Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 21 AS 554/06 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 179/06 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Verstoß gegen die Eingliederungsvereinbarung führt nur dann zu einer Absenkung nach § 31 SGB 2, wenn es sich um eine - vom Gericht nachzuprüfende - rechtmäßige Regelung handelt.
Die in einer Eingliederungsvereinbarung verlangten 10 Bewerbungen pro Monat können keinesfalls als unerfüllbar hoch angesehen werden.
Die Behauptung, dass türkische Väter aus dem ländlichen Bereich die Betreuung von (eigenen) Kindern nicht gelernt hätten und kategorisch ablehnten, ändert nichts an der unterhaltsrechtlich bestehenden Verpflichtung eines (ehelichen) Vaters zur Erbringung des entsprechenden Betreuungsunterhaltes. (Abgrenzung zu OVG Hamburg 1.7.2002 - 4 Bs 190/02)
Hinweis auf BSG 25.4.1991 (11 RAr 9/90 zur Verfügbarkeit nach § 103 AFG - Fassung 22.12.1981 -)
Die in einer Eingliederungsvereinbarung verlangten 10 Bewerbungen pro Monat können keinesfalls als unerfüllbar hoch angesehen werden.
Die Behauptung, dass türkische Väter aus dem ländlichen Bereich die Betreuung von (eigenen) Kindern nicht gelernt hätten und kategorisch ablehnten, ändert nichts an der unterhaltsrechtlich bestehenden Verpflichtung eines (ehelichen) Vaters zur Erbringung des entsprechenden Betreuungsunterhaltes. (Abgrenzung zu OVG Hamburg 1.7.2002 - 4 Bs 190/02)
Hinweis auf BSG 25.4.1991 (11 RAr 9/90 zur Verfügbarkeit nach § 103 AFG - Fassung 22.12.1981 -)
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 26. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Es geht in dem Verfahren um die dreimonatige Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 30 % gemäß § 31 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB 2).
Die 1979 geborene Antragstellerin verfügt nach ihren Angaben über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Hauswirtschafterin und ist ebenso wie ihr 1978 geborener Ehemann L. A. türkischer Nationalität; die Eheleute haben eine im April 2004 geborene Tochter H. und eine im Oktober 2005 geborene Tochter D ... Sie bezogen im Jahr 2004 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz und standen seit 2005 im Leistungsbezug bei der Antragsgegnerin. Mit Datum vom 6. Februar 2006 trafen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung (Gültigkeit bis zum 7. August 2006), in der sich die Antragstellerin u. a. verpflichtete, pro Monat mindestens 10 Bewerbungen (auch initiativ) vorzunehmen um sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen (auch befristet oder in Teilzeit), bei Zeitarbeitsfirmen, geringfügige Beschäftigungen (Mini-/Midijobs). Es wurde vereinbart, dass die Antragstellerin ihre Eigenbemühungen in geeigneter Form nachweist. In der Rechtsfolgenbelehrung wurde die Antragstellerin u. a. darauf hingewiesen, dass insbesondere bei fehlendem Nachweis von Eigenbemühungen das Arbeitslosengeld II für die Dauer von drei Monaten um 30 % abgesenkt werde. Mit Bescheid vom 3. April 2006 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin und deren drei Familienangehörigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB 2 für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2006 in unterschiedlicher Höhe (zwischen 1.078 und 1.264 EUR monatlich). In den Vermerken der Antragsgegnerin (BewA) vom 27. April und vom 5. Mai 2006 wurde jeweils notiert, dass die Antragstellerin "Nachweise Eigenbemühungen" vorgelegt habe. Am Ende einer handschriftlichen Aufstellung (Zugang bei der Antragsgegnerin am 7. Juli 2006) der Eigenbemühungen des Ehemannes der Antragstellerin hat diese vermerkt, dass sie "diesen Monat keine Bewerbungen geschrieben" habe. Mit Bescheid vom 21. Juni 2006 hat die Antragsgegnerin unter entsprechender Aufhebung des Bewilligungsbescheides den Anteil des Arbeitslosengeldes II der Antragstellerin um 93 EUR monatlich für die Zeit vom 1. Juli bis zum 30. September 2006 gemindert. Mit am 27. Juni 2006 bei dem Sozialgericht zugegangenen Schreiben hat die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt mit dem sinngemäßen Ziel, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. Juni 2006 anzuordnen. Sie hat vorgetragen, es gehe darum, dass sie im Mai und Juni 2006 keine Bewerbungen geschrieben habe. Nach ihrer Auffassung seien derartige Bewerbungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt von vornherein sinnlos, da sie aktuell im 6. Monat schwanger sei und ihre beiden minderjährigen Kinder zu versorgen habe. Ihr Mann habe ihr gegenüber für den Fall ihrer Beschäftigungsaufnahme eine Versorgung der Kinder kategorisch abgelehnt, da er sich insoweit wohl überfordert sehe. Aus dem ländlichen türkischen Kulturkreis kommend habe er diese Betreuungsaufgaben nicht gelernt und lehne diese traditionell ab. Außerdem könne sie eine Beschäftigung, die man ihr trotz Schwangerschaft anbieten würde, nicht mit der erforderlichen Stundenzahl, Regelmäßigkeit und zeitlichen Flexibilität ausfüllen. Da die Leistungskürzung zu einer drastischen Unterversorgung der gesamten Familie führe, sei der Eilantrag geboten.
Mit Beschluss vom 26. Juli 2006 hat das Sozialgericht Kassel den Antrag abgelehnt. In der Begründung hat es u. a. ausgeführt, die nach § 24 SGB 10 erforderliche Anhörung könne noch im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden. Die Antragstellerin sei aus der Eingliederungsvereinbarung heraus verpflichtet gewesen, monatlich eine bestimmte Anzahl von Bewerbungen zu schreiben. Die Eingliederungsvereinbarung sei mit einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung versehen gewesen. Die Antragstellerin habe ihre Verpflichtung nicht erfüllt, ohne dass sie einen wichtigen Grund für ihr Verhalten nachgewiesen habe. Dies sei auch nicht die bestehende Schwangerschaft im sechsten Monat, zumal zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Mutterschutzfristen liefen. Auch der Umstand, dass der Ehemann offensichtlich nicht bereit sei, obwohl er keinerlei Erwerbstätigkeit nachgehe, bei der Kinderversorgung oder im Haushalt zu helfen, stelle keinen wichtigen Grund dar, auch nicht vor dem Hintergrund, dass der Ehemann dies traditionell möglicherweise nicht gewöhnt sei. Es sei nicht ersichtlich, dass die Pflege der eigenen Kinder aus Glaubens- oder Gewissensgründen unzumutbar erscheine. Wer als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger öffentliche Leistungen in Anspruch nehme, sei entsprechend dem Nachranggrundsatz verpflichtet alles zu tun, um möglichst die Hilfebedürftigkeit zu verringern.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 18. August 2006 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (21.8.2006). Die Antragstellerin wiederholt und vertieft den bisherigen Vortrag. Ergänzend trägt sie vor, ihr Ehemann habe sich aktiv um einen Arbeitsplatz bemüht und einen solchen am 7. August 2006 auch gefunden. Ihr Verhalten dürfe auch deshalb nicht sanktioniert werden, wenn sie derzeit unsinnige, von vornherein aussichtslose Bewerbungen unterlasse. Ein potentieller Arbeitgeber würde sie bei wahrheitsgemäßer Schilderung der Verhältnisse sicher nicht berücksichtigen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Die statthafte (§ 172 SGG) sowie form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegte Beschwerde, hat keinen Erfolg.
Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 21. Juni 2006 anzuordnen, mit dem die auf die Antragstellerin entfallenden Leistungen des Arbeitslosengeldes II (nur Regelleistung) gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b SGB 2 für die Monate Juli bis September 2006 um 30 % (entsprechend gerundet 93 EUR) abgesenkt wurden und der Antragsgegnerin aufzugeben, der Antragstellerin laufende Leistungen in voller Höhe zu bewilligen. Zur Begründung wird, um Wiederholungen zu vermeiden, gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die ausführlichen und überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts Bezug genommen.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Verstoß der Antragstellerin gegen die Verpflichtung aus der Eingliederungsvereinbarung, monatlich zehn Bewerbungen vorzunehmen, die Voraussetzungen aus § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b SGB 2 erfüllt, da die Antragstellerin in der Eingliederungsvereinbarung schriftlich über die Rechtsfolgen belehrt worden war. Die vertragliche Verpflichtung zu den konkretisierten Eigenbemühungen widerspricht auch nicht den sich aus dem SGB 2 ergebenden gesetzlichen Verpflichtungen der Antragstellerin, da es sich insoweit um rechtmäßige Regelungen handelt (vgl. Berlin in LPK-SGB II, RdNr. 28). Gemäß § 2 Abs. 1 SGB 2 muss die Antragstellerin alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfsbedürftigkeit ausschöpfen und gemäß § 2 Abs. 2 SGB 2 in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Dazu gehört in erster Linie die Aufnahme einer bezahlten Arbeit und als Vorstufe hierzu die Suche nach einer solchen Arbeit. Damit im Einklang befindet sich die Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB 2 über die Vereinbarung hinsichtlich der Bemühungen und der Häufigkeit der Bemühungen zur Eingliederung in Arbeit und die Form des Nachweises. Die in der Eingliederungsvereinbarung verlangten 10 Bewerbungen je Monat können keinesfalls als unerfüllbar hoch angesehen werden. Der Antragstellerin war die Aufnahme einer Arbeit bis zum Beginn der Mutterschutzfristen auch zumutbar, § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB 2, woraus sich auch die Rechtmäßigkeit des Verlangens nach darauf abzielenden Bewerbungen ableiten lässt. Dabei ließ die Eingliederungsvereinbarung auch ausdrücklich die Suche nach befristeten Tätigkeiten, Teilzeittätigkeiten, Minijobs und Midijobs zu, so dass der Ansicht der Antragstellerin nicht gefolgt werden kann, durch die bestehende Schwangerschaft habe es keine realistische Möglichkeit gegeben, einen interessierten Arbeitgeber zu finden. Auf der Grundlage ihres eigenen Vortrags dürfte die Antragstellerin Anfang Mai allenfalls im vierten Monat schwanger gewesen sein, so dass noch keinerlei Schutzfristen gegriffen haben und auch nicht ersichtlich ist, warum die Antragstellerin nicht gegebenenfalls Teilzeittätigkeiten - auch befristet – in dem von ihr erlernten Berufsbereich der Hauswirtschaft oder in der Gastronomie/Hotelgewerbe hätte übernehmen können. So besteht gerade im Sommer in dem Bereich Gastronomie und Hotelgewerbe ein besonders starker Bedarf an Arbeitskräften, so dass ein Arbeitgeber unter diesem Gesichtspunkt möglicherweise sogar froh gewesen wäre, eine Aushilfskraft einstellen zu können. Deshalb kann das Bestehen der Antragsgegnerin auf weiteren Eigenbemühungen der Antragstellerin auch nicht als schikanös angesehen werden. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB 2 ist auch deshalb zu verneinen, da der Ehemann der Antragstellerin nach den Regelungen des Unterhaltsrechtes seinen Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist, §§ 1601, 1602, 1603 Abs. 2, 1610, 1612 Abs. 2 BGB. Gemäß § 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB haben die Antragstellerin und ihr Ehemann bestimmt, dass die Kinder im elterlichen Haushalt Naturalunterhalt und Betreuungsunterhalt bekommen, wobei der Betreuungsunterhalt dem Barunterhalt gleichwertig ist, § 1606 Abs. 2 Satz 2 (Diedrichsen in Palandt, BGB, 58. Aufl. § 1606 RdNr. 13). Wegen eigener Bedürftigkeit können die Antragstellerin und ihr Ehemann als Eltern keinen Barunterhalt aus eigenem Vermögen oder eigenen Einkünften zum Unterhalt der Kinder beisteuern. Es verbleibt jedoch die Verpflichtung zur Erziehung und Betreuung der Kinder, und zwar sowohl für den Vater als auch für die Mutter. Daran ändert die behauptete Einstellung des Ehemannes der Antragstellerin, seine eigenen Kinder für den Fall der Berufstätigkeit der Antragstellerin nicht betreuen zu wollen, nichts. Die Behauptung, dass türkische Väter aus dem ländlichen Bereich die erforderlichen Betreuungsaufgaben nicht gelernt hätten und kategorisch ablehnten, ändert nichts an den oben genannten Unterhaltsverpflichtungen. Lerndefizite lassen sich durch entsprechende (und zu verlangende) Anstrengungen beheben und ausländisch begründete Traditionen können – jedenfalls bei dem vorliegenden Sachverhalt - deutsches Unterhaltsrecht nicht außer Kraft setzen. Dem widerspricht auch nicht die Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 1. Juli 2002 (4 Bs 190/02), da es dort um die fragliche [freiwillige] Betreuungsleistung durch den nichtehelichen Vater der Kinder ging, der gemäß §§ 1627, 1631 Abs. 1 BGB nicht sorgeverpflichtet war. Es ist auch nicht erkennbar, dass die mögliche Aufnahme einer Arbeit durch die Antragstellerin ganz allgemein die Erziehung der gemeinsamen Kinder gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB 2 gefährden würde, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat. Durch eine entsprechende Vorauswahl der zu erbringenden Bewerbungen hätte es der Antragstellerin oblegen, sich auf solche Stellen zu bewerben, die ihr eine ausreichende Mitwirkung bei der Erziehung der Kinder trotz zeitweiser arbeitsbedingter Abwesenheit belassen hätte. Im Übrigen ist das Bundessozialgericht (BSG) bereits in einer Entscheidung vom 25. April 1991 (11 RAr 9/90) zu § 103 Arbeitsförderungsgesetz (AFG in der Fassung vom 22. Dezember 1981 (BGBl. I, 1497) zur Bejahung der Verfügbarkeit beider arbeitsloser Ehegatten bei Vorhandensein von erziehungsbedürftigen Kindern gelangt, wenn die wechselseitige Bereitschaft besteht, für den Fall der Arbeitsaufnahme des anderen Ehegatten die Erziehung der Kinder zu übernehmen, bzw. allein weiterzuführen. Dies führt dann unter Berücksichtigung der rechtlichen Fortentwicklung und des Grundsatzes des Forderns in § 2 SGB 2 bei Ehegatten erst recht zu dem Ergebnis, dass die Arbeitsaufnahme auch bei Vorhandensein von Kindern unter drei Jahren dann für jeden der Ehegatten zumutbar ist, solange der andere Ehegatte zur Betreuung zur Verfügung steht, zu der er nach dem Unterhaltsrecht verpflichtet ist.
Ob die Antragsgegnerin der Antragstellerin nach entsprechendem Nachweis der Schwangerschaft und des Ablaufs der 12. Schwangerschaftswoche den Mehrbedarf von 17 % gemäß § 21 Abs. 2 SGB 2 gewährt hat, ist aus den Akten nicht erkennbar, jedoch im vorliegenden Fall auch nicht entscheidungserheblich, sollte aber von den Beteiligten davon unabhängig geprüft werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Es geht in dem Verfahren um die dreimonatige Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 30 % gemäß § 31 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB 2).
Die 1979 geborene Antragstellerin verfügt nach ihren Angaben über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Hauswirtschafterin und ist ebenso wie ihr 1978 geborener Ehemann L. A. türkischer Nationalität; die Eheleute haben eine im April 2004 geborene Tochter H. und eine im Oktober 2005 geborene Tochter D ... Sie bezogen im Jahr 2004 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz und standen seit 2005 im Leistungsbezug bei der Antragsgegnerin. Mit Datum vom 6. Februar 2006 trafen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung (Gültigkeit bis zum 7. August 2006), in der sich die Antragstellerin u. a. verpflichtete, pro Monat mindestens 10 Bewerbungen (auch initiativ) vorzunehmen um sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen (auch befristet oder in Teilzeit), bei Zeitarbeitsfirmen, geringfügige Beschäftigungen (Mini-/Midijobs). Es wurde vereinbart, dass die Antragstellerin ihre Eigenbemühungen in geeigneter Form nachweist. In der Rechtsfolgenbelehrung wurde die Antragstellerin u. a. darauf hingewiesen, dass insbesondere bei fehlendem Nachweis von Eigenbemühungen das Arbeitslosengeld II für die Dauer von drei Monaten um 30 % abgesenkt werde. Mit Bescheid vom 3. April 2006 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin und deren drei Familienangehörigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB 2 für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2006 in unterschiedlicher Höhe (zwischen 1.078 und 1.264 EUR monatlich). In den Vermerken der Antragsgegnerin (BewA) vom 27. April und vom 5. Mai 2006 wurde jeweils notiert, dass die Antragstellerin "Nachweise Eigenbemühungen" vorgelegt habe. Am Ende einer handschriftlichen Aufstellung (Zugang bei der Antragsgegnerin am 7. Juli 2006) der Eigenbemühungen des Ehemannes der Antragstellerin hat diese vermerkt, dass sie "diesen Monat keine Bewerbungen geschrieben" habe. Mit Bescheid vom 21. Juni 2006 hat die Antragsgegnerin unter entsprechender Aufhebung des Bewilligungsbescheides den Anteil des Arbeitslosengeldes II der Antragstellerin um 93 EUR monatlich für die Zeit vom 1. Juli bis zum 30. September 2006 gemindert. Mit am 27. Juni 2006 bei dem Sozialgericht zugegangenen Schreiben hat die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt mit dem sinngemäßen Ziel, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. Juni 2006 anzuordnen. Sie hat vorgetragen, es gehe darum, dass sie im Mai und Juni 2006 keine Bewerbungen geschrieben habe. Nach ihrer Auffassung seien derartige Bewerbungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt von vornherein sinnlos, da sie aktuell im 6. Monat schwanger sei und ihre beiden minderjährigen Kinder zu versorgen habe. Ihr Mann habe ihr gegenüber für den Fall ihrer Beschäftigungsaufnahme eine Versorgung der Kinder kategorisch abgelehnt, da er sich insoweit wohl überfordert sehe. Aus dem ländlichen türkischen Kulturkreis kommend habe er diese Betreuungsaufgaben nicht gelernt und lehne diese traditionell ab. Außerdem könne sie eine Beschäftigung, die man ihr trotz Schwangerschaft anbieten würde, nicht mit der erforderlichen Stundenzahl, Regelmäßigkeit und zeitlichen Flexibilität ausfüllen. Da die Leistungskürzung zu einer drastischen Unterversorgung der gesamten Familie führe, sei der Eilantrag geboten.
Mit Beschluss vom 26. Juli 2006 hat das Sozialgericht Kassel den Antrag abgelehnt. In der Begründung hat es u. a. ausgeführt, die nach § 24 SGB 10 erforderliche Anhörung könne noch im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden. Die Antragstellerin sei aus der Eingliederungsvereinbarung heraus verpflichtet gewesen, monatlich eine bestimmte Anzahl von Bewerbungen zu schreiben. Die Eingliederungsvereinbarung sei mit einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung versehen gewesen. Die Antragstellerin habe ihre Verpflichtung nicht erfüllt, ohne dass sie einen wichtigen Grund für ihr Verhalten nachgewiesen habe. Dies sei auch nicht die bestehende Schwangerschaft im sechsten Monat, zumal zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Mutterschutzfristen liefen. Auch der Umstand, dass der Ehemann offensichtlich nicht bereit sei, obwohl er keinerlei Erwerbstätigkeit nachgehe, bei der Kinderversorgung oder im Haushalt zu helfen, stelle keinen wichtigen Grund dar, auch nicht vor dem Hintergrund, dass der Ehemann dies traditionell möglicherweise nicht gewöhnt sei. Es sei nicht ersichtlich, dass die Pflege der eigenen Kinder aus Glaubens- oder Gewissensgründen unzumutbar erscheine. Wer als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger öffentliche Leistungen in Anspruch nehme, sei entsprechend dem Nachranggrundsatz verpflichtet alles zu tun, um möglichst die Hilfebedürftigkeit zu verringern.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 18. August 2006 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (21.8.2006). Die Antragstellerin wiederholt und vertieft den bisherigen Vortrag. Ergänzend trägt sie vor, ihr Ehemann habe sich aktiv um einen Arbeitsplatz bemüht und einen solchen am 7. August 2006 auch gefunden. Ihr Verhalten dürfe auch deshalb nicht sanktioniert werden, wenn sie derzeit unsinnige, von vornherein aussichtslose Bewerbungen unterlasse. Ein potentieller Arbeitgeber würde sie bei wahrheitsgemäßer Schilderung der Verhältnisse sicher nicht berücksichtigen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Die statthafte (§ 172 SGG) sowie form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegte Beschwerde, hat keinen Erfolg.
Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 21. Juni 2006 anzuordnen, mit dem die auf die Antragstellerin entfallenden Leistungen des Arbeitslosengeldes II (nur Regelleistung) gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b SGB 2 für die Monate Juli bis September 2006 um 30 % (entsprechend gerundet 93 EUR) abgesenkt wurden und der Antragsgegnerin aufzugeben, der Antragstellerin laufende Leistungen in voller Höhe zu bewilligen. Zur Begründung wird, um Wiederholungen zu vermeiden, gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die ausführlichen und überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts Bezug genommen.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Verstoß der Antragstellerin gegen die Verpflichtung aus der Eingliederungsvereinbarung, monatlich zehn Bewerbungen vorzunehmen, die Voraussetzungen aus § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b SGB 2 erfüllt, da die Antragstellerin in der Eingliederungsvereinbarung schriftlich über die Rechtsfolgen belehrt worden war. Die vertragliche Verpflichtung zu den konkretisierten Eigenbemühungen widerspricht auch nicht den sich aus dem SGB 2 ergebenden gesetzlichen Verpflichtungen der Antragstellerin, da es sich insoweit um rechtmäßige Regelungen handelt (vgl. Berlin in LPK-SGB II, RdNr. 28). Gemäß § 2 Abs. 1 SGB 2 muss die Antragstellerin alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfsbedürftigkeit ausschöpfen und gemäß § 2 Abs. 2 SGB 2 in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Dazu gehört in erster Linie die Aufnahme einer bezahlten Arbeit und als Vorstufe hierzu die Suche nach einer solchen Arbeit. Damit im Einklang befindet sich die Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB 2 über die Vereinbarung hinsichtlich der Bemühungen und der Häufigkeit der Bemühungen zur Eingliederung in Arbeit und die Form des Nachweises. Die in der Eingliederungsvereinbarung verlangten 10 Bewerbungen je Monat können keinesfalls als unerfüllbar hoch angesehen werden. Der Antragstellerin war die Aufnahme einer Arbeit bis zum Beginn der Mutterschutzfristen auch zumutbar, § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB 2, woraus sich auch die Rechtmäßigkeit des Verlangens nach darauf abzielenden Bewerbungen ableiten lässt. Dabei ließ die Eingliederungsvereinbarung auch ausdrücklich die Suche nach befristeten Tätigkeiten, Teilzeittätigkeiten, Minijobs und Midijobs zu, so dass der Ansicht der Antragstellerin nicht gefolgt werden kann, durch die bestehende Schwangerschaft habe es keine realistische Möglichkeit gegeben, einen interessierten Arbeitgeber zu finden. Auf der Grundlage ihres eigenen Vortrags dürfte die Antragstellerin Anfang Mai allenfalls im vierten Monat schwanger gewesen sein, so dass noch keinerlei Schutzfristen gegriffen haben und auch nicht ersichtlich ist, warum die Antragstellerin nicht gegebenenfalls Teilzeittätigkeiten - auch befristet – in dem von ihr erlernten Berufsbereich der Hauswirtschaft oder in der Gastronomie/Hotelgewerbe hätte übernehmen können. So besteht gerade im Sommer in dem Bereich Gastronomie und Hotelgewerbe ein besonders starker Bedarf an Arbeitskräften, so dass ein Arbeitgeber unter diesem Gesichtspunkt möglicherweise sogar froh gewesen wäre, eine Aushilfskraft einstellen zu können. Deshalb kann das Bestehen der Antragsgegnerin auf weiteren Eigenbemühungen der Antragstellerin auch nicht als schikanös angesehen werden. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB 2 ist auch deshalb zu verneinen, da der Ehemann der Antragstellerin nach den Regelungen des Unterhaltsrechtes seinen Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist, §§ 1601, 1602, 1603 Abs. 2, 1610, 1612 Abs. 2 BGB. Gemäß § 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB haben die Antragstellerin und ihr Ehemann bestimmt, dass die Kinder im elterlichen Haushalt Naturalunterhalt und Betreuungsunterhalt bekommen, wobei der Betreuungsunterhalt dem Barunterhalt gleichwertig ist, § 1606 Abs. 2 Satz 2 (Diedrichsen in Palandt, BGB, 58. Aufl. § 1606 RdNr. 13). Wegen eigener Bedürftigkeit können die Antragstellerin und ihr Ehemann als Eltern keinen Barunterhalt aus eigenem Vermögen oder eigenen Einkünften zum Unterhalt der Kinder beisteuern. Es verbleibt jedoch die Verpflichtung zur Erziehung und Betreuung der Kinder, und zwar sowohl für den Vater als auch für die Mutter. Daran ändert die behauptete Einstellung des Ehemannes der Antragstellerin, seine eigenen Kinder für den Fall der Berufstätigkeit der Antragstellerin nicht betreuen zu wollen, nichts. Die Behauptung, dass türkische Väter aus dem ländlichen Bereich die erforderlichen Betreuungsaufgaben nicht gelernt hätten und kategorisch ablehnten, ändert nichts an den oben genannten Unterhaltsverpflichtungen. Lerndefizite lassen sich durch entsprechende (und zu verlangende) Anstrengungen beheben und ausländisch begründete Traditionen können – jedenfalls bei dem vorliegenden Sachverhalt - deutsches Unterhaltsrecht nicht außer Kraft setzen. Dem widerspricht auch nicht die Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 1. Juli 2002 (4 Bs 190/02), da es dort um die fragliche [freiwillige] Betreuungsleistung durch den nichtehelichen Vater der Kinder ging, der gemäß §§ 1627, 1631 Abs. 1 BGB nicht sorgeverpflichtet war. Es ist auch nicht erkennbar, dass die mögliche Aufnahme einer Arbeit durch die Antragstellerin ganz allgemein die Erziehung der gemeinsamen Kinder gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB 2 gefährden würde, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat. Durch eine entsprechende Vorauswahl der zu erbringenden Bewerbungen hätte es der Antragstellerin oblegen, sich auf solche Stellen zu bewerben, die ihr eine ausreichende Mitwirkung bei der Erziehung der Kinder trotz zeitweiser arbeitsbedingter Abwesenheit belassen hätte. Im Übrigen ist das Bundessozialgericht (BSG) bereits in einer Entscheidung vom 25. April 1991 (11 RAr 9/90) zu § 103 Arbeitsförderungsgesetz (AFG in der Fassung vom 22. Dezember 1981 (BGBl. I, 1497) zur Bejahung der Verfügbarkeit beider arbeitsloser Ehegatten bei Vorhandensein von erziehungsbedürftigen Kindern gelangt, wenn die wechselseitige Bereitschaft besteht, für den Fall der Arbeitsaufnahme des anderen Ehegatten die Erziehung der Kinder zu übernehmen, bzw. allein weiterzuführen. Dies führt dann unter Berücksichtigung der rechtlichen Fortentwicklung und des Grundsatzes des Forderns in § 2 SGB 2 bei Ehegatten erst recht zu dem Ergebnis, dass die Arbeitsaufnahme auch bei Vorhandensein von Kindern unter drei Jahren dann für jeden der Ehegatten zumutbar ist, solange der andere Ehegatte zur Betreuung zur Verfügung steht, zu der er nach dem Unterhaltsrecht verpflichtet ist.
Ob die Antragsgegnerin der Antragstellerin nach entsprechendem Nachweis der Schwangerschaft und des Ablaufs der 12. Schwangerschaftswoche den Mehrbedarf von 17 % gemäß § 21 Abs. 2 SGB 2 gewährt hat, ist aus den Akten nicht erkennbar, jedoch im vorliegenden Fall auch nicht entscheidungserheblich, sollte aber von den Beteiligten davon unabhängig geprüft werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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