Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 315/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 R 161/06
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.Unter teilweiser Aufhebung und Abänderung des Bescheides vom 03.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2005 wird festgestellt, dass der Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung der Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.04.2002 bis 31.08.2004 in Höhe von 2.898,43 Euro nicht zusteht. 2.Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger zu Unrecht weitergezahlte Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung an die Beklagte zurückzahlen muss.
Der Kläger ist am 00.00.1939 geboren. Er war zuletzt als Kraftfahrer bei der T beschäftigt. Seit 1999 bezog er vorgezogene Altersrente bzw. inzwischen Regelaltersrente von der Beklagten. Dabei wurde der Kläger zunächst nicht als versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. Pflegeversicherung der Rentner angesehen, und als freiwilliges Mitglied insoweit geführt. Mit Bescheiden vom 16.08.1999 (Bl. 52 ff der Verwaltungsakte) bewilligte die Beklagte dementsprechend Zuschüsse zum freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag, zusätzlich zur Rente. Diese Beiträge zur freiwilligen Versicherung zahlte der Kläger selbst, im Wege einer Einzugsermächtigung für seine Krankenkasse. Die Beiträge wurden seit 1999 dementsprechend vom Konto des Klägers eingezogen.
Unter dem 28.03.2002 erhielt der Kläger von seiner Kranken- bzw. Pflegekasse, der AOK S, eine Mitteilung, dass er doch die Voraussetzungen für eine Pflichtmitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner erfülle, aufgrund einer grundsätzlichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (vom 15.03.2000). Deshalb, so die AOK, sei der Kläger nun ab 01.04.2002 pflichtversichert; die bisherige freiwillige Versicherung ende zum 31.03.2002. Im Schreiben der AOK heißt es dazu:
"Den Rentenversicherungsträger haben wir informiert. Von dort erhalten Sie einen neuen Rentenbescheid, der auch den ab 01.04.2002 zu zahlenden Monatsbeitrag aus der Rente erhält. Ihren Beitragsanteil wird der Rentenversicherungsträger von der Rente einbehalten und zusammen mit dem Beitragsanteil des Rentenversicherungsträgers direkt an uns abführen. Bitte beachten Sie, dass der bisher an Sie gezahlte Beitragszuschuss des Rentenversicherungsträgers mit dem 31.03.2002 entfällt. Da der Rentenversicherungsträger für die Umstellung der Beitragsabführung etwas Zeit benötigt, wird sich bei der Rentenzahlung ab Monat April 2002 zunächst nichts ändern. Dadurch ergeben sich für Sie aber keine Nachteile, weil die Umstellung rückwirkend ab 01.04.2002 vorgenommen wird. Der Beitrag zur freiwilligen Versicherung ist von ihnen letztmalig bis 15.04.2002 für den Monat März 2002 zu zahlen, weil diese Beiträge am 15. eines Monats für den Vormonat fällig werden. Eventuell über den 31.03.2002 hinaus gezahlte Beiträge werden wir Ihnen erstatten ..."
Nach April 2002 wurden von der AOK Beiträge vom Konto des Klägers nicht mehr eingezogen.
Aus der Akte der Beklagten ist ersichtlich, dass dorthin im Juli 2003 eine Meldung zur Krankenversicherung der Rentner einging (Bl. 66 der Verwaltungsakte).
Unter dem 25.08.2004 hörte die Beklagte den Kläger dazu an, dass sie beabsichtige, die für die Zeit von April 2002 bis August 2004 zu Unrecht weitergezahlten Beitragszuschüsse zur nicht mehr bestehenden freiwilligen Versicherung in Höhe von 2.898,43 EURO vom Kläger zurückzufordern. Außerdem habe der Kläger für den gleichen Zeitraum noch die Eigenanteile zur Kranken- und Pflegepflichtversicherung nachzuzahlen, in Höhe von 2.937,15 EURO (letzteres ist zwischen den Beteiligten nicht streitig). Zur Tilgung der Forderung wolle die Beklagte monatlich 247,21 EURO von der laufenden Rente einbehalten. Sie gab dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme.
Dagegen erhob der Kläger Einwände. Insbesondere habe er nicht rechtswidrig unterlassen, wesentliche Veränderungen mitzuteilen.
Die Beklagte erteilte dann den angefochtenen Bescheid vom 03.12.2004, mit dem sie wie angekündigt die Aufhebung der Zuschussbewilligung rückwirkend seit 01.04.2002 erklärte – nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X; den entsprechenden Betrag forderte sie nach § 50 SGB X (wie auch die noch nachzuzahlenden Eigenanteile zur Kranken- und Pflegepflichtversicherung). Zur Tilgung der Gesamtforderung wolle sie monatlich 247,21 EURO von der laufenden Rentenzahlung einbehalten, dabei trete nämlich Sozialhilfebedürftigkeit noch nicht ein.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 15.12.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung nahm er Bezug auf seine Einwände im Rahmen der Anhörung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und blieb bei ihren Forderungen. Zur Begründung heißt es dort insbesondere, dass die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung nach § 48 Abs. 1 SGB X vorliegen würden; denn der Kläger habe gewusst bzw. infolge grober Fahrlässigkeit nicht gewusst, dass ihm Beitragszuschüsse nicht mehr zustanden. Ihre Ermessenserwägungen führten nicht zu einer anderen Betrachtungsweise. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 17.06.2006 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung nimmt er Bezug auf sein bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Ergänzend trägt er vor, er habe weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt noch lasse der Zeitablauf eine rückwirkende Aufhebung bzw. Rückforderung der Beitragszuschüsse zu. Die Beklagte selbst habe, obwohl sie bereits im März 2002 über die Änderung in der Krankenversicherung des Klägers informiert gewesen sei bzw. spätestens im Juli 2003 informiert gewesen sei, erstmals im August 2004 das Anhörungsverfahren eingeleitet und dann noch länger gebraucht, um den Rückforderungsbescheid zu tätigen. Die Beklagte habe also mehr als 2 ½ Jahre gebraucht, um auf die Informationen der AOK S zu reagieren. Für sich selbst habe er eine Anzeigepflicht nicht gesehen, weil er auf das Schreiben der AOK S vom 28.03.2002 vertraut habe, dass die AOK und die Beklagte untereinander die Modalitäten der Krankenversicherung bzw. Pflegeversicherung klären würden. Er selbst habe sich nach Erhalt des Schreibens der AOK vom 28.03.2002 bei der AOK auch mündlich erkundigt und die Auskunft bekommen, es würde automatisch alles zwischen der AOK und der Beklagten geklärt. Auch bei einer späteren Nachfrage bei der AOK habe er erneut eine solche Auskunft bekommen. Die Beklagte könne nicht einmal erklären, weshalb der Erstattungsbescheid vom Dezember 2004 erst mehr als 2 ½ Jahre nach Änderung der Sachlage erfolgt sei. Inzwischen sei auch für ihn die Frist abgelaufen, für die bisherige Form der Kranken- und Pflegeversicherung freiwilliger Art zu optieren; die Wahlmöglichkeit für die Fortführung des freiwilligen Kranken- bzw. Pflegeversicherungsverhältnisses sei schon am 30.09.2002 geendet. Auch wenn die Beklagte vortrage, sie sei durch 17.000 Überzahlungsfälle überfordert gewesen, so habe sie jedoch nicht vorgetragen, wann die dazu angeordneten Überstundenaktionen angeordnet und durchgeführt worden seien. Er habe jedenfalls nach so langer Zeit nicht mehr damit gerechnet, dass jetzt noch eine Umstellung bzw. Rückforderung erfolge, weil selbst nach dem Schreiben der AOK vom 28.03.2002 damals nichts gefordert worden sei. Schließlich habe sich auch mit der Rentenanpassungsmitteilung zum 01.07.2002 (Bl. 29 der Gerichtsakte) für ihn scheinbar nichts geändert. Außerdem sei er zum Zeitpunkt der Änderung des Kranken- bzw. Pflegeversicherungsverhältnisses auch sehr stark durch die Pflege seiner Mutter und Schwiegermutter und deren Tod und eine nachfolgende juristische Auseinandersetzung in Anspruch genommen gewesen. Der behandelnde Arzt N bestätige auch seine Belastungssituation in diesem Zeitraum. Die Beklagte könne mithin nicht unter Bezug auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz die zu Unrecht gezahlten Zuschüsse rückwirkend seit April 2002 von ihm fordern; sie könne nur die bisher nicht erbrachten Eigenanteile zur gesetzlichen Kranken- und Pflegepflichtversicherung fordern, weil diese Forderung sich verschuldensunabhängig aus dem Gesetz ergebe.
Der Kläger beantragt,
unter teilweiser Aufhebung bzw. Abänderung des Bescheides vom 03.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2005 festzustellen, dass der Beklagten ein Anspruch auf Rückforderung der Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.04.2002 bis 31.08.2004 in Höhe von 2.898,43 EURO nicht zusteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend macht sie geltend, sie habe nicht sofort auf die Mitteilungen der AOK gegenüber dem Kläger reagieren können. Infolge der Umstellung der freiwilligen und privaten Krankenversicherungsverhältnisse auf die Pflichtversicherung der Rentner entsprechend dem bekannten Urteil des Bundesverfassungsgerichts habe sich für die Rentenversicherungsträge ein Massenverwaltungsgeschäft ergeben. Allein bei der Beklagten seien 45.000 Versicherungskonten zu bearbeiten gewesen, sie habe 17.000 Überzahlungsfälle erst im Rahmen einer Überstundenaktion abarbeiten können. Zahlreiche Meldungen der Krankenkassen hätten wegen eines Umstiegs auf das AKIT-System seinerzeit nicht maschinell verarbeitet werden können. Allein die zeitliche Verzögerung beim Erlass des Erstattungsbescheides könne nicht zu ihren Ungunsten gehen. Der Kläger habe aufgrund des Schreibens der AOK S vom 2002 wissen müssen, dass ihm der Beitragszuschuss seit April 2002 nicht mehr zustand. Ihm hätten danach dann höhere Beiträge monatlich zur Verfügung gestanden, gleichwohl habe er diese Beträge bewusst für seinen Privatkonsum genutzt und zu keinem Zeitpunkt eine Rücklage für die zu erwartende Erstattungsforderung gebildet. Der Kläger hätte nicht von der Rechtmäßigkeit der Zahlungen ausgehen können. Sie habe auch die maßgeblichen Fristen eingehalten. Erst nach Durchführung der Anhörung habe die Frist für eine Rückforderung bzw. rückwirkende Aufhebung zu laufen begonnen, und innerhalb der Frist von einem Jahr habe die Beklagte den Erstattungsbescheid von Dezember 2004 gefertigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben.
Streitgegenstand des Verfahrens ist allein, ob der Kläger die objektiv zu Unrecht weitergezahlten Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung zurückzahlen muss oder nicht; dies kam schon in der Klageschrift zum Ausdruck. Dass der Kläger die mit den angefochtenen Bescheiden erstmalig geforderten Eigenbeteiligungen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner erbringen muss, ist mit der Klageschrift nicht bestritten worden und im Rahmen der mündlichen Verhandlung anlässlich der Erörterung der Sach- und Rechtslage auch vom Kläger bzw. seinem Bevollmächtigten unstreitig gestellt worden und nicht zum Gegenstand des Klageantrags gemacht worden.
Die Klage ist mithin zulässig als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54, 55 SGG), bezüglich der Rückforderung der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Die Klage ist insoweit auch begründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 03.12. 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2005, sind insoweit rechtswidrig und beschweren den Kläger insoweit gemäß § 54 Abs. 2 SGG, wie die Beklagte damit vom Kläger auch die Rückzahlung der Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.04.2002 bis August 2004 zurückfordert. Deshalb waren insoweit die angefochtenen Bescheide aufzuheben bzw. abzuändern und der Feststellung zu entsprechen, dass der Kläger insoweit nicht zur Rückzahlung verpflichtet ist.
Dass die Beklagte nicht zur rückwirkenden Aufhebung der Bescheide vom 16.08.1999 bzw. zur Rückforderung der für die Zeit vom 01.04.2002 bis August 2004 gezahlten freiwilligen Beiträge berechtigt ist, ergibt sich daraus, dass entgegen der Auffassung der Beklagten die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung der Bescheide vom 16.08.1999 nicht vorliegen; denn die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X liegen nicht vor. Eine rückwirkende Aufhebung kommt nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bzw. Nr. 4 SGB X nur dann in Betracht, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist bzw. wenn der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Die Kammer verneint eine solche vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung von Mitteilungspflichten bzw. eine Sorgfaltspflichtverletzung in besonders schwerem Maße. Denn aufgrund des Schreibens der AOK vom 28.03.2002 und weiterer Umstände musste der Kläger nicht zwingend annehmen, dass noch 2 ½ Jahre nach dieser Mitteilung mit Rückforderungen gerechnet werden musste. Das Schreiben der AOK vom 28.03.2002 erweckt durchaus bei einem "normalen" Versicherten den Anschein, dass die Einzelheiten der Krankenversicherung nun zwischen der AOK und der Beklagten geklärt werden und dass es eines weiteren Zutuns von ihm nicht bedarf. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass schließlich eine Option zur Fortführung der freiwilligen Krankenversicherung im September 2002 verstrichen war, ohne dass der Kläger zuvor noch etwas von der Beklagten oder der AOK gehört hat. Der Kläger durfte also davon ausgehen, dass er selbst nichts weiter zu tun hat. Hinzu kommt noch, dass der Kläger von der Rentenpoststelle im Juli 2002 noch die Mitteilung zur Rentenanpassung erhielt, mit der weiterhin der Zuschuss zum Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag ausdrücklich gewährt wurde (Bl. 29 der Gerichtsakte); auch dies setzte einen weiteren Vertrauenstatbestand bei dem Kläger, denn dieser ist kein Renten- oder Versicherungsfachmann und durfte deshalb grundsätzlich entsprechend der Vorankündigung der AOK vom 28.03.2002 jetzt davon ausgehen, dass die Beklagte bzw. die ihr zuzurechnende Postrentenstelle wusste was sie tat. Es traten also für den Kläger seit Juli 2002 weiterhin keine Veränderungen ein und es wurden ihm auch keine Veränderungen mitgeteilt, bis die Beklagte erst 2 ½ Jahre später ihre Forderungen erklärte. Von der nur akteninternen KVdR-Mitteilung der AOK S vom 21.07.2003 (Bl. 66 der Verwaltungsakte) wusste er schließlich auch nichts. Anders hätte die Sache eventuell nur bewertet werden können, wenn der Kläger zu einem früheren Zeitpunkt von der Beklagten eine Mitteilung bekommen hätte, dass die Überprüfung des Kranken- bzw. Pflegeversicherungsverhältnisses noch andauere und noch nicht abgeschlossen sei. Ohne solche Mitteilungen geht es aber auch angesichts der großen Überlastung der Beklagten nicht an, den Kläger nach 2 ½ Jahren mit einer Rückforderung zu konfrontieren. Zumindest lag hier angesichts der Mitteilung der AOK vom 28.03.2002 und der Rentenanpassungsmitteilung vom Juli 2002 ein atypischer Fall vor, der die Beklagte zu weitergehenden Ermessenserwägungen hätte verpflichten müssen, denen sie aber in den angefochtenen Bescheiden nicht ausreichend nachgekommen ist.
Mithin kann die Beklagte vom Kläger nur die noch offenen unverjährten Eigenanteile zur Kranken- bzw. Pflegevesicherung der Rentner nach § 255 Abs. 2 SGB V bzw. nach § 60 SGB XI fordern bzw. von der laufenden Rente einbehalten, was der Kläger auch nicht bestritten hat, weil diese Forderung völlig unabhängig vom Verschulden des Klägers oder der Beklagten besteht.
Ob dem Kläger hinsichtlich der weiteren Inempfangnahme der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung "normale" oder leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen sein könnte, kann hier völlig dahinstehen; denn nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X reicht zur Rückforderung mit Wirkung für die Vergangenheit nur grobe Fahrlässigkeit oder eine besonders schwere Pflichtverletzung aus, was aus den vorstehenden Gründen jedoch zu verneinen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG. Danach hat die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen, weil der Kläger voll obsiegt hat. Wie sich aus der Klageschrift ergibt und im Rahmen des Rechtsgesprächs in der mündlichen Verhandlung klargestellt wurde, war die Nachforderung der Eigenanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner für den Kläger nicht streitig.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger zu Unrecht weitergezahlte Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung an die Beklagte zurückzahlen muss.
Der Kläger ist am 00.00.1939 geboren. Er war zuletzt als Kraftfahrer bei der T beschäftigt. Seit 1999 bezog er vorgezogene Altersrente bzw. inzwischen Regelaltersrente von der Beklagten. Dabei wurde der Kläger zunächst nicht als versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. Pflegeversicherung der Rentner angesehen, und als freiwilliges Mitglied insoweit geführt. Mit Bescheiden vom 16.08.1999 (Bl. 52 ff der Verwaltungsakte) bewilligte die Beklagte dementsprechend Zuschüsse zum freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag, zusätzlich zur Rente. Diese Beiträge zur freiwilligen Versicherung zahlte der Kläger selbst, im Wege einer Einzugsermächtigung für seine Krankenkasse. Die Beiträge wurden seit 1999 dementsprechend vom Konto des Klägers eingezogen.
Unter dem 28.03.2002 erhielt der Kläger von seiner Kranken- bzw. Pflegekasse, der AOK S, eine Mitteilung, dass er doch die Voraussetzungen für eine Pflichtmitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner erfülle, aufgrund einer grundsätzlichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (vom 15.03.2000). Deshalb, so die AOK, sei der Kläger nun ab 01.04.2002 pflichtversichert; die bisherige freiwillige Versicherung ende zum 31.03.2002. Im Schreiben der AOK heißt es dazu:
"Den Rentenversicherungsträger haben wir informiert. Von dort erhalten Sie einen neuen Rentenbescheid, der auch den ab 01.04.2002 zu zahlenden Monatsbeitrag aus der Rente erhält. Ihren Beitragsanteil wird der Rentenversicherungsträger von der Rente einbehalten und zusammen mit dem Beitragsanteil des Rentenversicherungsträgers direkt an uns abführen. Bitte beachten Sie, dass der bisher an Sie gezahlte Beitragszuschuss des Rentenversicherungsträgers mit dem 31.03.2002 entfällt. Da der Rentenversicherungsträger für die Umstellung der Beitragsabführung etwas Zeit benötigt, wird sich bei der Rentenzahlung ab Monat April 2002 zunächst nichts ändern. Dadurch ergeben sich für Sie aber keine Nachteile, weil die Umstellung rückwirkend ab 01.04.2002 vorgenommen wird. Der Beitrag zur freiwilligen Versicherung ist von ihnen letztmalig bis 15.04.2002 für den Monat März 2002 zu zahlen, weil diese Beiträge am 15. eines Monats für den Vormonat fällig werden. Eventuell über den 31.03.2002 hinaus gezahlte Beiträge werden wir Ihnen erstatten ..."
Nach April 2002 wurden von der AOK Beiträge vom Konto des Klägers nicht mehr eingezogen.
Aus der Akte der Beklagten ist ersichtlich, dass dorthin im Juli 2003 eine Meldung zur Krankenversicherung der Rentner einging (Bl. 66 der Verwaltungsakte).
Unter dem 25.08.2004 hörte die Beklagte den Kläger dazu an, dass sie beabsichtige, die für die Zeit von April 2002 bis August 2004 zu Unrecht weitergezahlten Beitragszuschüsse zur nicht mehr bestehenden freiwilligen Versicherung in Höhe von 2.898,43 EURO vom Kläger zurückzufordern. Außerdem habe der Kläger für den gleichen Zeitraum noch die Eigenanteile zur Kranken- und Pflegepflichtversicherung nachzuzahlen, in Höhe von 2.937,15 EURO (letzteres ist zwischen den Beteiligten nicht streitig). Zur Tilgung der Forderung wolle die Beklagte monatlich 247,21 EURO von der laufenden Rente einbehalten. Sie gab dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme.
Dagegen erhob der Kläger Einwände. Insbesondere habe er nicht rechtswidrig unterlassen, wesentliche Veränderungen mitzuteilen.
Die Beklagte erteilte dann den angefochtenen Bescheid vom 03.12.2004, mit dem sie wie angekündigt die Aufhebung der Zuschussbewilligung rückwirkend seit 01.04.2002 erklärte – nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X; den entsprechenden Betrag forderte sie nach § 50 SGB X (wie auch die noch nachzuzahlenden Eigenanteile zur Kranken- und Pflegepflichtversicherung). Zur Tilgung der Gesamtforderung wolle sie monatlich 247,21 EURO von der laufenden Rentenzahlung einbehalten, dabei trete nämlich Sozialhilfebedürftigkeit noch nicht ein.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 15.12.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung nahm er Bezug auf seine Einwände im Rahmen der Anhörung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und blieb bei ihren Forderungen. Zur Begründung heißt es dort insbesondere, dass die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung nach § 48 Abs. 1 SGB X vorliegen würden; denn der Kläger habe gewusst bzw. infolge grober Fahrlässigkeit nicht gewusst, dass ihm Beitragszuschüsse nicht mehr zustanden. Ihre Ermessenserwägungen führten nicht zu einer anderen Betrachtungsweise. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 17.06.2006 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung nimmt er Bezug auf sein bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Ergänzend trägt er vor, er habe weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt noch lasse der Zeitablauf eine rückwirkende Aufhebung bzw. Rückforderung der Beitragszuschüsse zu. Die Beklagte selbst habe, obwohl sie bereits im März 2002 über die Änderung in der Krankenversicherung des Klägers informiert gewesen sei bzw. spätestens im Juli 2003 informiert gewesen sei, erstmals im August 2004 das Anhörungsverfahren eingeleitet und dann noch länger gebraucht, um den Rückforderungsbescheid zu tätigen. Die Beklagte habe also mehr als 2 ½ Jahre gebraucht, um auf die Informationen der AOK S zu reagieren. Für sich selbst habe er eine Anzeigepflicht nicht gesehen, weil er auf das Schreiben der AOK S vom 28.03.2002 vertraut habe, dass die AOK und die Beklagte untereinander die Modalitäten der Krankenversicherung bzw. Pflegeversicherung klären würden. Er selbst habe sich nach Erhalt des Schreibens der AOK vom 28.03.2002 bei der AOK auch mündlich erkundigt und die Auskunft bekommen, es würde automatisch alles zwischen der AOK und der Beklagten geklärt. Auch bei einer späteren Nachfrage bei der AOK habe er erneut eine solche Auskunft bekommen. Die Beklagte könne nicht einmal erklären, weshalb der Erstattungsbescheid vom Dezember 2004 erst mehr als 2 ½ Jahre nach Änderung der Sachlage erfolgt sei. Inzwischen sei auch für ihn die Frist abgelaufen, für die bisherige Form der Kranken- und Pflegeversicherung freiwilliger Art zu optieren; die Wahlmöglichkeit für die Fortführung des freiwilligen Kranken- bzw. Pflegeversicherungsverhältnisses sei schon am 30.09.2002 geendet. Auch wenn die Beklagte vortrage, sie sei durch 17.000 Überzahlungsfälle überfordert gewesen, so habe sie jedoch nicht vorgetragen, wann die dazu angeordneten Überstundenaktionen angeordnet und durchgeführt worden seien. Er habe jedenfalls nach so langer Zeit nicht mehr damit gerechnet, dass jetzt noch eine Umstellung bzw. Rückforderung erfolge, weil selbst nach dem Schreiben der AOK vom 28.03.2002 damals nichts gefordert worden sei. Schließlich habe sich auch mit der Rentenanpassungsmitteilung zum 01.07.2002 (Bl. 29 der Gerichtsakte) für ihn scheinbar nichts geändert. Außerdem sei er zum Zeitpunkt der Änderung des Kranken- bzw. Pflegeversicherungsverhältnisses auch sehr stark durch die Pflege seiner Mutter und Schwiegermutter und deren Tod und eine nachfolgende juristische Auseinandersetzung in Anspruch genommen gewesen. Der behandelnde Arzt N bestätige auch seine Belastungssituation in diesem Zeitraum. Die Beklagte könne mithin nicht unter Bezug auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz die zu Unrecht gezahlten Zuschüsse rückwirkend seit April 2002 von ihm fordern; sie könne nur die bisher nicht erbrachten Eigenanteile zur gesetzlichen Kranken- und Pflegepflichtversicherung fordern, weil diese Forderung sich verschuldensunabhängig aus dem Gesetz ergebe.
Der Kläger beantragt,
unter teilweiser Aufhebung bzw. Abänderung des Bescheides vom 03.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2005 festzustellen, dass der Beklagten ein Anspruch auf Rückforderung der Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.04.2002 bis 31.08.2004 in Höhe von 2.898,43 EURO nicht zusteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend macht sie geltend, sie habe nicht sofort auf die Mitteilungen der AOK gegenüber dem Kläger reagieren können. Infolge der Umstellung der freiwilligen und privaten Krankenversicherungsverhältnisse auf die Pflichtversicherung der Rentner entsprechend dem bekannten Urteil des Bundesverfassungsgerichts habe sich für die Rentenversicherungsträge ein Massenverwaltungsgeschäft ergeben. Allein bei der Beklagten seien 45.000 Versicherungskonten zu bearbeiten gewesen, sie habe 17.000 Überzahlungsfälle erst im Rahmen einer Überstundenaktion abarbeiten können. Zahlreiche Meldungen der Krankenkassen hätten wegen eines Umstiegs auf das AKIT-System seinerzeit nicht maschinell verarbeitet werden können. Allein die zeitliche Verzögerung beim Erlass des Erstattungsbescheides könne nicht zu ihren Ungunsten gehen. Der Kläger habe aufgrund des Schreibens der AOK S vom 2002 wissen müssen, dass ihm der Beitragszuschuss seit April 2002 nicht mehr zustand. Ihm hätten danach dann höhere Beiträge monatlich zur Verfügung gestanden, gleichwohl habe er diese Beträge bewusst für seinen Privatkonsum genutzt und zu keinem Zeitpunkt eine Rücklage für die zu erwartende Erstattungsforderung gebildet. Der Kläger hätte nicht von der Rechtmäßigkeit der Zahlungen ausgehen können. Sie habe auch die maßgeblichen Fristen eingehalten. Erst nach Durchführung der Anhörung habe die Frist für eine Rückforderung bzw. rückwirkende Aufhebung zu laufen begonnen, und innerhalb der Frist von einem Jahr habe die Beklagte den Erstattungsbescheid von Dezember 2004 gefertigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben.
Streitgegenstand des Verfahrens ist allein, ob der Kläger die objektiv zu Unrecht weitergezahlten Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung zurückzahlen muss oder nicht; dies kam schon in der Klageschrift zum Ausdruck. Dass der Kläger die mit den angefochtenen Bescheiden erstmalig geforderten Eigenbeteiligungen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner erbringen muss, ist mit der Klageschrift nicht bestritten worden und im Rahmen der mündlichen Verhandlung anlässlich der Erörterung der Sach- und Rechtslage auch vom Kläger bzw. seinem Bevollmächtigten unstreitig gestellt worden und nicht zum Gegenstand des Klageantrags gemacht worden.
Die Klage ist mithin zulässig als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54, 55 SGG), bezüglich der Rückforderung der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Die Klage ist insoweit auch begründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 03.12. 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2005, sind insoweit rechtswidrig und beschweren den Kläger insoweit gemäß § 54 Abs. 2 SGG, wie die Beklagte damit vom Kläger auch die Rückzahlung der Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.04.2002 bis August 2004 zurückfordert. Deshalb waren insoweit die angefochtenen Bescheide aufzuheben bzw. abzuändern und der Feststellung zu entsprechen, dass der Kläger insoweit nicht zur Rückzahlung verpflichtet ist.
Dass die Beklagte nicht zur rückwirkenden Aufhebung der Bescheide vom 16.08.1999 bzw. zur Rückforderung der für die Zeit vom 01.04.2002 bis August 2004 gezahlten freiwilligen Beiträge berechtigt ist, ergibt sich daraus, dass entgegen der Auffassung der Beklagten die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung der Bescheide vom 16.08.1999 nicht vorliegen; denn die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X liegen nicht vor. Eine rückwirkende Aufhebung kommt nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bzw. Nr. 4 SGB X nur dann in Betracht, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist bzw. wenn der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Die Kammer verneint eine solche vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung von Mitteilungspflichten bzw. eine Sorgfaltspflichtverletzung in besonders schwerem Maße. Denn aufgrund des Schreibens der AOK vom 28.03.2002 und weiterer Umstände musste der Kläger nicht zwingend annehmen, dass noch 2 ½ Jahre nach dieser Mitteilung mit Rückforderungen gerechnet werden musste. Das Schreiben der AOK vom 28.03.2002 erweckt durchaus bei einem "normalen" Versicherten den Anschein, dass die Einzelheiten der Krankenversicherung nun zwischen der AOK und der Beklagten geklärt werden und dass es eines weiteren Zutuns von ihm nicht bedarf. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass schließlich eine Option zur Fortführung der freiwilligen Krankenversicherung im September 2002 verstrichen war, ohne dass der Kläger zuvor noch etwas von der Beklagten oder der AOK gehört hat. Der Kläger durfte also davon ausgehen, dass er selbst nichts weiter zu tun hat. Hinzu kommt noch, dass der Kläger von der Rentenpoststelle im Juli 2002 noch die Mitteilung zur Rentenanpassung erhielt, mit der weiterhin der Zuschuss zum Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag ausdrücklich gewährt wurde (Bl. 29 der Gerichtsakte); auch dies setzte einen weiteren Vertrauenstatbestand bei dem Kläger, denn dieser ist kein Renten- oder Versicherungsfachmann und durfte deshalb grundsätzlich entsprechend der Vorankündigung der AOK vom 28.03.2002 jetzt davon ausgehen, dass die Beklagte bzw. die ihr zuzurechnende Postrentenstelle wusste was sie tat. Es traten also für den Kläger seit Juli 2002 weiterhin keine Veränderungen ein und es wurden ihm auch keine Veränderungen mitgeteilt, bis die Beklagte erst 2 ½ Jahre später ihre Forderungen erklärte. Von der nur akteninternen KVdR-Mitteilung der AOK S vom 21.07.2003 (Bl. 66 der Verwaltungsakte) wusste er schließlich auch nichts. Anders hätte die Sache eventuell nur bewertet werden können, wenn der Kläger zu einem früheren Zeitpunkt von der Beklagten eine Mitteilung bekommen hätte, dass die Überprüfung des Kranken- bzw. Pflegeversicherungsverhältnisses noch andauere und noch nicht abgeschlossen sei. Ohne solche Mitteilungen geht es aber auch angesichts der großen Überlastung der Beklagten nicht an, den Kläger nach 2 ½ Jahren mit einer Rückforderung zu konfrontieren. Zumindest lag hier angesichts der Mitteilung der AOK vom 28.03.2002 und der Rentenanpassungsmitteilung vom Juli 2002 ein atypischer Fall vor, der die Beklagte zu weitergehenden Ermessenserwägungen hätte verpflichten müssen, denen sie aber in den angefochtenen Bescheiden nicht ausreichend nachgekommen ist.
Mithin kann die Beklagte vom Kläger nur die noch offenen unverjährten Eigenanteile zur Kranken- bzw. Pflegevesicherung der Rentner nach § 255 Abs. 2 SGB V bzw. nach § 60 SGB XI fordern bzw. von der laufenden Rente einbehalten, was der Kläger auch nicht bestritten hat, weil diese Forderung völlig unabhängig vom Verschulden des Klägers oder der Beklagten besteht.
Ob dem Kläger hinsichtlich der weiteren Inempfangnahme der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung "normale" oder leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen sein könnte, kann hier völlig dahinstehen; denn nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X reicht zur Rückforderung mit Wirkung für die Vergangenheit nur grobe Fahrlässigkeit oder eine besonders schwere Pflichtverletzung aus, was aus den vorstehenden Gründen jedoch zu verneinen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG. Danach hat die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen, weil der Kläger voll obsiegt hat. Wie sich aus der Klageschrift ergibt und im Rahmen des Rechtsgesprächs in der mündlichen Verhandlung klargestellt wurde, war die Nachforderung der Eigenanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner für den Kläger nicht streitig.
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