Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 24 U 780/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 311/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.07.2005 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 25.04.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 29.09.2003 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Unfall der Beigeladenen am 20.09.2001 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen ist.
Die Klägerin ist Besitzerin eines Reitpferdes, "S.", das auf dem Reiterhof "P." in S. untergebracht ist. Die Beigeladene ist ebenfalls Eigentümerin eines Pferdes, das dort eingestellt ist.
Am 20.09.2001 führte die Beigeladene aufgrund einer zwei Tage vorher getroffenen telefonischen Vereinbarung mit der Klägerin "S." gegen 17.30 Uhr am Führstrick vom Stall auf den Reitplatz und anschließend mehrfach um die Reitbahn. Als sie das Pferd nach ca. zehn Minuten wieder in den Stall führen wollte, riss es sich los, schlug mit den Hufen nach hinten aus und traf die Beigeladene im Gesicht. Diese erlitt eine komplette Trümmerfraktur des Mittelgesichts, eine Oberkiefer-Sagittalfraktur und einen Abriss des Gesichtsschädels von der Schädelbasis.
Die Beigeladene stellte am 29.08.2002 einen Leistungsantrag bei der Beklagten. Sie trug vor, dass sie die Klägerin seit etwa sieben Jahren kenne und mit ihr Anfang September im Hinblick auf einen Umschulungskurs der Klägerin "unter Reitersleuten" vereinbart habe, dass sie deren Pferd gelegentlich bewegen werde.
Zur Aufklärung des Sachverhaltes befragte die Beklagte die Klägerin. Nach deren Angaben handelte es sich bei der Tätigkeit der Beigeladenen um eine einmalige Hilfe, die zwei Tage vor dem Unfall vereinbart worden war. Die Tätigkeit sei aus Gefälligkeit ohne Bezahlung erfolgt.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.04.2003 eine Entschädigung des Unfalles vom 20.09.2001 als Arbeitsunfall ab. Die Beigeladene habe sich bereit erklärt, das Pferd der Klägerin aufgrund der guten freundschaftlichen Beziehung gelegentlich zu bewegen. Zwei Tage vor dem Unfall sei die Bodenarbeit zwischen der Klägerin und der Beigeladenen vereinbart worden. Für derartige Tätigkeiten aufgrund familiärer oder freundschaftlicher Gefälligkeit bestehe kein Versicherungsschutz. Aufgrund der Tatsache, dass sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene ihre Reitpferde auf dem gleichen Reiterhof untergebracht hätten und der seit vielen Jahren bestehenden guten freundschaftlichen Beziehung sei von einer so genannten Reiterkameradschaft zwischen beiden Personen auszugehen. Die kurzzeitige Bodenarbeit mit dem Reitpferd der Klägerin könne nicht als arbeitnehmerähnliche Tätigkeit für ein fremdes Unternehmen gewertet werden.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Wider- spruchsbescheid vom 29.09.2003 zurück. Nach dem Gesamtbild der zu beurteilenden Tätigkeit liege eine reine Gefälligkeitsleistung der Beigeladenen unter Reiterfreunden vor. Hierfür spreche vor allem die Tatsache, dass auch unter nicht befreundeten Reiterkollegen aus Gründen der Höflichkeit und der Einhaltung angenehmer Umgangsformen gewisse Hilfsdienste zum Wohle der Pferde üblich seien.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 25.04.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Unfall der Beigeladenen vom 20.09.2001 als Arbeitsunfall anzuerkennen und die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren. Es sei nicht nur einmalig eine Bodenarbeit vereinbart worden sondern während der gesamten Dauer des Umschulungskurses von Oktober 2001 bis März 2002 täglich. In der mündlichen Verhandlung des SG hat die Klägerin auf Befragen erklärt, dass die Beigeladene am Unfalltag das Pferd zum ersten Mal ausgeführt habe. Klägerin und Beigeladene haben übereinstimmend angegeben, dass sie im Reitverein und in einer Stallgemeinschaft gewesen seien.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 21.07.2005 verurteilt, den Unfall der Beigeladenen vom 20.09.2001 als Arbeitsunfall anzuerkennen und die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren. Der Charakter der zum Unfall führenden Tätigkeit als freundschaftliche Hilfeleistung schließe den Versicherungs- schutz nicht aus. Solange es sich nicht um einen aufgrund kon- kreter sozialer Beziehungen geradezu selbstverständlichen Hilfsdienst handele bestehe Versicherungsschutz. Nachdem auf- grund der übereinstimmenden Angaben der Beteiligten davon aus- gegangen werden könne, dass die Beigeladene das Pferd öfter be- wegen oder bereiten sollte, überschreite dies das Maß eines ge- radezu selbstverständlichen Hilfsdienstes.
Gegen dieses Urteil haben die Beklagte und die Beigeladene Berufung eingelegt. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass der von der Beigeladenen erbrachte Hilfsdienst den klassischen Fall einer unversicherten Gefälligkeit unter Reiterkameraden und Boxennachbarn darstelle. Derartig geringfügige Hilfeleistungen seien durch das enge Nachbarschaftsverhältnis im Reitstall geprägt. Deshalb sei nicht relevant, ob es eventuell Absprachen zwischen der Klägerin und der Beigeladenen hinsichtlich der Betreuung des Pferdes während des Umschulungskurses gegeben habe. Nachdem der Unfall am 20.09.2001 war und die Umschulung erst im Oktober beginnen sollte, bestünde kein sachlicher Zusammenhang.
In der mündlichen Verhandlung hat die Beigeladene auf Befragen erklärt, im Rahmen einer Stallgemeinschaft sei es eine Selbstverständlichkeit, sich beim Bewegen der Pferde zu helfen, wenn es notwendig sei. Dies geschehe allerdings immer nach Rückfrage beim Pferdebesitzer. Auch zwei Tage vor dem Unfall habe die Klägerin sie im Stall darauf angesprochen, ob sie an diesem Tag ihr Pferd bewegen könne.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.07.2005 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.07.2005 aufzu- heben und die Klage gegen den Bescheid vom 25.04.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2003 abzuweisen.
Die Beigeladene schließt sich diesem Antrag an.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten und die Gerichtsakten beider Instanzen hingewiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten und der Beigeladenen ist zulässig und begründet. Das Urteil des SG war aufzuheben, denn der Beigeladenen steht eine Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu. Sie stand zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung und hat somit keinen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall erlitten.
Die Beigeladene war am 20.9.2001 nicht wie eine Arbeitnehmerin tätig, so dass Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (SGB VII) nicht besteht.
Nach § 2 Abs.2 Satz 1 SGB VII sind Personen in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert, die wie ein nach Abs.1 Nr.1 Versicherter, also ein Beschäftigter, tätig werden. Voraussetzung für eine entsprechende Versicherung ist zunächst, dass die Tätigkeit einen wirtschaftlichen Wert hat und einem Unternehmen dient, in dem der Handelnde nicht bereits als Beschäftigter versichert ist. Außerdem muss die Tätigkeit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechen (BSGE 5, 168, 171) und es muss sich um eine Tätigkeit handeln, die ihrer Art nach von Arbeitnehmern verrichtet werden kann (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 43). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so ist weiter zu prüfen, ob die Tätigkeit konkret unter arbeitnehmerähnlichen Umständen vorgenommen wurde. Die konkrete Arbeitnehmerähnlichkeit ist im Einzelfall aufgrund einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände zu prüfen. Nicht erforderlich ist eine wirtschaftliche oder persönliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmer, auch keine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Unternehmens im Sinne von § 7 Abs.1 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV). Nach dem gesamten tatsächlichen und rechtlichen Erscheinungsbild muss also die ausgeführte Arbeit mit der eines Arbeitnehmers vergleichbar sein. Auszuscheiden sind damit z.B. Tätigkeiten, die eher im Auftragswege vergeben werden (vgl. Ricke in: Kasseler Kommentar, Unfallversicherung, SGB VII, § 2 Rdnr. 108). Nicht arbeitnehmerähnlich sind ferner Tätigkeiten, die nach Art, Umfang und Dauer sowie dem Grad der familiären Beziehungen üblich sind (a.a.O., Rdnr. 109).
Ein Tätigwerden aufgrund freundschaftlicher, bekanntschaftlicher oder nachbarschaftlicher Beziehungen steht dem Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII grundsätzlich nicht entgegen. Nur wenn es sich um einen aufgrund der konkreten sozialen Beziehungen geradezu selbstverständlichen Hilfsdienst handelt oder die Tätigkeit durch die Zugehörigkeit zu einer nachbarschaftlichen Gemeinschaft geprägt ist bzw. eine besonders enge Beziehung besteht, die einerseits Handlungsmotiv ist und andererseits der gesamten Verrichtung das Gepräge gibt, besteht bei arbeitnehmerähnlichem Tätigwerden ausnahmsweise kein Versicherungsschutz (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Unfallversicherung, § 2 Anm. 34.22).
Unter Anwendung dieser von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze erbrachte die Beigeladene die zum Unfall führende Tätigkeit bei einer Gesamtschau nicht unter konkret arbeitnehmerähnlichen Umständen. Die Bodenarbeit mit dem Pferd der Klägerin war vielmehr von der Stallgemeinschaft im Reiterhof "P." und der Ausübung eines gemeinsamen Hobbys geprägt. Dabei waren für den Senat folgende Gesichtspunkte ausschlaggebend:
Klägerin und Beigeladene sind seit mehreren Jahren befreundet, Mitglieder im selben Reitverein und Stallnachbarn. Zwischen beiden bestanden im Zeitpunkt der Tätigkeit also enge soziale Beziehungen. Über die freundschaftlichen Beziehungen hinausgehend bestimmte die Stallgemeinschaft das Verhältnis der Beteiligten im Sinne regelmäßiger wechselseitiger Hilfe und Unterstützung aufgrund der nachbarschaftlichen Beziehungen. Nach den Angaben der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung halfen sich Stallnachbarn nach Absprache jeweils wechselseitig beim Bewegen der Pferde. Das Nachbarschaftsverhältnis im Reitstall war also wesentlich enger als ein "normales" Nachbarschaftsverhältnis (vgl. BayLSG vom 23.10.2002, L 3 U 39/02 zum Koppelgang), so dass diesem Element bei der Gesamtbetrachtung besonderes Gewicht zukommt.
Hinzu tritt die Ausübung eines gemeinsamen Hobbys, das die Sportler in besonderer Weise verbindet und ebenfalls eine gegenseitige Unterstützung umfasst, zumal der Reitsport in höherem Maße als andere Sportarten auf wechselseitige Hilfe angewiesen ist, weil er auch das Wohl und die Gesundheit der Pferde im Blick hat. Hilfeleistungen im Zusammenhang mit diesem Hobby, wie z.B. das Ausladen der Pferde aus dem Pferdetransporter, sind maßgeblich durch das kameradschaftliche und gemeinschaftsfördernde, auf Gegenseitigkeit beruhende Verhalten von Reitern und deren Angehörigen untereinander geprägt und deshalb Teil der reitsportlichen Betätigung, so dass sie durch die gesetzliche Unfallversicherung nicht geschützt sind (vgl. hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.11.1990, L 17 U 129/90).
Nach dem Gesamtbild ähnelte die zum Unfall führende Verrichtung der Beigeladenen somit nicht einer Tätigkeit unter arbeitnehmerähnlichen Umständen, dies um so mehr, wenn man Art und Umfang der Verrichtung berücksichtigt. Die Bodenarbeit mit dem Pferd der Klägerin war wegen der relativ geringen Zeitdauer von zehn Minuten eine kurze, im Hinblick auf die enge Beziehung der Klägerin und der Beklagten gerade selbstverständliche Hilfeleistung wie das Ausladen von Pferden aus dem Pferdetransporter (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.11.1990, L 17 U 129/90).
Inwiefern zwischen der Klägerin und der Beigeladenen vereinbart war, dass die Beigeladene während der Umschulung der Klägerin ab Oktober 2001 deren Pferd bewegen sollte, konnte dahingestellt bleiben. Das Bewegen des Pferdes S. am 20.09.2001 war nicht mit einer etwaigen Vereinbarung während der Umschulung zu verknüpfen. Für den Unfalltag gab es eine telefonische Verabredung zwischen Klägerin und Beigeladener, und es ist nicht zu erkennen, dass über den Unfalltag hinaus eine Vereinbarung bis zum Ende der Umschulung getroffen wurde. Eine Verpflichtung ab Oktober hat im Übrigen keine Auswirkungen auf das Tätigwerden der Beigeladenen am Unfalltag. Dies hat das SG verkannt.
Die Verrichtung der Beigeladenen am Unfalltag war durch das enge Gemeinschaftsverhältnis der Klägerin und der Beigeladenen sowie das geringe Maß der Hilfeleistung bestimmt und somit nicht als arbeitnehmerähnlich zu werten. Das Urteil des SG München vom 21.07.2005 war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Unfall der Beigeladenen am 20.09.2001 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen ist.
Die Klägerin ist Besitzerin eines Reitpferdes, "S.", das auf dem Reiterhof "P." in S. untergebracht ist. Die Beigeladene ist ebenfalls Eigentümerin eines Pferdes, das dort eingestellt ist.
Am 20.09.2001 führte die Beigeladene aufgrund einer zwei Tage vorher getroffenen telefonischen Vereinbarung mit der Klägerin "S." gegen 17.30 Uhr am Führstrick vom Stall auf den Reitplatz und anschließend mehrfach um die Reitbahn. Als sie das Pferd nach ca. zehn Minuten wieder in den Stall führen wollte, riss es sich los, schlug mit den Hufen nach hinten aus und traf die Beigeladene im Gesicht. Diese erlitt eine komplette Trümmerfraktur des Mittelgesichts, eine Oberkiefer-Sagittalfraktur und einen Abriss des Gesichtsschädels von der Schädelbasis.
Die Beigeladene stellte am 29.08.2002 einen Leistungsantrag bei der Beklagten. Sie trug vor, dass sie die Klägerin seit etwa sieben Jahren kenne und mit ihr Anfang September im Hinblick auf einen Umschulungskurs der Klägerin "unter Reitersleuten" vereinbart habe, dass sie deren Pferd gelegentlich bewegen werde.
Zur Aufklärung des Sachverhaltes befragte die Beklagte die Klägerin. Nach deren Angaben handelte es sich bei der Tätigkeit der Beigeladenen um eine einmalige Hilfe, die zwei Tage vor dem Unfall vereinbart worden war. Die Tätigkeit sei aus Gefälligkeit ohne Bezahlung erfolgt.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.04.2003 eine Entschädigung des Unfalles vom 20.09.2001 als Arbeitsunfall ab. Die Beigeladene habe sich bereit erklärt, das Pferd der Klägerin aufgrund der guten freundschaftlichen Beziehung gelegentlich zu bewegen. Zwei Tage vor dem Unfall sei die Bodenarbeit zwischen der Klägerin und der Beigeladenen vereinbart worden. Für derartige Tätigkeiten aufgrund familiärer oder freundschaftlicher Gefälligkeit bestehe kein Versicherungsschutz. Aufgrund der Tatsache, dass sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene ihre Reitpferde auf dem gleichen Reiterhof untergebracht hätten und der seit vielen Jahren bestehenden guten freundschaftlichen Beziehung sei von einer so genannten Reiterkameradschaft zwischen beiden Personen auszugehen. Die kurzzeitige Bodenarbeit mit dem Reitpferd der Klägerin könne nicht als arbeitnehmerähnliche Tätigkeit für ein fremdes Unternehmen gewertet werden.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Wider- spruchsbescheid vom 29.09.2003 zurück. Nach dem Gesamtbild der zu beurteilenden Tätigkeit liege eine reine Gefälligkeitsleistung der Beigeladenen unter Reiterfreunden vor. Hierfür spreche vor allem die Tatsache, dass auch unter nicht befreundeten Reiterkollegen aus Gründen der Höflichkeit und der Einhaltung angenehmer Umgangsformen gewisse Hilfsdienste zum Wohle der Pferde üblich seien.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 25.04.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Unfall der Beigeladenen vom 20.09.2001 als Arbeitsunfall anzuerkennen und die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren. Es sei nicht nur einmalig eine Bodenarbeit vereinbart worden sondern während der gesamten Dauer des Umschulungskurses von Oktober 2001 bis März 2002 täglich. In der mündlichen Verhandlung des SG hat die Klägerin auf Befragen erklärt, dass die Beigeladene am Unfalltag das Pferd zum ersten Mal ausgeführt habe. Klägerin und Beigeladene haben übereinstimmend angegeben, dass sie im Reitverein und in einer Stallgemeinschaft gewesen seien.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 21.07.2005 verurteilt, den Unfall der Beigeladenen vom 20.09.2001 als Arbeitsunfall anzuerkennen und die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren. Der Charakter der zum Unfall führenden Tätigkeit als freundschaftliche Hilfeleistung schließe den Versicherungs- schutz nicht aus. Solange es sich nicht um einen aufgrund kon- kreter sozialer Beziehungen geradezu selbstverständlichen Hilfsdienst handele bestehe Versicherungsschutz. Nachdem auf- grund der übereinstimmenden Angaben der Beteiligten davon aus- gegangen werden könne, dass die Beigeladene das Pferd öfter be- wegen oder bereiten sollte, überschreite dies das Maß eines ge- radezu selbstverständlichen Hilfsdienstes.
Gegen dieses Urteil haben die Beklagte und die Beigeladene Berufung eingelegt. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass der von der Beigeladenen erbrachte Hilfsdienst den klassischen Fall einer unversicherten Gefälligkeit unter Reiterkameraden und Boxennachbarn darstelle. Derartig geringfügige Hilfeleistungen seien durch das enge Nachbarschaftsverhältnis im Reitstall geprägt. Deshalb sei nicht relevant, ob es eventuell Absprachen zwischen der Klägerin und der Beigeladenen hinsichtlich der Betreuung des Pferdes während des Umschulungskurses gegeben habe. Nachdem der Unfall am 20.09.2001 war und die Umschulung erst im Oktober beginnen sollte, bestünde kein sachlicher Zusammenhang.
In der mündlichen Verhandlung hat die Beigeladene auf Befragen erklärt, im Rahmen einer Stallgemeinschaft sei es eine Selbstverständlichkeit, sich beim Bewegen der Pferde zu helfen, wenn es notwendig sei. Dies geschehe allerdings immer nach Rückfrage beim Pferdebesitzer. Auch zwei Tage vor dem Unfall habe die Klägerin sie im Stall darauf angesprochen, ob sie an diesem Tag ihr Pferd bewegen könne.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.07.2005 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.07.2005 aufzu- heben und die Klage gegen den Bescheid vom 25.04.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2003 abzuweisen.
Die Beigeladene schließt sich diesem Antrag an.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten und die Gerichtsakten beider Instanzen hingewiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten und der Beigeladenen ist zulässig und begründet. Das Urteil des SG war aufzuheben, denn der Beigeladenen steht eine Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu. Sie stand zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung und hat somit keinen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall erlitten.
Die Beigeladene war am 20.9.2001 nicht wie eine Arbeitnehmerin tätig, so dass Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (SGB VII) nicht besteht.
Nach § 2 Abs.2 Satz 1 SGB VII sind Personen in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert, die wie ein nach Abs.1 Nr.1 Versicherter, also ein Beschäftigter, tätig werden. Voraussetzung für eine entsprechende Versicherung ist zunächst, dass die Tätigkeit einen wirtschaftlichen Wert hat und einem Unternehmen dient, in dem der Handelnde nicht bereits als Beschäftigter versichert ist. Außerdem muss die Tätigkeit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechen (BSGE 5, 168, 171) und es muss sich um eine Tätigkeit handeln, die ihrer Art nach von Arbeitnehmern verrichtet werden kann (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 43). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so ist weiter zu prüfen, ob die Tätigkeit konkret unter arbeitnehmerähnlichen Umständen vorgenommen wurde. Die konkrete Arbeitnehmerähnlichkeit ist im Einzelfall aufgrund einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände zu prüfen. Nicht erforderlich ist eine wirtschaftliche oder persönliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmer, auch keine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Unternehmens im Sinne von § 7 Abs.1 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV). Nach dem gesamten tatsächlichen und rechtlichen Erscheinungsbild muss also die ausgeführte Arbeit mit der eines Arbeitnehmers vergleichbar sein. Auszuscheiden sind damit z.B. Tätigkeiten, die eher im Auftragswege vergeben werden (vgl. Ricke in: Kasseler Kommentar, Unfallversicherung, SGB VII, § 2 Rdnr. 108). Nicht arbeitnehmerähnlich sind ferner Tätigkeiten, die nach Art, Umfang und Dauer sowie dem Grad der familiären Beziehungen üblich sind (a.a.O., Rdnr. 109).
Ein Tätigwerden aufgrund freundschaftlicher, bekanntschaftlicher oder nachbarschaftlicher Beziehungen steht dem Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII grundsätzlich nicht entgegen. Nur wenn es sich um einen aufgrund der konkreten sozialen Beziehungen geradezu selbstverständlichen Hilfsdienst handelt oder die Tätigkeit durch die Zugehörigkeit zu einer nachbarschaftlichen Gemeinschaft geprägt ist bzw. eine besonders enge Beziehung besteht, die einerseits Handlungsmotiv ist und andererseits der gesamten Verrichtung das Gepräge gibt, besteht bei arbeitnehmerähnlichem Tätigwerden ausnahmsweise kein Versicherungsschutz (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Unfallversicherung, § 2 Anm. 34.22).
Unter Anwendung dieser von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze erbrachte die Beigeladene die zum Unfall führende Tätigkeit bei einer Gesamtschau nicht unter konkret arbeitnehmerähnlichen Umständen. Die Bodenarbeit mit dem Pferd der Klägerin war vielmehr von der Stallgemeinschaft im Reiterhof "P." und der Ausübung eines gemeinsamen Hobbys geprägt. Dabei waren für den Senat folgende Gesichtspunkte ausschlaggebend:
Klägerin und Beigeladene sind seit mehreren Jahren befreundet, Mitglieder im selben Reitverein und Stallnachbarn. Zwischen beiden bestanden im Zeitpunkt der Tätigkeit also enge soziale Beziehungen. Über die freundschaftlichen Beziehungen hinausgehend bestimmte die Stallgemeinschaft das Verhältnis der Beteiligten im Sinne regelmäßiger wechselseitiger Hilfe und Unterstützung aufgrund der nachbarschaftlichen Beziehungen. Nach den Angaben der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung halfen sich Stallnachbarn nach Absprache jeweils wechselseitig beim Bewegen der Pferde. Das Nachbarschaftsverhältnis im Reitstall war also wesentlich enger als ein "normales" Nachbarschaftsverhältnis (vgl. BayLSG vom 23.10.2002, L 3 U 39/02 zum Koppelgang), so dass diesem Element bei der Gesamtbetrachtung besonderes Gewicht zukommt.
Hinzu tritt die Ausübung eines gemeinsamen Hobbys, das die Sportler in besonderer Weise verbindet und ebenfalls eine gegenseitige Unterstützung umfasst, zumal der Reitsport in höherem Maße als andere Sportarten auf wechselseitige Hilfe angewiesen ist, weil er auch das Wohl und die Gesundheit der Pferde im Blick hat. Hilfeleistungen im Zusammenhang mit diesem Hobby, wie z.B. das Ausladen der Pferde aus dem Pferdetransporter, sind maßgeblich durch das kameradschaftliche und gemeinschaftsfördernde, auf Gegenseitigkeit beruhende Verhalten von Reitern und deren Angehörigen untereinander geprägt und deshalb Teil der reitsportlichen Betätigung, so dass sie durch die gesetzliche Unfallversicherung nicht geschützt sind (vgl. hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.11.1990, L 17 U 129/90).
Nach dem Gesamtbild ähnelte die zum Unfall führende Verrichtung der Beigeladenen somit nicht einer Tätigkeit unter arbeitnehmerähnlichen Umständen, dies um so mehr, wenn man Art und Umfang der Verrichtung berücksichtigt. Die Bodenarbeit mit dem Pferd der Klägerin war wegen der relativ geringen Zeitdauer von zehn Minuten eine kurze, im Hinblick auf die enge Beziehung der Klägerin und der Beklagten gerade selbstverständliche Hilfeleistung wie das Ausladen von Pferden aus dem Pferdetransporter (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.11.1990, L 17 U 129/90).
Inwiefern zwischen der Klägerin und der Beigeladenen vereinbart war, dass die Beigeladene während der Umschulung der Klägerin ab Oktober 2001 deren Pferd bewegen sollte, konnte dahingestellt bleiben. Das Bewegen des Pferdes S. am 20.09.2001 war nicht mit einer etwaigen Vereinbarung während der Umschulung zu verknüpfen. Für den Unfalltag gab es eine telefonische Verabredung zwischen Klägerin und Beigeladener, und es ist nicht zu erkennen, dass über den Unfalltag hinaus eine Vereinbarung bis zum Ende der Umschulung getroffen wurde. Eine Verpflichtung ab Oktober hat im Übrigen keine Auswirkungen auf das Tätigwerden der Beigeladenen am Unfalltag. Dies hat das SG verkannt.
Die Verrichtung der Beigeladenen am Unfalltag war durch das enge Gemeinschaftsverhältnis der Klägerin und der Beigeladenen sowie das geringe Maß der Hilfeleistung bestimmt und somit nicht als arbeitnehmerähnlich zu werten. Das Urteil des SG München vom 21.07.2005 war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
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