege.
Im Gutachten vom 18.06.2004 erklärte der Chirurg Dr. V. , für einen Unfallzusammenhang spreche der Unfallhergang mit einem Sturz nach hinten mit rückwärts abgespreiztem Arm. Der Kläger habe sofort Schulterschmerzen und geringe Funktionsstörungen angegeben. Die Verschleißerscheinungen des Schultereckgelenks seien altersentsprechend und berufstypisch. Anhaltende Schulterbeschwerden und eine chronische Schleimbeutelentzündung hätten inzwischen zu einer wesentlichen Funktionsstörung der Schulter geführt. Gegen einen Unfallzusammenhang spreche, dass der Kläger nach dem Unfall noch über eine Woche weitergearbeitet habe, dass Verschleißerscheinungen der Schultersehnen bei knapp 50-jährigen mit beruflicher Belastung in 30 bis 50% der Fälle gegeben seien. Sie seien im Fall des Klägers aber nicht durch Befunde bestätigt. Arbeitsunfähigkeit habe bis zum 22.02.2004 bestanden, danach betrage die MdE 20 v. H ...
Der Chirurg Dr. E. erklärte in der Stellungnahme vom 19.07.2004, der unmittelbare zeitliche Zusammenhang sei hier eindeutig nicht gegeben. Auch habe der Kläger zunächst nur von einem Sturz auf den Rücken gesprochen und keine Abstützbewegung des Armes erwähnt. Der kernspintomographische Befund vom 15.12.2003 dokumentiere eine anlagebedingte Schultergelenksschädigung, eine Zusammenhangstrennung der Rotatorenmanschette habe nicht objektiviert werden können.
Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2004 zurück.
Im hiergegen gerichteten Klageverfahren hat das Sozialgericht auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Dr. V. zum ärztlichen Sachverständigen ernannt. Im Gutachten vom 28.01.2005 hat Dr. V. ausgeführt, bei Abwägung aller Tatsachen überwögen die für einen Unfallzusammenhang sprechenden Faktoren eindeutig, nämlich Sturz nach hinten mit rückwärts abgespreiztem Arm, die Schädigung der Schultersehnen im Bereich der größten unfallbedingten Beanspruchung, sofortige Schulterschmerzen bei geringeren Funktionsstörungen sowie das Fehlen stärkerer Verschleißerscheinungen und früherer Schulterbeschwerden. Die MdE habe zunächst 20 v. H. betragen, jetzt 10 v. H ...
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29.07.2005 abgewiesen und sich dabei auf die Gutachten von Dr. S. und Dr. E. gestützt.
Der im Berufungsverfahren zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. F. hat im Gutachten vom 07.03.2006 ausgeführt, der Kläger habe nach dem Unfall weitergearbeitet und erst 11 Tage später den Arzt aufgesucht. Der zeitliche Zusammenhang - sofortige Niederlegung der Arbeit nach dem Unfall - sei also nicht gegeben. Auch gebe der Kläger an, dass die Schmerzen in der Schulter von Tag zu Tag zugenommen hätten, während ein verletzungsbedingter Riss ein sofortiges Schmerzmaximum verursache, das in den folgenden Wochen abklinge. Im kernspintomographischen Befund seien Hinweise auf eine vorbestehende Verschleißschädigung in Form einer Arthrose des Schultereckgelenks und einer verstärkten Sklerosierung am Tuberculum-majus gegeben. Die festgestellte Schleimbeutelentzündung sei das typische Zeichen einer chronifizierten Engpasssymptomatik. Die Sehnen-Tendinose entspreche einem chronischen Degenerationsprozess. Die vom Kläger angegebene Unfallmechanik, nämlich Sturz auf den Rücken mit Abstützen, spreche gleichfalls gegen einen Unfallzusammenhang, da bei einem Sturz auf die abstützende Hand die achsiale Stauchung nicht ungefiltert weitergeleitet werde, sondern durch die dazwischen liegenden Gelenke und Weichteilstrukturen abgefedert werde. Auch sei das Schulterdach für den Oberarmkopf kein Hindernis, da der Schultergürtel einer einwirkenden Gewalt ausweiche.
Der Kläger hat dagegen im Schriftsatz vom 28.04.2006 eingewandt, die exakte Armhaltung sei ihm nicht mehr erinnerlich, so dass Dr. F. Annahme, der Sturz sei auf den nach hinten und innen gehaltenen Arm erfolgt, nicht zutreffend sei. Zwar habe er nach dem Sturz weitergearbeitet, aber nur unter größten Schmerzen. Dr. F. erkläre nicht, warum es unmöglich sein solle, nach dem Riss der Supraspinatussehne weiter zu arbeiten. Der von Dr. V. angeführte Crescendo-Effekt des Schmerzbildes beruhe nur auf den subjektiven Eindrücken des Klägers. Jedenfalls hätten von Anfang an starke Schmerzen vorgeherrscht. Die Röntgenaufnahmen zeigten nur geringe arthrotische Veränderungen, dies spreche gegen Dr. F. Annahme, dass die Verletzung auf degenerative Veränderungen zurückzuführen sei.
Der Kläger stellt den Antrag,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 29.07.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 08.04.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides und 23.09.2004 zu verurteilen, als Unfallfolgen einen Rotatorensehnenteilriss im Bereich der linken Schulter sowie Arbeitsunfähigkeit über den 22.02.2004 anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Ein Arbeitsunfall setzt gemäß § 8 Abs. 1 des Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII) einen Unfall voraus, den ein Versicherter bei einer der den Versicherungsschutz gemäß §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Der Begriff des Unfalls erfordert ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden geführt hat (vgl. BSGE 23, 139). Das äußere Ereignis muss mit der die Versicherteneigenschaft begründenden Tätigkeit rechtlich wesentlich zusammenhängen. Dabei bedürfen alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises, das heißt sie müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben (vgl. BSGE 45, 285). Die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt nur insoweit, als der ursächliche Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden und zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie der Zusammenhang betroffen ist, der im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen dem Arbeitsunfall und der maßgebenen Verletzung bestehen muss (vgl. Krasney VSSR 1993, 81, 114).
Beim Kläger ist es zu keiner bleibenden Gesundheitsstörung, die zur Arbeitsunfähigkeit über den 22.02.2004 hinaus und/oder einer MdE von wenigstens 20 v. H. der Vollrente führen würde, gekommen. Dies steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund des schlüssigen Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen Dr. F. sowie der Gutachten und Stellungnahmen von Dr. S. und Dr. E. im Verwaltungsverfahren. Die bei dem Sturz vom 06.11.2003 erlittene Prellung des Rückens und der Schulter ist, wie Dr. F. betont, folgenlos ausgeheilt und bedingt keine MdE mehr. Eine Rotatorenmanschetten-Ruptur als Folge des Sturzes liegt zur Überzeugung des Senats nicht vor.
Die Rotatorenmanchschette liegt zwischen dem Oberarmkopf und dem knöchern-bindegewebigen Schulterdach, gebildet von der Schulterhöhe (Acromion), dem Rabenschnabelfortsatz und einem straffen Band, das dazwischen verläuft. Sie bildet eine Sekundärpfanne zwischen Oberarmkopf und Schulterhöhe und kontrolliert die Roll-Gleitbewegungen des Oberarmkopfes. Die Rotatorenmanschette unterliegt in hohem Maße der Degeneration, die ab dem 3. Lebensjahrzehnt beginnt. Untersuchungen ergaben klinisch unauffällige Defekte bei 25% der über 40-jährigen, 75% der über 50-jährigen und bis zu 100% der über 60-jährigen. Neben dem traumatischen Riss können Rupturen entstehen durch lokale Minderdurchblutung oder zunehmenden Verschleiß der Sehnen durch Abrieb in der Enge des subacromialen Raumes. Dabei handelt es sich um eine Störung der Gleitbewegung zwischen dem Oberarmkopf und dem Schulterdach. Jede Veränderung des subacromialen Raumes kann zu einem Engpass des Schultergelenkes führen mit degenerativen Erscheinungen einschließlich Teilrupturen, Kalkeinlagerungen, vorzeitigem Verschleiß des Schultereckgelenkes. Den isolierten, ausschließlich traumatischen Supraspinatussehnenriss gibt es nicht. Infrage kommt allein ein Verletzungsmechanismus im Sinne der wesentlichen Teilursache bei bestehender Degeneration (vgl. Schoenberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Seite 504 ff.)
Berücksichtigt man die Angaben, die der Kläger beim ersten Arztbesuch am 17.11.2003 gemacht hat, so ist er auf den Rücken gefallen; später gab der Kläger an, er habe sich mit dem linken Arm abgestüzt. Damit kommen zwei Unfallmechanismen infrage, nämlich zunächst einmal ein Anpralltrauma durch den Sturz auf Rücken und Schulter. Für das Enstehen eines Rotatorenmanschettenrisses ist dieser Mechanismus völlig ungeeignet, wie Dr. F. (unter Hinweis auf die herrschende Meinung in der medizinischen Literatur) betont. Zum einen schützt das Knochendach (Acromion) vor einer Verletzung der darunter verlaufenden Muskel-Sehnen-Strukturen, zum anderen schützt der Deltoideus-Muskel vor einer Schädigung.
Geht man andererseits von einer Belastung durch das Abstützen mit dem Arm aus, so ist zu berücksichtigen, dass eine Quetschung der Sehne nicht dokumentiert ist. Im Übrigen wird, so Dr. F. , bei Sturz auf die abstützende Hand die achsiale Stauchung nicht ungefiltert weitergeleitet, sondern durch die dazwischen liegenden Gelenke und Weichteilstrukturen abgefedert. Auch ist das Schulterdach für den Oberarmkopf kein Hindernis, da der Schultergürtel einer einwirkenden Gewalt ausweicht. Somit ist auch bei Zugrundelegung des zweiten vom Kläger geschilderten Unfallmechanismus mit Abstützen ein geeigneter Unfallmechanismus nicht gegeben.
Gegen einen traumatischen Supraspinatussehneneinriss spricht auch, dass der Kläger zehn Tage weitergearbeitet hat und erst am 17.11.2003 einen Arzt aufsuchte. Auch spricht gegen eine traumatische Verletzung die Angabe des Klägers, dass die Schmerzen von Tag zu Tag zugenommen hätten. Zu erwarten ist, wie Dr. F. betont, dass der verletzungsbedingte Riss der Rotatorenmanschette ein sofortiges Schmerzmaximum verursacht, das in den folgenden Wochen eher abklingt.
Von besonderer Bedeutung ist der kernspintomographische Befund vom 15.12.2003. Zunächst weist Dr. F. überzeugend darauf hin, dass Zeichen einer frischen Verletzung wie Einblutungen oder Ödeme im Bereich von Knochen- und Weichteilstrukturen fehlen; insbesondere wurde ein aktuelles Knochenmarködem ausgeschlossen. Dagegen enthält der kernspintomographische Befund zahlreiche Hinweise auf eine vorbestehende Verschleißschädigung in Form einer Arthrose des Schultereckgelenks und einer verstärkten Sklerosierung am Tuberkulum-majus; auch die festgestellte Schleimbeutelentzündung ist, so Dr. F. , das typische Zeichen einer chronifizierten Engpasssymptomatik. Die Sehnentendinose bezeichnet einen vorbestehenden chronischen Degenerationsprozess der Sehne.
Somit sprechen die Unfallmechanik, der fehlende zeitliche Zusammenhang und der kernspintomographische Befund gegen einen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 06.11.2003 und der Supraspinatussehnenverletzung.
Das Gutachten des Dr. V. vom 28.01.2005 konnte dagegen nicht überzeugen. Dr. V. bestätigt, das die Weiterarbeit nach dem Unfall ungewöhnlich ist. Zu dem Problem des gegen den Unfallzusammenhang sprechenden Crescendo-Prozesses hinsichtlich der Schmerzen nimmt er nicht näher Stellung.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1955 geborene Kläger suchte am 17.11.2003 den Durchgangsarzt, den Chirurgen Dr. F. auf und berichtete, er sei am 06.11.2003 beim Hinabgehen auf betonierter Treppe ausgerutscht und auf den Rücken gefallen. Dr. F. diagnostizierte eine Schulterprellung links und eine LWS-Prellung.
Ein Magnetresonanztomogramm (MRT) vom 15.12.2003 zeigte einen Einriss der ansatznahen Supraspinatussehne, die Kontinuität der Rotatorenmanschette war erhalten. Außerdem wurden ein Reizerguss, eine Bursitis und eine leichte AC-Arthrose festgestellt. In einem Bericht vom 21.01.2004 ist angegeben, der Kläger habe sich beim Sturz mit dem linken Arm abgestützt; er habe sich anschließend geschont, habe aber am nächsten Tag die Arbeit bis zum 17.11.2003 fortgesetzt.
Im Gutachten vom 26.02.2004 führte der Chirurg Dr. S. aus, der Befund der Supraspinatussehne sei ausschließlich degenerativ, traumatische Veränderungen mit Strukturdurchtrennungen sowie Einblutungen als Hinweis auf eine traumatische Schädigung seien nicht beschrieben. Eine Röntgenaufnahme zeigte eine seitengleiche Stellung beider Oberarmköpfe, eine beidseits vermehrte Sklerosierung über dem Tuberculum-majus, linksseitig deutliche Aufbrauchsveränderungen des Schultereckgelenks. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte Dr. S. mit Null v.H. ein.
Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 08.04.2004 den Sturz als Arbeitsunfall an, der zu einer Stauchung des linken Schultergelenkes und einer Prellung der Lendenwirbelsäule geführt habe. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit wurde bis 22.02.2004 anerkannt. Die über diesen Zeitraum hinaus bestehenden Beschwerden seien nicht unfallbedingt.
Der Kläger legte Widerspruch ein, da Arbeitsfähigkeit noch nicht vorliege.
Im Gutachten vom 18.06.2004 erklärte der Chirurg Dr. V. , für einen Unfallzusammenhang spreche der Unfallhergang mit einem Sturz nach hinten mit rückwärts abgespreiztem Arm. Der Kläger habe sofort Schulterschmerzen und geringe Funktionsstörungen angegeben. Die Verschleißerscheinungen des Schultereckgelenks seien altersentsprechend und berufstypisch. Anhaltende Schulterbeschwerden und eine chronische Schleimbeutelentzündung hätten inzwischen zu einer wesentlichen Funktionsstörung der Schulter geführt. Gegen einen Unfallzusammenhang spreche, dass der Kläger nach dem Unfall noch über eine Woche weitergearbeitet habe, dass Verschleißerscheinungen der Schultersehnen bei knapp 50-jährigen mit beruflicher Belastung in 30 bis 50% der Fälle gegeben seien. Sie seien im Fall des Klägers aber nicht durch Befunde bestätigt. Arbeitsunfähigkeit habe bis zum 22.02.2004 bestanden, danach betrage die MdE 20 v. H ...
Der Chirurg Dr. E. erklärte in der Stellungnahme vom 19.07.2004, der unmittelbare zeitliche Zusammenhang sei hier eindeutig nicht gegeben. Auch habe der Kläger zunächst nur von einem Sturz auf den Rücken gesprochen und keine Abstützbewegung des Armes erwähnt. Der kernspintomographische Befund vom 15.12.2003 dokumentiere eine anlagebedingte Schultergelenksschädigung, eine Zusammenhangstrennung der Rotatorenmanschette habe nicht objektiviert werden können.
Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2004 zurück.
Im hiergegen gerichteten Klageverfahren hat das Sozialgericht auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Dr. V. zum ärztlichen Sachverständigen ernannt. Im Gutachten vom 28.01.2005 hat Dr. V. ausgeführt, bei Abwägung aller Tatsachen überwögen die für einen Unfallzusammenhang sprechenden Faktoren eindeutig, nämlich Sturz nach hinten mit rückwärts abgespreiztem Arm, die Schädigung der Schultersehnen im Bereich der größten unfallbedingten Beanspruchung, sofortige Schulterschmerzen bei geringeren Funktionsstörungen sowie das Fehlen stärkerer Verschleißerscheinungen und früherer Schulterbeschwerden. Die MdE habe zunächst 20 v. H. betragen, jetzt 10 v. H ...
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29.07.2005 abgewiesen und sich dabei auf die Gutachten von Dr. S. und Dr. E. gestützt.
Der im Berufungsverfahren zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. F. hat im Gutachten vom 07.03.2006 ausgeführt, der Kläger habe nach dem Unfall weitergearbeitet und erst 11 Tage später den Arzt aufgesucht. Der zeitliche Zusammenhang - sofortige Niederlegung der Arbeit nach dem Unfall - sei also nicht gegeben. Auch gebe der Kläger an, dass die Schmerzen in der Schulter von Tag zu Tag zugenommen hätten, während ein verletzungsbedingter Riss ein sofortiges Schmerzmaximum verursache, das in den folgenden Wochen abklinge. Im kernspintomographischen Befund seien Hinweise auf eine vorbestehende Verschleißschädigung in Form einer Arthrose des Schultereckgelenks und einer verstärkten Sklerosierung am Tuberculum-majus gegeben. Die festgestellte Schleimbeutelentzündung sei das typische Zeichen einer chronifizierten Engpasssymptomatik. Die Sehnen-Tendinose entspreche einem chronischen Degenerationsprozess. Die vom Kläger angegebene Unfallmechanik, nämlich Sturz auf den Rücken mit Abstützen, spreche gleichfalls gegen einen Unfallzusammenhang, da bei einem Sturz auf die abstützende Hand die achsiale Stauchung nicht ungefiltert weitergeleitet werde, sondern durch die dazwischen liegenden Gelenke und Weichteilstrukturen abgefedert werde. Auch sei das Schulterdach für den Oberarmkopf kein Hindernis, da der Schultergürtel einer einwirkenden Gewalt ausweiche.
Der Kläger hat dagegen im Schriftsatz vom 28.04.2006 eingewandt, die exakte Armhaltung sei ihm nicht mehr erinnerlich, so dass Dr. F. Annahme, der Sturz sei auf den nach hinten und innen gehaltenen Arm erfolgt, nicht zutreffend sei. Zwar habe er nach dem Sturz weitergearbeitet, aber nur unter größten Schmerzen. Dr. F. erkläre nicht, warum es unmöglich sein solle, nach dem Riss der Supraspinatussehne weiter zu arbeiten. Der von Dr. V. angeführte Crescendo-Effekt des Schmerzbildes beruhe nur auf den subjektiven Eindrücken des Klägers. Jedenfalls hätten von Anfang an starke Schmerzen vorgeherrscht. Die Röntgenaufnahmen zeigten nur geringe arthrotische Veränderungen, dies spreche gegen Dr. F. Annahme, dass die Verletzung auf degenerative Veränderungen zurückzuführen sei.
Der Kläger stellt den Antrag,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 29.07.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 08.04.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides und 23.09.2004 zu verurteilen, als Unfallfolgen einen Rotatorensehnenteilriss im Bereich der linken Schulter sowie Arbeitsunfähigkeit über den 22.02.2004 anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Ein Arbeitsunfall setzt gemäß § 8 Abs. 1 des Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII) einen Unfall voraus, den ein Versicherter bei einer der den Versicherungsschutz gemäß §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Der Begriff des Unfalls erfordert ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden geführt hat (vgl. BSGE 23, 139). Das äußere Ereignis muss mit der die Versicherteneigenschaft begründenden Tätigkeit rechtlich wesentlich zusammenhängen. Dabei bedürfen alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises, das heißt sie müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben (vgl. BSGE 45, 285). Die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt nur insoweit, als der ursächliche Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden und zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie der Zusammenhang betroffen ist, der im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen dem Arbeitsunfall und der maßgebenen Verletzung bestehen muss (vgl. Krasney VSSR 1993, 81, 114).
Beim Kläger ist es zu keiner bleibenden Gesundheitsstörung, die zur Arbeitsunfähigkeit über den 22.02.2004 hinaus und/oder einer MdE von wenigstens 20 v. H. der Vollrente führen würde, gekommen. Dies steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund des schlüssigen Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen Dr. F. sowie der Gutachten und Stellungnahmen von Dr. S. und Dr. E. im Verwaltungsverfahren. Die bei dem Sturz vom 06.11.2003 erlittene Prellung des Rückens und der Schulter ist, wie Dr. F. betont, folgenlos ausgeheilt und bedingt keine MdE mehr. Eine Rotatorenmanschetten-Ruptur als Folge des Sturzes liegt zur Überzeugung des Senats nicht vor.
Die Rotatorenmanchschette liegt zwischen dem Oberarmkopf und dem knöchern-bindegewebigen Schulterdach, gebildet von der Schulterhöhe (Acromion), dem Rabenschnabelfortsatz und einem straffen Band, das dazwischen verläuft. Sie bildet eine Sekundärpfanne zwischen Oberarmkopf und Schulterhöhe und kontrolliert die Roll-Gleitbewegungen des Oberarmkopfes. Die Rotatorenmanschette unterliegt in hohem Maße der Degeneration, die ab dem 3. Lebensjahrzehnt beginnt. Untersuchungen ergaben klinisch unauffällige Defekte bei 25% der über 40-jährigen, 75% der über 50-jährigen und bis zu 100% der über 60-jährigen. Neben dem traumatischen Riss können Rupturen entstehen durch lokale Minderdurchblutung oder zunehmenden Verschleiß der Sehnen durch Abrieb in der Enge des subacromialen Raumes. Dabei handelt es sich um eine Störung der Gleitbewegung zwischen dem Oberarmkopf und dem Schulterdach. Jede Veränderung des subacromialen Raumes kann zu einem Engpass des Schultergelenkes führen mit degenerativen Erscheinungen einschließlich Teilrupturen, Kalkeinlagerungen, vorzeitigem Verschleiß des Schultereckgelenkes. Den isolierten, ausschließlich traumatischen Supraspinatussehnenriss gibt es nicht. Infrage kommt allein ein Verletzungsmechanismus im Sinne der wesentlichen Teilursache bei bestehender Degeneration (vgl. Schoenberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Seite 504 ff.)
Berücksichtigt man die Angaben, die der Kläger beim ersten Arztbesuch am 17.11.2003 gemacht hat, so ist er auf den Rücken gefallen; später gab der Kläger an, er habe sich mit dem linken Arm abgestüzt. Damit kommen zwei Unfallmechanismen infrage, nämlich zunächst einmal ein Anpralltrauma durch den Sturz auf Rücken und Schulter. Für das Enstehen eines Rotatorenmanschettenrisses ist dieser Mechanismus völlig ungeeignet, wie Dr. F. (unter Hinweis auf die herrschende Meinung in der medizinischen Literatur) betont. Zum einen schützt das Knochendach (Acromion) vor einer Verletzung der darunter verlaufenden Muskel-Sehnen-Strukturen, zum anderen schützt der Deltoideus-Muskel vor einer Schädigung.
Geht man andererseits von einer Belastung durch das Abstützen mit dem Arm aus, so ist zu berücksichtigen, dass eine Quetschung der Sehne nicht dokumentiert ist. Im Übrigen wird, so Dr. F. , bei Sturz auf die abstützende Hand die achsiale Stauchung nicht ungefiltert weitergeleitet, sondern durch die dazwischen liegenden Gelenke und Weichteilstrukturen abgefedert. Auch ist das Schulterdach für den Oberarmkopf kein Hindernis, da der Schultergürtel einer einwirkenden Gewalt ausweicht. Somit ist auch bei Zugrundelegung des zweiten vom Kläger geschilderten Unfallmechanismus mit Abstützen ein geeigneter Unfallmechanismus nicht gegeben.
Gegen einen traumatischen Supraspinatussehneneinriss spricht auch, dass der Kläger zehn Tage weitergearbeitet hat und erst am 17.11.2003 einen Arzt aufsuchte. Auch spricht gegen eine traumatische Verletzung die Angabe des Klägers, dass die Schmerzen von Tag zu Tag zugenommen hätten. Zu erwarten ist, wie Dr. F. betont, dass der verletzungsbedingte Riss der Rotatorenmanschette ein sofortiges Schmerzmaximum verursacht, das in den folgenden Wochen eher abklingt.
Von besonderer Bedeutung ist der kernspintomographische Befund vom 15.12.2003. Zunächst weist Dr. F. überzeugend darauf hin, dass Zeichen einer frischen Verletzung wie Einblutungen oder Ödeme im Bereich von Knochen- und Weichteilstrukturen fehlen; insbesondere wurde ein aktuelles Knochenmarködem ausgeschlossen. Dagegen enthält der kernspintomographische Befund zahlreiche Hinweise auf eine vorbestehende Verschleißschädigung in Form einer Arthrose des Schultereckgelenks und einer verstärkten Sklerosierung am Tuberkulum-majus; auch die festgestellte Schleimbeutelentzündung ist, so Dr. F. , das typische Zeichen einer chronifizierten Engpasssymptomatik. Die Sehnentendinose bezeichnet einen vorbestehenden chronischen Degenerationsprozess der Sehne.
Somit sprechen die Unfallmechanik, der fehlende zeitliche Zusammenhang und der kernspintomographische Befund gegen einen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 06.11.2003 und der Supraspinatussehnenverletzung.
Das Gutachten des Dr. V. vom 28.01.2005 konnte dagegen nicht überzeugen. Dr. V. bestätigt, das die Weiterarbeit nach dem Unfall ungewöhnlich ist. Zu dem Problem des gegen den Unfallzusammenhang sprechenden Crescendo-Prozesses hinsichtlich der Schmerzen nimmt er nicht näher Stellung.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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