L 10 U 5135/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 U 4511/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 5135/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - Lärmschwerhörigkeit.

Der am 1953 geborene Kläger war nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland von 1973 bis Oktober 1999 (Arbeitsunfähigkeit aufgrund verschiedener, auch orthopädischer und psychiatrischer Erkrankungen) als Bauarbeiter (insbes. Straßenbauer, Maurer, Stahlbetonarbeiter) und Waldarbeiter tätig. Er war dabei von März 1978 bis März 1979 einer Lärmbelastung von 102 dB (A), von Juli 1979 bis Juni 1980 von 95 dB (A), von Juli 1980 bis Dezember 1981 von 83 dB (A), von April 1982 bis August 1982 von 86 dB (A), von September 1982 bis Juli 1983 von 89 dB (A), von August 1983 bis Dezember 1985 von 83 dB (A) sowie von März 1986 bis Oktober 1999 von 87 dB (A) ausgesetzt. Seit Jahren leidet der Kläger an Schwerhörigkeit beidseits und einem Tinnitus beidseits, wegen dem er im Januar/Februar 2003 auch stationär in der Tinnitus-Klinik Bad A. behandelt wurde.

Der Kläger ließ im Mai 2002 der Südwestlichen Bau-Berufsgenossenschaft, Rechtsvorgängerin der Beklagten, den Verdacht einer Lärmschwerhörigkeit anzeigen und Befunde des HNO-Arztes Dr. Sch. vorlegen. Mit Bescheid vom 13. August 2003 und Widerspruchsbescheid vom 17. November 2003 lehnte die Südwestliche Bau-Berufsgenossenschaft das Vorliegen einer BK Nr. 2301 der Anlage zur BKV und die Gewährung von Leistungen ab. Grundlage hierfür war das - eine solche BK verneinende - Gutachten von Dr. D. , Oberarzt an der HNO-Klinik des Städtischen Klinikum K. , und die entsprechende Stellungnahme der Staatlichen Gewerbeärztin Dr. E ...

Der Kläger hat am 4. Dezember 2003 Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört und ein - eine BK Nr. 2301 der Anlage zur BKV verneinendes - Gutachten bei dem HNO-Arzt Dr. B. eingeholt. Mit Urteil vom 11. Oktober 2004 hat das Sozialgericht, darauf gestützt, die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 18. Oktober 2004 zugestellte Urteil am 12. November 2004 Berufung eingelegt.

Prof. Dr. M. , Leiter der HNO-Abteilung des Bundeswehrkrankenhauses Ulm, hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten erstattet. Er hat sich für eine überwiegend berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 10 v. H. ausgesprochen und dies - auch im Hinblick auf Einwendungen der Beklagten - aufrechterhalten. Von Amts wegen ist ein Gutachten bei Prof. Dr. R. , Ärztlicher Direktor der Klinik für HNO-Krankheiten am K. Stuttgart, eingeholt worden, der eine berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit als unwahrscheinlich angesehen hat.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. Oktober 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 13. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2003 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen ihm unter Anerkennung seiner Innenohrschwerhörigkeit nebst Tinnitus als Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von dem Kläger beanspruchte Anerkennung einer BK nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV und die Gewährung einer Rente (insbes. § 9 Abs. 1 Satz 1, § 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt. Der Senat sieht deshalb gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Lediglich im Hinblick auf das Vorbringen und die Beweisaufnahme im Berufungsverfahren sind ergänzende Ausführungen angezeigt.

Das Gutachten von Dr. B. ist durch das vom Senat eingeholte Gutachten von Prof. Dr. R. bestätigt worden. Dieser hat die verschiedenen, für und gegen eine berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit und einen berufsbedingten Tinnitus sprechenden Argumente abgewogen. Er hat darauf hingewiesen, dass gegen das Vorliegen einer Lärmschwerhörigkeit und für eine neurale oder degenerative Innenohrschädigung der Hörverlust in den tiefen Frequenzen, vor allem aber das Ergebnis des SISI-Tests (10 %) und der Umstand spricht, dass es zwischenzeitlich und lang nach Ende der Lärmexposition zu einer Verschlechterung des Hörvermögens gekommen ist. Er hat, wie schon Dr. B. , weiterhin berücksichtigt, dass eine hohe Lärmbelastung allein in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum zu Beginn der Berufstätigkeit des Klägers angefallen ist, was ebenfalls gegen eine BK eingewendet werden kann. Diesen zuletzt genannten Gesichtspunkt hat Prof. Dr. M. nicht ausreichend gewürdigt, so dass sein Gutachten den Senat nicht zu überzeugen vermag. Seine Annahme, eine frühe Berufslärmschädigung Ende der 1970er-Jahre sei unbemerkt geblieben, ist spekulativ. Obwohl auch die Ergebnisse seines SISI-Tests denen von Prof. Dr. R. entsprechen, hat sich Prof. Dr. M. hiermit nicht auseinander gesetzt. Nicht nachzuvollziehen ist schließlich, warum er aus dem von ihm gleichfalls festgestellten ausgeprägten Hörverlust im Tieftonbereich keine Schlüsse auf eine berufslärmunabhängige Ursache gezogen hat. Völlig unberücksichtigt geblieben ist auch der Umstand, dass der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeiten konsequent Gehörschutz trug, sodass von einer Reduzierung der tatsächlichen Lärmbelastung ausgegangen werden muss. Eine genaue Abklärung ist insoweit jedoch nicht erforderlich, weil Prof. Dr. R. und Dr. B. auch ohne diese Überlegung die Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Ursache der Schwerhörigkeit verneint haben.

Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass - anders als von Dr. D. und Dr. B. aufgrund der Angaben des Klägers bei den dortigen Untersuchungen angenommen - nicht von einem Eintritt der Schwerhörigkeit zeitlich nach dem Tinnitus ausgegangen werden kann. Dies widerspricht der zeitnäheren Mitteilung des behandelnden HNO-Arztes Dr. G. vom 19. Januar 1999, der schon im Oktober 1998 eine "seit Jahren zunehmende Schwerhörigkeit bds" dokumentierte und den Tinnitus erst "seit 2 Jahren" annahm. Offensichtlich hat der Kläger erhebliche Probleme, den zeitlichen Ablauf der Erkrankung darzustellen. Das ist auch aus dem vor dem Sozialgericht vorgelegten Attest des behandelnden Arztes Dr. Sch. ersichtlich, wo widersprechende Angaben des Klägers wiedergegeben werden. Allein der Wegfall dieses gegen eine BK sprechenden Arguments beeinträchtigt das Gesamtergebnis jedoch nicht, zumal sich Prof. Dr. R. hierauf nicht gestützt hat und auch Dr. B. hinsichtlich der Frage der Ursache der Schwerhörigkeit hierauf nicht abgestellt hat. Sollte der Tinnitus auf die Schwerhörigkeit zurückzuführen sein, ist seine Anerkennung als BK nicht möglich, weil bereits die bestehende Schwerhörigkeit nicht unfallbedingt, also keine BK ist. Sollte der Tinnitus vor der Schwerhörigkeit entstanden sein, kommt es auf seine Genese schon deshalb nicht an, weil die hier streitige BK Nr. 2301 lediglich die Lärmschwerhörigkeit, nicht aber einen "isolierten" Tinnitus erfasst.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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