Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 1307/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 2723/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 01.04.2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und die Rückforderung von Leistungen.
Der 1954 geborene Kläger war vom 01.10.1987 bis 31.01.2001 als Reiseleiter beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis endete aufgrund eigener Kündigung. Er meldete sich am 15.02.2001 beim Arbeitsamt (AA) Reutlingen arbeitslos und beantragte Alg. Das AA lehnte den Antrag für zwölf Wochen wegen Eintritts einer Sperrzeit ab, verfügte eine Anspruchsminderung um 135 Tage und bewilligte mit Bescheid vom 04.04.2001 Alg ab 26.04.2001 in Höhe von 261,10 DM wöchentlich für eine Anspruchsdauer von 405 Tagen. Mit Bescheid vom 02.01.2002 passte es die Leistung an die neue Leistungsverordnung an (Zahlbetrag nunmehr 133,70 EUR wöchentlich) und dynamisierte sie mit Bescheid vom 25.02.2002 (Zahlbetrag nunmehr 134,61 EUR wöchentlich).
Das AA forderte ihn unter Rechtsfolgenbelehrung (Eintritt einer Sperrzeit von drei Wochen Dauer) auf, an einem Teamtraining vom 26.02.2002 bis 28.02.2002 teilzunehmen. Er lehnte die Teilnahme ab. Er teilte hierzu am 22.02.2002 schriftlich mit, er könne wegen der außerordentlich kurzen Vorlaufzeit von vier Werktagen die Betreuung seiner Kinder im Alter von zwei und fünf Jahren nicht organisieren. Selbstverständlich sei er bereit, an einem Seminar teilzunehmen, dessen Termin er mindestens zwei bis drei Wochen im Voraus kenne, ebenso stehe er an einem Wochenendtermin zur Disposition.
Die Beklagte stellte daraufhin die Leistung ab 01.03.2002 ein und teilte dies dem Kläger durch Übersendung eines Leistungsnachweises vom 01.03.2002 mit. Hiergegen erhob er Widerspruch.
Mit Bescheid vom 11.04.2002 hob das AA Reutlingen die Bewilligung ab 26.02.2002 auf und forderte Alg und Versicherungsbeiträge in Höhe von 80,59 EUR zurück. Der Bescheid enthielt den Hinweis, er werde Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.2002 wies das AA den Widerspruch zurück.
Am 15.05.2002 hat der Kläger Klage beim SG Reutlingen erhoben: Er sei zuletzt im Januar 2001 40 Stunden in der Woche bei einem Busunternehmer mit der Organisation und Begleitung von Reisen beschäftigt gewesen. Seine Ehefrau sei beim Landesdenkmalamt in Tübingen in Vollzeit beschäftigt. Die Organisation der Kinderbetreuung sei für ihn kein Problem, da auch in der Vergangenheit Nachbarn, Großeltern sowie eine in der Nähe wohnende Tagesmutter bei Bedarf zur Verfügung gestanden hätte. Dies setze jedoch voraus, dass feste Zeiten der Berufstätigkeit feststünden und Termine zwischen den Ehepartnern abgestimmt würden. Gerade am 26.02.2002 habe sich die Ehefrau auf Dienstreise befunden, dies habe am 21.02.2002 nicht mehr umorganisiert werden können. Wäre er jedoch darauf hingewiesen worden, dass bei Verweigerung der Teilnahme eine völlige Streichung des Alg in Frage komme, hätte er für die Zeit vom 26.02.2002 bis 28.02.2002 tagsüber für die Kinderbetreuung gesorgt. Die Aufforderung sei jedoch nur mit der Rechtsfolgenbelehrung betreffend einer Sperrzeit versehen gewesen.
Mit Urteil vom 01.04.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Gegen das ihm am 02.07.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.07.2003 Berufung eingelegt: Die Probleme, die Kinderbetreuung sicherzustellen, hätten sich ausschließlich auf den Zeitpunkt der Maßnahme bezogen, weil seine Frau an einer Fortbildung teilgenommen hätte. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Verfügbarkeit generell entfallen sein sollte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Reutlingen vom 01.04.2003 und den Bescheid vom 11.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.04.2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Kläger habe eindeutig erklärt, er benötige zwei bis drei Wochen, um die Kinderbetreuung sicherzustellen. Damit habe er der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Insbesondere übersteigt der Beschwerdewert die nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG maßgebliche Grenze von 500 EUR. Zum Zeitpunkt der Aufhebung hat der Kläger noch einen Restanspruch auf Alg von 96 Tagen gehabt. Bei dem Anspruch in Höhe von 19,23 EUR täglich ist ein über dem Grenzbetrag liegender Betrag streitig.
Formale Bedenken gegen die angefochtenen Bescheide bestehen nicht. Insbesondere liegt ein Anhörungsfehler nicht vor. Nach § 24 Abs 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Vor Erlass des Erstbescheids hat die Beklagte den zwar Kläger nicht angehört. Dieser Mangel ist jedoch durch Durchführung des Widerspruchsverfahrens geheilt worden. Insofern ist erforderlich, dass die Begründung des mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheids selbst alle Tatsachen enthält, auf die es nach der Rechtsansicht der Behörde für den Verfügungssatz objektiv ankommt. Diese Voraussetzungen erfüllt der Bescheid vom 11.4.2002.
Rechtsgrundlage der Aufhebung der Bewilligung ist § 48 Abs. 1 SGB X. Hiernach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X ist der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grobfahrlässig nicht nachgekommen ist. Eine Ermessensentscheidung hat hierbei nach § 330 Abs. 3 SGB III nicht zu ergehen.
Eine wesentliche Änderung ist darin zu sehen, dass der Kläger ab 22.2.2002 - dem Eingang seines Schreibens vom 21.2.2002 beim AA - nicht mehr arbeitslos gewesen ist, weil es an der Verfügbarkeit gefehlt hat.
Nach §117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III hat nur derjenige Anspruch auf Alg, der unter anderem arbeitslos ist. Arbeitslos ist gemäß §118 Abs. 1 SGB III ein Arbeitnehmer, der 1. vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und 2. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche). Eine Beschäftigung sucht nach §119 Abs. 1 SGB III wer 1. alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und 2. den Vermittlungsbemühungen das AA zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Den Vermittlungsbemühungen des AA steht zur Verfügung, wer arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist (§119 Abs. 2 SGB III). Gemäß § 119 Abs. 3 SGB III ist arbeitsfähig ein Arbeitsloser, der 1. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkts aufnehmen und ausüben, 2. an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilnehmen und 3. Vorschlägen des AA zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf. Die Verfügbarkeit muss zu jedem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitslose Anspruch auf Leistungen erhebt vorliegen. Es genügt also nicht, wenn er sie erst im Bedarfsfall herstellt.
Diese Voraussetzungen haben nicht mehr vorgelegen. Der Kläger hat eindeutig erklärt, er müsse seine Kinder im Alter von zwei und fünf Jahren ganztägig betreuen, eine Tagesmutter stehe nicht zur Verfügung. Wenn er den Termin eines Seminars zwei bis drei Wochen vorher kenne, sei er bereit teilzunehmen. Damit ist er nicht mehr aktuell bereit und in der Lage gewesen, jederzeit an einer Bildungsmaßnahme teilzunehmen. Hierfür hat er eine Vorlaufzeit benötigt. Dass die Einschränkung nur für eine bestimmten Zeitraum oder einer bestimmten Situation bestanden hat, ist aus der Erklärung nicht ersichtlich. Eine Belehrung über die Folgen mangelnder Verfügbarkeit ist nicht erforderlich.
Auch die weiteren Voraussetzungen für die Aufhebung der Bewilligung ab Änderung der Verhältnisse haben vorgelegen. Der Kläger hat seine Mitteilungspflichten verletzt. Der Leistungsempfänger ist nach § 60 SGB I verpflichtet, sämtliche Änderungen, die für den Bezug der Leistung wesentlich sind, mitzuteilen. Insbesondere sind nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I Änderungen gegenüber dem Antrag angegebenen Verhältnissen grundsätzlich mitzuteilen, ohne dass dem Leistungsempfänger klar sein muss, welche Bedeutung die Änderungen haben. Der Kläger ist im Alg-Antrag nach Einschränkungen der Vermittlungsfähigkeit befragt worden (Frage 2c). Hier ist er u.a. danach gefragt worden, ob die Kinderbetreuung stets sichergestellt ist, wenn er sie selbst nicht übernehmen könne. Er hat in Kenntnis dieser Frage das Vorliegen von Vermittlungshindernissen verneint und damit bestätigt, dass die Betreuung sichergestellt ist.
Ihm ist auch grobe Fahrlässigkeit bezüglich der Verletzung der Mitteilungspflichten und damit der Unvollständigkeit der Angaben vorzuwerfen. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB X). Dabei ist ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Grobe Fahrlässigkeit ist zu bejahen, wenn der Betroffene schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste. Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalls und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, das heißt seine Urteilsfähigkeit und sein Einsichtsvermögen, im Übrigen auch sein Verhalten. Unter Berücksichtigung dessen erfordert es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass er den Inhalt der ihm übergebenen Merkblätter zur Kenntnis nimmt. Im Merkblatt für Arbeitslose, dessen Erhalt und Kenntnisnahme der Kläger bestätigt hat, ist ausgeführt, dass die Kinderbetreuung jederzeit sichergestellt sein muss. Hinweise dafür, dass der Kläger nicht in der Lage gewesen ist, diese Hinweise zu verstehen, sind nicht ersichtlich.
Durfte die Beklagte die Bewilligung jedenfalls ab 26.2.2002 aufheben, ist sie verpflichtet gewesen, die über diesen Zeitpunkt hinaus erbrachten Leistungen zurückzufordern (§ 50 Abs. 1 SGB III). Den Rückforderungsbetrag hat das AA zutreffen errechnet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und die Rückforderung von Leistungen.
Der 1954 geborene Kläger war vom 01.10.1987 bis 31.01.2001 als Reiseleiter beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis endete aufgrund eigener Kündigung. Er meldete sich am 15.02.2001 beim Arbeitsamt (AA) Reutlingen arbeitslos und beantragte Alg. Das AA lehnte den Antrag für zwölf Wochen wegen Eintritts einer Sperrzeit ab, verfügte eine Anspruchsminderung um 135 Tage und bewilligte mit Bescheid vom 04.04.2001 Alg ab 26.04.2001 in Höhe von 261,10 DM wöchentlich für eine Anspruchsdauer von 405 Tagen. Mit Bescheid vom 02.01.2002 passte es die Leistung an die neue Leistungsverordnung an (Zahlbetrag nunmehr 133,70 EUR wöchentlich) und dynamisierte sie mit Bescheid vom 25.02.2002 (Zahlbetrag nunmehr 134,61 EUR wöchentlich).
Das AA forderte ihn unter Rechtsfolgenbelehrung (Eintritt einer Sperrzeit von drei Wochen Dauer) auf, an einem Teamtraining vom 26.02.2002 bis 28.02.2002 teilzunehmen. Er lehnte die Teilnahme ab. Er teilte hierzu am 22.02.2002 schriftlich mit, er könne wegen der außerordentlich kurzen Vorlaufzeit von vier Werktagen die Betreuung seiner Kinder im Alter von zwei und fünf Jahren nicht organisieren. Selbstverständlich sei er bereit, an einem Seminar teilzunehmen, dessen Termin er mindestens zwei bis drei Wochen im Voraus kenne, ebenso stehe er an einem Wochenendtermin zur Disposition.
Die Beklagte stellte daraufhin die Leistung ab 01.03.2002 ein und teilte dies dem Kläger durch Übersendung eines Leistungsnachweises vom 01.03.2002 mit. Hiergegen erhob er Widerspruch.
Mit Bescheid vom 11.04.2002 hob das AA Reutlingen die Bewilligung ab 26.02.2002 auf und forderte Alg und Versicherungsbeiträge in Höhe von 80,59 EUR zurück. Der Bescheid enthielt den Hinweis, er werde Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.2002 wies das AA den Widerspruch zurück.
Am 15.05.2002 hat der Kläger Klage beim SG Reutlingen erhoben: Er sei zuletzt im Januar 2001 40 Stunden in der Woche bei einem Busunternehmer mit der Organisation und Begleitung von Reisen beschäftigt gewesen. Seine Ehefrau sei beim Landesdenkmalamt in Tübingen in Vollzeit beschäftigt. Die Organisation der Kinderbetreuung sei für ihn kein Problem, da auch in der Vergangenheit Nachbarn, Großeltern sowie eine in der Nähe wohnende Tagesmutter bei Bedarf zur Verfügung gestanden hätte. Dies setze jedoch voraus, dass feste Zeiten der Berufstätigkeit feststünden und Termine zwischen den Ehepartnern abgestimmt würden. Gerade am 26.02.2002 habe sich die Ehefrau auf Dienstreise befunden, dies habe am 21.02.2002 nicht mehr umorganisiert werden können. Wäre er jedoch darauf hingewiesen worden, dass bei Verweigerung der Teilnahme eine völlige Streichung des Alg in Frage komme, hätte er für die Zeit vom 26.02.2002 bis 28.02.2002 tagsüber für die Kinderbetreuung gesorgt. Die Aufforderung sei jedoch nur mit der Rechtsfolgenbelehrung betreffend einer Sperrzeit versehen gewesen.
Mit Urteil vom 01.04.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Gegen das ihm am 02.07.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.07.2003 Berufung eingelegt: Die Probleme, die Kinderbetreuung sicherzustellen, hätten sich ausschließlich auf den Zeitpunkt der Maßnahme bezogen, weil seine Frau an einer Fortbildung teilgenommen hätte. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Verfügbarkeit generell entfallen sein sollte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Reutlingen vom 01.04.2003 und den Bescheid vom 11.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.04.2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Kläger habe eindeutig erklärt, er benötige zwei bis drei Wochen, um die Kinderbetreuung sicherzustellen. Damit habe er der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Insbesondere übersteigt der Beschwerdewert die nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG maßgebliche Grenze von 500 EUR. Zum Zeitpunkt der Aufhebung hat der Kläger noch einen Restanspruch auf Alg von 96 Tagen gehabt. Bei dem Anspruch in Höhe von 19,23 EUR täglich ist ein über dem Grenzbetrag liegender Betrag streitig.
Formale Bedenken gegen die angefochtenen Bescheide bestehen nicht. Insbesondere liegt ein Anhörungsfehler nicht vor. Nach § 24 Abs 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Vor Erlass des Erstbescheids hat die Beklagte den zwar Kläger nicht angehört. Dieser Mangel ist jedoch durch Durchführung des Widerspruchsverfahrens geheilt worden. Insofern ist erforderlich, dass die Begründung des mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheids selbst alle Tatsachen enthält, auf die es nach der Rechtsansicht der Behörde für den Verfügungssatz objektiv ankommt. Diese Voraussetzungen erfüllt der Bescheid vom 11.4.2002.
Rechtsgrundlage der Aufhebung der Bewilligung ist § 48 Abs. 1 SGB X. Hiernach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X ist der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grobfahrlässig nicht nachgekommen ist. Eine Ermessensentscheidung hat hierbei nach § 330 Abs. 3 SGB III nicht zu ergehen.
Eine wesentliche Änderung ist darin zu sehen, dass der Kläger ab 22.2.2002 - dem Eingang seines Schreibens vom 21.2.2002 beim AA - nicht mehr arbeitslos gewesen ist, weil es an der Verfügbarkeit gefehlt hat.
Nach §117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III hat nur derjenige Anspruch auf Alg, der unter anderem arbeitslos ist. Arbeitslos ist gemäß §118 Abs. 1 SGB III ein Arbeitnehmer, der 1. vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und 2. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche). Eine Beschäftigung sucht nach §119 Abs. 1 SGB III wer 1. alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und 2. den Vermittlungsbemühungen das AA zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Den Vermittlungsbemühungen des AA steht zur Verfügung, wer arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist (§119 Abs. 2 SGB III). Gemäß § 119 Abs. 3 SGB III ist arbeitsfähig ein Arbeitsloser, der 1. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkts aufnehmen und ausüben, 2. an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilnehmen und 3. Vorschlägen des AA zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf. Die Verfügbarkeit muss zu jedem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitslose Anspruch auf Leistungen erhebt vorliegen. Es genügt also nicht, wenn er sie erst im Bedarfsfall herstellt.
Diese Voraussetzungen haben nicht mehr vorgelegen. Der Kläger hat eindeutig erklärt, er müsse seine Kinder im Alter von zwei und fünf Jahren ganztägig betreuen, eine Tagesmutter stehe nicht zur Verfügung. Wenn er den Termin eines Seminars zwei bis drei Wochen vorher kenne, sei er bereit teilzunehmen. Damit ist er nicht mehr aktuell bereit und in der Lage gewesen, jederzeit an einer Bildungsmaßnahme teilzunehmen. Hierfür hat er eine Vorlaufzeit benötigt. Dass die Einschränkung nur für eine bestimmten Zeitraum oder einer bestimmten Situation bestanden hat, ist aus der Erklärung nicht ersichtlich. Eine Belehrung über die Folgen mangelnder Verfügbarkeit ist nicht erforderlich.
Auch die weiteren Voraussetzungen für die Aufhebung der Bewilligung ab Änderung der Verhältnisse haben vorgelegen. Der Kläger hat seine Mitteilungspflichten verletzt. Der Leistungsempfänger ist nach § 60 SGB I verpflichtet, sämtliche Änderungen, die für den Bezug der Leistung wesentlich sind, mitzuteilen. Insbesondere sind nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I Änderungen gegenüber dem Antrag angegebenen Verhältnissen grundsätzlich mitzuteilen, ohne dass dem Leistungsempfänger klar sein muss, welche Bedeutung die Änderungen haben. Der Kläger ist im Alg-Antrag nach Einschränkungen der Vermittlungsfähigkeit befragt worden (Frage 2c). Hier ist er u.a. danach gefragt worden, ob die Kinderbetreuung stets sichergestellt ist, wenn er sie selbst nicht übernehmen könne. Er hat in Kenntnis dieser Frage das Vorliegen von Vermittlungshindernissen verneint und damit bestätigt, dass die Betreuung sichergestellt ist.
Ihm ist auch grobe Fahrlässigkeit bezüglich der Verletzung der Mitteilungspflichten und damit der Unvollständigkeit der Angaben vorzuwerfen. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB X). Dabei ist ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Grobe Fahrlässigkeit ist zu bejahen, wenn der Betroffene schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste. Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalls und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, das heißt seine Urteilsfähigkeit und sein Einsichtsvermögen, im Übrigen auch sein Verhalten. Unter Berücksichtigung dessen erfordert es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass er den Inhalt der ihm übergebenen Merkblätter zur Kenntnis nimmt. Im Merkblatt für Arbeitslose, dessen Erhalt und Kenntnisnahme der Kläger bestätigt hat, ist ausgeführt, dass die Kinderbetreuung jederzeit sichergestellt sein muss. Hinweise dafür, dass der Kläger nicht in der Lage gewesen ist, diese Hinweise zu verstehen, sind nicht ersichtlich.
Durfte die Beklagte die Bewilligung jedenfalls ab 26.2.2002 aufheben, ist sie verpflichtet gewesen, die über diesen Zeitpunkt hinaus erbrachten Leistungen zurückzufordern (§ 50 Abs. 1 SGB III). Den Rückforderungsbetrag hat das AA zutreffen errechnet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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