Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 27 R 2101/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 B 1274/06 R ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. Juli 2006 (S 27 R 2101/06 ER) geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, mit Wirkung vom 01. April 2006 die auf Grund der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse des Amtsgerichts Köpenick vom 06. Dezember 2001 und 19. Februar 2004 (Az.: 33 M 5143/01 und 31 M SO 23/03) gepfändeten Beträge bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Klageverfahrens an die Antragstellerin zu zahlen. Der Antragstellerin wird aufgegeben, innerhalb eines Monats seit Zustellung dieses Beschlusses Klage zur Hauptsache zu erheben. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben der Antragstellerin gesamtschuldnerisch die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Das Sozialgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Die Antragstellerin beansprucht im Wege der einstweiligen Anordnung die Wiederherstellung der Pfändung von Unterhaltsansprüchen aus einem zivilrechtlichen Titel, nachdem die Antragsgegnerin die entsprechende Zahlung von zuletzt monatlich 338,87 Euro in der Folge eines Erstattungsanspruches der Beigeladenen als Träger der Sozialhilfe zum 01. April 2006 zugunsten der entsprechenden Zahlung nach dort eingestellt hat.
Die Antragstellerin ist im Besitz eines Titels auf Zahlung von Geschiedenenunterhalt gegen ihren geschiedenen Ehemann JH van W(Versicherter). Bis März 2006 zahlte die Antragsgegnerin deshalb unter Berücksichtigung der Pfändungsfreigrenzen aus der Rente, die der Versicherte von der Antragsgegnerin bezieht, monatlich 338,87 Euro. Am 20. Februar 2006 meldete die Beigeladene als Träger der Sozialhilfe des Versicherten einen Erstattungsanspruch über monatlich 3.252,80 Euro bei der Antragsgegnerin an. Aus dem Antrag ging hervor, dass der Versicherte auf Grund der Versorgung in einem von der Beigeladenen betriebenen Pflegeheim monatlich Kosten in dieser Höhe verursacht. Zum 01. April 2006 nahm die Antragsgegnerin die Umstellung des Abzweigs der pfändbaren Rente in Höhe von 338,87 Euro entsprechend dem Antrag der Beigeladenen vor und teilte dies vorab der Antragstellerin mit. Darauf meldeten sich deren damaligen und jetzigen Bevollmächtigten und trugen gegenüber der Antragsgegnerin vor, dass die Ansprüche der Antragstellerin vorrangig seien, da diese vor dem Erstattungsanspruch geltend gemacht worden seien. Soweit die Antragsgegnerin sich bei ihrer Vorgehensweise auf § 113 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII) beziehe, sei dies nicht rechtens, da Unterhaltsansprüche wie vorliegend derjenige der Antragstellerin gegenüber dem Erstattungsanspruch eines anderen Trägers nach § 104 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) nicht nachrangig seien. Darauf reagierte die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 17. März 2006, in dem sie den Bevollmächtigten ihre Auffassung erläuterte, dass § 113 Sozialgesetzbuch, XII. Buch (SGB XII) generell zur Vorrangigkeit der Erstattungsansprüche der Träger der Sozialhilfe nach § 104 SGB X gegenüber Ansprüchen aus Übertragung, Pfändung oder Verpfändung des Anspruchs führe, ohne dass die zeitliche Reihenfolge der Geltendmachung der Ansprüche noch zu beachten sei. Daraufhin setzten die Bevollmächtigten mit dem 27. März 2006 eine Frist zur Meidung einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht. Nachfolgend nahm die Antragsgegnerin zum 01. April 2006 die Überweisung von monatlich 338,87 Euro an die Beigeladene statt an die Antragsgegnerin auf.
Mit ihrem Antrag vom 25. April 2006 beansprucht die Antragstellerin die Wiederaufnahme der monatlichen Abführung des gepfändeten Betrages entsprechend der Vorgehensweise der Antragsgegnerin vor dem 01. April 2006. Zur Begründung vertritt sie durch ihre Verfahrensbevollmächtigten die Auffassung, dass § 113 SGB XII verfassungskonform dahin auszulegen sei, dass nach dem Rechtsgrund des Titels, der dem Erstattungsanspruch des Trägers der Sozialhilfe gegenüberstehe, zu unterscheiden sei. Unterhaltsansprüche seien von der in der Vorschrift vorgenommenen Beseitigung der Maßgeblichkeit der zeitlichen Reihenfolge der Geltendmachung des Anspruches auszunehmen. Neben diesem Vortrag zum Bestehen eines Anordnungsanspruches nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wird im Hinblick auf einen Anordnungsgrund die Lebenssituation der Antragstellerin vorgetragen, die darin bestehe, dass diese neben ihrer geringen Rente von weniger als 600 Euro auf den gepfändeten Geschiedenenunterhalt angewiesen sei, um überhaupt ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Die Antragstellerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung anzuweisen, unter Aufhebung ihrer Entscheidung vom 30. März 2006, die auf Grund der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse des Amtsgerichts Köpenick vom 06. Dezember 2001 und 17. Februar 2004, Az.: 33 M 5143/01, gepfändeten Beträge wieder an sie abzuführen.
Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Ihr Vorbringen hat das Sozialgericht wie folgt zusammengefasst:
Zur Begründung verweist die Antragsgegnerin darauf, dass der Leistungsbezieher sich bei Heimunterbringung eines Rentenberechtigten auf Kosten des Sozialhilfeträgers nach § 11 Abs. 2 und 3, 29, 43 Abs. 1 Satz 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) uneingeschränkt an den Heimkosten zu beteiligen habe. Der Sozialhilfeträger sei daher in diesen Fällen nach § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X berechtigt, auch die laufende Rentenzahlung auf sich überzuleiten. Die bis zum Entstehen des Erstattungsanspruchs nach § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X auf Grund der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse des Amtsgerichts Köpenick vom 06. Dezember 2001 und 17. Februar 2004 an die geschiedene Ehefrau von der Rente des Versicherten abgetrennten Zahlungen seien eingestellt worden, weil gemäß § 106 SGB X der Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers nach § 104 SGB X einer Pfändung des Rentenanspruches vorgehe. Dies gelte insbesondere auch für die Inanspruchnahme der laufenden Rente durch den Sozialhilfeträger bei Heimunterbringung des Berechtigten. Der Erstattungsanspruch genieße gegenüber einer Pfändung, anders als im Verhältnis zu einer Aufrechnung nach § 51 SGB I oder Verrechnung nach § 52 SGB I oder gar einer Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 48 SGB I absolute Priorität. Nach § 113 SGB XII gingen Erstattungsansprüche der Sozialhilfeträger nach § 104 SGB X einer Pfändung auch dann vor, wenn diese vor Entstehen des Erstattungsanspruches erfolgt sei. Somit sei die zeitliche Priorität hier im Bezug auf den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht zu beachten. Soweit die Vorschrift des § 113 SGB XII von den Bevollmächtigten für verfassungswidrig gehalten würde, werde die Ansicht nicht geteilt.
Der mit Beschluss des Sozialgerichts vom 22. Mai 2006 beigeladene Träger der Sozialhilfe hat sich der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin angeschlossen.
Mit Beschluss vom 19. Juli 2006 hat das Sozialgericht Berlin entschieden:
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG seien nicht erfüllt. Insoweit sei erforderlich, dass sowohl ein Anordnungsgrund, als auch ein Anordnungsanspruch gegeben sei. Bei einer Vornahmesache nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG bestehe insoweit ein enger Zusammenhang mit dem materiellen Recht. Dies bedeute, dass der geltend gemachte Anspruch, der mit der Anordnung gesichert werden solle, offensichtlich gegeben sein müsse, woran es vorliegend fehle. § 113 SGB XII enthalte den eindeutigen Wortlaut, dass Erstattungsansprüche der Träger der Sozialhilfe gegen andere Leistungsträger nach § 104 SGB X einer Übertragung, Pfändung oder Verpfändung des Anspruchs vorgingen, auch wenn sie vor Entstehen des Erstattungsanspruchs erfolgt seien. Die Vorschrift bedürfe lediglich insoweit einer Auslegung, als das Wort "sie" ganz offensichtlich "diese" bedeuten solle. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sei die Vorschrift auch nicht im Sinne einer Gesetzeslücke verfassungskonform dahin auszulegen, dass eine Pfändung des Anspruchs nur dann entgegen dieser Vorschrift Vorrang habe, wenn ein Unterhaltsanspruch zu Grunde liege. Die Kammer gehe nicht davon aus, dass insoweit ein planwidriges Unterlassen in der Formulierung von § 113 SGB XII vorliege. Es sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber ganz offensichtlich angesichts der stark ansteigenden Kosten unter anderem für die Versorgung von Pflegebedürftigen bewusst den Vorrang der Ansprüche der Träger der Sozialhilfe gegenüber denjenigen von Privaten gewollt habe. Angesichts der Notwendigkeit der Finanzierbarkeit dieser Kosten auch in Zukunft sehe das Gericht keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Da ein Anordnungsanspruch nicht gegeben sei, bedarf es keiner Prüfung des Anordnungsgrundes. Insoweit gehe das Gericht davon aus, dass die Antragstellerin gegebenenfalls selbst den für sie zuständigen Sozialhilfeträger in Anspruch nehmen müsse. Dies sei jedoch nicht Gegenstand des Verfahrens.
Gegen den ihren Bevollmächtigten am 07. August 2006 zugestellten Beschluss richtet sich deren Beschwerde vom 29. August 2006, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Zwar seien Erstattungsansprüche der Träger der Sozialhilfe gegenüber einer Pfändung nach § 113 SGB XII grundsätzlich vorrangig, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sage dies jedoch nichts darüber, ob nicht zusätzlich geprüft werden müsse, aus welchem Grund die Übertragung, Pfändung oder Verpfändung des Anspruchs erfolgt sei. Der Vorrang der Erstattungsansprüche könne nicht unterschiedslos für alle privatrechtlichen Ansprüche gelten. In einem solchem Fall würden ungleiche Sachverhalte gleich behandelt, was einen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz darstelle. Dementsprechend sei nach dem Rechtsgrund des Titels zu unterscheiden.
Die Antragsgegnerin hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
Der Beigeladene verweist – nachdem der Senat auf insoweit aus § 113 SGB XII folgende Zweifel hingewiesen hatte – darauf, dass ihr ein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X zustehe. Dies ergebe sich eindeutig aus einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 29. März 1994 (SozVerS 1995, 52), in dem bei Aufwendungsersatzansprüchen aus § 104 SGB X ein Erstattungsanspruch zuerkannt worden sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalt auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Antragsgegnerin betreffend den Versicherten (VSNR ) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) ist begründet. Die einstweilige Anordnung zur weiteren Zahlung der gepfändeten Rente an die Antragstellerin hatte antragsgemäß zu ergehen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts bestehen sowohl der Anordnungsanspruch, als auch ein Anordnungsgrund. Letzterer folgt bereits daraus, dass der Antragstellerin, die über einen eigenen Rentenanspruch in Höhe von 598,91 Euro verfügt und die – mit Ausnahme des streitigen Unterhaltsanspruchs – über kein Vermögen verfügt, auf die Zahlung der gepfändeten Beträge angewiesen ist, was durch die mit Beschluss des Sozialgerichts vom 22. Mai 2006 erfolgte Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung hinreichend glaubhaft gemacht ist.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sowie der Antragsgegnerin und der Beigeladenen besteht ein Anordnungsanspruch, denn der von der Beigeladenen geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch ist zum einen nicht hinreichend konkretisiert und zum anderen bestehen Bedenken hinsichtlich des Vorrangs nach §113 SGB XII.
Der Beigeladene hat seinen Anspruch nicht in Bezug auf seine Rechtsgrundlage konkretisiert. Mit seiner Anmeldung des Erstattungsanspruchs bei der Antragsgegnerin unter dem 16. Februar 2006 bzw. dem 30. März 2006 wird lediglich angegeben "der Genannte erhält hier Hilfe vom unten angegebenen Zeitpunkt an" (Februar 2006). Im Hinblick auf die Heimunterbringung des Versicherten geht es dem Beigeladenen offensichtlich um Aufwendungsersatz nach § 19 Abs. 5 SGB XII. Für das Bestehen eines derartigen Anspruchs enthält die Anmeldung bei der Antragsgegnerin keinerlei Hinweise. Insoweit müsste der Aufwendungsersatzanspruch entsprechend § 111 SGB X jedenfalls nachvollziehbar dargelegt sein, insbesondere hinsichtlich des Entstehungsgrundes ( vergl. Kasseler Kommentar, Kater, § 111 SGB X Rdnr. 20). Der Aufwendungsersatzanspruch nach § 19 Abs. 5 SGB XII setzt voraus, dass er durch Verwaltungsakt geltend gemacht ist (Schoch in Nomos Lehr- und Praxiskommentar - LPK- SGB XII § 19 Rdnr. 84), also insoweit vollziehbar ist. Ob der Beigeladene einen entsprechenden Bescheid erlassen hat und ob insoweit eine Hinzuziehung der Antragstellerin nach § 12 Abs. 2 SGB X erfolgt ist, ist nicht ersichtlich. Von daher ist es für den Senat nicht feststellbar, ob der geltend gemachte Anspruch des Beigeladenen tatsächlich besteht. Gerade wenn – wie hier – in Rechte Dritter eingegriffen wird, dürfte eine konkrete Darlegung des Aufwendungsersatzanspruchs erforderlich sein. Fehlen die erforderlichen Angaben, ist also das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs auf der Grundlage der Darlegungen des Sozialhilfeträgers nicht nachvollziehbar, liegt eine wirksame Anmeldung des Anspruchs nicht vor. Ein nicht wirksam angemeldeter Anspruch ist aber von dem in Anspruch genommenen Leistungsträger nicht zu befriedigen, er genießt erst recht gegenüber dem Pfändungsgläubiger keinen Vorrang nach § 113 SGB XII.
Der Beigeladene geht ersichtlich in Höhe der Rente von eigener Leistungsfähigkeit des Rentenempfängers aus (§ 82 SGB XII). Insoweit bestehen Bedenken, ob die gepfändete Rente im Hinblick auf das Zuflussprinzip nach § 82 Abs. 1 SGB XII überhaupt verwertbares Einkommen darstellt, ob also insoweit der Versicherte tatsächlich aus eigenem Einkommen oder Vermögen in der Lage wäre, insoweit selbst zu leisten. Von daher erscheint ein Rückgriff auf die Rente über § 113 SGB XII zweifelhaft, denn dadurch würde letztlich der Hilfebedürftige trotz fehlender Leistungsfähigkeit in Anspruch genommen. In diesem Zusammenhang gewinnt der Vortrag seitens der Antragstellerin, für Unterhaltsansprüche müssten andere Regeln gelten, Bedeutung. Bei fehlender Leistungsfähigkeit des unterhaltsverpflichteten Versicherten wäre es Sache des Beigeladenen, den Unterhaltstitel durch entsprechende Rechtsbehelfe abändern bzw. beseitigen zu lassen. Solange der Unterhaltsanspruch gerichtlich festgestellt ist, muss er auch von dem Beigeladenen bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Hilfebedürftigen berücksichtigt werden.
In diesem Zusammenhang bestehen Zweifel, ob nicht – gerade auch wegen der aufgezeigten Schwierigkeiten hinsichtlich der Darlegung des Aufwendungsersatzanspruches – zwischen Aufwendungsersatz und "echten" Erstattungsansprüchen zu unterscheiden ist. Das Bestehen von "echten" Erstattungsansprüchen nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ohne weiteres nachvollziehbar. Demgegenüber sind Aufwendungsersatzansprüche nach dem SGB XII von umfangreichen Ermittlungen abhängig und können – jedenfalls wenn sie in Rechte Dritter eingreifen – nicht ohne nähere Darlegung als bestehend unterstellt werden.
Wenn § 113 SGB XII von "Erstattungsansprüchen nach § 104 SGB X" spricht, könnte dies, gerade weil § 104 SGB X selbst zwischen "Erstattungspflichten" und "Aufwendungsersatz" differenziert, nicht unbeachtlich sein. § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X bestimmt auch nicht etwa, dass Aufwendungsersatz der Erstattungspflicht gleich steht, sondern ordnet nur die "entsprechende Geltung" von Satz 1 dieser Vorschrift an. Daraus könnte gefolgert werden, dass es sich bei Aufwendungsersatzansprüchen gerade nicht um Erstattungsansprüche handelt, sonst wäre die Vorschrift des Satz 4 des § 104 Abs. 1 SGB X überflüssig.
Das Bundessozialgericht hatte in der von dem Beigeladenen zitierten Entscheidung vom 29. März 1994 (13 RJ 65/92) nur über die Auswirkungen eines Anspruchs nach § 104 Abs. 1 SGB X zu entscheiden und es reichte deshalb aus, den dort streitigen Anspruch auf Aufwendungsersatz über § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X als Erstattungsanspruch zu benennen. Vorliegend ist allerdings nicht – wie dort – über die Wirkungen eines Erstattungsanspruchs zwischen zwei Leistungsträgern zu entscheiden, bei denen es im Hinblick auf § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X in der Tat nicht auf eine Differenzierung ankommt. Zu entscheiden ist vielmehr über die Regelung eines Vorrangs gegenüber Dritten in § 113 SGB XII.
Wenn § 113 SGB XII einen Vorrang von "Erstattungsansprüchen" nach § 104 SGB X regelt, sind damit – ohne dass dies hier abschließend zu beurteilen ist, weil die beantragte Anordnung bereits wegen der fehlenden Konkretisierung des Aufwendungsersatzanspruchs zu ergehen hat – zunächst Erstattungsansprüche nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X gemeint. Diese setzen – wie auch das Bundessozialgericht in der genannten Entscheidung vom 29. März 1994 ausgeführt hat – eine Gleichartigkeit der Leistungen voraus, die hier zweifelsfrei nicht gegeben ist. Das Bundessozialgericht setzt dann aber, für die alleinige Anwendung des § 104 SGB X konsequent, den Aufwendungsersatz entsprechend § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X hinsichtlich der dortigen Auswirkungen dem Erstattungsanspruch gleich, ohne jedoch in den weiteren Urteilsgründen die Differenzierung zwischen "Erstattungsanspruch" und "Aufwendungsersatzanspruch" aufzugeben. Wenn aber § 113 SGB XII von einem Erstattungsanspruch spricht, dürfte damit auch nur ein (tatsächlicher) Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X gemeint sein und nicht ein Aufwendungsersatzanspruch, für den erst über die Vorschrift des § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X – nicht etwa die Gleichstellung mit dem Erstattungsanspruch, sondern – angeordnet ist, "Satz 1 gilt entsprechend" für Ansprüche auf "Aufwendungsersatz".
Der Vorrang von Erstattungsansprüchen nach § 113 SGB XII vor einer Pfändung, auch wenn sie zeitlich vor der Entstehung des Erstattungsanspruchs erfolgt ist, kann – so dürfte der Vortrag des Beigeladenen im Schriftsatz vom 07. September 2006 zu verstehen sein – gegenüber dem Pfändungsgläubiger in dessen verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsposition eingreifen (Art. 14 Grundgesetz). Allerdings dürfte der durch Pfändung erworbene Anspruch bereits bei seiner Entstehung mit dem gesetzlich angeordneten Vorrang belastet gewesen sein. Dieser Vorrang ist jedenfalls in den Fällen gerechtfertigt, in denen der Erstattungsberechtigte tatsächlich eine Vorleistung im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X erbracht hat, denn dort hat er tatsächlich einen Anspruch erfüllt, der eigentlich vom erstattungsverpflichteten Leistungsträger zu erbringen gewesen wäre – er hat gewissermaßen an dessen Stelle geleistet. Dort soll die Vorleistungspflicht (z.B. nach § 43 SGB I) der schnellen Verwirklichung von Ansprüchen des Leistungsberechtigten dienen, weshalb es nicht gerechtfertigt erscheint, den Vorleistenden letztlich mit den entstehenden Kosten zu belasten. Ob diese Gründe auch beim hier zu beurteilenden Aufwendungsersatz tragen, kann wegen der vorliegend nicht hinreichenden Konkretisierung dieses Anspruchs dahinstehen. Vor diesem Hintergrund ist allerdings die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (a.a.O.) zu sehen, nach der der Leistungsanspruch des Berechtigten jeweils schon belastet mit dem Erstattungsanspruch entsteht.
Die Verpflichtung der Antragstellerin zur Klageerhebung folgt aus § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 926 ZPO. Eines vorherigen Verwaltungsaktes bedarf es nicht, weshalb die (echte) Leistungsklage gem. § 54 Abs. 5 SGG zulässig sein dürfte. Die Antragsgegnerin erscheint nicht berechtigt, das Verhältnis zu einem Pfändungsgläubiger durch Verwaltungsakt zu regeln ( hierzu: LSG Schleswig- Holstein, Urteil v. 29. November 2001, SozVers 2002, 279 m.w.N.). Dementsprechend bedarf es auch keines Vorverfahrens nach § 78 SGG ( Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 78, Rdnr. 9). Sollte das anzurufende Sozialgericht dennoch einen Verwaltungsakt für notwendig erachten, dürfte dieser im Schreiben der Antragsgegnerin an die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 07. März 2006 (S. 980 der Verwaltungsakten) zu sehen sein. Das Klageverfahren dürfte dann zur Nachholung des Widerspruchsverfahrens auszusetzen sein ( hierzu: Meyer-Ladewig a.a.O. Rdnr 3a).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 193, 194 SGG. Da die Antragsgegnerin und die Beigeladene in gleicher Weise unterlegen sind, sind sie der Antragstellerin als Gesamtschuldner erstattungspflichtig.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Das Sozialgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Die Antragstellerin beansprucht im Wege der einstweiligen Anordnung die Wiederherstellung der Pfändung von Unterhaltsansprüchen aus einem zivilrechtlichen Titel, nachdem die Antragsgegnerin die entsprechende Zahlung von zuletzt monatlich 338,87 Euro in der Folge eines Erstattungsanspruches der Beigeladenen als Träger der Sozialhilfe zum 01. April 2006 zugunsten der entsprechenden Zahlung nach dort eingestellt hat.
Die Antragstellerin ist im Besitz eines Titels auf Zahlung von Geschiedenenunterhalt gegen ihren geschiedenen Ehemann JH van W(Versicherter). Bis März 2006 zahlte die Antragsgegnerin deshalb unter Berücksichtigung der Pfändungsfreigrenzen aus der Rente, die der Versicherte von der Antragsgegnerin bezieht, monatlich 338,87 Euro. Am 20. Februar 2006 meldete die Beigeladene als Träger der Sozialhilfe des Versicherten einen Erstattungsanspruch über monatlich 3.252,80 Euro bei der Antragsgegnerin an. Aus dem Antrag ging hervor, dass der Versicherte auf Grund der Versorgung in einem von der Beigeladenen betriebenen Pflegeheim monatlich Kosten in dieser Höhe verursacht. Zum 01. April 2006 nahm die Antragsgegnerin die Umstellung des Abzweigs der pfändbaren Rente in Höhe von 338,87 Euro entsprechend dem Antrag der Beigeladenen vor und teilte dies vorab der Antragstellerin mit. Darauf meldeten sich deren damaligen und jetzigen Bevollmächtigten und trugen gegenüber der Antragsgegnerin vor, dass die Ansprüche der Antragstellerin vorrangig seien, da diese vor dem Erstattungsanspruch geltend gemacht worden seien. Soweit die Antragsgegnerin sich bei ihrer Vorgehensweise auf § 113 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII) beziehe, sei dies nicht rechtens, da Unterhaltsansprüche wie vorliegend derjenige der Antragstellerin gegenüber dem Erstattungsanspruch eines anderen Trägers nach § 104 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) nicht nachrangig seien. Darauf reagierte die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 17. März 2006, in dem sie den Bevollmächtigten ihre Auffassung erläuterte, dass § 113 Sozialgesetzbuch, XII. Buch (SGB XII) generell zur Vorrangigkeit der Erstattungsansprüche der Träger der Sozialhilfe nach § 104 SGB X gegenüber Ansprüchen aus Übertragung, Pfändung oder Verpfändung des Anspruchs führe, ohne dass die zeitliche Reihenfolge der Geltendmachung der Ansprüche noch zu beachten sei. Daraufhin setzten die Bevollmächtigten mit dem 27. März 2006 eine Frist zur Meidung einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht. Nachfolgend nahm die Antragsgegnerin zum 01. April 2006 die Überweisung von monatlich 338,87 Euro an die Beigeladene statt an die Antragsgegnerin auf.
Mit ihrem Antrag vom 25. April 2006 beansprucht die Antragstellerin die Wiederaufnahme der monatlichen Abführung des gepfändeten Betrages entsprechend der Vorgehensweise der Antragsgegnerin vor dem 01. April 2006. Zur Begründung vertritt sie durch ihre Verfahrensbevollmächtigten die Auffassung, dass § 113 SGB XII verfassungskonform dahin auszulegen sei, dass nach dem Rechtsgrund des Titels, der dem Erstattungsanspruch des Trägers der Sozialhilfe gegenüberstehe, zu unterscheiden sei. Unterhaltsansprüche seien von der in der Vorschrift vorgenommenen Beseitigung der Maßgeblichkeit der zeitlichen Reihenfolge der Geltendmachung des Anspruches auszunehmen. Neben diesem Vortrag zum Bestehen eines Anordnungsanspruches nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wird im Hinblick auf einen Anordnungsgrund die Lebenssituation der Antragstellerin vorgetragen, die darin bestehe, dass diese neben ihrer geringen Rente von weniger als 600 Euro auf den gepfändeten Geschiedenenunterhalt angewiesen sei, um überhaupt ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Die Antragstellerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung anzuweisen, unter Aufhebung ihrer Entscheidung vom 30. März 2006, die auf Grund der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse des Amtsgerichts Köpenick vom 06. Dezember 2001 und 17. Februar 2004, Az.: 33 M 5143/01, gepfändeten Beträge wieder an sie abzuführen.
Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Ihr Vorbringen hat das Sozialgericht wie folgt zusammengefasst:
Zur Begründung verweist die Antragsgegnerin darauf, dass der Leistungsbezieher sich bei Heimunterbringung eines Rentenberechtigten auf Kosten des Sozialhilfeträgers nach § 11 Abs. 2 und 3, 29, 43 Abs. 1 Satz 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) uneingeschränkt an den Heimkosten zu beteiligen habe. Der Sozialhilfeträger sei daher in diesen Fällen nach § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X berechtigt, auch die laufende Rentenzahlung auf sich überzuleiten. Die bis zum Entstehen des Erstattungsanspruchs nach § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X auf Grund der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse des Amtsgerichts Köpenick vom 06. Dezember 2001 und 17. Februar 2004 an die geschiedene Ehefrau von der Rente des Versicherten abgetrennten Zahlungen seien eingestellt worden, weil gemäß § 106 SGB X der Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers nach § 104 SGB X einer Pfändung des Rentenanspruches vorgehe. Dies gelte insbesondere auch für die Inanspruchnahme der laufenden Rente durch den Sozialhilfeträger bei Heimunterbringung des Berechtigten. Der Erstattungsanspruch genieße gegenüber einer Pfändung, anders als im Verhältnis zu einer Aufrechnung nach § 51 SGB I oder Verrechnung nach § 52 SGB I oder gar einer Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 48 SGB I absolute Priorität. Nach § 113 SGB XII gingen Erstattungsansprüche der Sozialhilfeträger nach § 104 SGB X einer Pfändung auch dann vor, wenn diese vor Entstehen des Erstattungsanspruches erfolgt sei. Somit sei die zeitliche Priorität hier im Bezug auf den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht zu beachten. Soweit die Vorschrift des § 113 SGB XII von den Bevollmächtigten für verfassungswidrig gehalten würde, werde die Ansicht nicht geteilt.
Der mit Beschluss des Sozialgerichts vom 22. Mai 2006 beigeladene Träger der Sozialhilfe hat sich der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin angeschlossen.
Mit Beschluss vom 19. Juli 2006 hat das Sozialgericht Berlin entschieden:
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG seien nicht erfüllt. Insoweit sei erforderlich, dass sowohl ein Anordnungsgrund, als auch ein Anordnungsanspruch gegeben sei. Bei einer Vornahmesache nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG bestehe insoweit ein enger Zusammenhang mit dem materiellen Recht. Dies bedeute, dass der geltend gemachte Anspruch, der mit der Anordnung gesichert werden solle, offensichtlich gegeben sein müsse, woran es vorliegend fehle. § 113 SGB XII enthalte den eindeutigen Wortlaut, dass Erstattungsansprüche der Träger der Sozialhilfe gegen andere Leistungsträger nach § 104 SGB X einer Übertragung, Pfändung oder Verpfändung des Anspruchs vorgingen, auch wenn sie vor Entstehen des Erstattungsanspruchs erfolgt seien. Die Vorschrift bedürfe lediglich insoweit einer Auslegung, als das Wort "sie" ganz offensichtlich "diese" bedeuten solle. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sei die Vorschrift auch nicht im Sinne einer Gesetzeslücke verfassungskonform dahin auszulegen, dass eine Pfändung des Anspruchs nur dann entgegen dieser Vorschrift Vorrang habe, wenn ein Unterhaltsanspruch zu Grunde liege. Die Kammer gehe nicht davon aus, dass insoweit ein planwidriges Unterlassen in der Formulierung von § 113 SGB XII vorliege. Es sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber ganz offensichtlich angesichts der stark ansteigenden Kosten unter anderem für die Versorgung von Pflegebedürftigen bewusst den Vorrang der Ansprüche der Träger der Sozialhilfe gegenüber denjenigen von Privaten gewollt habe. Angesichts der Notwendigkeit der Finanzierbarkeit dieser Kosten auch in Zukunft sehe das Gericht keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Da ein Anordnungsanspruch nicht gegeben sei, bedarf es keiner Prüfung des Anordnungsgrundes. Insoweit gehe das Gericht davon aus, dass die Antragstellerin gegebenenfalls selbst den für sie zuständigen Sozialhilfeträger in Anspruch nehmen müsse. Dies sei jedoch nicht Gegenstand des Verfahrens.
Gegen den ihren Bevollmächtigten am 07. August 2006 zugestellten Beschluss richtet sich deren Beschwerde vom 29. August 2006, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Zwar seien Erstattungsansprüche der Träger der Sozialhilfe gegenüber einer Pfändung nach § 113 SGB XII grundsätzlich vorrangig, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sage dies jedoch nichts darüber, ob nicht zusätzlich geprüft werden müsse, aus welchem Grund die Übertragung, Pfändung oder Verpfändung des Anspruchs erfolgt sei. Der Vorrang der Erstattungsansprüche könne nicht unterschiedslos für alle privatrechtlichen Ansprüche gelten. In einem solchem Fall würden ungleiche Sachverhalte gleich behandelt, was einen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz darstelle. Dementsprechend sei nach dem Rechtsgrund des Titels zu unterscheiden.
Die Antragsgegnerin hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
Der Beigeladene verweist – nachdem der Senat auf insoweit aus § 113 SGB XII folgende Zweifel hingewiesen hatte – darauf, dass ihr ein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X zustehe. Dies ergebe sich eindeutig aus einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 29. März 1994 (SozVerS 1995, 52), in dem bei Aufwendungsersatzansprüchen aus § 104 SGB X ein Erstattungsanspruch zuerkannt worden sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalt auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Antragsgegnerin betreffend den Versicherten (VSNR ) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) ist begründet. Die einstweilige Anordnung zur weiteren Zahlung der gepfändeten Rente an die Antragstellerin hatte antragsgemäß zu ergehen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts bestehen sowohl der Anordnungsanspruch, als auch ein Anordnungsgrund. Letzterer folgt bereits daraus, dass der Antragstellerin, die über einen eigenen Rentenanspruch in Höhe von 598,91 Euro verfügt und die – mit Ausnahme des streitigen Unterhaltsanspruchs – über kein Vermögen verfügt, auf die Zahlung der gepfändeten Beträge angewiesen ist, was durch die mit Beschluss des Sozialgerichts vom 22. Mai 2006 erfolgte Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung hinreichend glaubhaft gemacht ist.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sowie der Antragsgegnerin und der Beigeladenen besteht ein Anordnungsanspruch, denn der von der Beigeladenen geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch ist zum einen nicht hinreichend konkretisiert und zum anderen bestehen Bedenken hinsichtlich des Vorrangs nach §113 SGB XII.
Der Beigeladene hat seinen Anspruch nicht in Bezug auf seine Rechtsgrundlage konkretisiert. Mit seiner Anmeldung des Erstattungsanspruchs bei der Antragsgegnerin unter dem 16. Februar 2006 bzw. dem 30. März 2006 wird lediglich angegeben "der Genannte erhält hier Hilfe vom unten angegebenen Zeitpunkt an" (Februar 2006). Im Hinblick auf die Heimunterbringung des Versicherten geht es dem Beigeladenen offensichtlich um Aufwendungsersatz nach § 19 Abs. 5 SGB XII. Für das Bestehen eines derartigen Anspruchs enthält die Anmeldung bei der Antragsgegnerin keinerlei Hinweise. Insoweit müsste der Aufwendungsersatzanspruch entsprechend § 111 SGB X jedenfalls nachvollziehbar dargelegt sein, insbesondere hinsichtlich des Entstehungsgrundes ( vergl. Kasseler Kommentar, Kater, § 111 SGB X Rdnr. 20). Der Aufwendungsersatzanspruch nach § 19 Abs. 5 SGB XII setzt voraus, dass er durch Verwaltungsakt geltend gemacht ist (Schoch in Nomos Lehr- und Praxiskommentar - LPK- SGB XII § 19 Rdnr. 84), also insoweit vollziehbar ist. Ob der Beigeladene einen entsprechenden Bescheid erlassen hat und ob insoweit eine Hinzuziehung der Antragstellerin nach § 12 Abs. 2 SGB X erfolgt ist, ist nicht ersichtlich. Von daher ist es für den Senat nicht feststellbar, ob der geltend gemachte Anspruch des Beigeladenen tatsächlich besteht. Gerade wenn – wie hier – in Rechte Dritter eingegriffen wird, dürfte eine konkrete Darlegung des Aufwendungsersatzanspruchs erforderlich sein. Fehlen die erforderlichen Angaben, ist also das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs auf der Grundlage der Darlegungen des Sozialhilfeträgers nicht nachvollziehbar, liegt eine wirksame Anmeldung des Anspruchs nicht vor. Ein nicht wirksam angemeldeter Anspruch ist aber von dem in Anspruch genommenen Leistungsträger nicht zu befriedigen, er genießt erst recht gegenüber dem Pfändungsgläubiger keinen Vorrang nach § 113 SGB XII.
Der Beigeladene geht ersichtlich in Höhe der Rente von eigener Leistungsfähigkeit des Rentenempfängers aus (§ 82 SGB XII). Insoweit bestehen Bedenken, ob die gepfändete Rente im Hinblick auf das Zuflussprinzip nach § 82 Abs. 1 SGB XII überhaupt verwertbares Einkommen darstellt, ob also insoweit der Versicherte tatsächlich aus eigenem Einkommen oder Vermögen in der Lage wäre, insoweit selbst zu leisten. Von daher erscheint ein Rückgriff auf die Rente über § 113 SGB XII zweifelhaft, denn dadurch würde letztlich der Hilfebedürftige trotz fehlender Leistungsfähigkeit in Anspruch genommen. In diesem Zusammenhang gewinnt der Vortrag seitens der Antragstellerin, für Unterhaltsansprüche müssten andere Regeln gelten, Bedeutung. Bei fehlender Leistungsfähigkeit des unterhaltsverpflichteten Versicherten wäre es Sache des Beigeladenen, den Unterhaltstitel durch entsprechende Rechtsbehelfe abändern bzw. beseitigen zu lassen. Solange der Unterhaltsanspruch gerichtlich festgestellt ist, muss er auch von dem Beigeladenen bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Hilfebedürftigen berücksichtigt werden.
In diesem Zusammenhang bestehen Zweifel, ob nicht – gerade auch wegen der aufgezeigten Schwierigkeiten hinsichtlich der Darlegung des Aufwendungsersatzanspruches – zwischen Aufwendungsersatz und "echten" Erstattungsansprüchen zu unterscheiden ist. Das Bestehen von "echten" Erstattungsansprüchen nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ohne weiteres nachvollziehbar. Demgegenüber sind Aufwendungsersatzansprüche nach dem SGB XII von umfangreichen Ermittlungen abhängig und können – jedenfalls wenn sie in Rechte Dritter eingreifen – nicht ohne nähere Darlegung als bestehend unterstellt werden.
Wenn § 113 SGB XII von "Erstattungsansprüchen nach § 104 SGB X" spricht, könnte dies, gerade weil § 104 SGB X selbst zwischen "Erstattungspflichten" und "Aufwendungsersatz" differenziert, nicht unbeachtlich sein. § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X bestimmt auch nicht etwa, dass Aufwendungsersatz der Erstattungspflicht gleich steht, sondern ordnet nur die "entsprechende Geltung" von Satz 1 dieser Vorschrift an. Daraus könnte gefolgert werden, dass es sich bei Aufwendungsersatzansprüchen gerade nicht um Erstattungsansprüche handelt, sonst wäre die Vorschrift des Satz 4 des § 104 Abs. 1 SGB X überflüssig.
Das Bundessozialgericht hatte in der von dem Beigeladenen zitierten Entscheidung vom 29. März 1994 (13 RJ 65/92) nur über die Auswirkungen eines Anspruchs nach § 104 Abs. 1 SGB X zu entscheiden und es reichte deshalb aus, den dort streitigen Anspruch auf Aufwendungsersatz über § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X als Erstattungsanspruch zu benennen. Vorliegend ist allerdings nicht – wie dort – über die Wirkungen eines Erstattungsanspruchs zwischen zwei Leistungsträgern zu entscheiden, bei denen es im Hinblick auf § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X in der Tat nicht auf eine Differenzierung ankommt. Zu entscheiden ist vielmehr über die Regelung eines Vorrangs gegenüber Dritten in § 113 SGB XII.
Wenn § 113 SGB XII einen Vorrang von "Erstattungsansprüchen" nach § 104 SGB X regelt, sind damit – ohne dass dies hier abschließend zu beurteilen ist, weil die beantragte Anordnung bereits wegen der fehlenden Konkretisierung des Aufwendungsersatzanspruchs zu ergehen hat – zunächst Erstattungsansprüche nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X gemeint. Diese setzen – wie auch das Bundessozialgericht in der genannten Entscheidung vom 29. März 1994 ausgeführt hat – eine Gleichartigkeit der Leistungen voraus, die hier zweifelsfrei nicht gegeben ist. Das Bundessozialgericht setzt dann aber, für die alleinige Anwendung des § 104 SGB X konsequent, den Aufwendungsersatz entsprechend § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X hinsichtlich der dortigen Auswirkungen dem Erstattungsanspruch gleich, ohne jedoch in den weiteren Urteilsgründen die Differenzierung zwischen "Erstattungsanspruch" und "Aufwendungsersatzanspruch" aufzugeben. Wenn aber § 113 SGB XII von einem Erstattungsanspruch spricht, dürfte damit auch nur ein (tatsächlicher) Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X gemeint sein und nicht ein Aufwendungsersatzanspruch, für den erst über die Vorschrift des § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X – nicht etwa die Gleichstellung mit dem Erstattungsanspruch, sondern – angeordnet ist, "Satz 1 gilt entsprechend" für Ansprüche auf "Aufwendungsersatz".
Der Vorrang von Erstattungsansprüchen nach § 113 SGB XII vor einer Pfändung, auch wenn sie zeitlich vor der Entstehung des Erstattungsanspruchs erfolgt ist, kann – so dürfte der Vortrag des Beigeladenen im Schriftsatz vom 07. September 2006 zu verstehen sein – gegenüber dem Pfändungsgläubiger in dessen verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsposition eingreifen (Art. 14 Grundgesetz). Allerdings dürfte der durch Pfändung erworbene Anspruch bereits bei seiner Entstehung mit dem gesetzlich angeordneten Vorrang belastet gewesen sein. Dieser Vorrang ist jedenfalls in den Fällen gerechtfertigt, in denen der Erstattungsberechtigte tatsächlich eine Vorleistung im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X erbracht hat, denn dort hat er tatsächlich einen Anspruch erfüllt, der eigentlich vom erstattungsverpflichteten Leistungsträger zu erbringen gewesen wäre – er hat gewissermaßen an dessen Stelle geleistet. Dort soll die Vorleistungspflicht (z.B. nach § 43 SGB I) der schnellen Verwirklichung von Ansprüchen des Leistungsberechtigten dienen, weshalb es nicht gerechtfertigt erscheint, den Vorleistenden letztlich mit den entstehenden Kosten zu belasten. Ob diese Gründe auch beim hier zu beurteilenden Aufwendungsersatz tragen, kann wegen der vorliegend nicht hinreichenden Konkretisierung dieses Anspruchs dahinstehen. Vor diesem Hintergrund ist allerdings die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (a.a.O.) zu sehen, nach der der Leistungsanspruch des Berechtigten jeweils schon belastet mit dem Erstattungsanspruch entsteht.
Die Verpflichtung der Antragstellerin zur Klageerhebung folgt aus § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 926 ZPO. Eines vorherigen Verwaltungsaktes bedarf es nicht, weshalb die (echte) Leistungsklage gem. § 54 Abs. 5 SGG zulässig sein dürfte. Die Antragsgegnerin erscheint nicht berechtigt, das Verhältnis zu einem Pfändungsgläubiger durch Verwaltungsakt zu regeln ( hierzu: LSG Schleswig- Holstein, Urteil v. 29. November 2001, SozVers 2002, 279 m.w.N.). Dementsprechend bedarf es auch keines Vorverfahrens nach § 78 SGG ( Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 78, Rdnr. 9). Sollte das anzurufende Sozialgericht dennoch einen Verwaltungsakt für notwendig erachten, dürfte dieser im Schreiben der Antragsgegnerin an die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 07. März 2006 (S. 980 der Verwaltungsakten) zu sehen sein. Das Klageverfahren dürfte dann zur Nachholung des Widerspruchsverfahrens auszusetzen sein ( hierzu: Meyer-Ladewig a.a.O. Rdnr 3a).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 193, 194 SGG. Da die Antragsgegnerin und die Beigeladene in gleicher Weise unterlegen sind, sind sie der Antragstellerin als Gesamtschuldner erstattungspflichtig.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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