Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 1125/06 AK-A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3530/06 AK-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. Mai 2006 dahingehend abgeändert, dass die Beklagte der Klägerin zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat.
Gründe:
Die gemäß § 172 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Beklagten ist begründet.
Nach § 193 Abs. 1 SGG hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben; es entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren - wie hier - anders als durch Urteil beendet wird. Der Inhalt dieser Entscheidung richtet sich nach billigem Ermessen ohne Rücksicht auf die Anträge der Beteiligten (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 8. Auflage 2005, § 193 Rdnr. 12 ff.). Grundsätzlich hat das Gericht bei der Ausübung des sachgemäßen oder billigem Ermessens alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Bei Erledigung ohne Urteil hat vor allem der nach dem bisherigen Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Erledigung zu beurteilende Verfahrensausgang den Ausschlag zu geben (vgl. BSG, Beschluss vom 07.09.1998 - NZS 1999 Seite 264). Ebenso wenig kann aber außer Betracht bleiben, ob ein Versicherungsträger Anlass zur Klage gegeben oder ob sich die Sach- und Rechtslage nach Erlass des Bescheides geändert hat. Trägt ein Beteiligter dem sofort Rechnung, hat er gegebenenfalls keine Kosten zu tragen. Letzteres ist Ausfluss des Veranlassungsprinzips und trägt dem Rechtsgedanken des § 93 Zivilprozessordnung (ZPO) Rechnung. Ein vom Sozialgericht ausgeübtes Ermessen ist im Rahmen des Beschwerdeverfahrens durch den Senat voll nachprüfbar, da die Befugnis zur Ausübung des Ermessens in der Sache durch das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht übergegangen ist.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte Anlass zur Klageerhebung gegeben, weil die angefochtenen Bescheide rechtswidrig gewesen sind. Auch die Beklagte ist mit ihrem Anerkenntnis vom 24.01.2006 davon ausgegangen, dass der Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung bei der Klägerin am 04.02.2004 - also schon zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung bzw. des Antrages auf Rehabilitation - vorgelegen hat. Die Klägerin war mit ihrem Rentenbegehren mithin insoweit erfolgreich, als ihr Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit befristet ab 01.09.2004 bis 31.01.2007 gewährt wurde. Dieser Gesichtspunkt allein führt jedoch nicht automatisch zu einer vollen Kostentragungspflicht der Beklagten. Entscheidend ist ferner, ob die Klägerin ihr Klageziel in vollem Umfang erreicht hat. Dies ist aber, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, nicht der Fall. Nach dem ab 01.01.2001 geltenden Recht, gilt der Grundsatz, dass Renten wegen Erwerbsminderung zu befristen sind (§ 102 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch 6. Buch - SGB VI -). Das Regel-Ausnahmeverhältnis hat sich gegenüber dem bis 31.12.2000 geltenden Recht umgekehrt. Nach § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI werden Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, jedoch unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann.
Vorliegend hat die Klägerin in ihrem Antrag vom 12.09.2005, die Beklagte zu verpflichten, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren, nicht zum Ausdruck gebracht, ob sie die Gewährung der Rente als Dauerrente oder lediglich als Zeitrente begehrt. Ihr pauschal formulierter Antrag umfasst beides. Dabei ist es gemäß § 92 SGG zunächst Sache der durch einen rechtskundigen Bevollmächtigten vertretenen Klägerin, mit ihrem Antrag den Gegenstand des Verfahrens festzulegen. Notwendig ist deswegen, dass die Klägerin - jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung - klarstellt, welches Ziel sie mit ihrer Klage verfolgt. Bei Unklarheit des klägerischen Antrags ist dann aber dafür, ob durch das Anerkenntnis der Beklagten dem Begehren der Klägerin voll genügt worden ist, - unter Heranziehung des Grundsatzes der Meistbegünstigung (vgl. BSGE 74, 77,79) - der Antrag der Klägerin unter Würdigung ihres gesamten Vorbringens auszulegen (vgl. BSGE 63, 93; 94, 74, 77, 79; Meyer-Ladewig a. a. O. § 92 Rdnr. 5 m. w. N.). Hier ergeben sich weder aus der Widerspruchs- noch aus der Klagebegründung Hinweise darauf, dass die Klägerin von einer zeitlichen Begrenzung ausging. Nach Aktenlage ging es der Klägerin vielmehr um eine Erwerbsminderungsrente auf Dauer, es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass ihr Ziel eine Rückkehr in die Erwerbstätigkeit war, woran sie sich lediglich "auf Zeit" gehindert sah. Auch wenn die Klägerin das Anerkenntnis der Beklagten ohne Einwendungen angenommen hat, ist ihr Begehren unter Würdigung des Grundsatzes der Meistbegünstigung nicht dahingehend zu verstehen, dass sie lediglich eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit angestrebt hat. Im Hinblick darauf, dass eine Befristung von Gesetzes wegen auszusprechen gewesen wäre, hätte die Klägerin, wäre das Anerkenntnis der Beklagten nicht erfolgt, teilweise ihren Antrag beschränken und insofern die Klage zurücknehmen müssen. Dementsprechend hat die Klägerin nicht voll obsiegt, was kostenrechtlich nicht ohne Auswirkungen bleiben kann (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 09.02.2005 - L 11 R 423/05 KO-A und Beschluss des Landessozialgerichts Berlin vom 30.04.2003 - L 11 RA 62/02 -).
Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage erachtet der Senat es für sachgerecht, der Beklagten zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die gemäß § 172 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Beklagten ist begründet.
Nach § 193 Abs. 1 SGG hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben; es entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren - wie hier - anders als durch Urteil beendet wird. Der Inhalt dieser Entscheidung richtet sich nach billigem Ermessen ohne Rücksicht auf die Anträge der Beteiligten (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 8. Auflage 2005, § 193 Rdnr. 12 ff.). Grundsätzlich hat das Gericht bei der Ausübung des sachgemäßen oder billigem Ermessens alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Bei Erledigung ohne Urteil hat vor allem der nach dem bisherigen Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Erledigung zu beurteilende Verfahrensausgang den Ausschlag zu geben (vgl. BSG, Beschluss vom 07.09.1998 - NZS 1999 Seite 264). Ebenso wenig kann aber außer Betracht bleiben, ob ein Versicherungsträger Anlass zur Klage gegeben oder ob sich die Sach- und Rechtslage nach Erlass des Bescheides geändert hat. Trägt ein Beteiligter dem sofort Rechnung, hat er gegebenenfalls keine Kosten zu tragen. Letzteres ist Ausfluss des Veranlassungsprinzips und trägt dem Rechtsgedanken des § 93 Zivilprozessordnung (ZPO) Rechnung. Ein vom Sozialgericht ausgeübtes Ermessen ist im Rahmen des Beschwerdeverfahrens durch den Senat voll nachprüfbar, da die Befugnis zur Ausübung des Ermessens in der Sache durch das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht übergegangen ist.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte Anlass zur Klageerhebung gegeben, weil die angefochtenen Bescheide rechtswidrig gewesen sind. Auch die Beklagte ist mit ihrem Anerkenntnis vom 24.01.2006 davon ausgegangen, dass der Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung bei der Klägerin am 04.02.2004 - also schon zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung bzw. des Antrages auf Rehabilitation - vorgelegen hat. Die Klägerin war mit ihrem Rentenbegehren mithin insoweit erfolgreich, als ihr Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit befristet ab 01.09.2004 bis 31.01.2007 gewährt wurde. Dieser Gesichtspunkt allein führt jedoch nicht automatisch zu einer vollen Kostentragungspflicht der Beklagten. Entscheidend ist ferner, ob die Klägerin ihr Klageziel in vollem Umfang erreicht hat. Dies ist aber, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, nicht der Fall. Nach dem ab 01.01.2001 geltenden Recht, gilt der Grundsatz, dass Renten wegen Erwerbsminderung zu befristen sind (§ 102 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch 6. Buch - SGB VI -). Das Regel-Ausnahmeverhältnis hat sich gegenüber dem bis 31.12.2000 geltenden Recht umgekehrt. Nach § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI werden Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, jedoch unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann.
Vorliegend hat die Klägerin in ihrem Antrag vom 12.09.2005, die Beklagte zu verpflichten, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren, nicht zum Ausdruck gebracht, ob sie die Gewährung der Rente als Dauerrente oder lediglich als Zeitrente begehrt. Ihr pauschal formulierter Antrag umfasst beides. Dabei ist es gemäß § 92 SGG zunächst Sache der durch einen rechtskundigen Bevollmächtigten vertretenen Klägerin, mit ihrem Antrag den Gegenstand des Verfahrens festzulegen. Notwendig ist deswegen, dass die Klägerin - jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung - klarstellt, welches Ziel sie mit ihrer Klage verfolgt. Bei Unklarheit des klägerischen Antrags ist dann aber dafür, ob durch das Anerkenntnis der Beklagten dem Begehren der Klägerin voll genügt worden ist, - unter Heranziehung des Grundsatzes der Meistbegünstigung (vgl. BSGE 74, 77,79) - der Antrag der Klägerin unter Würdigung ihres gesamten Vorbringens auszulegen (vgl. BSGE 63, 93; 94, 74, 77, 79; Meyer-Ladewig a. a. O. § 92 Rdnr. 5 m. w. N.). Hier ergeben sich weder aus der Widerspruchs- noch aus der Klagebegründung Hinweise darauf, dass die Klägerin von einer zeitlichen Begrenzung ausging. Nach Aktenlage ging es der Klägerin vielmehr um eine Erwerbsminderungsrente auf Dauer, es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass ihr Ziel eine Rückkehr in die Erwerbstätigkeit war, woran sie sich lediglich "auf Zeit" gehindert sah. Auch wenn die Klägerin das Anerkenntnis der Beklagten ohne Einwendungen angenommen hat, ist ihr Begehren unter Würdigung des Grundsatzes der Meistbegünstigung nicht dahingehend zu verstehen, dass sie lediglich eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit angestrebt hat. Im Hinblick darauf, dass eine Befristung von Gesetzes wegen auszusprechen gewesen wäre, hätte die Klägerin, wäre das Anerkenntnis der Beklagten nicht erfolgt, teilweise ihren Antrag beschränken und insofern die Klage zurücknehmen müssen. Dementsprechend hat die Klägerin nicht voll obsiegt, was kostenrechtlich nicht ohne Auswirkungen bleiben kann (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 09.02.2005 - L 11 R 423/05 KO-A und Beschluss des Landessozialgerichts Berlin vom 30.04.2003 - L 11 RA 62/02 -).
Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage erachtet der Senat es für sachgerecht, der Beklagten zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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