Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 32 RJ 1394/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 RJ 30/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. März 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Rente wegen voller Erwerbsminderung seit September 2001.
Die Klägerin ist am 1947 geboren. Sie hat vom 01. September 1963 bis 11. Juli 1965 eine Lehre zur Herrenschneiderin absolviert und war bis 1969 in diesem Beruf tätig. Von 1970 bis 1989 war sie als Köchin und Beiköchin beschäftigt. Von 1990 an arbeitete sie als Reinigungskraft. Seit dem 23. Oktober 2000 war sie arbeitsunfähig.
Am 18. Juni 2001 stellte sie einen Rentenantrag. Dazu lagen zahlreiche medizinische Unterlagen vor, und zwar
• ein Gastroskopiebefund vom 21. Dezember 1999, • ein Magenbefund (Pathologie) vom 22. Dezember 1999, • ein Computertomografiebefund des Abdomens vom 25. Mai 2000, • Befundberichte der Ärztin Dr. H vom 29. November 2000, 19. Januar 2001, 16. Februar 2001, 16. März 2001, 20. April 2001, 01. Juni 2001, 06. September 2001, • ein Magnetresonanztomografie-Befund des rechten Sprunggelenkes vom 27. Februar 2001 und • ein Attest von Dr. H vom 16. Juli 2001.
Die Beklagte veranlasste daraufhin die Erstellung von Gutachten von der Chirurgin B vom 02. August 2001 und von der Fachärztin für Innere Medizin Dr. F vom 20. September 2001.
Die Chirurgin B stellte
• Gehbehinderung bei Zustand nach Verstauchung des rechten Sprunggelenkes, • Schwellungsneigung beider Beine
fest. Sie nahm an, dass die Klägerin in ihrem letzten Beruf als Reinigungskraft nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten könne. Sie könne jedoch sechs Stunden und mehr leichte körperliche Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten verrichten. Einschränkungen bestünden für Arbeiten im Knien, Hocken und auf Leitern. Die Wegefähigkeit sei ausreichend.
Dr. F führte folgende Diagnosen auf:
• Diabetes mellitus IIb, medikamentös behandelt, • arterieller Hypertonus, • Nebennierentumor links (Größenkonstanz seit ca. 1994, nicht hormonaktiv), • Adipositas per magna, • gastro-ösophagealer Reflux.
Als weitere Leistungseinschränkung stellte sie den Ausschluss von Arbeit in Nachtschicht fest.
Darauf wurde der Rentenantrag mit Bescheid vom 02. Oktober 2001 abgelehnt.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin vor allem geltend, die Einschränkung ihres Gehvermögens sei nicht ausreichend berücksichtigt. Sie fügte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung - MDK - vom 18. September 2001 bei, in dem ausgeführt ist, dass ihre Erwerbsfähigkeit gefährdet sei.
In der Zeit vom 26. Dezember 2001 bis 16. Januar 2002 führte die Beklagte eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation durch. Im Entlassungsbericht vom 25. Januar 2002 wurde das Leistungsvermögen der Klägerin folgendermaßen eingeschätzt: Sie könne noch mehr als sechs Stunden täglich leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten verrichten. Weitestgehend zu vermeiden seien eine monotone statische Belastung des Achsenorganes und der großen Gelenke, schweres Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, belastendes Bücken, Hocken und Knien, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten mit Lasten sowie Zwangshaltungen. Es bestehe eine verminderte Stand- und Gangsicherheit. Sie dürfe keiner Nässe, Kälte, Zugluft und Erschütterung ausgesetzt werden. Auch Arbeiten mit erhöhter Unfallgefahr seien ausgeschlossen.
Darauf wurde der Widerspruch mit Widerspruchbescheid vom 30. April 2002 zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben (eingegangen am 03. Juni 2002) und vorgetragen, sie sei nicht in der Lage, mehr als sechs Stunden täglich zu arbeiten. Sie könne nicht länger als eine Stunde sitzen. Sie könne den Weg zu einer Arbeitsstätte nicht zurücklegen.
Das Gericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt, und zwar von der Praktischen Ärztin S vom 10. Juli 2002, von der Fachärztin für Innere Medizin Dr. S vom 14. Juli 2002, von Dr. Hvom 26. Juli 2002 und von dem Urologen Dr. H vom 02. August 2002.
Sodann hat das Sozialgericht den Facharzt für Orthopädie Dr. S mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt, das dieser am 27. Oktober 2002 erstellte. Er führte als Diagnosen auf:
• posttraumatische Sprunggelenksarthrose rechts mit funktioneller Bewegungseinschränkung, • leichtgradige Verschleißerscheinung der Kniegelenke beidseits bei Valgusfehlstellung ohne wesentliche funktionelle Einschränkungen, • leichtgradige Verschleißerscheinungen rechtes Hüftgelenk, • Weichteilrheumatismus ohne Nachweis von typischen klinischen, radiologischen und laborchemischen Befunden einer spezifischen rheumatischen Erkrankung, • Adipositas per magna, • internistische Vordiagnosen: Hypertonus, Diabetes mellitus IIb, Nebennierenrindentumor (nicht hormonaktiv).
Damit könne die Klägerin, ohne auf Kosten der Gesundheit zu arbeiten, noch täglich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen, ohne Einfluss von Hitze, Kälte, Feuchtigkeit und Zugluftverrichten. Dabei seien Arbeiten im Gehen oder mit längerem Stehen sowie einseitige körperliche Belastungen mit Betonung der unteren Extremität zu vermeiden. Das Heben und Tragen von Lasten bis zu 10 kg sei der Klägerin zuzumuten. Es bestehe keine Einschränkung bei Schichtarbeit. Arbeiten, die Fingergeschicklichkeit voraussetzten, könnten durchgeführt werden. Einschränkungen bestünden für Arbeiten im Knien und Hocken sowie für einseitige Belastungen des rechten Beines.
Es bestünden bei der Klägerin sicherlich Einschränkungen der Wegefähigkeit. Sie sei durch die Verordnung geeigneter Hilfs- und Heilmittel zu verbessern. Hier sei in erster Linie an Orthesen zur Stabilitätssicherung bis hin an einen orthopädischen Schuh zu denken.
Das verbliebene Leistungsvermögen reiche noch für die übliche Arbeitszeit von mindestens acht Stunden täglich aus. Die Einschränkungen bestünden im Wesentlichen seit der Verrenkung des oberen Sprunggelenkes 1999. Seitdem habe sich nichts von Bedeutung daran verändert.
Mit Urteil vom 17. März 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und sich für die Beurteilung des Leistungsvermögens auf das Gutachten von Dr. S gestützt.
Gegen das der Klägerin am 12. Mai 2003 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 12. Juni 2003 eingegangene Berufung. Die Klägerin trägt vor, sie sei nicht in der Lage, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Zusätzlich zu den orthopädischen Leiden sei nun noch ein Schlaganfall festgestellt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. März 2003 und den Bescheid der Beklagten vom 02. Oktober 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2002 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihr seit dem 01. Juni 2001 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Das Gericht hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. S zur Wegefähigkeit der Klägerin eingeholt. Dieser führte aus, die Klägerin könne noch viermal täglich 500 Meter in etwa zwanzig Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel benutzen.
Ferner hat das Gericht neue Befundberichte von den behandelnden Ärzten der Klägerin angefordert, und zwar von der Ärztin S vom 14. Januar 2004, von der Fachärztin für Innere Medizin Dr. P vom 06. Februar 2004 und von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. W, die jeweils weitere medizinische Unterlagen beigefügt haben.
Die Akten des Sozialgerichts Berlin S 32 RJ 1394/02 und die Akten der Beklag¬ten - haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewe¬sen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil vom 15. März 2003 ist rechtmäßig.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - in der seit dem 01. Januar 2001 geltenden Fassung. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erhalten Versicherte, die die Voraussetzungen der Nrn. 2 und 3 erfüllen, jedoch nur teilweise erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Die Klägerin ist nicht einmal teilweise erwerbsgemindert, weil sie noch mindestens sechs Stunden täglich arbeiten kann.
Der Senat folgt bei der Beurteilung des Leistungsvermögens den Feststellungen von Dr. S. Er hat die Klägerin untersucht und die zahlreichen medizinischen Unterlagen ausgewertet. Ihm waren auch die Befundberichte der behandelnden Ärzte bekannt, die teilweise eine abweichende Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin enthalten. Den Ausführungen der behandelnden Ärzte kommt jedoch ein geringeres Gewicht zu als der Schlussfolgerung des Sachverständigen. Behandelnde Ärzte können zwar in der Regel auf eine längere Beobachtung zurückgreifen, ihre Aufgabe ist aber eine andere als die der Gutachter. Sie sollen in erster Linie ihren Patienten helfen, dadurch ist auch ihr Blickwinkel geprägt. Dagegen werden gerichtliche Sachverständige eingesetzt, um Fachkenntnisse, die den Richtern fehlen, in das Verfahren einzubringen. Sie sind zur Objektivität verpflichtet. Im Übrigen entspricht die Einschätzung der gerichtlichen Sachverständigen auch im Wesentlichen denen der Ärzte der Beklagten und der Rehabilitationsklinik B F.
Die erst im Berufungsverfahren zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen, die dem Sachverständigen noch nicht bekannt waren, begründen keinen Zweifel an dieser Einschätzung und sind auch nicht geeignet, das Gericht zu weiteren Ermittlungen zu veranlassen. Die praktische Ärztin S, die die Hausärztin der Klägerin ist, gibt in ihrem Befundbericht an, dass keine Änderung eingetreten ist. Dabei waren ihr die Befunde der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. W bekannt, auch die Diagnose einer Hemiparese rechts. Dies entspricht auch der Einschätzung der Internistin Dr. P
Danach ist die Klägerin noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten bei normalem Raumklima in Tagesschicht (auch mit Wechselschicht) zu verrichten. Die qualitativen Einschränkungen sind nicht derart, dass die Klägerin nicht mehr unter üblichen Bedingungen arbeiten kann. Daran ändert auch der von ihr wohl im Juli 2001 erlittene Schlaganfall nichts, da er offenbar nicht zu weiteren Leistungseinschränkungen geführt hat.
Die Klägerin ist auch wegefähig. Nach gefestigter Rechtsprechung gehört zur Erwerbsfähigkeit die Fähigkeit, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Meter mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Bei der Beurteilung dieser Fähigkeit sind alle tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel, z. B. Gehstützen, zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2002 B 5 RJ 8/02 R ). Der Sachverständige Dr. S hat auf Nachfrage bestätigt, dass die Klägerin diese Fähigkeit besitzt. Sie braucht zwar zum Zurücklegen eines 500 Meter weiten Weges deutlich mehr Zeit als ein gesunder Versicherter, die Dauer hält sich aber in einem zumutbaren Rahmen.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen (Wartezeit, zeitnahe Beiträge), die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.
Die Klägerin ist aber nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs. 2 SGB VI).
Der Klägerin, die zuletzt zehn Jahre als Küchenhilfe tätig war, sind alle Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar. Sie kann solche zumutbaren Arbeiten - wie ausgeführt - noch mindestens sechs Stunden ausüben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Grund zur Zulassung nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich ist.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Rente wegen voller Erwerbsminderung seit September 2001.
Die Klägerin ist am 1947 geboren. Sie hat vom 01. September 1963 bis 11. Juli 1965 eine Lehre zur Herrenschneiderin absolviert und war bis 1969 in diesem Beruf tätig. Von 1970 bis 1989 war sie als Köchin und Beiköchin beschäftigt. Von 1990 an arbeitete sie als Reinigungskraft. Seit dem 23. Oktober 2000 war sie arbeitsunfähig.
Am 18. Juni 2001 stellte sie einen Rentenantrag. Dazu lagen zahlreiche medizinische Unterlagen vor, und zwar
• ein Gastroskopiebefund vom 21. Dezember 1999, • ein Magenbefund (Pathologie) vom 22. Dezember 1999, • ein Computertomografiebefund des Abdomens vom 25. Mai 2000, • Befundberichte der Ärztin Dr. H vom 29. November 2000, 19. Januar 2001, 16. Februar 2001, 16. März 2001, 20. April 2001, 01. Juni 2001, 06. September 2001, • ein Magnetresonanztomografie-Befund des rechten Sprunggelenkes vom 27. Februar 2001 und • ein Attest von Dr. H vom 16. Juli 2001.
Die Beklagte veranlasste daraufhin die Erstellung von Gutachten von der Chirurgin B vom 02. August 2001 und von der Fachärztin für Innere Medizin Dr. F vom 20. September 2001.
Die Chirurgin B stellte
• Gehbehinderung bei Zustand nach Verstauchung des rechten Sprunggelenkes, • Schwellungsneigung beider Beine
fest. Sie nahm an, dass die Klägerin in ihrem letzten Beruf als Reinigungskraft nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten könne. Sie könne jedoch sechs Stunden und mehr leichte körperliche Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten verrichten. Einschränkungen bestünden für Arbeiten im Knien, Hocken und auf Leitern. Die Wegefähigkeit sei ausreichend.
Dr. F führte folgende Diagnosen auf:
• Diabetes mellitus IIb, medikamentös behandelt, • arterieller Hypertonus, • Nebennierentumor links (Größenkonstanz seit ca. 1994, nicht hormonaktiv), • Adipositas per magna, • gastro-ösophagealer Reflux.
Als weitere Leistungseinschränkung stellte sie den Ausschluss von Arbeit in Nachtschicht fest.
Darauf wurde der Rentenantrag mit Bescheid vom 02. Oktober 2001 abgelehnt.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin vor allem geltend, die Einschränkung ihres Gehvermögens sei nicht ausreichend berücksichtigt. Sie fügte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung - MDK - vom 18. September 2001 bei, in dem ausgeführt ist, dass ihre Erwerbsfähigkeit gefährdet sei.
In der Zeit vom 26. Dezember 2001 bis 16. Januar 2002 führte die Beklagte eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation durch. Im Entlassungsbericht vom 25. Januar 2002 wurde das Leistungsvermögen der Klägerin folgendermaßen eingeschätzt: Sie könne noch mehr als sechs Stunden täglich leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten verrichten. Weitestgehend zu vermeiden seien eine monotone statische Belastung des Achsenorganes und der großen Gelenke, schweres Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, belastendes Bücken, Hocken und Knien, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten mit Lasten sowie Zwangshaltungen. Es bestehe eine verminderte Stand- und Gangsicherheit. Sie dürfe keiner Nässe, Kälte, Zugluft und Erschütterung ausgesetzt werden. Auch Arbeiten mit erhöhter Unfallgefahr seien ausgeschlossen.
Darauf wurde der Widerspruch mit Widerspruchbescheid vom 30. April 2002 zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben (eingegangen am 03. Juni 2002) und vorgetragen, sie sei nicht in der Lage, mehr als sechs Stunden täglich zu arbeiten. Sie könne nicht länger als eine Stunde sitzen. Sie könne den Weg zu einer Arbeitsstätte nicht zurücklegen.
Das Gericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt, und zwar von der Praktischen Ärztin S vom 10. Juli 2002, von der Fachärztin für Innere Medizin Dr. S vom 14. Juli 2002, von Dr. Hvom 26. Juli 2002 und von dem Urologen Dr. H vom 02. August 2002.
Sodann hat das Sozialgericht den Facharzt für Orthopädie Dr. S mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt, das dieser am 27. Oktober 2002 erstellte. Er führte als Diagnosen auf:
• posttraumatische Sprunggelenksarthrose rechts mit funktioneller Bewegungseinschränkung, • leichtgradige Verschleißerscheinung der Kniegelenke beidseits bei Valgusfehlstellung ohne wesentliche funktionelle Einschränkungen, • leichtgradige Verschleißerscheinungen rechtes Hüftgelenk, • Weichteilrheumatismus ohne Nachweis von typischen klinischen, radiologischen und laborchemischen Befunden einer spezifischen rheumatischen Erkrankung, • Adipositas per magna, • internistische Vordiagnosen: Hypertonus, Diabetes mellitus IIb, Nebennierenrindentumor (nicht hormonaktiv).
Damit könne die Klägerin, ohne auf Kosten der Gesundheit zu arbeiten, noch täglich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen, ohne Einfluss von Hitze, Kälte, Feuchtigkeit und Zugluftverrichten. Dabei seien Arbeiten im Gehen oder mit längerem Stehen sowie einseitige körperliche Belastungen mit Betonung der unteren Extremität zu vermeiden. Das Heben und Tragen von Lasten bis zu 10 kg sei der Klägerin zuzumuten. Es bestehe keine Einschränkung bei Schichtarbeit. Arbeiten, die Fingergeschicklichkeit voraussetzten, könnten durchgeführt werden. Einschränkungen bestünden für Arbeiten im Knien und Hocken sowie für einseitige Belastungen des rechten Beines.
Es bestünden bei der Klägerin sicherlich Einschränkungen der Wegefähigkeit. Sie sei durch die Verordnung geeigneter Hilfs- und Heilmittel zu verbessern. Hier sei in erster Linie an Orthesen zur Stabilitätssicherung bis hin an einen orthopädischen Schuh zu denken.
Das verbliebene Leistungsvermögen reiche noch für die übliche Arbeitszeit von mindestens acht Stunden täglich aus. Die Einschränkungen bestünden im Wesentlichen seit der Verrenkung des oberen Sprunggelenkes 1999. Seitdem habe sich nichts von Bedeutung daran verändert.
Mit Urteil vom 17. März 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und sich für die Beurteilung des Leistungsvermögens auf das Gutachten von Dr. S gestützt.
Gegen das der Klägerin am 12. Mai 2003 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 12. Juni 2003 eingegangene Berufung. Die Klägerin trägt vor, sie sei nicht in der Lage, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Zusätzlich zu den orthopädischen Leiden sei nun noch ein Schlaganfall festgestellt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. März 2003 und den Bescheid der Beklagten vom 02. Oktober 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2002 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihr seit dem 01. Juni 2001 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Das Gericht hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. S zur Wegefähigkeit der Klägerin eingeholt. Dieser führte aus, die Klägerin könne noch viermal täglich 500 Meter in etwa zwanzig Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel benutzen.
Ferner hat das Gericht neue Befundberichte von den behandelnden Ärzten der Klägerin angefordert, und zwar von der Ärztin S vom 14. Januar 2004, von der Fachärztin für Innere Medizin Dr. P vom 06. Februar 2004 und von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. W, die jeweils weitere medizinische Unterlagen beigefügt haben.
Die Akten des Sozialgerichts Berlin S 32 RJ 1394/02 und die Akten der Beklag¬ten - haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewe¬sen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil vom 15. März 2003 ist rechtmäßig.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - in der seit dem 01. Januar 2001 geltenden Fassung. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erhalten Versicherte, die die Voraussetzungen der Nrn. 2 und 3 erfüllen, jedoch nur teilweise erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Die Klägerin ist nicht einmal teilweise erwerbsgemindert, weil sie noch mindestens sechs Stunden täglich arbeiten kann.
Der Senat folgt bei der Beurteilung des Leistungsvermögens den Feststellungen von Dr. S. Er hat die Klägerin untersucht und die zahlreichen medizinischen Unterlagen ausgewertet. Ihm waren auch die Befundberichte der behandelnden Ärzte bekannt, die teilweise eine abweichende Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin enthalten. Den Ausführungen der behandelnden Ärzte kommt jedoch ein geringeres Gewicht zu als der Schlussfolgerung des Sachverständigen. Behandelnde Ärzte können zwar in der Regel auf eine längere Beobachtung zurückgreifen, ihre Aufgabe ist aber eine andere als die der Gutachter. Sie sollen in erster Linie ihren Patienten helfen, dadurch ist auch ihr Blickwinkel geprägt. Dagegen werden gerichtliche Sachverständige eingesetzt, um Fachkenntnisse, die den Richtern fehlen, in das Verfahren einzubringen. Sie sind zur Objektivität verpflichtet. Im Übrigen entspricht die Einschätzung der gerichtlichen Sachverständigen auch im Wesentlichen denen der Ärzte der Beklagten und der Rehabilitationsklinik B F.
Die erst im Berufungsverfahren zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen, die dem Sachverständigen noch nicht bekannt waren, begründen keinen Zweifel an dieser Einschätzung und sind auch nicht geeignet, das Gericht zu weiteren Ermittlungen zu veranlassen. Die praktische Ärztin S, die die Hausärztin der Klägerin ist, gibt in ihrem Befundbericht an, dass keine Änderung eingetreten ist. Dabei waren ihr die Befunde der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. W bekannt, auch die Diagnose einer Hemiparese rechts. Dies entspricht auch der Einschätzung der Internistin Dr. P
Danach ist die Klägerin noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten bei normalem Raumklima in Tagesschicht (auch mit Wechselschicht) zu verrichten. Die qualitativen Einschränkungen sind nicht derart, dass die Klägerin nicht mehr unter üblichen Bedingungen arbeiten kann. Daran ändert auch der von ihr wohl im Juli 2001 erlittene Schlaganfall nichts, da er offenbar nicht zu weiteren Leistungseinschränkungen geführt hat.
Die Klägerin ist auch wegefähig. Nach gefestigter Rechtsprechung gehört zur Erwerbsfähigkeit die Fähigkeit, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Meter mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Bei der Beurteilung dieser Fähigkeit sind alle tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel, z. B. Gehstützen, zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2002 B 5 RJ 8/02 R ). Der Sachverständige Dr. S hat auf Nachfrage bestätigt, dass die Klägerin diese Fähigkeit besitzt. Sie braucht zwar zum Zurücklegen eines 500 Meter weiten Weges deutlich mehr Zeit als ein gesunder Versicherter, die Dauer hält sich aber in einem zumutbaren Rahmen.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen (Wartezeit, zeitnahe Beiträge), die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.
Die Klägerin ist aber nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs. 2 SGB VI).
Der Klägerin, die zuletzt zehn Jahre als Küchenhilfe tätig war, sind alle Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar. Sie kann solche zumutbaren Arbeiten - wie ausgeführt - noch mindestens sechs Stunden ausüben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Grund zur Zulassung nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich ist.
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