S 2 SO 90/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 90/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 B 95/06 SO NZB
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Kostenübernahme für den Eigenanteil in Höhe von 255 EUR zum Erhalt eines Behindertendreirads.

Der am 00.00.1995 in der Kinderklinik in H geborene Kläger lebte die ersten Monate nach seiner Geburt in verschiedenen Krankenhäusern, dann im Haus X in N und ab 01.12.1996 bei seinen Pflegeeltern zuerst in B und seit 1999 in C. Zur Zeit seiner Geburt lebte seine Mutter in I. Das Jugendamt der Stadt I wurde zunächst zum Vormund des Kindes bestellt. Der Kläger ist schwerst behindert in Pflegestufe III. Bei der zuständigen Krankenkasse beantragte er als Hilfsmittel ein Behindertendreirad. Dem Antrag wurde am 18.11.2004 entsprochen, aber er sollte einen Eigenanteil in Höhe von 255 EUR an das ausliefernde Sanitätshaus leisten. Das Sanitätshaus machte die Bestellung von der vorherigen Zahlung des Eigenanteils abhängig. Die Pflegeeltern überwiesen diesen Betrag am 10.01.2005 an das Sanitätshaus und das Dreirad wurde am 02.02.2005 ausgeliefert. Mit Schreiben vom 28.12.2004 hatte der Kläger die Übernahme des Eigenanteils aus Sozialhilfemitteln beantragt. Das lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.01.2005 ab. Die Beklagte hielt sich nicht für örtlich zuständig, sondern ging von der Zuständigkeit der Stadt C aus. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2005 zurück, nachdem sie zuvor bereits mit einem erläuternden Schreiben vom 27.01.2005 und einem Anhörungsschreiben vom 07.03.2005 ihren Standpunkt dargelegt hatte. Für die begehrte Leistung sei die Stadt C gemäß § 98 SGB XII zuständig. Außerdem stehe dem Anspruch § 18 SGB XII entgegen. Der Kläger begehre die Übernahme von Schulden durch die Beklagte. Außerdem sei der Eigenanteil gerechtfertigt, da der Kläger die Kosten für die Beschaffung eines Fahrrades erspart habe.

Mit der am 02.09.2005 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 07.01.2005in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, als Eingliederungshilfe den Eigenanteil für das Behindertendreirad in Höhe von 255 Euro zu übernehmen, hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte zur Übernahme verpflichtet gewesen wäre bei Vorliegen eines Bedarfs.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf die Begründung ihrer Verwaltungsentscheidung.

Mit Beschluss vom 24.11.2005 ist die Stadt C zum Verfahren beigeladen worden. Die Beigeladene hält die Beklagte für örtlich zuständig

Mit Schreiben vom 01.12.2005, 23.01.2006 und 31.01.2006 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholen einer Auskunft des Sanitätshauses. Das Antwortschreiben ist den Beteiligten zur Kenntnis gebracht worden.

Neben den Gerichtsakten haben der Kammer die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der Beratung der Kammer gewesen. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte gemäß § 124 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben.

Die statthafte Klage ist form- und fristgerecht erhoben und daher zulässig. In der Sache selbst ist sie jedoch nicht begründet. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung ist rechtmäßig und der Kläger dadurch nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Die Beklagte hat zutreffend die Kostenübernahme für das Dreirad abgelehnt.

Zunächst ist festzustellen, dass Rechtsgrundlage des hier streitigen Anspruchs das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ist, da der Sozialhilfeträger mit dem Schreiben des Klägers vom 28.12.2005 Kenntnis von dessen Begehren erhalten hat. Beim Zugang dieses Schreibens am 30.12.2004 galt noch nicht das erst zum 01.01.2005 in Kraft getretene SGB XII. Die von der Beklagten zitierten Vorschriften des SGB XII sind im vorliegenden Verfahren nicht einschlägig.

Für den hier streitigen Anspruch ist die Beklagte der örtlich zuständige Sozialhilfeträger. Dies ergibt sich aus § 104 in Verbindung mit § 97 Abs. 2 Satz 4 BSHG. Danach bestimmt sich bei Kindern, die nicht bei den Eltern untergebracht sind, die örtliche Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Pflegefamilie. Der Kläger wurde im Dezember 1996 bei seinen Pflegeeltern aufgenommen. Damals hatte der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Denn sein gewöhnlicher Aufenthalt richtet sich nach demjenigen der in I wohnenden Mutter, da der Kläger in einem Krankenhaus geboren wurde. Soweit den von der Beklagten vorgelegten Akten zu entnehmen ist, hat die Beklagte bis zum Jahr 2001 auch keine Zweifel hinsichtlich ihrer Zuständigkeit gehabt.

Das Sozialgericht kann es offen lassen, ob der Kläger als behinderter Mensch im Rahmen seines Anspruchs auf Eingliederungshilfe nach §§ 39 ff. BSHG als Hilfsmittel im Sinne von § 40 Abs.1 Nr. 2 BSHG auch ein Behindertendreirad beanspruchen kann, oder ob es sich hier um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt. Es trifft nämlich zu, dass der Kläger die Beklagte letztlich zur Übernahme seiner Schulden in Anspruch nimmt. Er hat den Antrag bei der Beklagten gestellt, nachdem er durch den Bescheid der Bundesknappschaft davon erfahren hatte, dass er einen Eigenanteil selber tragen sollte. Der ursprünglich bestehende Bedarf des unvermögenden Klägers auf Tragung des Eigenanteils durch Leistungen der Sozialhilfe wurde aber bereits am 10.01.2005 befriedigt. Die Pflegeeltern leisteten eine entsprechende Zahlung , ohne den Ausgang des eingeleiteten Verwaltungsverfahrens abzuwarten. Sie haben in Kenntnis der bereits mit Bescheid vom 07.01.2005 erfolgten Ablehnung des Antrags selber gezahlt. Damit war der Bedarf befriedigt und Hilfe nicht mehr erforderlich.

Gemäß § 2 Abs. 1 BSHG erhält Sozialhilfe nicht, wer sich selbst helfen kann oder wer die erforderliche Hilfe von anderen erhält. Der daraus resultierende Grundsatz, dass tatsächlich empfangene Leistungen unabhängig vom Rechtsgrund zu berücksichtigen sind, gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn eine rechtswidrige Untätigkeit des Sozialhilfeträgers vorliegt (vgl. Brühl in LPK-BSHG § 2 Rdn. 13). Davon kann aber vorliegend nicht die Rede sein, denn die Beklagte hat über den Antrag des Klägers vorbildlich schnell innerhalb von nur einer Woche entschieden. Wenn in einem solchen Fall der Hilfe Suchende das weitere Verwaltungsverfahren nicht abwarten will und sich die erforderlichen Gegenstände selbst beschafft oder beschaffen lässt, verliert er mangels Bedarf den Anspruch gegen den Sozialhilfeträger.

Der Hilfsantrag des Klägers ist unzulässig. Niemand hat ein berechtigtes Feststellungsinteresse daran, dass das Gericht im Falle einer Klageabweisung darüber entscheidet, welche der tatbestandlichen Voraussetzungen es als erfüllt ansieht.

Die Kostenentscheidung der nach alledem unbegründeten Klage beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Die Kammer sah keinen Anlass, die Berufung zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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