L 5 R 5557/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 2917/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 5557/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 8. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1957 geborene Kläger, im Jahr 1975 in die Bundesrepublik Deutschland eingereister italienischer Staatsangehöriger, hat keinen Beruf erlernt und zwischen 1975 und 1996 als Maurer gearbeitet. Im Anschluss daran absolvierte er eine Umschulung zum Hausmeister (im Rahmen einer ABM-Maßnahme).

Nachdem der (an colitis ulcerosa leidende) Kläger am 27.5.1998 einen Rentenantrag gestellt hatte, führte die Beklagte medizinische Ermittlungen durch (Gutachten Dr. E. vom 2.9.1998) und holte eine Arbeitgeberauskunft der Firma C. vom 2.12.1998 ein; diese teilte mit, der in Lohngruppe IV des maßgeblichen Tarifvertrags eingruppierte Kläger sei (vom 9.11.1987 bis 31.1.1996) als Maurer beschäftigt gewesen mit Tätigkeiten, die nicht von Facharbeitern, sondern von angelernten Arbeitern mit einer Ausbildungsdauer von mehr als drei Monaten bis maximal zwei Jahren in einem Ausbildungsberuf verrichtet werden könnten (Verwaltungsakte - VA - S. 18,22). Nach Ablehnung des Rentenantrags (Bescheid vom 14.9.1998) und erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 23.4.1999) erhob der Kläger am 4.5.1999 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (Verfahren S 8 RJ 1068/99). Das Sozialgericht holte ebenfalls eine Arbeitgeberauskunft der Firma C. (SG-Akte S. 37) ein, befragte behandelnde Ärzte (u.a. den Internisten und Gastroenterologen Dr. D.: eine leichte körperliche Arbeit in einem Umfeld mit einwandfreien sanitären Einrichtungen dürfte vollschichtig zumutbar sein - Bericht vom 20.9.2000, SG-Akte S. 82) und erhob die internistisch-gastroenterologischen Gutachten des Dr. Sch. (Kreiskrankenhaus Am P., Bad F., mit Dr. K.) vom 23.11.1999 und des PD Dr. W. (Kliniken Krankenhaus B., mit Dr. S. - SG-Akte S. 94) vom 26.6.2001. PD Dr. W. diagnostizierte eine colitis ulcerosa, floride Linksseitencolitis sowie Lactoseintoleranz und nahm an, derzeit sei das Leistungsvermögen des Klägers auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich gemindert; das ändere sich, wenn der Kläger ein symptomfreies Intervall erreiche. Daraufhin erklärte sich die Beklagte bereit, dem Kläger für die Zeit vom 1.3.2001 bis 30.9.2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Auf Grund eines im April 2002 gestellten Weitergewährungsantrags (VA S. 69) wurde dem Kläger bis 30.9.2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung gezahlt (VA S. 71; Gutachten der Dr. E. vom 24.7.2002).

Am 5.5.2004 stellte der Kläger erneut einen Weitergewährungsantrag (VA S. 77). Die Beklagte zog den Befundbericht des Dr. D. vom 5.5.2004 bei und erhob das Gutachten des Internisten und Gastroenterologen Dr. B. vom 9.6.2004. Dieser fand eine chronisch-entzündliche Dickdarmerkrankung (Colitis ulcerosa, Linksseitencolitis) bei genügendem Ansprechen auf die durchgeführte Therapie, eine grenzwertige Eisenmangelanämie infolge chronischer Darmblutungen sowie einen 1992 erlittenen Herzinfarkt ohne derzeitige KHK-Symptomatik. Der Kläger könne zwar als Maurer nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten jedoch unter der Voraussetzung, dass er schnell eine Toilette erreichen könne, vollschichtig verrichten.

Mit Bescheid vom 23.6.2004 lehnte die Beklagte den Weitergewährungsantrag ab. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 8.9.2004) erhob der Kläger am 27.9.2004 Klage beim Sozialgericht Heilbronn. Dieses holte die sachverständige Zeugenaussage des Dr. D. vom 15.11.2004 (SG-Akte S. 17) ein und erhob das Gutachten des Internisten und Gastroenterologen Prof. Dr. Walker (mit Dr. R.) vom 25.4.2005. Dr. D. teilte mit, eine achtstündige Tätigkeit sei möglich, wenn dem Kläger jederzeit eine Toilette zur Verfügung stehe. Professor Dr. W. bestätigte diese Einschätzung. Seit Dezember 2004 habe die Krankheitsaktivität etwas nachgelassen, was sich in einer gegenwärtig geringeren Stuhlfrequenz und der Entbehrlichkeit einer Cortison-Therapie zeige; die Endoskopie habe lediglich eine geringe akute entzündliche Aktivität gezeigt. Der Kläger müsse jederzeit und unverzüglich Sanitäranlagen erreichen können, weshalb Tätigkeiten mit Publikumskontakt (längere Kundenberatungen) nicht geeignet seien. Unter Beachtung dieser Einschränkungen könne er aber Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Im Falle einer erneuten Verschlechterung bei einem erneuten Schub könne ein erheblich stärker gemindertes Leistungsvermögen jederzeit eintreten.

Nachdem die Beklagte die Stellungnahme ihres beratungsärztlichen Dienstes (Dr. H.) vom 12.7.2005 vorgelegt hatte, wies das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 8.12.2005 ab. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert noch liege Berufsunfähigkeit (§ 240 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI) vor. Der Kläger sei angesichts der vorliegenden Arbeitgeberauskünfte der Gruppe der Angelernten des oberen Bereichs zuzuordnen und demgemäß auf ungelernte Tätigkeiten verweisbar, wobei allerdings qualitativ geringwertige Tätigkeiten ausgeschlossen seien. Berufsschutz als Maurer bzw. Facharbeiter könne er nicht beanspruchen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zählten die so genannten gehobenen Baufacharbeiter des Baugewerbes aus der Tarifgruppe IV, in die der Kläger eingruppiert gewesen sei, nicht zu der Gruppe der Facharbeiter i. S. des Mehrstufenschemas. Der Kläger müsse sich auf den Beruf der einfachen Bürohilfskraft verweisen lassen. Dabei gehe es um körperlich leichte Arbeiten, die in Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen verrichtet werden könnten. Das sei dem Kläger möglich.

Gegen das ihm am 16.12.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.12.2005 Berufung eingelegt und am 28.3.2006 Prozesskostenhilfe beantragt. Er trägt vor, sein Gesundheitszustand habe sich sehr verschlechtert. Eine erneute Koloskopie bei Dr. D. habe die Verschlechterung der colitis ulcerosa bestätigt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 8.12.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.9.2004 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit über den 30.9.2004 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die sachverständige Zeugenaussage des Dr. D. vom 12.5.2006 eingeholt. Darin ist ausgeführt, die Koloskopie vom 23.1.2006 habe im Sigma und Rectum eine floride Entzündung gezeigt. Zusammenfassend sei der Kläger auch weiterhin durch eine deutlich erhöhte Zahl täglicher Stuhlgänge in erheblichem Umfang kompromittiert. Wie bereits in seiner sachverständigen Zeugenaussage im sozialgerichtlichen Verfahren (vom 15.11.2004) nahm Dr. D. (wiederum) an, wenn der Kläger jederzeit eine Toilette aufsuchen könne, sei er in der Lage, leichte Tätigkeiten 8 Stunden täglich zu verrichten; die Toilette solle nicht von Arbeitskollegen benutzt werden. Gegenüber seiner Einschätzung vom November 2004 habe sich weder im Prinzip noch im Detail etwas geändert.

Mit Beschluss vom 4.7.2006 (L 5 R 1533/06 PKH-A) hat es der Senat abgelehnt, dem Kläger für das vorliegende Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er die Berufung gem. § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

II.

Der Senat weist die gem. §§ 143, 144, 151 statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers gem. § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurück, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen; sie haben nichts mehr vorgetragen.

Das Sozialgericht hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften das Begehren des Klägers zu beurteilen ist und welche Rechtsgrundsätze für deren Auslegung und Anwendung maßgeblich sind. Es hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt insbesondere durch die Erhebung des Gutachtens des Prof. Dr. W. und die Einholung der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. D. festgestellt und auf dieser Grundlage zutreffend entschieden, dass der Kläger Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit nicht beanspruchen kann; auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (S. 4 zweiter Absatz bis S. 9 des Entscheidungsabdrucks) wird gem. § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.

Bereits in seinem Beschluss vom 4.7.2006 (a. a. O.) über die Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags des Klägers hat der Senat dargelegt, dass er die Beweiswürdigung des Sozialgerichts teilt und im einzelnen folgendes ausgeführt:

"Aus den vorliegenden Gutachten und sachverständigen Zeugenaussagen geht schlüssig und überzeugend hervor, dass der Kläger leichte Tätigkeiten noch vollschichtig verrichten kann, sofern die Möglichkeit besteht, jederzeit eine Toilette aufsuchen zu können. Mit dieser Einschränkung ist die Leistungsfähigkeit des Klägers aber nicht in rentenberechtigender Weise herabgesetzt oder gar ausgeschlossen.

Hinsichtlich der Berufsunfähigkeit (§ 240 Abs. 2 SGB VI) hat das Sozialgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Kläger sich auf den Beruf der einfachen Bürohilfskraft verweisen lassen muss. Hiergegen hat der Kläger auch nichts vorgetragen, vielmehr unter Hinweis auf eine erneute Koloskopie durch Dr. D. eine Verschlechterung seiner Darmerkrankung geltend gemacht. Der Senat hat Dr. D. hierzu befragt. Dieser hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 12.5.2006 allerdings seine bisherige Einschätzung (vom November 2004) wiederholt; weder im Prinzip noch im Detail hätten sich Veränderungen ergeben. Damit ist aber die vom Kläger vorgebrachte Leidensverschlimmerung nicht bestätigt.

Bei dieser Sachlage drängen sich weitere Ermittlungen, etwa erneute Begutachtungen des Klägers nicht auf."

Der Senat hat die Sach- und Rechtslage erneut geprüft und hält daran fest, dass dem Kläger aus den dargelegten Gründen über den 30.9.2004 hinaus Rente nicht zusteht. Nach Ergehen des Senatsbeschlusses vom 4.7.2006 (a. a. O.) ist auch nichts mehr vorgetragen worden.

Das Sozialgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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