Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AL 902/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 4138/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. März 2006 in der Fassung des Beschlusses vom 7. August 2006 abgeändert. Der Antrag der Antragstellerin auf einstweiligen Rechtsschutz wird insgesamt abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Gründe:
Die dem Landessozialgericht am 17.08.2006 vorgelegte, gemäß den §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe (SG) vom 30.03.2006, mit dem das SG die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zunächst verpflichtet hat, der Antragstellerin Arbeitslosengeld (Alg) in bewilligter Höhe vom 04.01.2006 bis 19.01.2006 zu bezahlen, den das SG mit Beschluss vom 07.08.2006 in teilweiser Abhilfe dahin berichtigt hat, dass die aufschiebende Wirkung der Klage vom 28.02.2006 (S 14 AL 901/06) gegen den Widerspruchsbescheid vom 26.01.2006 insoweit angeordnet wird, als die Antragsgegnerin die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 04.01.2006 bis 19.01.2006 aufgehoben hat, ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin, deren Eilantrag im Beschluss vom 30.03.2006 für den Zeitraum vom 26.10.2005 bis 03.01.2006 erfolglos blieb, hat entgegen der Auffassung des SG auch für die Zeit vom 04.01.2006 bis 19.01.2006 keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.10.2005, mit dem das ihr ab 13.04.2005 bewilligte Alg (Anspruchsdauer 360 Tage) ab 26.10.2005 aufgehoben wurde.
Das SG hat das Begehren der Antragstellerin im Beschluss vom 30.03.2006 zutreffend als statthaften Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ausgelegt und dementsprechend den Tenor der Entscheidung mit Beschluss vom 07.08.2006 im Wege der Teilabhilfe richtig gestellt. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Widerspruch und die Klage der Antragstellerin gegen den Aufhebungsbescheid vom 26.10.2005 haben nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Zwar haben nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG entfällt jedoch die aufschiebende Wirkung in Angelegenheiten u.a. der Bundesagentur für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen, wie dies bei dem Bescheid vom 26.10.2005 der Fall ist.
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs bzw. Klage aufgrund von § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen (Krodel, Der sozialgerichtliche Rechtsschutz in Anfechtungssachen, NZS 2001, 449, 453). Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber im Einzelfall auch zu Gunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Aufl. 2005, RdNr. 195).
Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens sind die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur einstweiligen Anordnung entwickelten Grundsätze anzuwenden (Krodel a.a.O. RdNr. 205). Danach sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung zu Gunsten des Antragstellers nicht erginge, die Klage später aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung erlassen würde, der Klage aber der Erfolg zu versagen wäre (st. Rspr des BVerfG; vgl. BVerfG NJW 2003, 2598, 2599 m.w.N.). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich zudem aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).
Im vorliegenden Fall ergibt die nach den dargestellten Grundsätzen vorzunehmende Abwägung, dass das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs bzw. ihrer Klage gegen den Bescheid vom 26.10.2005 das öffentliche Interesse an einem Vollzug dieses Bescheides nicht überwiegt.
Nach derzeitiger Aktenlage hat die Klage der Antragstellerin, die sie im Wesentlichen damit begründet hat, sie sei auf Leistungen der Antragsgegnerin für ihren Lebensunterhalt dringend angewiesen, keine Aussicht auf Erfolg. Die Antragstellerin bezog bis zur Aussteuerung vom 13.01.2004 bis 12.04.2005 durchgehend Krankengeld und meldete sich bei der Agentur für Arbeit Karlsruhe (AA) am 04.03.2005 zum 13.04.2005 arbeitslos. Die AA veranlasste zwei Begutachtungen der Antragstellerin durch ihren ärztlichen Dienst (zuletzt Gutachten vom 17.08.2005), die zu dem Ergebnis gelangten, dass die Antragstellerin für leichte Tätigkeiten mit Einschränkungen vollschichtig leistungsfähig sei. Die Antragstellerin stellt sich am 13.09.2005 bei einer Vorsprache gemäß dem ihr eröffneten Gutachten vom 17.08.2005 bis zur Entscheidung über einen von ihr gestellten Rentenantrag den Vermittlungsbemühungen der AA zur Verfügung. Bis zu diesem Zeitpunkt bestanden am Vorliegen sowohl der objektiven wie auch der subjektiven Verfügbarkeit der Antragstellerin keine Zweifel, weil sich die Antragstellerin entsprechend dem auch von der AA angenommenen Leistungsvermögen der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellte.
Am 16.09.2005 legte die Antragstellerin dann jedoch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Ärztin für Psychiatrie W.-F. vom 14.09.2005 vor, in der eine Arbeitsunfähigkeit der Antragstellerin bis voraussichtlich 29.09.2005 (Erstbescheinigung) bestätigt wird. Weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dieser Ärztin (Folgebescheinigungen) vom 05.10.2005 bis 31.10.2005, vom 26.10.2005 bis 30.11.2005, vom 30.11.2005 bis 31.12.2005 und eine Bescheinigung vom 19.01.2006, in der weiterhin Arbeitsunfähigkeit der Antragstellerin bescheinigt wird, folgten. Bei dieser Sachlage dürfte die Antragstellerin ab dem 26.10.2005 keinen Anspruch auf Alg mehr haben. Zwar verliert ein Arbeitsloser, der während des Bezuges von Alg infolge Krankheit arbeitsunfähig wird, gemäß § 126 SGB III dadurch nicht den Anspruch auf Alg für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit, dies allerdings nur bis zur Dauer von sechs Wochen. Dieser Zeitraum der Leistungsfortzahlung endete bei der Antragstellerin am 25.10.2005.
Für die Zeit ab 26.10.2005 besteht ein Anspruch auf Alg nur noch, wenn die Voraussetzungen nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III erfüllt sind. Davon kann nach derzeitiger Aktenlage und vorbehaltlich weiterer Erkenntnisse im Klageverfahren nicht ausgegangen werden. Nach der genannten Vorschrift hat Anspruch auf Arbeitslosengeld auch, wer allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil er wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist. Nach dem nach Aktenlage unter Auswertung von aktuellen Fremdbefunden vom ärztlichen Dienst der AA erstellten Gutachten des Arztes G. vom 17.08.2005 bestehen bei der Antragstellerin eine seelische Minderbelastung sowie eine Minderbelastung der Wirbelsäule bei Folgezustand nach Bandscheibenvorfall und operativen Eingriff. Diese bedingen nach Auffassung des Gutachters aber nur qualitative Leistungseinschränkungen und stehen einem vollschichtigen Leistungsvermögen für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht entgegen. Diese Bewertung erscheint plausibel und nachvollziehbar. Sie wird nicht durch die von der Antragstellerin vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bzw. Bescheinigung vom 19.01.2006 in Zweifel gezogen. Denn den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wie auch der Bescheinigung vom 19.01.2006 lassen sich keine Befunde entnehmen, die die Bewertung des Arztes Ganzhorn in seinem Gutachten unzutreffend erscheinen lässt. Der Ansicht des SG zur Begründung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung für die Zeit vom 04.01.2006 bis 19.01.2006, die vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bezögen sich lediglich auf die zuletzt von der Antragstellerin ausgeübten Tätigkeit als Chormitglied beim Staatstheater K., vermag sich der Senat - jedenfalls bei der derzeitigen Sachlage - nicht anzuschließen. Dies lässt sich weder aus dem Inhalt der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen noch der Bescheinigung vom 19.01.2006 entnehmen.
Mit der Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und ihrem Vorbringen gegenüber dem AA, sie könne auch keine leichten Arbeiten mehr verrichten (Beratungsvermerk der AA vom 20.01.2006), hat die Antragstellerin vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht bereit ist, eine Beschäftigung aufzunehmen, die dem Leistungsvermögen wie es in den Gutachten der AA beschrieben wird, entspricht. Damit fehlt es (zunächst) an der subjektiven Verfügbarkeit. Ein Anspruch auf Alg kann sich bei dieser Sachlage nach § 125 SGB III nur ergeben, wenn sich die Ansicht der Antragstellerin über ihr tatsächlich vorhandenes Leistungsvermögen als zutreffend erweisen sollte. Denn dann wäre die Antragstellerin auch objektiv nicht verfügbar und dies würde ihrem Alg-Anspruch nicht entgegen stehen.
Die subjektive Verfügbarkeit (Arbeitsbereitschaft) der Antragstellerin könnte aber auch deshalb fehlen, weil sie möglicherweise gar nicht bereit ist, ihre bisherige Tätigkeit aufzugeben, und zwar auch dann nicht, wenn sie eine andere Stelle erhalten könnte. In dem bereits erwähnten Beratungsvermerk vom 20.01.2006, in dem der Inhalt eines von der Antragstellerin mit der AA geführten Telefonats festgehalten wird, heißt es, die Antragstellerin sei auch nicht bereit ihre Stelle im Falle einer Vermittlung aufzugeben und arbeite nur beim alten Arbeitgeber weiter, da sie unkündbar sei. Sollte dieser Sachverhalt zutreffen, besteht unabhängig davon, wie das Leistungsvermögen der Antragstellerin zu beurteilen ist, kein Anspruch auf Alg.
Es besteht daher kein Anlass, von der gesetzlichen Wertung des § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG, dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides den Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einzuräumen, abzuweichen.
Dass bei der Antragstellerin ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist nach ihrem Vorbringen in der Klageschrift, "Arbeitslosenhilfe" zu beziehen, davon auszugehen, dass ihr Existenzminimum durch den Bezug von Leistungen zur Grundsicherung gedeckt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Gründe:
Die dem Landessozialgericht am 17.08.2006 vorgelegte, gemäß den §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe (SG) vom 30.03.2006, mit dem das SG die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zunächst verpflichtet hat, der Antragstellerin Arbeitslosengeld (Alg) in bewilligter Höhe vom 04.01.2006 bis 19.01.2006 zu bezahlen, den das SG mit Beschluss vom 07.08.2006 in teilweiser Abhilfe dahin berichtigt hat, dass die aufschiebende Wirkung der Klage vom 28.02.2006 (S 14 AL 901/06) gegen den Widerspruchsbescheid vom 26.01.2006 insoweit angeordnet wird, als die Antragsgegnerin die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 04.01.2006 bis 19.01.2006 aufgehoben hat, ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin, deren Eilantrag im Beschluss vom 30.03.2006 für den Zeitraum vom 26.10.2005 bis 03.01.2006 erfolglos blieb, hat entgegen der Auffassung des SG auch für die Zeit vom 04.01.2006 bis 19.01.2006 keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.10.2005, mit dem das ihr ab 13.04.2005 bewilligte Alg (Anspruchsdauer 360 Tage) ab 26.10.2005 aufgehoben wurde.
Das SG hat das Begehren der Antragstellerin im Beschluss vom 30.03.2006 zutreffend als statthaften Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ausgelegt und dementsprechend den Tenor der Entscheidung mit Beschluss vom 07.08.2006 im Wege der Teilabhilfe richtig gestellt. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Widerspruch und die Klage der Antragstellerin gegen den Aufhebungsbescheid vom 26.10.2005 haben nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Zwar haben nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG entfällt jedoch die aufschiebende Wirkung in Angelegenheiten u.a. der Bundesagentur für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen, wie dies bei dem Bescheid vom 26.10.2005 der Fall ist.
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs bzw. Klage aufgrund von § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen (Krodel, Der sozialgerichtliche Rechtsschutz in Anfechtungssachen, NZS 2001, 449, 453). Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber im Einzelfall auch zu Gunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Aufl. 2005, RdNr. 195).
Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens sind die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur einstweiligen Anordnung entwickelten Grundsätze anzuwenden (Krodel a.a.O. RdNr. 205). Danach sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung zu Gunsten des Antragstellers nicht erginge, die Klage später aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung erlassen würde, der Klage aber der Erfolg zu versagen wäre (st. Rspr des BVerfG; vgl. BVerfG NJW 2003, 2598, 2599 m.w.N.). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich zudem aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).
Im vorliegenden Fall ergibt die nach den dargestellten Grundsätzen vorzunehmende Abwägung, dass das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs bzw. ihrer Klage gegen den Bescheid vom 26.10.2005 das öffentliche Interesse an einem Vollzug dieses Bescheides nicht überwiegt.
Nach derzeitiger Aktenlage hat die Klage der Antragstellerin, die sie im Wesentlichen damit begründet hat, sie sei auf Leistungen der Antragsgegnerin für ihren Lebensunterhalt dringend angewiesen, keine Aussicht auf Erfolg. Die Antragstellerin bezog bis zur Aussteuerung vom 13.01.2004 bis 12.04.2005 durchgehend Krankengeld und meldete sich bei der Agentur für Arbeit Karlsruhe (AA) am 04.03.2005 zum 13.04.2005 arbeitslos. Die AA veranlasste zwei Begutachtungen der Antragstellerin durch ihren ärztlichen Dienst (zuletzt Gutachten vom 17.08.2005), die zu dem Ergebnis gelangten, dass die Antragstellerin für leichte Tätigkeiten mit Einschränkungen vollschichtig leistungsfähig sei. Die Antragstellerin stellt sich am 13.09.2005 bei einer Vorsprache gemäß dem ihr eröffneten Gutachten vom 17.08.2005 bis zur Entscheidung über einen von ihr gestellten Rentenantrag den Vermittlungsbemühungen der AA zur Verfügung. Bis zu diesem Zeitpunkt bestanden am Vorliegen sowohl der objektiven wie auch der subjektiven Verfügbarkeit der Antragstellerin keine Zweifel, weil sich die Antragstellerin entsprechend dem auch von der AA angenommenen Leistungsvermögen der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellte.
Am 16.09.2005 legte die Antragstellerin dann jedoch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Ärztin für Psychiatrie W.-F. vom 14.09.2005 vor, in der eine Arbeitsunfähigkeit der Antragstellerin bis voraussichtlich 29.09.2005 (Erstbescheinigung) bestätigt wird. Weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dieser Ärztin (Folgebescheinigungen) vom 05.10.2005 bis 31.10.2005, vom 26.10.2005 bis 30.11.2005, vom 30.11.2005 bis 31.12.2005 und eine Bescheinigung vom 19.01.2006, in der weiterhin Arbeitsunfähigkeit der Antragstellerin bescheinigt wird, folgten. Bei dieser Sachlage dürfte die Antragstellerin ab dem 26.10.2005 keinen Anspruch auf Alg mehr haben. Zwar verliert ein Arbeitsloser, der während des Bezuges von Alg infolge Krankheit arbeitsunfähig wird, gemäß § 126 SGB III dadurch nicht den Anspruch auf Alg für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit, dies allerdings nur bis zur Dauer von sechs Wochen. Dieser Zeitraum der Leistungsfortzahlung endete bei der Antragstellerin am 25.10.2005.
Für die Zeit ab 26.10.2005 besteht ein Anspruch auf Alg nur noch, wenn die Voraussetzungen nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III erfüllt sind. Davon kann nach derzeitiger Aktenlage und vorbehaltlich weiterer Erkenntnisse im Klageverfahren nicht ausgegangen werden. Nach der genannten Vorschrift hat Anspruch auf Arbeitslosengeld auch, wer allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil er wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist. Nach dem nach Aktenlage unter Auswertung von aktuellen Fremdbefunden vom ärztlichen Dienst der AA erstellten Gutachten des Arztes G. vom 17.08.2005 bestehen bei der Antragstellerin eine seelische Minderbelastung sowie eine Minderbelastung der Wirbelsäule bei Folgezustand nach Bandscheibenvorfall und operativen Eingriff. Diese bedingen nach Auffassung des Gutachters aber nur qualitative Leistungseinschränkungen und stehen einem vollschichtigen Leistungsvermögen für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht entgegen. Diese Bewertung erscheint plausibel und nachvollziehbar. Sie wird nicht durch die von der Antragstellerin vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bzw. Bescheinigung vom 19.01.2006 in Zweifel gezogen. Denn den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wie auch der Bescheinigung vom 19.01.2006 lassen sich keine Befunde entnehmen, die die Bewertung des Arztes Ganzhorn in seinem Gutachten unzutreffend erscheinen lässt. Der Ansicht des SG zur Begründung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung für die Zeit vom 04.01.2006 bis 19.01.2006, die vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bezögen sich lediglich auf die zuletzt von der Antragstellerin ausgeübten Tätigkeit als Chormitglied beim Staatstheater K., vermag sich der Senat - jedenfalls bei der derzeitigen Sachlage - nicht anzuschließen. Dies lässt sich weder aus dem Inhalt der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen noch der Bescheinigung vom 19.01.2006 entnehmen.
Mit der Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und ihrem Vorbringen gegenüber dem AA, sie könne auch keine leichten Arbeiten mehr verrichten (Beratungsvermerk der AA vom 20.01.2006), hat die Antragstellerin vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht bereit ist, eine Beschäftigung aufzunehmen, die dem Leistungsvermögen wie es in den Gutachten der AA beschrieben wird, entspricht. Damit fehlt es (zunächst) an der subjektiven Verfügbarkeit. Ein Anspruch auf Alg kann sich bei dieser Sachlage nach § 125 SGB III nur ergeben, wenn sich die Ansicht der Antragstellerin über ihr tatsächlich vorhandenes Leistungsvermögen als zutreffend erweisen sollte. Denn dann wäre die Antragstellerin auch objektiv nicht verfügbar und dies würde ihrem Alg-Anspruch nicht entgegen stehen.
Die subjektive Verfügbarkeit (Arbeitsbereitschaft) der Antragstellerin könnte aber auch deshalb fehlen, weil sie möglicherweise gar nicht bereit ist, ihre bisherige Tätigkeit aufzugeben, und zwar auch dann nicht, wenn sie eine andere Stelle erhalten könnte. In dem bereits erwähnten Beratungsvermerk vom 20.01.2006, in dem der Inhalt eines von der Antragstellerin mit der AA geführten Telefonats festgehalten wird, heißt es, die Antragstellerin sei auch nicht bereit ihre Stelle im Falle einer Vermittlung aufzugeben und arbeite nur beim alten Arbeitgeber weiter, da sie unkündbar sei. Sollte dieser Sachverhalt zutreffen, besteht unabhängig davon, wie das Leistungsvermögen der Antragstellerin zu beurteilen ist, kein Anspruch auf Alg.
Es besteht daher kein Anlass, von der gesetzlichen Wertung des § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG, dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides den Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einzuräumen, abzuweichen.
Dass bei der Antragstellerin ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist nach ihrem Vorbringen in der Klageschrift, "Arbeitslosenhilfe" zu beziehen, davon auszugehen, dass ihr Existenzminimum durch den Bezug von Leistungen zur Grundsicherung gedeckt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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