L 3 RJ 26/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 20 RJ 2209/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 RJ 26/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. September 2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Der 1949 geborene Kläger schloss nach seinen Angaben 1967 eine Ausbildung zum Installa-teur und Heizungsbauer ab und arbeitete bis 1969 in diesem Beruf. Er gab an, danach als Lage-rist, Verkäufer, Einkäufer und Filialleiter einer Sanitärfirma beschäftigt und von 1982 bis 1986 selbständig tätig gewesen zu sein. Zuletzt arbeitete er unregelmäßig in der Gastronomie. Seinen ersten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbunfä-higkeit vom 05. Oktober 1992, in dem er angab, seit ca. 1986/ 1987 arbeitslos zu sein und nur nach Bedarf als Aushilfsarbeiter (Zapfer) in der Gastronomie zu arbeiten, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. September 1993 mangels Vorliegens der versicherungsrechtlichen Vor-aussetzungen ab. Einen weiteren Rentenantrag vom 07. Juli 1996 lehnte die Beklagte mit Be-scheid vom 12. September 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 1998 ab, da der Kläger noch in der Lage sei, mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmark-tes, die dem Kläger nach seinem beruflichen Werdegang zugemutet werden könnten, voll-schichtig zu verrichten. Grundlage der Entscheidung war ein Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. S vom 14. August 1996, in dem diese einen Verdacht auf Borderline-Persönlichkeitsstörung und Abusus von Alkohol und Drogen diagnostiziert hatte. Bei der kli-nisch-neurologischen Untersuchung fand sie keinen Anhalt für eine manifeste Wurzelreiz- oder Wurzelkompressionssymptomatik. Der Kläger sei deshalb für leichte bis mittelschwere Tätig-keiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig belastbar.

Am 29. Juli 1999 stellte der Kläger einen erneuten Rentenantrag. Ohne weitere Einzelheiten zu nennen gab er an, weder in einem Beschäftigungsverhältnis zu stehen, noch selbständig tätig zu sein. Vielmehr beziehe er Arbeitslosenhilfe. Er erklärte wieder, sich seit 1986/1987 wegen dauernder starker Rückenschmerzen für erwerbsunfähig zu halten. Seit Mai 1999 sei er ar-beitsunfähig krank. Dem Antrag beigefügt war ein CT der LWS vom 12. Mai 1999, bei dem u.a. schwere degenerative Veränderungen im Segment L5 / S1 und ein breiter Bandscheiben-vorfall in der Etage L4 / L5 festgestellt wurden. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den Sozialmediziner Dr. H, der in seinem Gutachten vom 18. Oktober 1999 ein LWS-Syndrom und anamnestisch Alkoholkrankheit, Drogenkonsum feststellte. Der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten vollschichtig verrichten. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 25. Oktober 1999 ab. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei wegen Krankheit auf absehbare Zeit außerstande, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben. Er bezog sich auf ein Attest der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. HV vom 18. April 2000, die dem Kläger neben einem Borderline-Syndrom mit polymorpher Symptomatologie und Alkohol- und Drogenabhängigkeit ein jetzt auch bestehendes progredientes hirnorgani-sches Psychosyndrom mit allgemeiner psychomotorischer Verlangsamung, mnestischen Stö-rungen und partieller Desorientiertheit bescheinigte. Außerdem bezog sich der Kläger auf ein ärztliches Attest von Dr. S zur Vorlage beim Wohnungsamt vom 25. August 1998. Daraufhin veranlasste die Beklagte eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung durch Dr. S vom 26. Juli 2000, die einen Verdacht auf Borderline-Störung, Alkohol- und Drogenabusus sowie LWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen mit sensibler Wurzelreizsymptomatik L5/ S1 diagnostizierte. Ein hirnorganisches Psychosyndrom mit Krankheitswert könne nicht nachge-wiesen werden. Es gebe keinen Anhalt für kognitive Defizite. Der Kläger stehe in keiner konti-nuierlichen Behandlung, er stelle sich bei seinem behandelnden Internisten nur sporadisch vor, beim Nervenarzt sei er vor 3 Monaten gewesen, um sich Atteste im laufenden Widerspruchs-verfahren abzuholen. Im neurologischen Bereich fänden sich keine Hinweise für Paresen oder Reflexdifferenzen. Es bestehe eine sensible Wurzelreizsymptomatik im Bereich L5 / S1 rechts. Zwar biete der Kläger Hinweise für eine Borderline-Persönlichkeit, diese jedoch in mäßiger Form mit Stimmungsschwankungen, resignativer Haltung aufgrund der desolaten sozialen Si-tuation, Identitätsstörungen in Form von Unsicherheit. Er sehe die Lösung seiner gesamten Problematik in einer Berentung, um die er mehrmals gebeten habe. Alkohol habe er zuletzt vor 3 Monaten getrunken, Drogen in Form von Hasch werde weiterhin konsumiert. Aus nerven-ärztlicher Sicht ergäben sich seit der letzten Begutachtung im August 1996 keine Veränderun-gen. Der Kläger sei für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Haltung und Vermeidung von Publikumsverkehr auf dem allgemeinen und gehobenen Arbeitsmarkt vollschichtig einsetzbar. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchbe-scheid vom 18. September 2000 zurück.

Mit der dagegen bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger geltend ge-macht, aufgrund der in seiner Person vorliegenden Erkrankungen auf absehbare Zeit nicht in der Lage zu sein, Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen. Damit lägen die Voraus-setzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vor.

Zur Ermittlung des Sachverhalts hat das Sozialgericht Befundberichte der den Kläger behan-delnde Ärzte, des Assistenzarztes Dr. K vom 14. Februar 2001, der Neurologin und Psychiate-rin Dr. HV vom 26. Februar 2001, der Chirurgin Dr. Z-A als Praxisnachfolgerin des Chirurgen Dr. H vom 23. März 2001 über die Behandlung von 1979 bis 1992 sowie der Orthopädin Dr. S vom 19. April 2001, eingeholt. Auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts hat Dr. K angege-ben, der Kläger sei aufgrund seines Lendenwirbelsäulenleidens dauerhaft arbeitunfähig und deshalb nicht mehr fähig, körperlich leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten vollschich-tig zu verrichten. Frau Dr. H-V hat erklärt, der Kläger sei höchstens noch in der Lage, mit sei-nem Hund Pspazieren zu gehen, zu essen und zu trinken. Bei der vorliegenden schweren De-menz sei jede Form von Arbeitsfähigkeit erloschen.

Dann hat das Sozialgericht den Neurologen und Psychiater Dr. G mit der Untersuchung und Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 17. Dezember 2001 zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger leide außer an den bereits beschriebenen degenerati-ven Lendenwirbelsäulenveränderungen einschließlich der Enge des Spinalkanals und des Bandscheibenvorfalls L4 / L5 sowie Zustand nach Magengeschwür im August 2000 an einer milden kognitiven Störung und einer Neigung zu (sub)depressiver Stimmung / Affektivität einschließlich Neigung zu Schlafstörungen sowie an einer milden rein sensibel-symmetrischen Polyneuropathie. Eine Borderline-Erkrankung liege nicht vor. Der Kläger könne noch körperli-che leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen vollschichtig verrichten. Die festgestell-ten Leiden beschränkten ihn auch nicht in der Ausübung einfacher geistiger Arbeiten.

Der Kläger, der sich dem Ergebnis der Begutachtung nicht anzuschließen vermocht hat, hat sich auf eine Stellungnahme von Dr. H-V vom 25. März 2002 bezogen, die festgestellt hat, bei dem Kläger bestehe eine schwere und chronische Krankheit im psychopathologischen Bereich (Borderline-Syndrom), die das zentral-nervöse System affiziere (zerebrovaskulärer Prozess mit hirnorganischen Psychosyndrom). Wegen des chronischen lumbalen Schmerzsyndroms bei einer Spinalkanalenge komme es zu einer erheblichen Einschränkung der körperlichen Leis-tungsfähigkeit des Klägers. Neben einer Affektion des zentralen Nervensystems finde sich eine weitere Schädigung des sensiblen und peripheren Nervensystems in Form eines alkoholischen Polyneuropathiesyndroms. Bei dem Kläger bestehe ein polymorphes schweres Krankheitsbild, bei dem von Erwerbsunfähigkeit auszugehen sei. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 02. Juni 2002 hat Dr. G ausgeführt, die Ausführun-gen von Dr. H-V seien nicht geeignet, von der in seinem Gutachten abgegebenen Beurteilung abzuweichen.

Durch Urteil vom 08. September 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, da er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig einsetzbar sei. Dies ergebe sich aus dem schlüssigen Gutachten des Sachverständigen Dr. G, der insbesondere die Feststellungen der den Kläger behandelnde Ärzte berücksichtigt habe.

Gegen das am 05. Februar 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05. März 2004 Berufung eingelegt. Er hat einen Überweisungsschein von Dr. H-V vom 05. Juli 2005 an die Neurologi-sche Poliklinik der C vorgelegt mit dem Auftrag, eine Testdiagnose zur Abklärung der Ver-dachtsdiagnose "progredienter vaskulär bedingter hirnorganischer Prozess" durchzuführen. Die angekündigten Befunde von dem letzten Untersuchungstermin des Klägers, der am 27. Oktober 2005 stattgefunden haben soll, sind nicht vorgelegt worden.

In der mündlichen Verhandlung am 5. Januar 2006 hat der Kläger das Ruhen des Verfahrens beantragt. Dem hat die Beklagte nicht zugestimmt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. September 2003 aufzuheben und die Be-klagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Oktober 1999 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 18. September 2000 zu verurteilen, ihm ab 01. Juli 1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts-akte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger steht, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, ein Anspruch auf Rente wegen Er-werbsunfähigkeit nicht zu.

Der Rentenanspruch des Klägers beurteilt sich nach § 44 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung, weil der Kläger den Rentenantrag im Juli 1999 gestellt hat und Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (auch) für Zeiten vor dem 1. Janu-ar 2001 geltend macht (§ 300 Abs. 2 SGB VI).

Gemäß § 44 Abs. 2 S. 1 1. Halbsatz SGB VI sind erwerbsunfähig Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzie-len, das monatlich 630,00 DM übersteigt.

Diese Voraussetzungen sind zur Überzeugung des Senats nach dem Ergebnis der medizini-schen Ermittlungen, insbesondere nach dem nachvollziehbar begründeten Gutachten des Neu-rologen und Psychiaters Dr. G vom 17. Dezember 2001 nebst ergänzender Stellungnahme vom 02. Juni 2002 nicht erfüllt, denn der Kläger ist danach noch in der Lage, zumindest leichte kör-perliche Arbeiten vollschichtig zu verrichten.

Auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet leidet der Kläger an einer kognitiven Störung, einer Neigung zu (sub)depressiver Verstimmung bzw. Affektivität einschließlich Neigung zu Schlaf-störungen sowie einer sensibel-symmetrischen Polyneuropathie. Diese Störungen sind lediglich mild bzw. unterschwellig vorhanden, weshalb sie das quantitative Leistungsvermögen des Klä-gers nicht einschränken. Eine Borderline-Störung liegt bei dem Kläger dagegen nicht vor. Vielmehr besteht bei ihm eine emotional instabil gewichtete Persönlichkeit mit Anklängen an einen Borderline-Typus. Der Gutachter hat daraus für den Senat nachvollziehbar das Leis-tungsvermögen des Klägers abgeleitet. Dabei sind maßgeblich nicht die Diagnosen der Ge-sundheitsstörungen, es kommt vielmehr für die Einschätzung des Leistungsvermögens auf die durch sie bedingten Einschränkungen der Funktionsfähigkeit an. Es ist deshalb nachvollzieh-bar, wenn der Sachverständige ausführt, dass die psychischen Erkrankungen dem Kläger die Ausübung schwieriger oder mittelschwerer geistiger Arbeiten nicht mehr ermöglichen. Sie wirken sich auf sein Reaktionsvermögen, seine Konzentrationsfähigkeit und seine Kontaktfä-higkeit aus. Allerdings sind seine Lese- und Schreibgewandtheit, seine Auffassungsgabe, seine Lern- und Merkfähigkeit, das Gedächtnis sowie die Entschluss-, Verantwortungs-, Anpas-sungs- und Umstellungsfähigkeit weiterhin erhalten. Auf orthopädischem Gebiet bestehen bei dem Kläger schwere degenerative Lendenwirbelsäu-lenveränderungen, wie sie durch das CT vom 12. Mai 1999 nachgewiesen sind. Mit Ausnahme der Reflexabschwächung an den unteren distalen Gliedmaßen sowie der Tiefensensibilitätsab-schwächung im Bereich der oberen und unteren distalen Gliedmaßen, die für eine milde sensi-bel-symmetrische Polyneuropathie sprechen, ist der übrige Neurostatus jedoch, wie er sich aufgrund der Untersuchung durch Dr. G ergeben hat, unauffällig, insbesondere hat sich kein Anhalt für eine radikuläre Ausfallsymptomatik im Zusammenhang mit dem Lendenwirbelsäu-lensyndrom ergeben. Es zeigten sich keine Hinweise auf eine Claudicatio intermittens der Cauda equina bei engem lumbalen Spinalkanal, auch nicht in Richtung einer klinisch relevan-ten chronischen Engpasssymptomatik eines peripheren Nervs. Es ist deshalb schlüssig, dass der Kläger aufgrund dieser Leiden nur noch körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen und im Wechsel der Haltungsarten verrichten kann. Ausgeschlossen sind außerdem Arbeiten mit einseitiger körperlicher Belastung, unter anhaltend starkem Zeitdruck, in Nachtschicht so-wie auf Leitern und Gerüsten. Der Kläger kann jedoch an laufenden Maschinen arbeiten und bei Beachtung der qualitativen Leistungseinschränkungen Tätigkeiten verrichten, die einen festgelegten Arbeitsrhythmus vor-aussetzen. Auch ist die Fingergeschicklichkeit und Belastbarkeit der Hände und Arme sowie der Wirbelsäule und der Beine erhalten. Bei Beachtung der genannten qualitativen Leistungs-einschränkungen ist dem Kläger eine vollschichtige Tätigkeit zumutbar. Seine Wegefähigkeit besteht uneingeschränkt.

Der Senat hat keine Bedenken, den gutachterlichen Feststellungen von Dr. G zu folgen. Sie sind nachvollziehbar begründet und stimmen im Wesentlichen mit den im Verwaltungsverfah-ren getroffenen Feststellungen durch den Sozialmediziner Dr. H vom 18. Oktober 1999 und die Neurologin und Psychiaterin Dr. S vom 26. Juli 2000 überein. Beide Gutachter haben dem Kläger übereinstimmend ein vollschichtiges Leistungsvermögen sogar für bis zu mittelschwe-ren Arbeiten bescheinigt. Dr. Sbeschrieb einen im Wesentlichen unauffälligen neurologischen Status, im psychischen Bereich konnte sie ein hirnorganisches Psychosyndrom von Krank-heitswert nicht nachweisen. Es fanden sich bei ihrer Untersuchung keine Anhaltpunkte für kognitive Defizite. Aufmerksamkeit, Konzentration und Mnestik waren bei ihrer Untersuchung ungestört.

Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf die ärztliche Stellungnahme von Dr. H-V vom 25. März 2002 berufen. Diese nimmt für sich in Anspruch, sich mit dem Gutachten von Dr. G wis-senschaftlich auseinandergesetzt zu haben. Dies setzt aber voraus, dass sie die von ihr erhobe-nen Befunde detailliert und nachvollziehbar darlegt, die damit einhergehenden Funktionsein-schränkungen beschreibt und das Ergebnis ihrer Begutachtung in Abgrenzung zu den anderen, zu einem entgegengesetzten Ergebnis kommenden Gutachten diskutiert. Daran fehlt es. Soweit Dr. H-V darauf abstellt, dass sie den Kläger seit vielen Jahren betreue, während das Gutachten von Dr. G auf einer zweistündige Untersuchung beruhe, ist darauf zu verweisen, dass der Kläger sich zwar seit 1992 in ihrer Behandlung befindet, ihre Hilfe jedoch nur spora-disch in Anspruch genommen hat. Dies ergibt sich nicht nur aus seinen Angaben gegenüber der Neurologin und Psychiaterin Dr. S, sondern auch gegenüber der Neurologin und Psychiaterin Dr. S. Das zeigt, dass der Kläger die Hilfe seiner behandelnden Ärztin allenfalls gelegentlich in Anspruch genommen hat. Dr. H-V kann sich also nicht darauf berufen, dass sie den Gesund-heitszustand des Klägers aufgrund einer Langzeitbeobachtung besser beurteilen könne als der gerichtliche Sachverständige. Es ist Dr. G in seiner Stellungnahme vom 02. Juni 2002 auch darin zu folgen, dass allein die Diagnosen nicht maßgeblich für die Einschätzung der Leistungsfähigkeit des Klägers sein kön-nen. Es kommt vielmehr entscheidend auf die objektivierbaren Funktionseinschränkungen an. Diese können Anhaltspunkte dafür liefern, inwieweit bestimmte Leistungseinschränkungen bestehen. Dies gilt insbesondere für das von der behandelnden Ärztin diagnostizierte radikuläre Schmerzsyndrom, an dem der Kläger seit Jahren leide. Diese Erkrankung hat Dr. G durch seine Untersuchung nicht bestätigen können. Insbesondere gab es keine Hinweise für eine Claudica-tio intermittens der Cauda equina bei engem lumbalen Spinalkanal.

Die von Dr. H-V auf psychiatrischem Gebiet diagnostizierten schweren Erkrankungen, wie ein Borderline-Syndrom und einen zerebrovaskulären Prozess mit Ausbildung eines hirnorgani-schen Psychosyndroms, hat Dr. G, in Übereinstimmung mit der im Verwaltungsverfahren tätig gewordenen Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. Schmehl, nicht bestätigen können. Die von der Ärztin durchgeführten Testreihen sind nach der Überzeugung des Sachverständigen auch nicht geeignet, die Schwere der von ihr diagnostizierten Erkrankungen nachzuweisen. Testpsychologisch sei bei Frau Dr. H-V nur der Intelligenz-Struktur-Test zur Anwendung ge-kommen, der mit 90 IQ-Punkten innerhalb des Normbereichs angesiedelt sei. Eine generalisier-te Hirnleistungsminderung sei daraus nicht zu folgern. Soweit Dr. H-V Normabweichungen für die drei leistungsdivergenten Untertests beschrieben habe, von denen einer stark schulbil-dungskorreliert sprachliche Leistungen überprüfe und die zwei anderen dem Bereich des räum-lichen Vorstellungsvermögens und dem der Raumoperationen zuzuordnen seien, würden diese ebenfalls keine Hirnleistungsstörung im Sinne einer progredienten schweren Demenz bestäti-gen. Dr. G hat darauf hingewiesen, dass die durch die Tests nachgewiesenen Leistungsausfälle mit einer Überforderung durch das anspruchsvolle 1 ½-stündige Prüfverfahren zu erklären sei-en, das eine intakte lang anhaltende Konzentrationsfähigkeit voraussetze, die bei dem Kläger, wie er aufgrund seiner eigenen Untersuchung festgestellt habe, herabgesetzt sei. Diese Ein-schätzung wird durch das Testprotokoll bestätigt. Hier ist durch die Testleiterin Regine Lang ausdrücklich ausgeführt worden, dass im Verlaufe des Tests die Konzentrationsfähigkeit nach-gelassen habe. Außerdem hat Dr. G erklärt, dass der Cannabiskonsum zur Einschränkung der kognitiven Funktionen führen könne. An den Ausführungen von Dr. H-V ist auch zu bemän-geln, dass eine detaillierte und gründliche Auseinandersetzung mit den quantitativen und quali-tativen Anforderungen an ein Leistungsvermögen, wie es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gefordert ist, nicht erfolgt ist. Dies gilt insbesondere deshalb, weil Dr. H-V selbst darauf hin-gewiesen hat, dass sich der psychopathologische Befund des Klägers insofern erheblich gebes-sert habe, als er ohne Alkohol in allen Qualitäten voll orientiert sei und keine, auch keine par-tielle Desorientiertheit mehr aufweise. Dieser Befund wird bei ihrer Beurteilung, dass bei dem Kläger keine Arbeitsfähigkeit mehr vorliege, völlig außer Acht gelassen. Es ist insgesamt nicht erkennbar, welche weiteren Überlegungen außer den von ihr gestellten Diagnosen in ihre Beur-teilung der Arbeitsfähigkeit des Klägers eingeflossen sind. Es ist auch nicht erkennbar, welche Anforderung sie selbst an den Begriff der Arbeitsfähigkeit stellt. Dies ist aber von entscheiden-der Bedeutung für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Herrn Dr. G. Zusammenfassend ist ihre Stellungnahme nicht geeignet, ein aufgehobenes Leistungs-vermögen des Klägers zu begründen.

Nach alledem besteht bei dem Kläger ein vollschichtiges Leistungsvermögen mit qualitativen Einschränkungen, das ihm erlaubt, eine Vielzahl von Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmark-tes zu verrichten. Er ist deshalb nicht erwerbsunfähig.

Auch nach dem ab 1. Januar 2001 geltenden Recht besteht kein Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI in der ab diesem Zeitpunkt geltenden Fassung, weil die nunmehr geltenden Rechtsvorschriften noch weitergehende Leistungsvoraus-setzungen normieren als das bisherige Erwerbminderungsrentenrecht.

Das von dem Kläger beantragte Ruhen des Verfahrens gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 251 Zivilprozessordnung (ZPO) kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil es an der dafür erforderlichen Zustimmung der Beklagten fehlt.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved