L 17 R 209/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 73 RA 1659/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 R 209/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. November 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte als Versorgungsträger verpflichtet ist, für den Kläger Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG – sowie die während dessen erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Der am 1948 geborene Kläger hat am 12. März 1973 das Studium der Fachrichtung Biologie an der EUniversität G abgeschlossen. Zugleich wurde ihm die Berechtigung zuerkannt, die Berufsbezeichnung Biologe zu führen. Von 1973 bis 1989 arbeitete er an der Universität G als wissenschaftlicher Assistent. Am 20. Januar 1981 wurde ihm der akademische Grad eines Dr. rer. nat. verliehen. Eine Versorgungszusage war dem Kläger nicht erteilt worden. Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung – FZR – wurden vom Kläger seit dem 01. Juli 1988 entrichtet. Im Mai 1989 kehrte er von einer Reise nicht mehr in die DDR zurück. Den im Juni 2002 (Schreiben vom 11. Juni 2002, bei der Beklagten am 13. Juni 2002 eingegangen) gestellten Antrag auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften im Zeitraum vom 1973 bis 1989 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09. September 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03. März 2003 ab. Der Kläger habe aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage keinen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt, da er zu diesem Zeitpunkt im Beitrittsgebiet keine Beschäftigung mehr ausgeübt habe.

Gegen diese Entscheidung hat sich der Kläger mit der am 31. März 2003 erhobenen Klage (Klageschrift vom 28. März 2003) gewandt und unter Berufung auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts – BSG –, unter anderem vom 09. April 2002 zum Aktenzeichen B 4 RA 36/01 R, geltend gemacht, aufgrund seiner wissenschaftlichen und lehrenden Tätigkeit an der Universität G gehöre er zum Zusatzversorgungssystem Nummer 4 der Anlage 1 des AAÜG (Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen, eingeführt mit Wirkung vom 12. Juli 1951). Die Nichtberücksichtigung dieser Zeiten verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, da den in der DDR verbliebenen Wissenschaftlern die Anerkennung gewährt werde. Auch müsse berücksichtigt werden, dass hinsichtlich dieser Zeiten Bestandsschutz bestehe. Seiner Ehefrau, die eine vergleichbare Laufbahn an der Universität G durchlaufen habe, seien Zeiten im Sinne des AAÜG anerkannt worden. Dasselbe müsse daher für ihn gelten.

Mit Urteil vom 08. November 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung von Versorgungsdaten, weil er dem Geltungsbereich des § 1 AAÜG nicht unterfalle. Ansprüche oder Anwartschaften aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem habe der Kläger nicht erworben. Er habe keine Versorgungszusage erhalten und es liege diesbezüglich keine Rehabilitationsentscheidung vor. Am 30. Juni 1990 habe er schließlich keine Beschäftigung ausgeübt, die einem Versorgungssystem unterfalle, denn er habe in der DDR nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden. Ohne eine Beschäftigung zum maßgeblichen Stichtag (30. Juni 1990) komme die Anerkennung fiktiver Anwartschaften nicht in Betracht. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf das BSG-Urteil vom 29. Juli 2004 – B 4 RA 4/04 R –). Auch aus den vom Kläger herangezogenen Vergleichsfällen ergebe sich nichts anderes. Sollte die Beklagte in diesen fiktive Zusatzversorgungsanwartschaften ohne eine Beschäftigung am 30. Juni 1990 anerkannt haben, erwiesen sich diese Entscheidungen nach dem Erörterten als rechtswidrig. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht bestehe aber nicht.

Gegen das ihm am 02. Februar 2005 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 02. März 2005 eingelegten Berufung (Schriftsatz vom 1. März 2005), die trotz Aufforderung nicht begründet wurde.

Dem Vorbringen des Klägers ist der Antrag zu entnehmen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. November 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09. September 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03. März 2003 aufzuheben und diese zu verpflichten, seine Beschäftigungszeit vom 01. September 1973 bis 13. Mai 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen sowie die in dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Akten des Sozialgerichts Berlin – S 73 RA 1659/03 – und die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Der Senat hat die Berufung nach § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – durch Beschluss zurückgewiesen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem der ehemaligen DDR und der während dessen erzielten Arbeitsentgelte.

Als Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers kommt – wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat – nur § 8 AAÜG in Betracht. Danach hat der Versorgungsträger dem Träger der Rentenversicherung die für die Durchführung der Rentenversicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlichen Daten mitzuteilen und dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung durch Bescheid bekannt zu geben (§ 8 Abs. 3 AAÜG). Die Regelungen des AAÜG finden auf den Kläger jedoch keine Anwendung, weil er keine Ansprüche und Anwartschaften aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben hat (vgl. § 1 AAÜG). Er unterfällt damit nicht dem persönlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes.

Dem Kläger ist bis zur Schließung der Versorgungssysteme (vgl. § 22 Abs. 1 Rentenangleichungsgesetz, Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8 des Einigungsvertrages) mit Wirkung vom 30. Juni 1990 keine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden. Eine Versorgungszusage oder eine sonstige Einzelentscheidung bzw. ein Einzelvertrag über die Aufnahme in ein Versorgungssystem ist zu keiner Zeit erfolgt. Auch eine Rehabilitationsentscheidung mit der Folge einer Anwendung des AAÜG auf den Kläger für Zeiten der Verfolgung unter den in § 13 Abs. 3 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes genannten Voraussetzungen liegt nicht vor. Darüber hinaus können nach der ständigen Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl. Urteil vom 31. März 2004 – B 4 RA 31/03 R –) die Regelungen des AAÜG mit der Folge der Anerkennung von Pflichtbeitragszeiten in der Rentenversicherung (vgl. § 5 AAÜG) aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung von § 1 dieses Gesetztes auch Anwendung finden (so genannte fiktive oder fingierte Versorgungsanwartschaft), wenn bis zum 30. Juni 1990 nicht einbezogene Beschäftigte rückwirkend nach den Regelungen der Versorgungssysteme hätten einbezogen werden müssen. Dies ist dann der Fall, wenn sie nach den Regelungen der Versorgungssysteme, wenn diese unter Beachtung rechtsstaatlicher Grundsätze wie insbesondere das Gleichheitsgebot angewandt worden wären, einen Rechtsanspruch auf eine Versorgungszusage gehabt hätten. Dabei kommt es für die Anwendung des AAÜG nach der Rechtsprechung des BSG auf die am 30. Juni 1990 gegebene Sachlage mit Blick auf die am 01. August 1991 gegebene bundesdeutsche Rechtslage an. Dies hat das BSG in mehreren jüngst ergangenen Entscheidungen ausdrücklich klargestellt. Danach muss noch am 30. Juni 1990 eine Beschäftigung ausübt worden sein, die auch die betrieblichen Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem erfüllte. Dies ist hier nicht der Fall, denn der Kläger, der im Mai 1989 von der DDR nach West-Berlin übergesiedelt war, stand am 30. Juni 1990 nicht in einem von einer Versorgungsordnung erfassten Arbeitsverhältnis. Endete ein versorgungsberechtigendes Beschäftigungsverhältnis bereits vor dem 30. Juni 1990 (beispielsweise wegen Beschäftigungsaufgabe – vgl. BSG-Urteil vom 08. Juni 2004 – B 4 RA 56/03 R – oder weil der Betrieb in Folge einer Änderung seiner Rechtsform nicht mehr zu den von einer Versorgungsordnung begünstigten Arbeitsstätten zählte – vgl. BSG-Urteil vom 29. Juli 2004 – B 4 RA 12/04 R –), sind die Voraussetzungen für eine fingierte Anwartschaft nicht erfüllt. Nicht ausreichend ist nämlich, wenn aufgrund einer Beschäftigung in der DDR zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 30. Juni 1990 die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt waren. Dies wird vom Kläger bei seinem Hinweis auf § 1 AAÜG verkannt. Ein "Ausscheiden aus dem Versorgungssystem" im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG setzt voraus, dass der Betroffene zuvor nach den Regeln des Versorgungssystems tatsächlich darin einbezogen worden ist. Der Kläger ist aber in der DDR nicht durch einen formellen Akt in ein Versorgungssystem aufgenommen worden.

Im Übrigen wird von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht – BverfG – am 26. Oktober 2005 (BvR 1921/04) Verfassungsbeschwerden, den Stichtag 30. Juni 1990 betreffend, nicht zur Entscheidung angenommen hat, weil sie ohne Aussicht auf Erfolg seien. Der an das In-Kraft-Treten des Neueinbeziehungsverbotes (§ 22 Abs. 1 Rentenangleichungsgesetz) anknüpfende Stichtag des 30. Juni 1990 sei – so das BVerfG –verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG Nrn. 1 und 2 nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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