L 10 U 5290/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 126/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 5290/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 27. November 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Rücknahme eines die Anerkennung eines Arbeitsunfalles ablehnenden Bescheides sowie die Anerkennung eines Unfalles vom 28. August 1993 als Arbeitsunfall.

Der am 1948 geborene Kläger, damals wohnhaft in L. , war bei der Firma R.-Marketing und Consulting GmbH (Fa. RMC) beschäftigt. Diese bzw. ihr Geschäftsführer J. war mit der Abwicklung der GPG "B.-freude", L. (GPG) als deren Liquidator befasst. Der Kläger hatte im Rahmen der Liquidation der GPG u. a. Kontakte zur Stadt L. herzustellen bzw. aufrecht zu erhalten und zu ermitteln, ob Interesse am Erwerb von Gebäuden auf Grundstücken des Unternehmens bestand, sowie auch einzelne Gegenstände zu verkaufen. Dabei sollte er im Wesentlichen nach Vorgaben des Geschäftsführers J. handeln. Für rechtliche Fragen waren ihm von der Fa. RMC Rechtsanwalt (RA) und Notar G. und dessen Kollege RA R. als Ansprechpartner benannt, die er konsultieren konnte. Andere Freiberufler durfte er nicht in Anspruch nehmen (§ 2 Abs. 2 des "Beratervertrages"). Außerdem hatte der Kläger seit 1. Juni 1990 als selbständiges Gewerbe eine "Unternehmensberatung" in L. angemeldet und war für diverse Kleinunternehmen (z. B. eine Frisörin und eine Kleingärtnerei) tätig (unter anderem Kontrolle bzw. Führung des Kassenbuches und Vorbereitung von Vorsteueranmeldungen, wofür er jeweils ein Entgelt erhielt). Seine Einkünfte aus dieser gewerblichen Tätigkeit betrugen 1991 mehr als 900,- DM. Des weiteren bestanden Kontakte zu dem am 31. Dezember 1996 verstorbenen Steuerberater (StB) D. in Berlin zwischen dem und seinen eigenen Kunden er geschäftliche Kontakte herstellte. StB D. fertigte auch die Jahresabschlüsse und Steuererklärungen für die vom Kläger betreuten Kleinunternehmen sowie auch dessen eigene Steuererklärung. An Samstagen suchte der Kläger StB D. häufig auf, wobei er ihm gefälligkeitshalber gelegentlich und unentgeltlich Unterlagen für Steuererklärungen und Abschlüsse ihrer beider Klienten mitbrachte. Von StB D. erhielt der Kläger pauschal eine Fahrkostenerstattung von monatlich 200 DM und gelegentlich sonstige kleinere Zuwendungen zur "Pflege der Geschäftsbeziehung".

Nach einer Unterredung im Büro des StB D. am Samstag, den 28. August 1993 verunglückte der Kläger gegen 15:45 Uhr auf der Heimfahrt nach L. zwischen D. und L. mit dem Pkw, wobei er sich schwerste Verletzungen zuzog.

Am 9. August 1996 meldete der Kläger den Unfall und machte ihn als Arbeitsunfall geltend, wobei er zunächst angab, er sei im Interesse der Fa. RMC bei StB D. gewesen und - so ausdrücklich und wiederholt - nicht im Hinblick auf seine Tätigkeit als selbständiger Unternehmensberater. Hierzu legte er ein Schreiben des StB D. vom 20. August 1996 vor, der "wunschgemäß" bestätigte, der Kläger sei laut seines "Terminkalenders" am 28. August 1993 um 11:00 Uhr in seinem Büro zur Besprechung der vom Kläger zu bearbeitenden "steuerlichen und sozialversicherungspflichtigen Probleme der GPG B.-freude L. verabredet" gewesen, man habe laut "Gesprächsnotiz über mögliche Grundstücksverkäufe der Gesellschaft, Vermarktung von Produktionsanlagen und Einstellung von ABM-Kräften gesprochen" und der Kläger habe das Büro etwa um 14:45 Uhr verlassen.

Nach Ermittlungen, u. a. Befragung des Geschäftsführers J. , der angab, der Kläger sei mit Sicherheit nicht im Auftrag der Fa. RMC bei StB D. gewesen und er selbst habe zu diesem keine geschäftlichen oder privaten Kontakte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. März 1997 und Widerspruchsbescheid vom 24. April 1997 eine Entschädigung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Der Kläger sei weder als Beschäftigter, noch wie ein Beschäftigter für die Fa. RMC oder den Liquidator J. der GPG bei StB D. gewesen und habe diesen - wie von ihm wiederholt und ausdrücklich geäußert - auch nicht für seine eigene Unternehmensberatung aufgesucht.

Deswegen erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) P. (AZ S 2 U 15/97), das die Klage nach Einholung von Auskünften des StB St. , Abwickler der Praxis des StB D. , Vernehmung der Zeugen L. (schriftlich), F. , D. und J. sowie der Zeuginnen R. , W. , P. und B. und nach Beiziehung von Unterlagen des zuständigen Finanzamtes zum Unternehmen des Klägers mit Urteil vom 23. April 1998 abwies. Die Fahrt sei nicht - wie nun inzwischen vom Kläger behauptet - seiner dem Grunde nach versicherten Tätigkeit als Unternehmensberater und auch nicht seiner Tätigkeit für die Fa. RMC zuzurechnen. Der Anlass des Besuchs beim StB D. sei nicht mehr zu klären. Auf die Berufung und nach Vernehmung der Zeugen B. , Z. , D. und J. sowie der Zeuginnen B. , P. , K. (Arbeitsamt P. , Dienststelle L. ) und W. wies das Landessozialgerichts (LSG) für das Land Brandenburg (L 1 U 22/98) die Berufung mit Urteil vom 30. März 1999 zurück. Der Unfall habe sich nicht auf einem versicherten Weg ereignet, denn der Kläger sei weder als aufgrund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses Beschäftigter noch als Unternehmer tätig gewesen, bevor er den Weg, auf dem er verunglückt sei, angetreten habe. Aufgrund der Steuerakte des Klägers ergebe sich, dass der StB D. auch für ihn tätig gewesen sei und es bestehe die ernsthafte Möglichkeit, dass er den StB auch aus eigenwirtschaftlichen Gründen aufgesucht habe. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Rechtsstreits, mit welchem der Kläger unter anderem geltend machte, der Zeuge J. habe eine Falschaussage getätigt, blieb erfolglos (Urteil des LSG für das Land Brandenburg (Az L 1 SF 12/99) vom 29. November 1999).

Einen Antrag auf Rücknahme der bindend gewordenen Entscheidung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 31. März 2000 und Widerspruchsbescheid vom 27. April 2000 ab.

Die deswegen beim SG P. erhobene Klage (S 2 U 71/00) wurde nach Vernehmung der Zeugen G. und W. mit Urteil vom 20. Februar 2001 abgewiesen. Der Kläger machte in diesem Verfahren im Wesentlichen geltend, er sei am Unfalltag im Interesse der Fa. RMC wegen eines Grundstücksgeschäftes der GPG bei StB D. gewesen und habe deswegen am Vortag bereits RA G. aufgesucht sowie von StB D. aus den Zeugen W. angerufen, dem er ein oder zwei Grundstücke angeboten habe. Die hiergegen beim LSG für das Land Brandenburg eingelegte Berufung (L 7 U 30/01), mit der der Kläger im Wesentlichen weiter geltend machte, er sei im Interesse der Fa. RMC bzw. der GPG bei StB D. gewesen und das SG P. habe die Beweise und sein Vorbringen falsch gewürdigt, wurde mit Urteil vom 27. August 2001 zurückgewiesen. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (B 2 U 291/01 B) wurde vom Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 25. Februar 2002 als unzulässig verworfen.

Am 18. März 2002 beantragte der Kläger erneut die Rücknahme der ablehnenden Entscheidung und die Anerkennung des Unfalles als Arbeitsunfall. Er machte geltend, wie von StB D. bestätigt, habe er hauptsächlich in Sachen der Fa. RMC bzw. der GPG vorgesprochen. Er sei bei der unfallbringenden Fahrt aber auch und gerade als selbständiger Unternehmensberater tätig gewesen und versichert gewesen. Nachdem in den bislang ablehnenden Bescheiden und Urteilen in erster Linie von einem fehlenden Nachweis für eine abhängige Tätigkeit für die Fa. RMC ausgegangen worden sei, müsse er doch zumindest im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit beim StB D. gewesen sein. Er habe Unterlagen der verschiedenen von ihm betreuten Kleinunternehmen, deren Buchhaltungsarbeiten bzw. Umsatzsteuererklärungen, die er vorbereitet und teilweise auch gefertigt habe, an jedem Monatsende zu StB D. gefahren, der die einzelnen Daten bei Datev als Grundlage für die entsprechenden Umsatzsteuererklärungen eingegeben habe, und sie auch wieder abgeholt. Außerdem habe er am Unfalltag noch die steuerlichen Fragen über den Verkauf von Gebäuden und Grundstücken der GPG auf Anraten von RA G. erörtert. Im Unfallfahrzeug hätten sich Unterlagen der Fa. RMC, der GPG und der Gärtnerei P. gefunden. Mit Bescheid vom 4. Juli 2002 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 4. März 1997 ab.

Mit seinem Widerspruch machte er geltend, die Besprechung im Büro des RA G. vom 27. August 1993 belege den behaupteten Inhalt der Unterredung vom Unfalltag. Die Fahrt nach Berlin am 27. August 1993 habe die Fa. RMC auch abgerechnet. Die GPG habe einen Liquiditätsengpass gehabt, weswegen man einen Rohbau an den Zeugen W. habe verkaufen wollen. Dabei sei es auch um eventuelle Ansprüche auf Zuschüsse gegangen und seien erhebliche steuerliche Fragen aufgetreten. Darüber habe er mit StB D. am Unfalltag gesprochen. Hierzu legte er eine Rechnung vom 27. August 1993 an die Fa. RMC "für meine Tätigkeit bei der GPG" (7 Stunden Tätigkeit am 27. August 1993 und Fahrtkosten) in Kopie vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2002, dem Kläger am Folgetag zugestellt, wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Deswegen hat der Kläger am 20. Januar 2003 (Montag) Klage beim SG Kostanz erhoben. Neben der Wiederholung bisherigen Vortrages hat er unter anderem geltend gemacht, die Fa. RMC habe die Kostenrechnung tatsächlich bezahlt. Unter Berücksichtigung des Liquiditätsengpasses der GPG erscheine seine Fahrt zu StB D. in einem völlig anderen Licht. Außerdem habe er im Fahrzeug noch Steuerpapiere seiner Kunden gehabt. Es liege auf der Hand, dass er die fertigen Steuerpapiere seiner Kunden von StB D. zurück erhalten und diese kurz mit ihm besprochen habe. Er sei nicht nur als weisungsgebundener Dienstleister für die Fa. RMC tätig gewesen, sondern auch mit ganz erheblichen selbständigen Tätigkeiten. Dies ergebe sich aus dem Urteil des Arbeitsgerichts P. vom 9. Juni 1995. Hierzu hat er einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 17. Oktober 1995 und ein Urteil des Arbeitsgerichts P. vom 9. Juni 1995 vorgelegt.

Mit Gerichtsbescheid vom 20. November 2003 hat das SG Konstanz die Klage abgewiesen. Die - im einzelnen näher dargelegten - Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X seien nicht erfüllt. Soweit der Kläger geltend mache, er sei am Unfalltag ausschließlich bzw. zumindest weit überwiegend als selbständiger Unternehmensberater in eigenen Angelegenheiten tätig geworden und nicht für die Fa. RMC sei dies kein neuer Sachvortrag. Insofern sei der Kläger lediglich als Bote unterwegs gewesen und habe gefälligkeitshalber Unterlagen an den StB weitergeleitet. Ein Bezug der Tätigkeit zur Fa. RMC sei nicht festzustellen. Die Angaben des Zeugen J. , der Kläger habe nur begrenzte eng umschriebene Aufgaben wahrgenommen, erschienen korrekt, nicht dagegen die Angaben des Klägers, er sei allumfassend zuständig gewesen. Diese Einschätzung finde auch eine Stütze im Urteil des Arbeitsgerichts P. vom 9. Juni 1995, wonach er bei seiner Beratungstätigkeit an Weisungen der Fa. RMC gebunden gewesen sei. Gespräche mit Vertretern von Ämtern, künftigen Geschäftspartnern, RAen und Firmeninhabern hätten sich im Rahmen des vom Geschäftsführer erteilten Auftrags gehalten. Nach dem Urteil des Arbeitsgerichts P. habe der Kläger Ende Juli 1993 sein zeitliches Engagement für die Fa. RMC zurückgeschraubt, was auch gegen seine Allzuständigkeit spreche. Die Rechnung vom 27. August 1993 sei gleichfalls bekannt gewesen, wobei es sich indes auch um eine Rechnung für eine Fahrt vom Vortag handle, mit insoweit nur indirekter und eingeschränkter Aussagekraft.

Gegen den am 2. Dezember 2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29. Dezember 2003 Berufung eingelegt. Er trägt neben Wiederholungen unter anderem vor, die Kosten der Tätigkeit vom 28. August 1993 habe er wegen der Folgen des Unfalles nicht geltend machen können. Er sei sehr wohl im Auftrag der Fa. RMC bzw. GPG bei der Vorbereitung von Grundstücksgeschäften tätig gewesen und habe auch die entsprechenden steuerlichen Fragen abgeklärt. Gerade aus den vorgelegten Tätigkeitsberichten ergäben sich mehrmalige Tätigkeiten in Grundstücksgeschäften der GPG.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 20. November 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2002 zu verpflichten, den Bescheid vom 4. März 1997 zurückzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die angefochtenen Entscheidungen seien nicht zu beanstanden, insbesondere habe der Kläger bei dem Unfall nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden.

Der Senat hat die Akten des SG P. und des LSG für das Land Brandenburg beigezogen.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 04. März 1997.

Grundsätzlich kann bei Ablehnung jedweder Entschädigung, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei, ein Versicherter sein Begehren auf Anerkennung eines Arbeitsunfalles zwar im Wege einer Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG verfolgen. Dies ist indessen im Rahmen eines sogenannten Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X nicht möglich. Denn dieses Verfahren hat das Ziel, den bestandskräftigen, einen Arbeitsunfall verneinenden Verwaltungsakt zu beseitigen, im Falle des entsprechenden Klageverfahrens die Beklagte zur Rücknahme dieses Verwaltungsaktes zu verurteilen. Bevor der bestandskräftige Ablehnungsbescheid aber nicht beseitigt ist, steht dieser - eben wegen seiner Bestandskraft - einer gegenteiligen Feststellung durch das Gericht entgegen.

Die Beklagte kann auch nicht zur Feststellung eines Arbeitsunfalles verurteilt werden. Hierfür fehlt es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage. Dem Bedürfnis der Versicherten wird - normalerweise - von der Rechtsprechung mit der Feststellungsklage Rechnung getragen.

Damit beschränkt sich das Klagebegehren sachgerechterweise auf die Verurteilung der Beklagten zur Rücknahme des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides.

Mit nach erfolglosem Klageverfahren gem. § 77 SGG bindend gewordenem Bescheid vom 4. März 1997 lehnte es die Beklagte ab, das Ereignis vom 28. August 1993 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Bestimmung ermöglicht eine Abweichung von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte. Nach § 44 Abs. 4 SGB X werden im Falle der Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Rücknahme bzw. Antragstellung erbracht. Der Zeitpunkt der Rücknahme wird dabei von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Bei einer Rücknahme auf Antrag tritt bei der Berechnung des Zeitraums, für den die Leistungen rückwirkend zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, denn es ist im Ergebnis nicht feststellbar, dass die Beklagte und mit ihr das SG P. sowie das LSG für das Land Brandenburg bei Überprüfung der Verwaltungsentscheidung von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind oder das Recht unrichtig angewandt haben, insbesondere dass der Kläger bei seinem Unfall vom 28. August 1993 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand und einen Arbeitsunfall erlitt.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich auch nach Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 nach den bis dahin geltenden Vorschriften der RVO; denn nach § 212 SGB VII gilt das neue Recht grundsätzlich erst für Versicherungsfälle, die nach dem 31. Dezember 1996 eingetreten sind. Einer der Ausnahmetatbestände nach §§ 213 ff SGB VII ist nicht gegeben.

Arbeitsunfall ist nach § 548 RVO ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (versicherte Tätigkeit).

Grundsätzlich wäre der Kläger nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO versichert gewesen, wenn er beim Treffen mit StB D. und der anschließenden unfallbringenden Fahrt nach L. als Beschäftigter für die Fa. RMC bzw. in deren Auftrag für die GPG oder als selbständiger Unternehmensberater - als solcher war er gem. §§ 1149 Abs. 2 RVO versichert - tätig gewesen wäre. Nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand er, wenn er aus sonstigen, insbesondere privatwirtschaftlichen Gründen den StB D. aufsuchte.

Ob und gegebenenfalls welchem Unternehmen die Tätigkeit, aus deren Anlass sich der Kläger bei StB D. befand, diente, bestimmt sich nach der Frage, ob die zum Unfall führende Tätigkeit der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, nämlich ob sie in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit der betreffenden Betriebstätigkeit steht. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Entscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen, das heißt, es muss bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen versicherter Tätigkeit als erbracht angesehen werden können, das Vorhandensein der versicherten Tätigkeit also sicher feststehen (BSGE 58, 80). Dieser Nachweis ist nicht erbracht. Zwar können Eigentümlichkeiten eines Sachverhalts in besonders gelagerten Einzelfällen aus Gründen des Beweisnotstands Anlass sein, an den Beweis verminderte Anforderungen zu stellen (BSGE 19, 52, 56; 24, 25, 28), was bedeutet, dass das Gericht schon aufgrund weniger tatsächlicher Anhaltspunkte von einem bestimmten Geschehensablauf überzeugt sein kann. Aber selbst dann, wenn man unterstellt, dass beim Kläger eine unfallbedingte Erinnerungslücke in Bezug auf seinen Aufenthalt vor dem Unfall vorgelegen hat und insoweit verminderte Anforderungen an den Beweis gestellt würden, könnte das Ergebnis unter Würdigung aller Umstände nicht anders lauten, als von den Vorgerichten entschieden.

Es ist zur Überzeugung des Senats aufgrund des Vorbringens wie auch auf Grund der zuvor in den Akten enthaltenen Äußerungen nicht feststellbar, dass der Kläger, als er sich mit StB D. traf, einer versicherten Tätigkeit nachging. Maßgebend ist insofern allein, welchen Zwecken die konkrete Unterredung am Unfalltag mit StB D. diente.

Neue Beweise zum konkreten Inhalt der Unterredung mit StB D. sind nicht dargetan oder ersichtlich. Der Kläger verweist vielmehr einerseits nur auf - zum Teil bereits bekannte bzw. nicht bewiesene - Indizien, die den Beweis erbringen sollen, dass die Unterredung den behaupteten Interessen diente bzw. greift andererseits früher erhobene, sein Begehren nicht stützende Beweise an (Aussage des Zeugen J. ).

Es ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger im Interesse der Fa. RMC bzw. der GPG steuerliche Angelegenheiten mit StB D. am Unfalltag besprach. Schon das SG Potsdam und insbesondere auch das LSG für das Land Brandenburg ist in seinen Urteilen unter Würdigung der gesamten Beweislage zum Ergebnis gelangt, dass eine Tätigkeit des Klägers für die Fa. RMC nicht vorlag. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Entscheidungsgründe der Urteile des LSG Brandenburg vom 30. März 1999 und 27. August 2001 verwiesen. Der Senat vermag zu keinen anderen Schlussfolgerungen zu gelangen, insbesondere sind keine neuen Tatsachen vorgetragen oder gar bewiesen, die die Entscheidung, wonach der Kläger nicht für die Fa. RMC bei StB D. war, als unrichtig erscheinen ließen. Soweit er geltend macht, er habe seine Honorare gegenüber dem Zeugen J. bis einschließlich 27. August 1993 einklagen und seine titulierten Forderungen auch vollstrecken müssen, weswegen die Aussagen des Zeugen J. , der immer einen Auftrag des Klägers, mit StB D. Angelegenheiten der Fa. RMC und der GPG zu besprechen, verneinte, anders zu würdigen seien, entwertet dies die Aussage des Zeugen J. nicht. Die Kopie des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 17. Oktober 1995 war bereits im Verfahren über den Wiederaufnahmeantrag (L 1 SF 12/99) im November 1999 (Bl 531, 534 Verwaltungsakten) und schon vor dem ersten Antrag nach § 44 SGB X vom 29. November 1999 zu den Verwaltungsakten gelangt. Ob in den Ausführungen des Urteils des LSG für das Land Brandenburg vom 27. August 2001 ausdrücklich darauf abgestellt wurde, ist unmaßgeblich. Die Tatsache, dass der Kläger Klage und Vollstreckungsverfahren gegen den Zeugen bzw. dessen Unternehmen führte, macht diesen nicht unglaubwürdig. Soweit er behauptet, eines Auftrags des Zeugen J. habe es nicht bedurft, weil er ohne einen solchen für das Tagesgeschäft zuständig und auch befugt gewesen sei, steuerliche Angelegenheiten der Fa. RMC bzw. der GPG mit StB D. zu besprechen, ist dies nicht nur unbewiesen, sondern steht den im "Beratervertrag" niedergelegten Rechten und Pflichten entgegen. Danach war er nicht befugt Freiberufler - hierzu gehören auch Steuerberater - in Anspruch zu nehmen. Dies hat auch der Zeuge J. ausdrücklich bestätigt und erklärt, dass dem Kläger die Entlassung gedroht hätte, wenn eine entsprechende Weitergabe von Informationen an Dritte erfolgt wäre, dass sein Tätigkeitsfeld und seine Aufgaben bereits ab Juli 1993 erheblich eingeschränkt waren und dem Kläger auch nur RA G. bzw. dessen Kollege R. als für Beratungen zuständige Ansprechpartner benannt waren. Im Übrigen hat der Kläger selbst zu keinem Zeitpunkt behauptet, der StB D. habe der Fa. RMC oder dem Zeugen J. als Liquidator der GPG Beratungskosten in Rechnung gestellt. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Zeuge J. allenfalls einmal pro Woche in L. war. Sollte der Kläger insoweit verbotswidrig gehandelt haben, wäre diese Tätigkeit nicht versichert gewesen.

Soweit der Kläger vorträgt, er habe sein Honorar für die behauptete Tätigkeit für die Fa. RMC bzw. GPG vom 28. August 1993 wegen der Folgen des Unfalles nicht mehr geltend machen können und die Rechnung vom 27. August 1993 sei vom Zeugen J. nicht angezweifelt worden, ist zunächst festzustellen, dass die Rechnung vom 27. August 1993 bereits vor Erlass des Bescheides vom 04. März 1997 bekannt war und bei den Akten lag und nicht zu erkennen ist, dass es sich bei der in Rechnung gestellten Unterredung um Grundstücksangelegenheiten der GPG handelte. Außerdem ist nicht ersichtlich, weswegen der Kläger eine gegebenenfalls im Interesse der Fa. RMC bzw. der GPG am 28. August 1993 verrichtete Tätigkeit nicht hätte in Rechnung stellen und geltend machen können, nachdem er die bis 27. August 1993 beanspruchten Entgelte durchaus nach diesem Zeitpunkt eingeklagt und vollstreckt hat. Insgesamt sind keine Tatsachen vorgebracht, die die Beweiswürdigungen des SG P. und des LSG für das Land Brandenburg als unzutreffend erscheinen ließen. Richtig ist vielmehr, dass der Kläger je nach prozessualer Lage und Abschätzung der Aussichten seines Begehrens darauf abstellte, dass er für die Fa. RMC bzw. GPG oder aber für sein eigenes Unternehmen, eine Unternehmensberatung, bei StB D. am 28. August 1993 war.

Ob und welche Gespräche der Kläger am Vortag des Unfalles mit RA G. und - was unsicher und nicht bewiesen ist - am Unfalltag mit dem Zeugen W. führte, ist unmaßgeblich, da dies nicht zwingend belegt, dass der Kläger tatsächlich in steuerlichen Angelegenheiten der Fa. RMC und der GPG bei StB D. vorsprach. Dies gilt auch dann, wenn die GPG einen Liquiditätsengpass hatte und ein Grundstücksverkauf hätte erfolgen sollen. Auch wenn der Zeuge W. Kaufinteressent war und steuerliche Fragen bzw. solche wegen etwaiger Zuschüsse aufgetaucht sein sollten, belegt dies weder eine Befugnis, StB D. dafür als Berater zuzuziehen, noch dass genau dies Inhalt der Unterredung am Unfalltag war. Am Rande sei hierzu noch vermerkt, dass die entsprechenden Angaben des StB D. in einem "wunschgemäß" an den Kläger verfertigten Schreiben nicht ohne weiteres glaubhaft sind, was auch bereits vom LSG Brandenburg so gesehen wurde, nachdem im Büro des StB D. nach dessen Tod vom Abwickler, StB St. , keine Unterlagen der betreffenden Unternehmen vorgefunden wurden und StB D. , wie von seinem Mitarbeiter bekundet, keinen Terminkalender führte. Die entsprechenden Angaben in dem wunschgemäß erstellten Schreiben sind deshalb zumindest zweifelhaft und in ihren Grundlagen nicht belegt und nicht überprüfbar.

Auch die Tatsache, dass nach dem Unfall Unterlagen der Fa. RMC und der GPG gefunden wurden, belegt nicht den behaupteten Inhalt und Zweck der Unterredung. Dass sich im Fahrzeug entsprechende Unterlagen befanden, ist zwanglos auch im Zusammenhang mit dem Gespräch bei RA G. vom Vortag und der Tatsache, dass der Kläger für die Fa. RMC und die GPG tätig waren, zu erklären.

Im Übrigen fällt - bezüglich der geltend gemachten Tätigkeit für die Fa. RMC und die GPG - auf, dass der Kläger in den zunächst vorgelegten Tätigkeitsberichten vom 31. Mai 1993 bis August 1993 keine Unterredungen mit StB D. an Samstagen aufführte.

Ein Versicherungsschutz des Klägers wie ein Beschäftigter nach § 539 Abs. 2 RVO mit Blick auf eine Tätigkeit für die Fa. RMC bzw. die GPG scheidet aus, da der Kläger insofern - wie sich aus der Aussage des Zeugen J. ergibt - gegen den erklärten Willen gehandelt hätte und nicht im mutmaßlichem Interesse der Firma hätte handeln können.

Im Übrigen ist auch nicht erwiesen, dass der Kläger im Interesse seines eigenen Unternehmens, einer Unternehmensberatung, also für eigene Klienten bei StB D. war. Insofern sind keine neuen Tatsachen vorgetragen und erwiesen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Soweit der Kläger Unterlagen von Klienten zu StB D. brachte, handelte es sich um Gefälligkeiten, die insbesondere von den Klienten nicht vergütet wurden. Das Überbringen solcher Unterlagen kann daher nicht der eigentliche Zweck des Kontaktes mit StB D. am Unfalltag gewesen sein. Außerdem ist es nicht nachvollziehbar, wenn behauptet wird, der Kläger habe Unterlagen für den Monatsabschluss seiner Klienten zum StB D. gebracht, da der Monat am 28. August 1993, einem Samstag, noch nicht endete und gerade bei den hier benannten Betrieben, einem Gärtnereibetrieb und einem Frisörbetrieb, am Samstag Arbeiten stattfinden. Keinesfalls war es insofern möglich, Unterlagen für den Monat August und die Erstellung des Monatsabschlusses zu StB D. zu bringen. Schließlich hat auch keiner der als Zeugen benannten Unternehmer bzw. Unternehmerinnen bestätigt, dass der Kläger gerade am Unfalltag steuerliche Fragen ihres Betriebes mit StB D. zu besprechen hatte. Das bloße Auffinden von Unterlagen der Gärtnerei im Unfallfahrzeug belegt ohnehin keine versicherte Tätigkeit als Zweck der Fahrt zu und von der Unterredung bei StB D ...

Da StB D. auch der StB des Klägers - also nicht nur - bezüglich seines Unternehmens, sondern auch privat war, ist nicht auszuschließen, dass er in eigenwirtschaftlicher Tätigkeit bei StB D. war. Hinzu kommt, dass er StB D. früher Mandanten zugeführt hatte, und insofern in einem persönlichen Näheverhältnis stand, also auch andere eigenwirtschaftliche Gründe als steuerrechtliche Fragen für den Besuch in Betracht kommen.

Allein auf die Angaben des Klägers vermag der Senat nicht abzustellen. Denn der Kläger machte offenkundig objektiv unwahre Angaben, indem er anfangs ausdrücklich ein Aufsuchen des StB D. aus Gründen seines eigenen Unternehmens, der Unternehmensberatung, vehement ausschloss, später aber geltend machte, er sei eben in Angelegenheiten dieses Unternehmens bei StB D. gewesen. Eine dieser Angaben muss falsch sein. Damit ist die Glaubwürdigkeit des Klägers erschüttert. Daran ändern auch die vom Kläger vorgebrachten Gründe für den wechselnden Vortrag nichts.

Die Berufung ist deswegen zurückzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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