L 5 B 456/05 KR

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 16 RA 1280/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 B 456/05 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
I. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 15.07.2004 wird als unzu lässig verworfen.
II. In Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 15.07.2004 wird der Streitwert auf 32.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Ausgangspunkt und Streitgegenstand des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht München S 16 RA 1280/02 war der Bescheid der Beklagten vom 25.04.2001/Widerspruchsbescheid 18.09.2002, mit welchem der Status des Beigeladenen zu 1) gemäß § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGV IV - als beitragspflichtiger Beschäftigter während einer Tätigkeit für die Klägerin von November 1992 bis Ende 1999 festgestellt wurde. Die zwischenzeitlich insolvente Klägerin wurde am 15.07.2004 von Amts wegen aus dem Handelregister gelöscht. Über die Klage entschied das Sozialgericht München mit Urteil vom gleichen Tage und setzte den Streitwert auf 4.000,00 EUR fest. Das Im anschließende Berufungsverfahren endete mit Klagerücknahme am 13.07.2005. Mit Beschluss vom 03.08.2005 setzte der Senat den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit in der Berufung auf 32.000,00 EUR fest.

Mit der am 02.08.2005 beim Sozialgericht München eingegangenen Beschwerde hat die Klägerin beantragt, den Streitwertbeschluss vom 15.07.2004 abzuändern und den Streitwert des Verfahrens im ersten und zweiten Rechtszug in Höhe der streitigen Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag während der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin festzusetzen.

Sie hat geltend gemacht, die Beschwerde sei noch zulässig, weil ihr der Streitwertbeschluss vom 15.07.2004 erst mit der Niederschrift am 18.08.2004 zugestellt worden sei und dieser keine Rechtsmittelbelehrung enthalten habe. Inhaltlich hat sich die Klägerin auf ihr Vorbringen zur Festsetzung des Gegenstandswertes im Berufungsverfahren bezogen, welches im wesentlichen Kernpunkt darauf hinauslief, dass aus der streitigen Entscheidung unmittelbar beitragsrechtliche Folgen resultieren, welche den Regelstreitwert weit übersteigen.

Die Beklagte beantragt, die Beschwerde vom 02.08.2005 als unzulässig zurückzuweisen.

Die Klägerin sei mit der Löschung vom 15.07.2004 nicht mehr existent.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde gemäß Entscheidung vom 17.08.2005 nicht abgeholfen.

II.

Die gemäß § 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG - statthafte Beschwerde ist verfristet und unzulässig (§ 173, § 66, § 202 SGG i.V.m. § 572 Abs.2 Satz 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Der Streitwertbeschluss des Sozialgerichts München vom 15.07.2004 enthielt keine Belehrung über ein Beschwerderecht der Beteiligten; eine möglicherweise mündlich erteilte Belehrung ist entgegen § 173 Satz 3 SGG nicht aktenkundig. Die damit geltende einjährige Beschwerdefrist gemäß § 66 Abs.2 SGG war jedoch bereits bei Eingang der Beschwerde abgelaufen. Denn sie begann mit der Verkündung des Beschlusses in der öffentlichen Sitzung am 15.07.2004, bei welcher der Geschäftsführer der Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter anwesend waren. Die dadurch in Lauf gesetzte Jahresfrist war jedenfalls bei Beschwerdeeingang am 02.08.2005 bereits abgelaufen. Die Beschwerde ist damit allein wegen Verfristung unzulässig, so dass sich weitere Ausführungen erübrigen.

III.

Der Streitwertbeschluss des Sozialgerichts München vom 15.07.2004 ist von Amts wegen abzuändern.

1.

Gemäß § 63 Abs.3 Satz 1 GKG (in der hier anzuwendenden Fassung vor der Änderung durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 05.05.2004, BGBl.I, S.718; vgl. § 72 Nr.1 GKG n.F.) kann das Rechtsmittelgericht eine Wertfestsetzung der ersten Instanz von Amts wegen abändern. Diese Rechtsnorm räumt dem Rechtsmittelgericht kein Ermessen ein, sondern eröffnet ein rechtliches Können, das zu einer abändernden Entscheidung verpflichtet, sofern die Instanzen den Wert uneinheitlich festgesetzt haben und die erstinstanzliche Entscheidung unzutreffend ist. Die Abänderung ist möglich, solange das Verfahren schwebt; es reicht insoweit aus, wenn - wie hier - die Entscheidung über den Streitwert noch nicht abgeschlossen ist (Hartmann, Kostengesetze, 34. Auflage, § 63 GKG Rdnr.47). Der Senat übersieht dabei nicht, dass hier das Verfahren nur infolge einer unzulässigen Beschwerde schwebt. § 63 Abs.3 GKG beschränkt die Wertänderung von Amts wegen aber weder nach dem Wortlaut, noch nach der Entstehungsgeschichte (vgl. BT-Drs. 2/2545, S.159), noch nach dem Regelungszweck, der Herstellung einheitlicher Wertfestsetzung, auf zulässige schwebende Verfahren (vgl. VGH Mannheim, MDR 1992, 299; OVG Münster, DÜV 1978, 816; a.A. Hartmann, a.a.O., Rdnr.49 mit einem weiteren Nachweis). Die einzige Grenze, die der Gesetzgeber selbst als zu beachtend gesetzt hat, ist die zeitliche in § 63 Abs.3 Satz 2 GKG, welche der Rechtssicherheit Vorrang einräumt zu Lasten der Einheitlichkeit der Wertfestsetzung. Diese zeitliche Grenze ist ausgehend von der Klagerücknahme am 13.07.2005 vorliegend eingehalten.

2.

Maßgebend für die Streitwertfestsetzung ist - wie das Sozialgericht in der Begründung des streitigen Beschlusses zutreffend ausgeführt hat - gemäß § 52 Abs.1 GKG die Bedeutung der Sache, die sich aus dem Antrag des Klägers für diesen ergibt; bei der entsprechenden Festsetzung ist dem Gericht ein Ermessen eingeräumt. Mit dem Ermessen ist dem Gericht ebenso wie nach § 3 ZPO Spielraum für die Beurteilung der Bedeutung der Sache und für ihre Bewertung eingeräumt, der Wert darf geschätzt werden, Schematisierungen und Pauschalierungen sind möglich und auch geboten. Richtschnur ist dabei nach der unzweifelhaften gesetzlichen Regelung die Bedeutung der Sache für den Kläger. Hieraus resultieren für nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten häufig Schwierigkeiten zumal wenn der Kläger wie hier entgegen § 61 GKG eine Wertangabe unterlassen hat. Dies gilt insbesondere für eine Entscheidung über den Status als versicherungspflichtiger Arbeitnehmer oder als nicht beitragspflichtiger Selbständiger gemäß § 7a SGB IV, aus welcher direkte Pflichten zur Abführung bezifferter oder bezifferbarer Beiträge nicht resultieren können. Es kann deshalb nahe liegen, den Streitwert für Statusfeststellungsverfahren auf den Streitwert gemäß § 52 Abs.2 GKG festzusetzen, wie es das Sozialgericht getan hat (vgl. auch LSG-B-W Beschluss vom 13.11.2003 - L 11 KR 3659/03 W-B; LSG NRW Beschluss vom 12.08.2004 - L 16 B 69/04 R).

Diese Vorgehensweise übersieht jedoch, dass § 52 Abs.2 GKG einen Auffangstreitwert regelt, welcher nur dann angesetzt werden darf, falls Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwertes keine genügenden Anhaltspunkte bieten. Dies ist bei Statusfeststellungsverfahren aber grundsätzlich nicht der Fall. Objektiv zu bewerten sind die rechtliche Tragweite der Entscheidung und die Auswirkungen, die ein Erfolg des Begehrens für die wirtschaftliche und sonstige Lage eines Klägers hat. Maßgeblich ist demnach hier das Interesse der Klägerin am Wegfall des angefochtenen Statusfeststellungsbescheides. Zwar kann in Statusfeststellungsverfahren nicht die vergangene Beschäftigungsdauer oder die prognostizierte künftige Beschäftigungsdauer unterstellt und aus den entsprechenden Entgeltansprüchen ein Beitragsanspruch hochgerechnet werden, weil aus der Feststellung einer Versicherungspflicht nicht ohne weiteres auf die Beitragspflicht geschlossen werden kann; denkbar sind nämlich jederzeit Ausnahme- oder Befreiungstatbestände, welche die Beitragspflicht reduzieren oder gänzlich ausschließen können. Jedoch ist das Statusfeststellungsverfahren gemäß § 7a SGB IV im Gesamtregelungszweck so ausgestaltet, dass die Beteiligten aus der Entscheidung Rechtssicherheit erhalten (BT-Drs. 14/1855, S.6 ff.). So handhaben es auch die Sozialversicherungsträger (Gemeinsame Schreiben der Spitzenverbände zum Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999, vom 26.03.2003 sowie zuletzt vom 05.07.2005). Diese Rechtssicherheit bezieht sich in erster Linie auf die abzuführenden Beiträge, wie auch die Sonderregelungen zum Eintritt der Versicherungspflicht, zu Beitragsrückständen sowie zur aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln in §§ 7b, 7c sowie 7a Abs.7 SGB IV zeigen.

Maßgeblich ist deshalb im Statusfeststellungsverfahren auch der Umfang der zu erwartenden Beitragspflicht. Dieser ist unter Anwendung allgemein gültiger Grundsätze abzuschätzen. Im streitigen Fall waren dem Antrag der Klägerin und ihrem Vorbringen zu entnehmen, dass der Beigeladene über mehrere Jahre hinweg für seine Beschäftigung Entgelte in der Nähe der Entgelt- sowie Beitragsbemessungsgrenze erhalten hatte und es um die soziale Absicherung ging, die sich aus einer Verbeitragung dieser Entgelte ergeben würde. Ausgehend davon ist es sachgerecht, hier den Streitwert entsprechend dem vom Senat für die anwaltliche Tätigkeit in zweiter Instanz festgesetzten Wert zu bestimmen. Der Beschluss des Sozialgerichts München vom 15.07.2004 wird deshalb abgeändert und mit 32.000,00 EUR festgesetzt.

Diese Entscheidung ergeht kostenfrei und endgültig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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