Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 2040/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3775/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 9. August 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 05.09.2001.
Der am geborene Kläger, der noch weitere Verfahren betreffend einen Arbeitsunfall vom 20.05.1997 (HWS-Distorsion, beim Senat unter L 10 U 2546/06 anhängig) und Berufskrankheiten betreibt, stolperte am 05.09.2001 während seiner Tätigkeit als Maschinenbediener bei der Firma B in O. über eine Führungsschiene und stürzte im Bereich der Lendenwirbelsäule auf eine Stahlvorrichtung. Nach den Berichten des Dr. S , Chefarzt der Chirurgischen Klinik an der Rechbergklinik B., vom 06.09.2001 erlitt der Kläger dabei eine Lendenwirbelsäulenkontusion. Eine nach den Röntgenaufnahmen fragliche Knochenverletzung LWK 3 wurde durch eine Computertomographie ausgeschlossen. Der neurologische Status war unauffällig und der stationäre Verlauf war komplikationsfrei. Ab 15.10.2001 war der Kläger wieder arbeitsfähig.
Nachdem ein am 21.01.2002 gefertigtes Kernspintomogramm der Lendenwirbelsäule eine geringe links mediolaterale Protrusio im Segment LWK 4/5 ohne neurokompressive Wirkung sowie gereizte Facettengelenke ergeben und die Beklagte von der AOK B. das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers beigezogen hatte (danach bestanden Arbeitsunfähigkeitszeiten vor dem Arbeitsunfall vom 5.9.2001 u. a. vom 10.1. bis zum 29.02.2000 wegen degenerativ bedingter Wirbelsäulenbeschwerden) erstattete Dr. S ein erstes Rentengutachten. Er bezeichnete vor allem ein LWS-Syndrom als wesentliche Unfallfolgen und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab 16.10.2001 auf 15 v. H. Das erlittene Trauma habe die vorhandenen degenerativen Veränderungen der LWS aktiviert bzw. zu einer progressiven Verschlechterung gebracht.
Die Beklagte holte neben Auskünften der behandelnden Ärzte und sonstigen medizinischen Unterlagen die beratungsärztliche Stellungnahme des Unfallchirurgen Dr. E. vom 16.09.2002 ein, der der Auffassung war, über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus habe keine messbare MdE mehr bestanden.
Mit Bescheid vom 18.12.2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ein Anspruch auf Rente wegen des Arbeitsunfalls vom 5.9.2001 bestehe nicht, da die Erwerbsfähigkeit nicht in messbarem Grade über das Ende des Anspruchs auf Verletztengeld (bis 14.10.2001) hinaus gemindert sei. Die Prellung der Lendenwirbelsäule habe nur zu einer vorübergehenden Verschlimmerung der degenerativ bzw. unfallunabhängig beim Kläger vorbestehenden Veränderungen der LWS beigetragen. Nicht als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt ein LWS-Syndrom mit links mediolateraler Protrusio im Segment der Lendenwirbelkörper 4/5 mit belastungsabhängigen Beschwerden und umformenden Veränderungen des Facettengelenks der LWS.
Auf den Widerspruch des Klägers holte die Beklagte die Stellungnahme von Dr. S vom 26.5.2003 ein. Er führte zusammenfassend aus, nach kritischer Überprüfung der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen habe der Kläger am 5.9.2001 eine Prellung der Lendenwirbelsäule bei vorbestehenden degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule erlitten. Die Einschätzung der MdE anlässlich der gutachterlichen Untersuchung vom 7.5.2002 sei eindeutig zu hoch und nicht korrekt. Es sei unwahrscheinlich, dass die Prellung der Lendenwirbelsäule am 5.9.2001 über die 6. Woche nach dem Unfall hinaus körperliche Folgen für den Kläger gehabt habe. Daher sei eine messbare MdE nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 14.10.2001 unwahrscheinlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.7.2003 wies der Widerspruchs- und Einspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück.
Dagegen hat der Kläger am 7.8.2003 Klage zum Sozialgericht Heilbronn erhoben und u. a. vorgebracht, er könne die geänderte Meinung von Dr. S nicht akzeptieren, da er seit dem Arbeitsunfall schon beim Gehen und Liegen Schmerzen habe.
Das Sozialgericht hat das Gutachten des Dr. S., Facharzt für Neurochirurgie und Orthopädie sowie Chefarzt an der Orthopädischen Klinik M., vom 28.6.2004/20.12.2004 eingeholt. Er hat zusammenfassend ausgeführt, alle vom Kläger angegebenen Unfallszenarien seien lediglich geeignet gewesen, eine Prellung der Lendenwirbelsäule hervorzurufen, die spätestens nach drei Monaten als ausgeheilt anzusehen sei. Die reichlich vorhandene bildgebende Diagnostik der Lendenwirbelsäule einschließlich des unfallzeitpunktnah durchgeführten CT des 3. Lendenwirbelkörpers lasse eine knöcherne Verletzung ausschließen. Die später durchgeführten Funktionsuntersuchungen sowie die kernspintomographischen Untersuchungen ergäben keinen Anhalt für eine Band- oder Bandscheibenverletzung als Folge des angegebenen Sturzes vom 5.9.2001. Folgen des Unfalls vom 5.9.2001 seien nicht mehr festzustellen. Eine MdE liege nicht vor.
Der Kläger hat das Gutachten von Dr. S. und den Sachverständigen selbst - erfolglos (Beschluss des Sozialgerichts vom 08.03.2005, Beschluss des Senats vom 13.07.2005, L 10 U 1541/05 B) - abgelehnt.
Nachdem es eine zuvor mit dem Verfahren S 7 U 658/04 (Arbeitsunfall vom 20.05.1997) erfolgte Verbindung wieder aufgehoben hat, hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 9.8.2005 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente anlässlich des Unfallereignisses vom 5.9.2001, weil die Unfallfolgen eine MdE von unter 10 v. H. hinterlassen hätten. Dies ergebe sich überzeugend aus den Ausführungen von Dr. S. und aus der ergänzenden Stellungnahme von Dr. S vom 26.5.2003. Das Unfallereignis vom 5.9.2001 habe lediglich zu einer Prellung im 3. Lendenwirbelkörper geführt. Dahingestellt bleiben könne, ob die Beeinträchtigungen im HWS-Bereich auf das Unfallereignis vom 20.5.1997 zurückzuführen seien. Selbst wenn dies unterstellt werde, so sei es insoweit nicht zu einer Verschlimmerung durch das Unfallereignis vom 5.9.2001 gekommen.
Gegen den am 11.8.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 9.9.2005 Berufung eingelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 9.8.2005 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 18.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.7.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 5.9.2001 Verletztenrente nach einer MdE um 50 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie der Vorprozesse und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Der Kläger hat aufgrund des Unfalls vom 5.9.2001 keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 2. Mai 2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Hiervon ausgehend kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der Arbeitsunfall vom 5.9.2001 beim Kläger Folgen mit einer MdE von mindestens 10 v. H. über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus hinterlassen hat.
Das Sozialgericht hat in seinem Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, dass die Unfallfolgen über die 26. Woche nach dem 5.9.2000 hinaus keine MdE um wenigstens 10 v. H. bedingen. Es kommt daher nicht darauf an, ob ein Stützrententatbestand vorliegt. Der Senat macht sich die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids nach Überprüfung insoweit zu eigen und sieht gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Ergänzend ist lediglich auszuführen: Das vom Sozialgericht bei Dr. S. eingeholte Gutachten vom 28.6.2004 mit ergänzender Stellungnahme vom 20.12.2004 hat vom Sozialgericht - und kann vom Senat - sehr wohl als Grundlage für seine Entscheidung herangezogen werden können, denn der Antrag des Klägers, Dr. S. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, ist erfolglos geblieben.
Die Einbeziehung des im sozialgerichtlichen Verfahren (betr. BKen 1302, 1317) eingeholten Gutachtens von Dr. K. kommt nicht in Betracht, weil es im dortigen Verfahren um andere Sachverhalte geht.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 05.09.2001.
Der am geborene Kläger, der noch weitere Verfahren betreffend einen Arbeitsunfall vom 20.05.1997 (HWS-Distorsion, beim Senat unter L 10 U 2546/06 anhängig) und Berufskrankheiten betreibt, stolperte am 05.09.2001 während seiner Tätigkeit als Maschinenbediener bei der Firma B in O. über eine Führungsschiene und stürzte im Bereich der Lendenwirbelsäule auf eine Stahlvorrichtung. Nach den Berichten des Dr. S , Chefarzt der Chirurgischen Klinik an der Rechbergklinik B., vom 06.09.2001 erlitt der Kläger dabei eine Lendenwirbelsäulenkontusion. Eine nach den Röntgenaufnahmen fragliche Knochenverletzung LWK 3 wurde durch eine Computertomographie ausgeschlossen. Der neurologische Status war unauffällig und der stationäre Verlauf war komplikationsfrei. Ab 15.10.2001 war der Kläger wieder arbeitsfähig.
Nachdem ein am 21.01.2002 gefertigtes Kernspintomogramm der Lendenwirbelsäule eine geringe links mediolaterale Protrusio im Segment LWK 4/5 ohne neurokompressive Wirkung sowie gereizte Facettengelenke ergeben und die Beklagte von der AOK B. das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers beigezogen hatte (danach bestanden Arbeitsunfähigkeitszeiten vor dem Arbeitsunfall vom 5.9.2001 u. a. vom 10.1. bis zum 29.02.2000 wegen degenerativ bedingter Wirbelsäulenbeschwerden) erstattete Dr. S ein erstes Rentengutachten. Er bezeichnete vor allem ein LWS-Syndrom als wesentliche Unfallfolgen und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab 16.10.2001 auf 15 v. H. Das erlittene Trauma habe die vorhandenen degenerativen Veränderungen der LWS aktiviert bzw. zu einer progressiven Verschlechterung gebracht.
Die Beklagte holte neben Auskünften der behandelnden Ärzte und sonstigen medizinischen Unterlagen die beratungsärztliche Stellungnahme des Unfallchirurgen Dr. E. vom 16.09.2002 ein, der der Auffassung war, über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus habe keine messbare MdE mehr bestanden.
Mit Bescheid vom 18.12.2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ein Anspruch auf Rente wegen des Arbeitsunfalls vom 5.9.2001 bestehe nicht, da die Erwerbsfähigkeit nicht in messbarem Grade über das Ende des Anspruchs auf Verletztengeld (bis 14.10.2001) hinaus gemindert sei. Die Prellung der Lendenwirbelsäule habe nur zu einer vorübergehenden Verschlimmerung der degenerativ bzw. unfallunabhängig beim Kläger vorbestehenden Veränderungen der LWS beigetragen. Nicht als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt ein LWS-Syndrom mit links mediolateraler Protrusio im Segment der Lendenwirbelkörper 4/5 mit belastungsabhängigen Beschwerden und umformenden Veränderungen des Facettengelenks der LWS.
Auf den Widerspruch des Klägers holte die Beklagte die Stellungnahme von Dr. S vom 26.5.2003 ein. Er führte zusammenfassend aus, nach kritischer Überprüfung der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen habe der Kläger am 5.9.2001 eine Prellung der Lendenwirbelsäule bei vorbestehenden degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule erlitten. Die Einschätzung der MdE anlässlich der gutachterlichen Untersuchung vom 7.5.2002 sei eindeutig zu hoch und nicht korrekt. Es sei unwahrscheinlich, dass die Prellung der Lendenwirbelsäule am 5.9.2001 über die 6. Woche nach dem Unfall hinaus körperliche Folgen für den Kläger gehabt habe. Daher sei eine messbare MdE nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 14.10.2001 unwahrscheinlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.7.2003 wies der Widerspruchs- und Einspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück.
Dagegen hat der Kläger am 7.8.2003 Klage zum Sozialgericht Heilbronn erhoben und u. a. vorgebracht, er könne die geänderte Meinung von Dr. S nicht akzeptieren, da er seit dem Arbeitsunfall schon beim Gehen und Liegen Schmerzen habe.
Das Sozialgericht hat das Gutachten des Dr. S., Facharzt für Neurochirurgie und Orthopädie sowie Chefarzt an der Orthopädischen Klinik M., vom 28.6.2004/20.12.2004 eingeholt. Er hat zusammenfassend ausgeführt, alle vom Kläger angegebenen Unfallszenarien seien lediglich geeignet gewesen, eine Prellung der Lendenwirbelsäule hervorzurufen, die spätestens nach drei Monaten als ausgeheilt anzusehen sei. Die reichlich vorhandene bildgebende Diagnostik der Lendenwirbelsäule einschließlich des unfallzeitpunktnah durchgeführten CT des 3. Lendenwirbelkörpers lasse eine knöcherne Verletzung ausschließen. Die später durchgeführten Funktionsuntersuchungen sowie die kernspintomographischen Untersuchungen ergäben keinen Anhalt für eine Band- oder Bandscheibenverletzung als Folge des angegebenen Sturzes vom 5.9.2001. Folgen des Unfalls vom 5.9.2001 seien nicht mehr festzustellen. Eine MdE liege nicht vor.
Der Kläger hat das Gutachten von Dr. S. und den Sachverständigen selbst - erfolglos (Beschluss des Sozialgerichts vom 08.03.2005, Beschluss des Senats vom 13.07.2005, L 10 U 1541/05 B) - abgelehnt.
Nachdem es eine zuvor mit dem Verfahren S 7 U 658/04 (Arbeitsunfall vom 20.05.1997) erfolgte Verbindung wieder aufgehoben hat, hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 9.8.2005 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente anlässlich des Unfallereignisses vom 5.9.2001, weil die Unfallfolgen eine MdE von unter 10 v. H. hinterlassen hätten. Dies ergebe sich überzeugend aus den Ausführungen von Dr. S. und aus der ergänzenden Stellungnahme von Dr. S vom 26.5.2003. Das Unfallereignis vom 5.9.2001 habe lediglich zu einer Prellung im 3. Lendenwirbelkörper geführt. Dahingestellt bleiben könne, ob die Beeinträchtigungen im HWS-Bereich auf das Unfallereignis vom 20.5.1997 zurückzuführen seien. Selbst wenn dies unterstellt werde, so sei es insoweit nicht zu einer Verschlimmerung durch das Unfallereignis vom 5.9.2001 gekommen.
Gegen den am 11.8.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 9.9.2005 Berufung eingelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 9.8.2005 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 18.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.7.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 5.9.2001 Verletztenrente nach einer MdE um 50 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie der Vorprozesse und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Der Kläger hat aufgrund des Unfalls vom 5.9.2001 keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 2. Mai 2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Hiervon ausgehend kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der Arbeitsunfall vom 5.9.2001 beim Kläger Folgen mit einer MdE von mindestens 10 v. H. über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus hinterlassen hat.
Das Sozialgericht hat in seinem Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, dass die Unfallfolgen über die 26. Woche nach dem 5.9.2000 hinaus keine MdE um wenigstens 10 v. H. bedingen. Es kommt daher nicht darauf an, ob ein Stützrententatbestand vorliegt. Der Senat macht sich die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids nach Überprüfung insoweit zu eigen und sieht gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Ergänzend ist lediglich auszuführen: Das vom Sozialgericht bei Dr. S. eingeholte Gutachten vom 28.6.2004 mit ergänzender Stellungnahme vom 20.12.2004 hat vom Sozialgericht - und kann vom Senat - sehr wohl als Grundlage für seine Entscheidung herangezogen werden können, denn der Antrag des Klägers, Dr. S. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, ist erfolglos geblieben.
Die Einbeziehung des im sozialgerichtlichen Verfahren (betr. BKen 1302, 1317) eingeholten Gutachtens von Dr. K. kommt nicht in Betracht, weil es im dortigen Verfahren um andere Sachverhalte geht.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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