L 17 P 29/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 76 P 280/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 P 29/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juni 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Pflegegeld.

Die am 1942 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit versichert.

Sie stellte im April 2000 einen Antrag auf Pflegegeld. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung – MDK –, die durch den Facharzt für Chirurgie K am 20. Mai 2000 durchgeführt wurde. Er stellte die Diagnosen Adipositas, coronare Herzkrankheit, rezidivierende Lumboischialgien sowie rezidivierende Depressionen/Neurosen und gab zum Pflegebedarf an, die Klägerin benötige beim Duschen und Kämmen sowie für das Ankleiden und das Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung Hilfe im Umfang von insgesamt 10 Minuten täglich. Außerdem bestehe Hilfebedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung (60 Minuten täglich). Weiterhin heißt es in dem Gutachten, die Klägerin sei zu einer eigenständigen Haushaltsführung sicher nicht mehr in der Lage. Die körpernahen, täglich wiederkehrenden Verrichtungen der "Selbstpflege" würden aber überwiegend allein bewältigt. Die zeitlichen Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung fehlten ganz eindeutig.

Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit Bescheid vom 19. Juni 2000 ab. Nachdem die Klägerin Widerspruch eingelegt hatte, holte die Beklagte eine ergänzende Stellungnahme vom Arzt K vom 20. November 2000 ein und ließ durch den MDK ein Kurzgutachten nach Aktenlage vom 18. Dezember 2000 erstellen. Mit Widerspruchsbescheid vom 05. April 2001 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Der Hilfebedarf der Klägerin erreiche nicht das für die Pflegestufe I erforderliche Mindestmaß. Dies sei von den im Widerspruchsverfahren gehörten Gutachtern bestätigt worden.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 04. Mai 2001 Klage erhoben und zu deren Begründung geltend gemacht, ihr Hilfebedarf sei erheblich größer als bislang festgestellt. Die eingeholten Gutachten seien unzureichend. Dies werde bereits durch den Umstand belegt, dass eine neurologisch – psychiatrische Begutachtung (am 08. November 1999 durch Dr. K im Auftrag des Sozialgerichts) in einem auf Erlangung einer Erwerbsunfähigkeitsrente gerichteten Verfahren ihre Leistungsunfähigkeit ergeben habe.

Das Sozialgericht hat den Arzt für Psychiatrie Prof. Dr. Z zum Sachverständigen ernannt. In seinem psychiatrischen Pflegegutachten vom 02. Juni 2002 hat er angegeben, der Hilfebedarf der Klägerin in der Grundpflege betrage 22,63 (richtig: 20,63) Minuten täglich. Hilfe benötige sie beim Waschen (5 Minuten) und Duschen (5 Minuten) sowie für das An- und Auskleiden (jeweils 2 Minuten). Zudem hat der Gutachter einen Hilfebedarf von 6,63 Minuten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung aus Anlass von Arztbesuchen angenommen. Dazu hat er näher ausgeführt, die Klägerin gebe an, das Haus nicht mehr allein verlassen zu können. Eine Begleitung zu Ärzten oder Therapien sei wahrscheinlich wegen der Angstsymptomatik nötig, solange keine psychotherapeutischen Erfolge erzielt werden könnten. In der Arztpraxis müsse keine Pflegeperson anwesend sein.

Die Klägerin ist diesem Gutachten entgegengetreten und hat geltend gemacht, die dort genannten Zeiten seien nicht nachvollziehbar. Allein das Waschen dauere nicht lediglich 5 Minuten sondern aufgrund ihrer Konstitution eine ¾ Stunde täglich. Schon das Aufstehen bereite ihr Schwierigkeiten. Sie benötige dafür ½ bis ¾ Stunde.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz – SGG – hat das Sozialgericht die Fachärztin für Allgemeinmedizin, Sozialmedizin und Psychotherapie Dr. D zur Sachverständigen ernannt. In ihrem Gutachten vom 20. September 2003 führte sie aus, die Klägerin benötige Hilfen in Form einer Teilübernahme für das Waschen des Unterkörpers (4 Minuten) sowie beim Duschen (8 Minuten). Zudem sei ein Hilfebedarf für das An- und Entkleiden gegeben (zusammen 9 Minuten). Insgesamt betrage der durchschnittliche tägliche Zeitbedarf für die Verrichtungen der Grundpflege 21 Minuten und für die hauswirtschaftlichen Verrichtungen 60 Minuten.

Die Klägerin hat sich auch gegen dieses Gutachten gewandt und geltend gemacht, ihr Hilfebedarf sei wesentlich höher als gutachterlich angegeben.

Das Sozialgericht hat die Verfahrensakten des Rentenstreitverfahrens (Az.: S 4 An 641/96) beigezogen und die Klage mit Urteil vom 10. Juni 2004 abgewiesen. Zur Begründung der Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, nach den erfolgten medizinischen Ermittlungen erreiche der Pflegebedarf der Klägerin nicht das für eine Pflegestufe erforderlich Mindestmaß. Daran ändere sich auch dann nichts, wenn man aus allen Gutachten die jeweils günstigsten Zeitwerte addiere und ein zusätzliches tägliches Waschen mit An- und Auskleiden berücksichtige. Die im Rentenverfahren erstellten medizinischen Unterlagen enthielten keine Angaben zum täglichen Hilfebedarf in der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung.

Gegen das ihr am 05. Juli 2004 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 29. Juli 2004 eingelegten Berufung. Zu deren Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, die eingeholten Gutachten widersprächen sich und berücksichtigten einzelne Punkte nicht. Ihr Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen sei erheblich höher. Die im Gerichtsverfahren gehörten Gutachter hätten auch nicht berücksichtigt, dass sie täglich mindestens 2 Minuten für das Kämmen benötige. Dies habe bereits der MDK im Verwaltungsverfahren festgestellt. Unberücksichtigt geblieben seien auch täglich 5 Minuten Hilfebedarf für das Waschen der Haare. Wegen starken Schwitzens dusche sie 2 mal täglich (morgens und abends) und habe deshalb auch einen höheren Hilfebedarf beim An- und Auskleiden. Sie könne sich nicht erklären, warum von den Gutachtern der von ihr bei der Untersuchung ausdrücklich erwähnte zusätzliche Hilfebedarf für 2 mal tägliches Duschen unberücksichtigt geblieben sei. Schließlich weist die Klägerin darauf hin, dass sie wegen Vorsorgeuntersuchungen nunmehr alle 3 bis 6 Monate einen weiteren Arzt aufsuchen müsse, weshalb weiterer Zeitbedarf für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zu berücksichtigen sei. Unter Hinweis auf ein ärztliches Attest von Dr. S hat die Klägerin zudem geltend gemacht, bei ihr sei ein beginnendes Asthmaleiden festgestellt worden und sie leide nunmehr seit ca. 5 Wochen unter starken Schmerzen im Fuß. Eine Operation sei beabsichtigt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juni 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2000 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 05. April 2001 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihr Pflegegeld der Pflegestufe I vom 01. April 2000 an zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist darauf hin, dass selbst unter Berücksichtigung des nunmehr geltend gemachten Hilfebedarfs für zusätzliches Duschen und einen weiteren Kleiderwechsel die zeitlichen Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht erfüllt seien. Der Hilfebedarf für den alle 3 bis 6 Monate erforderlichen Arztbesuch könne nicht berücksichtigt werden, da er nicht mit einer gewissen Regelmäßigkeit, d. h. mindestens 1 mal pro Woche, anfalle.

Das Gericht hat die behandelnden Ärzte der Klägerin Dr. S und Dr. S dazu befragt, wie häufig die Klägerin ihre Praxis seit April 2000 zu Behandlungszwecken durchschnittlich monatlich aufgesucht hat. Zudem sind von der Klägerin Bescheinigungen von Dr. S, Dr. M, dem Arzt S und Dr. H u. a. über die Behandlungshäufigkeit bei diesen Ärzten vorgelegt worden.

Die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten des Sozialgerichts Berlin zum Az.: S 76 P 280/01 haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Pflegegeld der Pflegestufe I.

Gemäß § 37 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 11. Buch – SGB XI – setzt der Anspruch auf Pflegegeld Pflegebedürftigkeit voraus.

Nach § 14 Abs. 1 SGB XI sind pflegebedürftig im Sinne dieses Gesetzes Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Laufe des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15) der Hilfe bedürfen. Gemäß § 14 Abs. 3 SGB XI besteht die Hilfe im Sinne des Abs. 1 in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen. Nach Abs. 4 dieser Vorschrift sind gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Sinne des Abs. 1

1. im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- und Blasenentleerung, 2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung, 3. im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, 4. im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen.

Nach § 15 Abs. 1 SGB XI sind für die Gewährung von Leistungen nach diesem Gesetz pflegebedürftige Personen im Sinne des § 14 einer von drei gesetzlich näher umschriebenen Pflegestufen zuzuordnen. Voraussetzung für die Zuordnung zur niedrigsten Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) ist, dass die Person bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt (§ 15). Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss gemäß § 15 Abs. 3 SGB XI (in der Fassung des Ersten SGB XI – Änderungsgesetzes vom 14. Juni 1996 – BGBl. I S. 830) täglich im Wochendurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen.

Die vorgenannten gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt die Klägerin bereits deshalb nicht, weil der zu berücksichtigende Pflegebedarf in der Grundpflege nicht mindestens 46 Minuten beträgt. Es konnte deshalb im Ergebnis offen bleiben, in welchem Umfang Pflegebedarf im hauswirtschaftlichen Bereich anfällt.

Der Senat stützt seine Überzeugung auf die im Gerichts- und Verwaltungsverfahren eingeholten medizinischen Gutachten, in denen übereinstimmend ein Grundpflegebedarf der Klägerin von deutlich weniger als 46 Minuten ermittelt worden ist. Bereits im MDK – Gutachten vom 20. Mai 2000 ist ein Zeitaufwand für die Grundpflege von lediglich 10 Minuten täglich beschrieben worden. Dieses Gutachten ist auch in sich schlüssig, denn der ermittelte Hilfebedarf korrespondiert mit den beschriebenen körperlichen und psychischen Einschränkungen. Konkrete Einwendungen gegen dieses Gutachten sind von der Klägerin zudem nicht erhoben worden. Es bestehen auch keine Bedenken, ein im Verwaltungsverfahren erstelltes Gutachten bei der Entscheidungsfindung im Gerichtsverfahren mit zu berücksichtigen. Denn der MDK ist nicht in die Verwaltungsorganisation der Pflegekassen eingebunden und, um auch den Anschein eines Weisungsverhältnisses zwischen den Kassen und den Ärzten des MDK auszuschließen, stellt § 275 Abs. 5 Sozialgesetzbuch 5. Buch – SGB V – ausdrücklich klar, dass die Ärzte des MDK bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen sind. Zudem weist das SGB XI (vgl. § 18) dem MDK bei der Feststellung der Voraussetzungen von Pflegebedürftigkeit eine maßgebliche Stellung zu.

Durch die im Gerichtsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten ist das Ergebnis der Erstbegutachtung im Wesentlichen bestätigt worden. Auch diese Untersuchungen haben nur einen Pflegebedarf von etwas mehr als 20 Minuten täglich in der Grundpflege ergeben und bestätigen damit, dass die Klägerin die Mindestvoraussetzungen für eine Pflegestufe bei Weitem nicht erfüllt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die gutachterlichen Feststellungen nicht widersprüchlich und es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass bei der Untersuchung wesentliche Aspekte des Pflegebedarfs der Klägerin unberücksichtigt geblieben sind. Der Einwand der Klägerin, bei den im Gerichtsverfahren erstellten Gutachten werde ein Hilfebedarf für das Kämmen nicht genannt, greift nicht durch. Denn während im MDK – Gutachten die Arme zwar als beidseits aktiv beweglich beschrieben wurden, heißt es dort aber auch, der Nackengriff sei nicht möglich. Diese Einschränkung bedingt nachvollziehbar einen Hilfebedarf beim Kämmen. Sowohl von Prof. Dr. Z als auch von Dr. D werden jedoch keine Einschränkungen beim Nackengriff mehr beschrieben. Die Gutachterin gibt an, die Klägerin könne den rechten Arm bis ca. 140° anheben und es bestünden keine Bewegungseinschränkungen der Hände. Daraus folgt, dass das Leistungsvermögen der Klägerin zur selbstständigen Durchführung der Verrichtungen Kämmen und Waschen der Haare ausreichend ist. Der Senat vermochte der Einwendung der Klägerin, der Hilfebedarf sei von den Gutachtern allgemein zu gering eingeschätzt worden, nicht zu folgen. Die Gutachter haben bei den Verrichtungen, die die Klägerin nicht allein durchführen kann, lediglich einen Teilhilfebedarf beschrieben. Beim Duschen beispielsweise benötigt die Klägerin nur für den Ein- und Ausstieg und für das Waschen bzw. Abtrocknen der unteren Extremitäten die Hilfe einer Pflegeperson. Dies berücksichtigend erscheint der von den Gutachtern angegebene Hilfebedarf für diese Verrichtung ausreichend.

Der Senat vermochte der Klägerin nicht zu folgen, soweit sie rügt, es sei der Hilfebedarf für zweimaliges Duschen am Tag unberücksichtigt geblieben. Eine medizinische Notwendigkeit für ungewöhnlich häufiges Duschen ist von den Sachverständigen nicht beschrieben worden. Die Klägerin leidet an keiner Krankheit, die einen stark erhöhten Bedarf an Körperpflege bedingen könnte. Für ungewöhnlich häufiges Duschen besteht deshalb keine Notwendigkeit, so dass auch ein darauf zurückzuführender Hilfebedarf unberücksichtigt bleiben muss. Aus den Regelungen des SGB XI ist nämlich ersichtlich, dass Hilfeleistungen nur dann für die Festlegung einer Pflegestufe zu berücksichtigen sind, wenn der Versicherte der Hilfe bedarf (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB XI) beziehungsweise Hilfe benötigt (vgl. § 15 Abs. 1 SGB XI). Nach § 29 Abs. 1 SGB XI dürfen die Leistungen zudem das Maß des Notwendigen nicht übersteigen. Es obliegt dementsprechend den Tatsachengerichten, im Rahmen ihrer Ermittlungspflichten bei der Bestimmung des Pflegebedarfs zu klären, ob die Hilfe dem Grunde nach und auch hinsichtlich des zeitlichen Umfangs tatsächlich notwendig ist (vgl. Bundessozialgericht – BSG – SozR 3 – 3300 § 14 Nr. 15). Zudem ist darauf hinzuweisen, dass auch bei zweimaligem Duschen am Tag ein zusätzlicher Hilfebedarf für das An- und Auskleiden nicht plausibel ist. Nach eigenen Angaben duscht die Klägerin morgens und abends. Bei einer zumutbaren und sinnvollen Organisation der Abläufe ist es nahe liegend, das Entkleiden zum Duschen mit dem Wechsel der Tages- und Nachtkleidung zu verbinden, wodurch ein zusätzlicher Hilfebedarf vermieden wird.

Es konnte im Ergebnis offen bleiben, wie häufig von der Klägerin Arztpraxen aufgesucht werden, weil damit ein Hilfebedarf im Bereich der Mobilität für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung nicht nachgewiesen ist. Nach den Feststellungen des MDK war die Klägerin aufgrund ihrer Gehbehinderung nicht mehr in der Lage, die Wohnung allein zu verlassen. Bei den umfangreichen Untersuchungen anlässlich der Begutachtungen im Gerichtsverfahren konnte eine starke Gehbehinderung der Klägerin jedoch nicht festgestellt werden. Nach Angaben von Prof. Dr. Z ist die Klägerin in der Lage, eigenständig in der Wohnung und außerhalb der Wohnung zu gehen. Auch nach den Ausführungen von Dr. D kann die Klägerin frei und ohne Gehhilfe gehen. Sie sah daher auch keinen Hilfebedarf für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Prof. Dr. Z hat bezugnehmend auf die Angabe der Klägerin, sie könne das Haus allein nicht mehr verlassen, dargestellt, eine Begleitung zu Ärzten oder Therapien sei wahrscheinlich wegen der Angstsymptomatik nötig. Für die Erlangung einer Pflegestufe ist es jedoch nicht ausreichend, wenn die bloße Wahrscheinlichkeit eines Hilfebedarfs besteht. Maßgeblich für die Zuordnung zu einer Pflegestufe ist der nachgewiesene objektive Hilfebedarf und nicht die subjektive Einschätzung des Pflegebedürftigen oder der Pflegeperson. Lässt sich trotz medizinischer Sachaufklärung nicht der Nachweis erbringen, dass wegen Art und Schwere der krankheits- und behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen in Bezug auf die im SGB XI genannten Verrichtungen Hilfen erforderlich sind, können diese auch nicht bei der Bestimmung einer Pflegestufe berücksichtigt werden. Zu weiterer Sachaufklärung in diesem Punkt sah sich der Senat nicht gedrängt, denn der Sachverständige Prof. Dr. Zist als Arzt für Psychiatrie besonders kompetent zur Beurteilung einer Angsterkrankung und deren Auswirkungen auf die Verrichtungen des täglichen Lebens.

Dem Antrag der Klägerin, weitere Gutachten nach § 109 SGG einzuholen, ist der Senat nicht gefolgt, weil ein derartiges Gutachten bereits auf Antrag der Klägerin eingeholt wurde und damit das Antragsrecht nach § 109 SGG verbraucht ist (vgl. BSG SozR Nr. 18 zu § 109 SGG, Meyer – Ladewig 8. Auflage § 109 Rdnr. 10 b und 11 b). Besondere Umstände, die es rechtfertigen könnten, ein weiteres Gutachten einzuholen, liegen nicht vor. Insbesondere sind keine neuen Tatsachen, die von dem ersten auf Antrag der Klägerin eingeholten Gutachten noch nicht gewürdigt werden konnten, zwischenzeitlich eingetreten. Soweit von der Klägerin unter Bezugnahme auf das Attest der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. S vom 24. Oktober 2005 geltend gemacht wird, bei ihr sei ein beginnendes Asthmaleiden festgestellt worden, ist keine andere Einschätzung gerechtfertigt. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass ein beginnendes Asthmaleiden in Bezug auf die im SGB XI genannten Verrichtungen zu einem erhöhten Hilfebedarf führt. Gleiches gilt für die mit Schriftsatz vom 22. November 2005 erstmals benannte Schilddrüsenerkrankung. Ebenfalls unbeachtlich ist der Vortrag der Klägerin, sie leide derzeit (seit 5 Wochen) an starken Schmerzen im Fuß mit Auswirkungen auf das Gehvermögen, weshalb vom behandelnden Arzt eine Operation in Aussicht gestellt worden sei. Pflegebedürftigkeit liegt nur dann vor (vgl. § 14 Abs. 1 SGB XI) wenn der entsprechende Hilfebedarf auf Dauer, voraussichtlich für mehr als 6 Monate, besteht. Dafür liegen keine Anhaltspunkte vor, denn es handelt sich offensichtlich um akute und auch durch eine Operation behandelbare (so der behandelnde Orthopäde S im Arztbrief vom 28. November 2005) Beschwerden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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