L 3 U 267/03.Ko

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 267/03.Ko
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
Es ist im Kostenrecht ein anerkannter Grundsatz, dass ein Entschädigungsanspruch wegen einer vom Gericht angeordneten Untersuchung versagt werden kann, wenn die Untersuchung wegen eines von einem Beteiligten zu vertretenden nicht angemessenen Verhaltens nicht zustande kam bzw. wenn die bestimmungsgemäße Entschädigung oder Vergütung grob unbillig wäre, weil die Beweis- oder Auskunftsperson die Unverwertbarkeit der ihr obliegenden Leistung vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt hat ( so auch BayLSG vom 28.11.2003, L 5 RJ 568/01. Ko). Wenn sich – wie vorliegend – ein Kläger mit der vom Sachverständigen vorgeschlagenen Beendigung der Begutachtung einverstanden erklärt, müssen ihm sowohl die materiell-rechtlichen Folgen (Beweislast) als auch die kostenrechtlichen Konsequenzen bewusst sein. Jedenfalls sieht es der Kostensenat nicht als seine Aufgabe an, quasi den Grad des Verschuldens der Beteiligten in einem umfangreichen Ermittlungsverfahren festzustellen, wenn – wie vorliegend – beide Beteiligten wider besseres Wissen übereinstimmend eine gerichtlich angeordnete Untersuchung ohne Einwilligung des anordnenden Gerichts abbrechen. Falls einem der Beteiligten tatsächlich ein Schaden entstanden sein sollte, so ist es ihm unbenommen, diesen gegenüber dem anderen gerichtlich durchzusetzen. Aus der Sicht der Staatskasse ist es jedenfalls billig, beiden derart am Abbruch einer Untersuchung Beteiligten die Entschädigung ganz zu versagen.
Der Antrag des Antragstellers vom 24.05./31.05.2006, ihm für die Fahrt zum Sachverständigen nach S. am 07.04.2006 eine Entschädigung zu gewähren, wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Kläger und Antragsteller (As.) wurde im Rahmen seines Berufungsverfahrens L 3 U 267/03 vor dem Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) am 07.04.2006 von dem Sachverständigen Dr.J. in S. erneut zur ärztlichen Untersuchung geladen - einen vorangegangenen Termin konnte der As. wegen Urlaubs nicht wahrnehmen. Diese Untersuchung wurde vorzeitig abgebrochen. Am 24.05/31.05.2006 reichte der As. seinen Entschädigungsantrag (644 km Fahrtkosten) anlässlich dieser Untersuchung ein.

Nachdem bereits ein erstes Ablehnungsgesuch des Klägers vom 03.02.2006 wegen Besorgnis der Befangenheit des Dr.J. vom 3. Senat mit Beschluss vom 09.03.2006 als unzulässig verworfen wurde, lehnte dieser Senat mit Beschluss vom 08.05.2006 (L 3 U 267/03) auch den zweiten Ablehnungsantrag des As. als unbegründet ab.

Hierbei würdigte er u.a. die Begründung des As. vom 12.04.2006 für den zweiten Befangenheitsantrag bzgl. des Dr.J., in dem er u.a. ausführte: "Abschließend teilte der Kläger Dr.J. dann in seiner o.g. Antwort mit, dass auch diese Provokationen und Unterstellungen dessen offenkundige Befangenheit belegen und bat Dr.J., sich selbst für befangen zu erklären und die Begutachtung abzubrechen, weil er, der Kläger, dies rechtlich nicht könnte und vielmehr vom BayLSG gezwungen würde, diese Begutachtung über sich ergehen zu lassen. Daraufhin antwortete Dr.J. mit seinem für ihn typischen hämischen Grinsen und phlegmatischen Gesichtsausdruck von oben herunter an sich herablassend: "Wir sollten die Begutachtung als beendet ansehen" und brach die Begutachtung tatsächlich ab."

Dr.J. äußerte sich zu dem Ablehnungsgesuch mit Schreiben vom 03.05.2006 und führte aus, er sehe sich nicht in der Lage, das Gutachten zu erstellen und erkläre sich für befangen.

Insgesamt konnte der 3. Senat den Angaben des Klägers keinen Ablehnungsgrund entnehmen und stellte abschließend fest, dass das Gesetz eine Selbstablehnung eines Sachverständigen ohnehin nicht vorsehe und die Voraussetzungen eines Gutachtensverweigerungsrechtes nicht vorlägen.

Mit Schreiben vom 07.06.2006 versagte der Kostenbeamte des BayLSG dem As. eine Entschädigung, weil sein nicht angemessenes Verhalten bei einer vom Gericht angeordneten Untersuchung verhindert hätte, dass die Untersuchung ordnungsgemäß durchgeführt und ein auf ihr basierendes Gutachten hätte erstellt werden können. Hierbei bezog er sich auf einen Beschluss des Kostensenates vom 28.11.2003 (Az.: L 5 RJ 568/01.KO) sowie auf die Gründe des Beschlusses des 3. Senates vom 08.05.2006.

Mit Schreiben vom 09.06.2006 beantragte der Kläger daraufhin die richterliche Festsetzung seiner Entschädigung, verwies im Schreiben vom 28.08.2006 auf die Selbstablehnung des Dr.J. vom 03.05.2006 und übersandte am 11.09.2006 dem Antragsgegner (Ag.) und dem Gericht einen umfangreichen Schriftsatz, in dem er seine Sach- und Rechtsansicht darlegte; mit Schreiben vom 15.09.2006 setzte er abschließend dem Ag. bzw. dem Gericht eine Frist bis zum 21.08.2006 (?), wonach ihm schriftlich mitzuteilen sei, dass er die gesamten Fahrtkosten erhalte; danach werde er am 22.08.2006 (?) Verfassungsbeschwerde gegen den Kostenbeschluss vom 07.06.2006 sowie gegen den von ihm abgelehnten Vergleichsvorschlag des Gerichtes vom 16.08.2006 erheben.

Der Ag. stellte in seinem Schreiben vom 04.09.2006 klar, sowohl der As. als auch Dr.J. seien am Abbruch der Untersuchung im Sinne einer "conditio sine qua non" beteiligt gewesen. Dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag vom 16.08.2006 könnte er unter Berücksichtigung von § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) weiterhin zustimmen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den Inhalt der Kostenakte Bezug genommen.

II.

Trotz des nach § 2 Abs.1 JVEG zulässigen Antrages hat der As., dessen Untersuchung beim Sachverständigen Dr.J. in S. am 07.04.2006 gerichtlich angeordnet worden war, keinen Anspruch gemäß § 191 SGG, dass ihm bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen (§§ 1 Abs.1 Nr.3, 19, 20, 21, 22 JVEG) vergütet werden.

Zwar enthält das JVEG keine Regelungen über den Ausschluss oder den Verlust des Entschädigungs- oder Vergütungsanspruchs aufgrund des Verhaltens einer Beweis- oder Auskunftsperson oder des entsprechend zu behandelnden Klägers, jedoch wird ein Grund für die Versagung nach herrschender Lehre und gefestigter Rechtsprechung in einigen Fällen angenommen. So ist es im Kostenrecht ein anerkannter Grundsatz, dass ein Entschädigungsanspruch wegen einer vom Gericht angeordneten Untersuchung versagt werden kann, wenn die Untersuchung wegen eines von einem der Beteiligten zu vertretenden nicht angemessenen Verhaltens nicht zustande kam bzw. wenn die bestimmungsgemäße Entschädigung oder Vergütung grob unbillig wäre, weil die Beweis- oder Auskunftsperson die Unverwertbarkeit der ihr obliegenden Leistung vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt hat (BayLSG vom 28.11.2003, Az.: L 5 RJ 568/01.Ko, OLG München in MDR 84.948 = JurBüro 84.1876; SchlHOLG in SchlHA 90.59). Jedenfalls besteht kein Entschädigungsanspruch für Zeugen oder Kläger, wenn sie die Durchführung der Beweisaufnahme schuldhaft vereiteln (vgl. LSG Niedersachsen in Nds. Rpfl. 2000.123; Meyer/Höver/Bach, Die Vergütung und Entschädigung von Sachverständigen, Zeugen, Dritten und von ehrenamtlichen Richtern nach dem JVEG, Kommentar, 23. Auflage, Rdnr.1.35 zu § 1; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 8. Auflage Rdnr.2 zu § 191).

Nachdem der Kläger in seiner Stellungnahme vom 12.04.2006 u.a. ausführte, er habe Dr.J. entgegengehalten, seine Provokationen und Unterstellungen würden offenkundig seine Befangenheit belegen und ihn gebeten, sich selbst für befangen zu erklären und die Begutachtung abzubrechen, weil er dies rechtlich nicht könnte und vielmehr vom BayLSG gezwungen würde, diese Begutachtung über sich ergehen zu lassen, gibt er zu, dass er wusste, dass es nicht in seiner Macht lag, eine Begutachtung zu verhindern. Wenn er sich dennnoch mit der von Dr.J. vorgeschlagenen Beendigung der Begutachtung einverstanden erklärte, mussten ihm sowohl die materiell-rechtlichen Folgen (Beweislast) als auch die kostenrechtlichen Konsequenzen bewusst sein. Zwar ist bei dieser Sachlage nicht zu verkennen, dass hierbei Dr.J., dem kein Selbstablehnungsrecht zustand und der vor Abbruch der Untersuchung Rücksprache mit dem anordnenden Senat hätte nehmen müssen, ein erhebliches Mitverschulden beim Abbruch der Untersuchung trifft. Jedoch sieht es der Kostensenat nicht als seine Aufgabe an, quasi den Grad des Verschuldens der Beteiligten in einem umfangreichen Ermittlungsverfahren festzustellen, wenn, wie im vorliegenden Fall gegeben, beide Beteiligte gegen besseres Wissen übereinstimmend eine gerichtlich angeordnete Untersuchung/Begutachtung ohne Einwilligung des anordnenden Gerichtes abbrechen. Falls einem der Beteiligten tatsächlich ein Schaden entstanden sein sollte, so ist es ihm unbenommen, diesen gegenüber dem anderen gerichtlich durchzusetzen. Im Rahmen der Prüfung eines Entschädigungsanspruches ist es aus Sicht der Staatskasse jedenfalls billig, beiden derart am Abbruch einer Untersuchung Beteiligten die Entschädigung ganz zu versagen.

Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei (§ 4 Abs.1 JVEG), Kosten werden nicht erstattet (§ 183 SGG, § 4 Abs.8 JVEG); die Entscheidung ist endgültig (§ 4 Abs.4 Sätze 2 und 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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