L 8 B 42/06 AL PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 35 AL 1703/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 B 42/06 AL PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 16. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Im Klageverfahren streiten die Beteiligten darum, ob die Beklagte zurecht eine Entscheidung über Bewilligung von Arbeitslosengeld aufgehoben hat und die Leistung zurückfordern darf.

Mit Bescheid vom 11.09.2003 ist dies für den Zeitraum vom 09.01.2003 bis 12.01.2003 (Erstattungssumme von 122,13 Euro) und mit weiterem Bescheid vom 11.09.2003 für die Zeit vom 28.01.2003 bis zum 16.06.2003 (4.488,46 Euro) geschehen. Diese sind im laufenden Widerspruchsverfahren durch einen Bescheid vom 28.11.2003 ersetzt sowie mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2003 bestätigt worden.

Denn nach den Ermittlungen der Beklagten stand die Klägerin bei der Firma S. vom 09.01.2003 bis 10.01.2003 und vom 21.01.2003 - 27.01.2003 in einem kurzfristigen Beschäftigungsverhältnis, ohne dies der Beklagten mitgeteilt zu haben. Als Grund für das Versäumnis gab die Klägerin in der Anhörung die Auskunft einer anderen Mitarbeiterin diese Firma an, dies ebenfalls so gehandhabt zu haben und weiter, man müsse sich beim Arbeitsamt nicht melden, da dies automatisch geschehe. Wegen dieser Vorgänge, soweit sie den Zeitraum vom 09.01. bis 28.02.2003 betreffen, ist gegen die Klägerin auch ein Strafbefehl des Amtsgerichts M. ergangen, der nach Rücknahme des Einspruchs rechtskräftig geworden ist.

Eine erneute Meldung der Klägerin (Gruppeninformation) erfolgte erst wieder am 17.06.2003 wegen einer Information über ein Sonderprogramm für Jugendliche. Zuvor wurde am 03.04.2003 eine Arbeitsunfähigkeit vom 03.04.2003 bis zum 25.04.2003 angezeigt.

Mit der hiergegen zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage wird im wesentlichen die Begründung aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt, wonach die 1981 geborene, noch junge Klägerin aufgrund ihrer Herkunft aus Sachsen-Anhalt in behördlichen Dingen unerfahren sei. Zudem sei sie monatelang arbeitsunfähig erkrankt gewesen, was durch die Krankmeldungen vom 03.04.2003 bis zum 25.04.2003 nur unzulänglich dokumentiert werde. Schließlich sei die Mutter der Klägerin bei ihrer Vorsprache Anfang April 2003 (Überbringen der Krankmeldungen) nur unzureichend aufgeklärt würden. Diese habe sich anlässlich ihrer Vorsprache beim Arbeitsamt auch darum bemüht, nähere Aufklärung darüber zu erhalten, was im Falle ihrer Tochter für diese zu tun sei; das Arbeitsamt habe sie jedoch abgewiesen. Letztlich aber habe die Klägerin auch auf die Aussage ihrer Arbeitskollegen vertraut, dass die Aushilfstätigkeit durch den Arbeitgeber angezeigt würden. Die ausgehändigten Merkblätter seien nicht in einer Weise so klar abgefasst, dass sie für die aus Ostdeutschland stammende Klägerin mit ihrer allenfalls durchschnittlichen Schulbildung verständlich gewesen seien.

Am 26.01.2004 hat die Klägerin Antrag auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts Dr. K. beantragt. Durch Beschluss vom 16.12.2005 hat das SG den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass keine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung bestehe.

Hiergegen hat die Klägerin am 10.01.2006 (Eingang beim SG) Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat (Verfügung vom 12.01.2006).

Zur Begründung werden im wesentlichen bereits die Argumente aus dem Widerspruchs- und Klageverfahren wiederholt. Zusätzlich bringt der Klägerbevollmächtigte vor, dass die Erlöschenswirkung von § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III auf einen Zeitraum von drei Monaten zu begrenzen sei (Urteil des LSG Hamburg vom 04.05.2005, Az.: L 5 AL 730/02).

II.

Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig (§§ 73a, 172 ff. Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 127 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO -), aber nicht begründet.

Das SG hat mit seinem Beschluss vom 16.12.2005 den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt.

Nach § 73a Abs. 1 SGG (i.V.m. § 114 ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird dem Beteiligten auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Trotz des Vorliegens der wirtschaftlichen Voraussetzungen ist der Antrag abzulehnen, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Bei der Prüfung der hinreichenden Aussicht auf Erfolg im Rahmen der Prozesskostenhilfe erfolgt nur eine vorläufige Prüfung (Baumbach, ZPO, Kommentar, § 114 Rn. 80). Dabei ist der verfassungsrechtlich gezogene Rahmen (Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 GG) zu beachten. Hinreichende Erfolgsaussicht ist zu bejahen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Klägerin aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Aufl. 2005, § 73a Rdnr. 7, 7a m.w.N.). Aus Gründen der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten sind keine allzu überspannten Anforderungen zu stellen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.04.2000, Az.: 1 BvR 81/00, NJW 2000, 1936.

Auch unter Zugrundelegung dieser zugunsten der Klägerin herabgesetzten Anforderungen ist eine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.d. §§ 73 a SGG, 114 ZPO nicht gegeben.

Die Entscheidung der Beklagten beruht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III (i.d.F. des Arbeitsförderungsreformgesetzes (AFRG) vom 24.03.1997 - BGBl I 594). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bei einer wesentlichen tatsächlichen oder rechtlichen Änderung der Verhältnisse, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit die Klägerin einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für sie nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2). Die Mitteilungsverpflichtung resultiert aus den Obliegenheiten im Sozialversicherungsverhältnis, die in § 60 Abs. 1 SGB I insoweit konkretisiert sind. Zusätzlich wurde die Klägerin bei ihrer Antragstellung auf ihre Verpflichtungen hingewiesen, dem Arbeitsamt die Ausübung bzw. Aufnahme jeglicher Tätigkeit mitzuteilen. Hierzu gehöre u.a. die Ausübung einer Nebentätigkeit auf der sog. Geringverdienerbasis. Dies hat die Klägerin unterschriftlich am 30.12.2002 bestätigt.

Bei der Beurteilung einer Verletzung der Mitwirkungspflicht im Sinne einer groben Fahrlässigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. dazu nur Urteile des BSG vom 25.04.1990 mit dem Az.: 7 RAr 20/89, 24.04.1997 mit dem Az.: 11 RAr 89/96 und vom 09.02.2006 mit dem Az.: B 7a AL 58/05 R), ein subjektiver, kein objektiver Fahrlässigkeitsmaßstab, anzulegen.

Die äußeren Umstände der Geschäftsgewandtheit die Klägerin im Umgang mit der Arbeitsverwaltung, ihre mehrjährige Ausbildung zur Rechtsanwaltsgehilfin von 1996 bis 1999, wenn auch ohne bestandene Abschlussprüfung, wie auch der qualifizierte Hauptschulabschluss in Sachsen-Anhalt lassen schwerlich den Schluss zu, dass die Klägerin das einfach gestaltete Hinweisblatt, dass sie selbst am 30.12.2002 unterzeichnet hat, nicht verstanden hat. Wenn sie sich dennoch auf unzutreffende Auskünfte einer Arbeitskollegin verlassen hat, handelte sie zumindest grob fahrlässig. Sie hätte sich ohne weitere Nachfragen nicht darauf verlassen dürfen. Durch die Rücknahme ihres Einspruchs im Strafverfahren hat sie im Übrigen in gewisser Weise eingeräumt, sogar vorsätzlich gehandelt zu haben (Betrugsdelikt). Auch wenn sich der Strafbefehl nur auf einen Teilzeitraum hinsichtlich des gesamten unrechtmäßigen Leistungsbezugs bezieht, ändert sich daran nichts. Im Übrigen bedarf es keiner Kenntnis rechtlicher Zusammenhänge, um erkennen zu können, dass Leistungen der Beklagten nur bei bestehender Arbeitslosigkeit gewährt werden und dieser deshalb von einer Arbeitsaufnahme umgehend Mit-teilung zu machen ist, damit sie ihre Leistungen (zumindest vorläufig) einstellen kann. Denn jedenfalls ist der Klägerin bewusst gewesen, dass sie trotz ihrer Tätigkeitsaufnahme weiterhin die Leistungen der Arbeitsverwaltung erhalten hat. Spätestens damit hat ihr klar sein müssen, dass die Meldung über den Arbeitgeber nicht erfolgt ist.

Dieser Fahrlässigkeitsvorwurf gilt im Übrigen für den weiteren Sachverhalt, dass die Klägerin die Beendigung der Zwischenbeschäftigung nicht angezeigt hat. Auch dazu wäre sie nach dem von ihr unterschriebenen Hinweisblatt verpflichtet gewesen. Deswegen hat sie sich auch die in § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III geregelten Rechtsfolge zurechnen zu lassen, wonach mit Aufnahme der Beschäftigung die Wirkung der zuvor erfolgten Meldung erlischt. Im übrigen ist aber eine weitere wesentliche Änderung eingetreten. Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten findet in der hier geltenden Fassung von § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III keine Begrenzung der Erlöschenswirkung einer Arbeitsaufnahme auf einen Zeitraum von drei Monaten statt. Diese Entscheidung des LSG Hamburg hatte keinen Bestand. Mit Urteil des BSG vom 01.06.2006, Az.: B 7a AL 76/05 R ist der erweiternden Rechtsfortbildung durch das LSG Hamburg nicht beigetreten worden. Vielmehr hat das BSG festgestellt, dass eine Beschränkung der in § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III angeordneten Erlöschenswirkung weder vom Gesetzgeber gewollt war, noch eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzes vorliegt, auch nicht im Zusammen-hang mit der Streichung der bis zum 31.07.1999 geltenden Regelung des § 122 Abs. 2 Nr. 3 SGB III.

Der pauschal vorgebrachte Hinderungsgrund der Erkrankung ist bislang nicht belegt. Allein durch eine Arbeitsunfähigkeit im April 2003 zeitlich nach den der Klägerin vorgeworfenen Versäumnissen im Januar 2003 ist dies nicht schlüssig dargetan. Im Übrigen wäre bei diesem Sachvortrag ebenfalls ein Versäumnis gegeben, denn die Klägerin wäre auch verpflichtet gewesen, die Minderung ihrer Leistungsfähigkeit anzuzeigen. Denn soweit diese ein Ausmaß von sechs Wochen überschreitet, erfolgt keine Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit (§ 126 SGB III). Es wäre dann aus einem anderen Grunde eine wesentliche Änderung eingetreten, die von der Klägerin wiederum nicht angezeigt worden wäre.

Auch die übrigen Einlassungen rechtfertigen nicht die Prognose, dass die Rechtsverteidigung erfolgreich sein wird; dies selbst dann, wenn noch weitere Ermittlungen wie z. B. die Beiziehung der Strafakte oder die persönliche Anhörung der Klägerin oder deren Mutter erfolgen sollten. Die Klägerin lebt seit dem Alter von 15 Jahren seit 1994 im Großraum M ... Es ist nicht ersichtlich, weswegen ihre Herkunft aus Sachsen-Anhalt zu reduzierten Mitwirkungsverpflichtungen im Jahre 2003 führen sollten. Ebensowenig ist ersichtlich, weswegen die Mutter der Klägerin, die im April 2003 die Krankheit ihrer Tochter angezeigt hat, hinsichtlich eines Meldeversäumnisses im Januar desselben Jahres beraten werden sollte, wenn die Arbeitsverwaltung gerade wegen dieses Versäumnisses nichts von diesem Sachverhalt wusste. Denn hätte die Mutter auch dieses Meldeversäumnis angezeigt, wäre die Aufhebungsentscheidung sicher bereits früher erfolgt. Damit hat die Klägerin insbesondere auch die Höhe der zu Unrecht erfolgten Zahlung verursacht.

Die Beschwerde hatte damit keinen Erfolg und ist zurückzuweisen.

Die Entscheidung ergeht kostenfrei (§ 183 SGG) und ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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