Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 32 RJ 1118/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 RJ 82/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 03. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1949 in der Türkei geborene und seit 1974 in der Bundesrepublik lebende Klägerin war als Montiererin und Löterin beschäftigt. Seit 01. April 1999 ist sie arbeitslos, seit 06. November 2000 bezieht sie Krankengeld wegen einer am 25. September 2000 eingetretenen Arbeitsunfä-higkeit. Die Klägerin ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 (Be-scheid des Versorgungsamtes Berlin vom 14. Oktober 2004). Grundlage der Entscheidung war ein Gutachten der Neurologin und Psychiaterin WG vom 01. Oktober 2004, die bei der Kläge-rin unter anderem ein depressives Syndrom mit Somatisierungsstörungen und phobische Stö-rungen feststellte und mit einem Einzel-GdB von 40 bewertete.
Am 04. April 2001 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Er-werbsminderung. Sie gab an, sich seit September 2000 wegen Depressionen für erwerbsge-mindert zu halten.
Zur Ermittlung des Sachverhalts veranlasste die Beklagte ein Gutachten durch die Neurologin und Psychiaterin W, die in ihrem Gutachten vom 08. Juni 2001 als Diagnosen ein Wirbelsäu-lenschmerzsyndrom, HWS- und LWS-betont, ohne sicheres neurologisches Korrelat, eine blande anhaltende Anpassungsstörung mit leichter Depressivität und Somatisierung, einen re-zidivierenden Tremor des rechten Beines, wahrscheinlich vaskulärer Genese, sowie Adipositas feststellte. Aus nervenärztlicher Sicht sei das Leistungsvermögen der Klägerin auf dem allge-meinen Arbeitsmarkt wirtschaftlich noch vollschichtig verwertbar für leichte bis mittelschwere Arbeiten. In ihrer letzten Tätigkeit als Montiererin sei die Klägerin ebenfalls noch vollschichtig einsetzbar. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09. Juli 2001 den Rentenantrag ab. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch bezog sich die Klägerin auf ein Reisefähigkeitsat-test des sie behandelnden Neurologen und Psychiaters M vom 07. August 2001 und einen Arztkurzbericht des Krankenhauses R vom 03. September 2001. Außerdem lagen der Beklag-ten eine Stellungnahme des Dipl. Psych. Ö von der psychologischen Beratungsstelle der SBK vom 18. Mai 2001 und ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Berlin-Brandenburg vom 06. April 2001 vor. Nach Auswertung der Unterlagen durch den Medizinaldirektor Dr. L wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchbescheid vom 22. April 2002 zurück.
Mit der dagegen bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin geltend ge-macht, sie sei aufgrund ihrer vielfältigen Leiden nicht in der Lage, in ihrem bisherigen Beruf sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig bzw. mindestens 6 Stunden täglich tätig zu sein, auch nicht im Rahmen leichter bis mittelschwerer Arbeiten im Wechselrhythmus, ohne Nachtschicht, Zwangshaltungen sowie Stress. Sie müsse ständig unter anderem mit starken Schmerz- und Schlafmitteln behandelt werden, um die mit Fibromyalgie einhergehenden Schmerzen halbwegs ertragen zu können. Die wegen der übrigen körperlichen Leiden einzu-nehmenden Medikamente machten es ihr nicht möglich, in ihrem bisherigen Berufsbereich als Löterin und Montiererin zu arbeiten, denn unter dem Einfluss der starken Medikamente sei sie nicht in der Lage, diese voll konzentriert zu leistende Detailarbeit zu verrichten. Die Klägerin hat Atteste der sie behandelnden Ärzte, des Neurologen und Psychiaters Dr. I vom 25. Juli 2002, der Orthopäden Dres. P und R vom 21. Juli 2002 und des Neurologen und Psychiaters M vom 23. September 2002, vorgelegt.
Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte des Internisten Dr. E vom 24. Juli 2002 und des Arztes Dr. D vom 29. Juli 2002, dem ein Entlassungsbericht der Zentralklinik E, Psychosoma-tische Orthopädie, vom 22. Mai 2002 über einen stationären Aufenthalt vom 26. Februar bis 21. März 2002 beigefügt gewesen ist, eingeholt. Dann hat das Sozialgericht den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M mit der Untersuchung und Begutachtung der Klägerin beauftragt. In seinem Gutachten vom 21. März 2003 ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen, die Klägerin leide auf psychiatrischem Gebiet an einer anhaltenden Anpassungs-störung mit depressiv gereizter Symptomatik sowie einer Somatisierungsstörung. An weiteren Diagnosen hat der Dr. Meine arterielle Hypertonie und ein HWS- und LWS-Syndrom gestellt. Die Klägerin sei noch in der Lage, täglich regelmäßig körperlich leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 31. März 2003 hat Dr. M ausgeführt, er könne der Diagnose einer schweren depressiven Episode, wie sie in dem letzten Attest von dem Neurologen und Psychiater M gestellt worden sei, nicht folgen. Es hätten sich weder im formalen Gedankengang noch in der Schwingungsfähigkeit und der Alltagsgestaltung Anzei-chen für eine mittelschwere oder schwere depressive Episode finden lassen. Gegen die Diagno-se des behandelnden Arztes spreche auch, dass die depressive Symptomatik situativ bezogen stärker bzw. schwächer werde. Aus dem Gespräch mit der Klägerin habe sich ergeben, dass sie in der Lage sei, Coping-Strategien anzuwenden, um mit ihren Symptomen und Konflikten bes-ser umzugehen, so z.B. regelmäßige Spaziergänge, Ablenkungsstrategien und Entspannungs-techniken. Die von der Klägerin geklagten Schmerzen würden zwar subjektiv als belastend empfunden, es komme jedoch eine erhebliche Ausgestaltungstendenz (Aggravationstendenz) zum Tragen. Objektive Einschränkungen bei der körperlichen Untersuchung und auch während der psychiatrischen Exploration hätten nur insofern festgestellt werden können, als die in sei-nem Gutachten genannten qualitativen Arbeitsbedingungen eingehalten bzw. vermieden wer-den sollten. Die Diagnose einer Panikstörung lasse sich nicht eindeutig verifizieren. Selbst wenn eine solche Panikstörungen bestehe, könne diese nur als leichtgradig eingestuft werden, was keinen relevanten Einfluss auf die Beurteilung des Leistungsvermögens habe.
Dazu hat die Klägerin unter anderem eingewandt, sie spreche in Stresssituationen nur schlecht Deutsch, was dem Sachverständigen hätte auffallen müssen. Sie habe während der gesamten Untersuchung den Eindruck gehabt, dass sie nicht verstanden werde, was sich nach Durchsicht des Gutachtens und seiner Ergänzung auch bestätigt habe. Im Weiteren hat sich die Klägerin auf ein Attest von Dr. E vom 22. April 2003 bezogen, der ihr eine schwere reaktive Depression attestiert hat, die sich trotz mehrerer stationärer und psychiatrischer Behandlungen und Ein-nahme von Antidepressiva nicht gebessert habe. Außerdem hat die Klägerin ein weiteres Attest von dem Arzt M vom 11. Juni 2003 vorgelegt, in dem dieser angenommen hat, dass "zum Be-gutachtungszeitraum aktuell durchaus der dort genannte Ausprägungsgrad der Depression vor-lag, dies aber bei im gesamten Berichtszeitraum stark fluktuierendem Verlauf mit für von der prämorbiden depressiv-histrionischen Persönlichkeitsstruktur charakteristischem stark wech-selndem klinisch-manifesten Zustandsbild". In einer Bescheinigung der T B vom 06. Mai 2003 ist der Klägerin bestätigt worden, bei Charterflug-Abfertigungen aus Flugangst einen speziel-len Sitzplatzwunsch zu haben. Der Platz in der Kabine solle möglichst vorne, mit Bein- und Platzfreiheit sein.
In einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom 16. Januar 2004 hat Dr. M zu den von der Klägerin eingereichten medizinischen Unterlagen Stellung genommen und weiter ausgeführt, die Erstellung des Gutachtens sei nicht durch fehlendes Sprachverständ-nis oder Verständigungsbarrieren beeinträchtigt gewesen. Im Übrigen ist der Sachverständige bei seiner Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin verblieben.
Durch Urteil vom 03. Mai 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begrün-dung ausgeführt, die Klägerin sei nicht erwerbsgemindert, denn sie sei nach den gutachterli-chen Feststellungen des Sachverständigen Dr. M noch in der Lage, körperlich leichte Arbeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen vollschichtig zu verrichten. Der Sachverständi-ge habe überzeugend dargelegt, dass sich entgegen den Auffassungen der behandelnden Ärzte Anhaltspunkte für eine depressive Störung schweren Ausmaßes nicht ergeben hätten. Soweit zusätzlich eine Panikstörung zu berücksichtigen sei, führe dies nicht zu einer quantitativen Minderung des Leistungsvermögens. Die Klägerin sei auch nicht berufsunfähig gemäß § 240 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI), denn sie habe keine Berufsausbildung durchlaufen und zuletzt langjährig ungelernte Montier- und Lötarbeiten ausgeführt. Sie sei somit als ungelernte Arbei-terin anzusehen und könne nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf jede andere nicht qualifizierte Tätigkeit verwiesen werden. Mit dem verbliebenen mehr als 6-stündigen Leistungsvermögen liege daher Berufsunfähigkeit nicht vor.
Gegen das am 28. Juli 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, den 30. August 2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie unter Bezugnahme auf die bereits vorliegen-den Atteste von Dr. E und dem Neurologen und Psychiater M geltend gemacht, ihre körperli-che und seelische Belastbarkeit sei in hohem Maße derart eingeschränkt, dass sie nicht mehr fähig sei, einer geregelten beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Im Weiteren hat sie ihre Kritik an dem Gutachten von Dr. M wiederholt. Dieses enthalte gravierende Mängel, da der Sachver-ständige von einem falschen Geburtsdatum ausgegangen sei und sie wegen ihrer mangelnden Sprachkenntnisse von dem Sachverständigen nicht richtig verstanden worden sei. Die Klägerin hat ein MRT der HWS vom 01. November 2004 vorgelegt, mit dem eine Streck-Fehlhaltung, Spondylosis deformans C 5/6 und eine geringe mediale Bandscheibenprotrusion C 4/5 und C 5/6 festgestellt worden ist.
Der Senat hat zur Ermittlung des Sachverhalts den Entlassungsbericht des Krankenhauses R vom 02. November 2001 über einen stationären Aufenthalt vom 31. August bis 03. September 2001, ein Vorerkrankungsverzeichnis der SBK und einen Befundbericht des Neurologen und Psychiaters M vom 18. März 2005 eingeholt, in dem dieser auf konkrete Nachfrage des Senats ausgeführt hat, eine Verständigung in deutscher Sprache sei mit der Klägerin gut möglich, auch über komplexere Zusammenhänge. Die Klägerin führe seit Mitte des Jahres 2002 eine ambu-lante gesprächspsychotherapeutische Behandlung durch, auch derzeit werde eine gesprächthe-rapeutische Mitbehandlung durchgeführt.
Auf Antrag der Klägerin hat der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M unter Hinzuzie-hung einer Dolmetscherin am 05. Oktober 2005 ein Gutachten gemäß § 109 Sozialgerichtsge-setz (SGG) erstattet, in dem er festgestellt hat, die Klägerin leide allenfalls an einer mittelgra-digen seelischen Störung, die im heutigen Ausmaß etwa seit der Krankschreibung 2000 bestehe und hinsichtlich der festgestellten funktionellen Auswirkungen zumindest seit Rentenantrag-stellung im April 2001. Die Klägerin könne noch körperlich leichte bis gelegentlich auch mit-telschwere Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen für die volle übliche Arbeitszeit von mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Entgegen der subjektiven Selbsteinschätzung der Klägerin seien keine objektiven medizinischen Einschränkungen feststellbar, die bei Ausschöp-fung der zumutbaren Willensanstrengung der Klägerin eine Einschränkung des qualitativen Leistungsvermögens erforderten. Die Klägerin sei auch noch in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern in weniger als 20 Minuten zurückzulegen. Sie könne noch zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit nutzen, aber nicht mehr U-Bahnen, sondern nur noch Busse und ggf. S-Bahnen. Der von Herrn M erhobene Befund lasse die Diskussion der deutlich vorhandenen bewussten Aggravationstendenzen ver-missen, die bei der Einschätzung des Leistungsvermögens zu berücksichtigen seien.
Die Klägerin, die weiterhin von ihrer aufgehobenen Leistungsfähigkeit ausgeht, beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 03. Mai 2004 aufzuheben und die Beklagte un-ter Aufhebung des Bescheides vom 09. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbeschei-des vom 22. April 2002 zu verurteilen, ihr ab 01. April 2001 Rente wegen Erwerbsmin-derung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 11. November 2005 sind die Beteiligten zu der beabsichtig-ten Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG gehört worden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Dezember 2005 hat der Senat mitgeteilt, es bleibe bei seiner Absicht, durch Beschluss zu entscheiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts-akte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf Kopien der Schwerbe-hindertenakte verwiesen.
II.
Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 4 SGG nach Anhörung der Beteiligten die form- und frist-gerecht eingelegte Berufung durch Beschluss zurückweisen, denn er hält die Berufung ein-stimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.
Die Klägerin hat, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, keinen Anspruch auf Ge-währung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der ab 01. April 2001 geltend gemachte Rentenanspruch der Klägerin richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung. Die bis 31. Dezember 2000 geltende Regelung ist nach Aufhebung durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 nicht mehr anwendbar (§ 300 Abs. 2 SGB VI).
Gemäß § 43 SGB VI sind Versicherte teilweise erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs. 1 S. 2).
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht ab-sehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmark-tes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs. 2 S. 2).
Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitmark-tes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarkt-lage nicht zu berücksichtigen (Abs. 3).
Zur Überzeugung des Senats ist die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, denn sie kann noch mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allge-meinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Dies folgt aus dem schlüssigen und nachvollziehbar begründeten Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. M vom 21. März 2003 nebst ergänzenden Stellungnahmen vom 31. März 2003 und 16. Januar 2004.
Im Vordergrund der Beschwerden der Klägerin steht eine anhaltende Anpassungsstörung mit depressiv gereizter Symptomatik sowie eine Somatisierungsstörung. Deren Auswirkungen ü-bersteigen die außerdem geltend gemachten orthopädischen Beschwerden, die von dem ge-richtlichen Sachverständigen nicht objektiviert werden konnten. Vielmehr waren bei seiner Untersuchung alle Extremitäten frei beweglich, es bestanden keine passiven schmerzhaften Bewegungseinschränkungen. Auch neurologisch fanden sich keine objektivierbaren Defizite oder Störungen. Insoweit besteht Übereinstimmung mit den gutachterlichen Feststellungen, wie sie die Neurologin und Psychiaterin W im Verwaltungsverfahren in ihrem Gutachten vom 08. Juni 2001 getroffen hat, und den Befunden des Gutachtens des MDK vom 06. April 2001. Die psychische Erkrankung der Klägerin ist, wie sich aus den Gutachten von Dr. M, das auch insoweit mit dem Gutachten von Frau W im Verwaltungsverfahren übereinstimmt, nicht so schwerwiegend, dass daraus ein eingeschränktes quantitatives Leistungsvermögen resultieren könnte. Insbesondere konnte der Sachverständige keinen Anhalt für eine depressive Störung schweren Ausmaßes, wie diese mehrfach von ihren behandelnden Ärzten attestiert worden ist, feststellen. Herr M hat dazu ausgeführt, dass zu einer schweren depressiven Störung auch wäh-rend einer Untersuchung objektivierbare Befunde zählen, wie massiv verminderte Stimmungs-fähigkeit des Affektes, formale Denkstörungen wie Verlangsamung des Denkens, Antwortla-tenzen, Grübelzwänge und die Fähigkeit, über anderes nachzudenken oder zu sprechen, schwerste Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit. All diese Symptome hätten bei der Klägerin nicht erhoben werden können, weshalb von einer anhaltenden Anpassungsstörung mit depressiv gereizter Symptomatik auszugehen sei. Bei depressiven Störungen könne von einer Verminderung oder Aufhebung des Leistungsvermögens nur bei den oben beschriebenen schweren Ausprägungsgraden ausgegangen werden und selbst dann oft nur vorübergehend, da es sich dabei in den meisten Fällen um eine phasenhaft verlaufende und heilbare Erkrankung handele. Diese Ausführungen hält der Senat für nachvollziehbar, denn der Sachverständige verweist zugleich darauf, dass aus der Befundbeschreibung des Neurologen und Psychiaters M die Schwere der von ihm diagnostizierten depressiven Episode nicht deutlich werde, da dort die eben geschilderten Kernsymptome einer schweren Depression nicht beschrieben seien. Dr. M konnte die Diagnose einer Panikstörung ebenfalls nicht bestätigen, da er das Folgebild der Pa-nikattacken explorativ nicht habe erkennen können. Selbst wenn eine solche Diagnose gerecht-fertigt sei, dann könne sie allenfalls als leichtgradig eingestuft werden, ohne relevanten Ein-fluss für die Beurteilung des Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, denn Panikstörungen seien auch bei Vermeidungsverhalten durch zumutbare Willensanstrengungen prinzipiell überwindbar. Außerdem habe die Symptomatik bei der Klägerin konkret im Rah-men der Alltagsgestaltung zu keinen erheblichen Beeinträchtigungen geführt.
Der Senat hält die gutachterlichen Ausführungen für überzeugend und hat keine Bedenken, ihnen zu folgen. Insbesondere teilt er nicht die Kritik der Klägerin an dem Sachverständigen. Allein der Umstand, dass Dr. M das Geburtsdatum der Klägerin verwechselt hat, macht sein Gutachten nicht unverwertbar. Er hat in seiner letzten Stellungnahme vom 16. Januar 2004 ausgeführt, es habe sich nur um eine Verwechslung des Geburtsdatums gehandelt, nicht aber um eine Verwechslung der erhobenen anamnestischen Daten und Befunde. Dies hält der Senat für zutreffend, denn die Klägerin hat im Übrigen keinerlei Ausführungen dazu gemacht, dass ihre Angaben gegenüber dem Sachverständigen falsch wiedergegeben worden seien, dem Se-nat ist auch durch den Vergleich der erhobenen Daten und Befunde in anderen Gutachten eine Verwechslung nicht aufgefallen. Die Ausführungen der Klägerin zu ihren mangelhaften Deutschkenntnissen sind dem Senat nicht verständlich, denn der Sachverständige hat ausdrück-lich angegeben, dass ihm eine mangelhafte Verständigung nicht aufgefallen sei. Auch der die Klägerin behandelnde Neurologe und Psychiater M hat in seinem Befundbericht vom 18. März 2005 ausdrücklich erklärt, eine Verständigung mit der Klägerin sei in der deutschen Sprache gut möglich, selbst über komplexere Zusammenhänge. Der Einwand, sie sei wegen ihrer feh-lenden Sprachkenntnisse nicht richtig verstanden worden, hat die Klägerin im Übrigen gegen-über der im Verwaltungsverfahren tätig gewordenen Sachverständigen W nicht erhoben. Dr. M, der bei seiner Untersuchung eine Dolmetscherin beigezogen hatte,hat außerdem in seinem Gutachten die Feststellungen von Dr. Mbestätigt. Es kann also nicht davon ausgegangen wer-den, dass mangelhafte Sprachkenntnisse der Klägerin das Ergebnis der Begutachtung durch Dr. M zu ihrem Nachteil beeinflusst haben.
Nach den gutachterlichen Feststellungen ist es der Klägerin trotz ihrer Gesundheitsstörungen möglich, mindestens noch regelmäßig körperlich leichte Arbeiten ohne Einfluss von Kälte, Zugluft, Hitze, Feuchtigkeit, im Gehen, Stehen oder Sitzen zu verrichten. Ausgeschlossen sind Akkord- und Fließbandarbeiten sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Zu vermeiden sind außerdem Tätigkeiten, die die Belastbarkeit der Wirbelsäule und der Arme und häufiges Über-kopfarbeiten voraussetzen. Die Klägerin kann in Wechselschicht arbeiten, Beschränkungen bei der Ausübung einfacher geistiger Arbeiten bestehen nicht. Besonderheiten für den Weg zur Arbeitsstelle sind ebenfalls nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf das gemäß § 109 SGG erstellte Gutachten von Dr. M vom 05. Oktober 2005 berufen. Dr. M hat im Wesentlichen die Feststellungen von Dr. M bestätigt, er hält im Gegensatz zu Dr. M die Klägerin sogar noch für fähig, gelegentlich auch mittelschwere Arbeiten zu verrichten. Dr. M konnte weder eine schwerwiegende Depression bei der Klägerin feststellen, noch eine Panikstörung. Er kritisiert an den Bescheinigungen des Neurologen und Psychiaters M, dass ein Nachweis für die von diesem erhobenen Diagnosen nicht geführt werde. Außerdem lasse der Befund die Diskussion der deutlich vorhandenen und bewusstseinsnahen Aggravationstendenzen, die auch von Dr. M festgestellt worden seien, bei der Einschätzung des Leistungsvermögens durch den Herrn M vermissen. Der Entlassungsbe-richt des Krankenhauses R über einen 4-tägigen Aufenthalt im August und September 2001 mit der Diagnose einer schweren depressiven Episode und Angststörungen lasse erkennen, dass die schwere Depressivität innerhalb kürzester Zeit abgeklungen sei und danach keine Motivation für eine stationäre Behandlung mehr bestanden habe. Der Bericht unterstütze insofern die heu-tige Einschätzung, dass eine schwere depressive Episode über einen längeren Zeitraum eher nicht vorgelegen habe. Eine Panikstörung liege auch nach den heutigen Angaben der Klägerin eindeutig nicht vor. Die tägliche Arbeitszeit müsse deshalb aus gesundheitlichen Gründen nicht auf ein untervollschichtiges Leistungsvermögen eingeschränkt werden.
Nach alledem ist ein aufgehobenes Leistungsvermögen der Klägerin nicht nachgewiesen. Der Klägerin steht auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähig-keit gemäß § 240 SGB VI zu, denn sie verfügt über keinen Berufsschutz und kann mit einem vollschichtigem Leistungsvermögen auf eine Vielzahl von Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden, die ihrem Leistungsvermögen gerecht werden.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Kosten sind nicht zu erstatten
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1949 in der Türkei geborene und seit 1974 in der Bundesrepublik lebende Klägerin war als Montiererin und Löterin beschäftigt. Seit 01. April 1999 ist sie arbeitslos, seit 06. November 2000 bezieht sie Krankengeld wegen einer am 25. September 2000 eingetretenen Arbeitsunfä-higkeit. Die Klägerin ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 (Be-scheid des Versorgungsamtes Berlin vom 14. Oktober 2004). Grundlage der Entscheidung war ein Gutachten der Neurologin und Psychiaterin WG vom 01. Oktober 2004, die bei der Kläge-rin unter anderem ein depressives Syndrom mit Somatisierungsstörungen und phobische Stö-rungen feststellte und mit einem Einzel-GdB von 40 bewertete.
Am 04. April 2001 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Er-werbsminderung. Sie gab an, sich seit September 2000 wegen Depressionen für erwerbsge-mindert zu halten.
Zur Ermittlung des Sachverhalts veranlasste die Beklagte ein Gutachten durch die Neurologin und Psychiaterin W, die in ihrem Gutachten vom 08. Juni 2001 als Diagnosen ein Wirbelsäu-lenschmerzsyndrom, HWS- und LWS-betont, ohne sicheres neurologisches Korrelat, eine blande anhaltende Anpassungsstörung mit leichter Depressivität und Somatisierung, einen re-zidivierenden Tremor des rechten Beines, wahrscheinlich vaskulärer Genese, sowie Adipositas feststellte. Aus nervenärztlicher Sicht sei das Leistungsvermögen der Klägerin auf dem allge-meinen Arbeitsmarkt wirtschaftlich noch vollschichtig verwertbar für leichte bis mittelschwere Arbeiten. In ihrer letzten Tätigkeit als Montiererin sei die Klägerin ebenfalls noch vollschichtig einsetzbar. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09. Juli 2001 den Rentenantrag ab. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch bezog sich die Klägerin auf ein Reisefähigkeitsat-test des sie behandelnden Neurologen und Psychiaters M vom 07. August 2001 und einen Arztkurzbericht des Krankenhauses R vom 03. September 2001. Außerdem lagen der Beklag-ten eine Stellungnahme des Dipl. Psych. Ö von der psychologischen Beratungsstelle der SBK vom 18. Mai 2001 und ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Berlin-Brandenburg vom 06. April 2001 vor. Nach Auswertung der Unterlagen durch den Medizinaldirektor Dr. L wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchbescheid vom 22. April 2002 zurück.
Mit der dagegen bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin geltend ge-macht, sie sei aufgrund ihrer vielfältigen Leiden nicht in der Lage, in ihrem bisherigen Beruf sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig bzw. mindestens 6 Stunden täglich tätig zu sein, auch nicht im Rahmen leichter bis mittelschwerer Arbeiten im Wechselrhythmus, ohne Nachtschicht, Zwangshaltungen sowie Stress. Sie müsse ständig unter anderem mit starken Schmerz- und Schlafmitteln behandelt werden, um die mit Fibromyalgie einhergehenden Schmerzen halbwegs ertragen zu können. Die wegen der übrigen körperlichen Leiden einzu-nehmenden Medikamente machten es ihr nicht möglich, in ihrem bisherigen Berufsbereich als Löterin und Montiererin zu arbeiten, denn unter dem Einfluss der starken Medikamente sei sie nicht in der Lage, diese voll konzentriert zu leistende Detailarbeit zu verrichten. Die Klägerin hat Atteste der sie behandelnden Ärzte, des Neurologen und Psychiaters Dr. I vom 25. Juli 2002, der Orthopäden Dres. P und R vom 21. Juli 2002 und des Neurologen und Psychiaters M vom 23. September 2002, vorgelegt.
Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte des Internisten Dr. E vom 24. Juli 2002 und des Arztes Dr. D vom 29. Juli 2002, dem ein Entlassungsbericht der Zentralklinik E, Psychosoma-tische Orthopädie, vom 22. Mai 2002 über einen stationären Aufenthalt vom 26. Februar bis 21. März 2002 beigefügt gewesen ist, eingeholt. Dann hat das Sozialgericht den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M mit der Untersuchung und Begutachtung der Klägerin beauftragt. In seinem Gutachten vom 21. März 2003 ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen, die Klägerin leide auf psychiatrischem Gebiet an einer anhaltenden Anpassungs-störung mit depressiv gereizter Symptomatik sowie einer Somatisierungsstörung. An weiteren Diagnosen hat der Dr. Meine arterielle Hypertonie und ein HWS- und LWS-Syndrom gestellt. Die Klägerin sei noch in der Lage, täglich regelmäßig körperlich leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 31. März 2003 hat Dr. M ausgeführt, er könne der Diagnose einer schweren depressiven Episode, wie sie in dem letzten Attest von dem Neurologen und Psychiater M gestellt worden sei, nicht folgen. Es hätten sich weder im formalen Gedankengang noch in der Schwingungsfähigkeit und der Alltagsgestaltung Anzei-chen für eine mittelschwere oder schwere depressive Episode finden lassen. Gegen die Diagno-se des behandelnden Arztes spreche auch, dass die depressive Symptomatik situativ bezogen stärker bzw. schwächer werde. Aus dem Gespräch mit der Klägerin habe sich ergeben, dass sie in der Lage sei, Coping-Strategien anzuwenden, um mit ihren Symptomen und Konflikten bes-ser umzugehen, so z.B. regelmäßige Spaziergänge, Ablenkungsstrategien und Entspannungs-techniken. Die von der Klägerin geklagten Schmerzen würden zwar subjektiv als belastend empfunden, es komme jedoch eine erhebliche Ausgestaltungstendenz (Aggravationstendenz) zum Tragen. Objektive Einschränkungen bei der körperlichen Untersuchung und auch während der psychiatrischen Exploration hätten nur insofern festgestellt werden können, als die in sei-nem Gutachten genannten qualitativen Arbeitsbedingungen eingehalten bzw. vermieden wer-den sollten. Die Diagnose einer Panikstörung lasse sich nicht eindeutig verifizieren. Selbst wenn eine solche Panikstörungen bestehe, könne diese nur als leichtgradig eingestuft werden, was keinen relevanten Einfluss auf die Beurteilung des Leistungsvermögens habe.
Dazu hat die Klägerin unter anderem eingewandt, sie spreche in Stresssituationen nur schlecht Deutsch, was dem Sachverständigen hätte auffallen müssen. Sie habe während der gesamten Untersuchung den Eindruck gehabt, dass sie nicht verstanden werde, was sich nach Durchsicht des Gutachtens und seiner Ergänzung auch bestätigt habe. Im Weiteren hat sich die Klägerin auf ein Attest von Dr. E vom 22. April 2003 bezogen, der ihr eine schwere reaktive Depression attestiert hat, die sich trotz mehrerer stationärer und psychiatrischer Behandlungen und Ein-nahme von Antidepressiva nicht gebessert habe. Außerdem hat die Klägerin ein weiteres Attest von dem Arzt M vom 11. Juni 2003 vorgelegt, in dem dieser angenommen hat, dass "zum Be-gutachtungszeitraum aktuell durchaus der dort genannte Ausprägungsgrad der Depression vor-lag, dies aber bei im gesamten Berichtszeitraum stark fluktuierendem Verlauf mit für von der prämorbiden depressiv-histrionischen Persönlichkeitsstruktur charakteristischem stark wech-selndem klinisch-manifesten Zustandsbild". In einer Bescheinigung der T B vom 06. Mai 2003 ist der Klägerin bestätigt worden, bei Charterflug-Abfertigungen aus Flugangst einen speziel-len Sitzplatzwunsch zu haben. Der Platz in der Kabine solle möglichst vorne, mit Bein- und Platzfreiheit sein.
In einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom 16. Januar 2004 hat Dr. M zu den von der Klägerin eingereichten medizinischen Unterlagen Stellung genommen und weiter ausgeführt, die Erstellung des Gutachtens sei nicht durch fehlendes Sprachverständ-nis oder Verständigungsbarrieren beeinträchtigt gewesen. Im Übrigen ist der Sachverständige bei seiner Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin verblieben.
Durch Urteil vom 03. Mai 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begrün-dung ausgeführt, die Klägerin sei nicht erwerbsgemindert, denn sie sei nach den gutachterli-chen Feststellungen des Sachverständigen Dr. M noch in der Lage, körperlich leichte Arbeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen vollschichtig zu verrichten. Der Sachverständi-ge habe überzeugend dargelegt, dass sich entgegen den Auffassungen der behandelnden Ärzte Anhaltspunkte für eine depressive Störung schweren Ausmaßes nicht ergeben hätten. Soweit zusätzlich eine Panikstörung zu berücksichtigen sei, führe dies nicht zu einer quantitativen Minderung des Leistungsvermögens. Die Klägerin sei auch nicht berufsunfähig gemäß § 240 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI), denn sie habe keine Berufsausbildung durchlaufen und zuletzt langjährig ungelernte Montier- und Lötarbeiten ausgeführt. Sie sei somit als ungelernte Arbei-terin anzusehen und könne nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf jede andere nicht qualifizierte Tätigkeit verwiesen werden. Mit dem verbliebenen mehr als 6-stündigen Leistungsvermögen liege daher Berufsunfähigkeit nicht vor.
Gegen das am 28. Juli 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, den 30. August 2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie unter Bezugnahme auf die bereits vorliegen-den Atteste von Dr. E und dem Neurologen und Psychiater M geltend gemacht, ihre körperli-che und seelische Belastbarkeit sei in hohem Maße derart eingeschränkt, dass sie nicht mehr fähig sei, einer geregelten beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Im Weiteren hat sie ihre Kritik an dem Gutachten von Dr. M wiederholt. Dieses enthalte gravierende Mängel, da der Sachver-ständige von einem falschen Geburtsdatum ausgegangen sei und sie wegen ihrer mangelnden Sprachkenntnisse von dem Sachverständigen nicht richtig verstanden worden sei. Die Klägerin hat ein MRT der HWS vom 01. November 2004 vorgelegt, mit dem eine Streck-Fehlhaltung, Spondylosis deformans C 5/6 und eine geringe mediale Bandscheibenprotrusion C 4/5 und C 5/6 festgestellt worden ist.
Der Senat hat zur Ermittlung des Sachverhalts den Entlassungsbericht des Krankenhauses R vom 02. November 2001 über einen stationären Aufenthalt vom 31. August bis 03. September 2001, ein Vorerkrankungsverzeichnis der SBK und einen Befundbericht des Neurologen und Psychiaters M vom 18. März 2005 eingeholt, in dem dieser auf konkrete Nachfrage des Senats ausgeführt hat, eine Verständigung in deutscher Sprache sei mit der Klägerin gut möglich, auch über komplexere Zusammenhänge. Die Klägerin führe seit Mitte des Jahres 2002 eine ambu-lante gesprächspsychotherapeutische Behandlung durch, auch derzeit werde eine gesprächthe-rapeutische Mitbehandlung durchgeführt.
Auf Antrag der Klägerin hat der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M unter Hinzuzie-hung einer Dolmetscherin am 05. Oktober 2005 ein Gutachten gemäß § 109 Sozialgerichtsge-setz (SGG) erstattet, in dem er festgestellt hat, die Klägerin leide allenfalls an einer mittelgra-digen seelischen Störung, die im heutigen Ausmaß etwa seit der Krankschreibung 2000 bestehe und hinsichtlich der festgestellten funktionellen Auswirkungen zumindest seit Rentenantrag-stellung im April 2001. Die Klägerin könne noch körperlich leichte bis gelegentlich auch mit-telschwere Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen für die volle übliche Arbeitszeit von mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Entgegen der subjektiven Selbsteinschätzung der Klägerin seien keine objektiven medizinischen Einschränkungen feststellbar, die bei Ausschöp-fung der zumutbaren Willensanstrengung der Klägerin eine Einschränkung des qualitativen Leistungsvermögens erforderten. Die Klägerin sei auch noch in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern in weniger als 20 Minuten zurückzulegen. Sie könne noch zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit nutzen, aber nicht mehr U-Bahnen, sondern nur noch Busse und ggf. S-Bahnen. Der von Herrn M erhobene Befund lasse die Diskussion der deutlich vorhandenen bewussten Aggravationstendenzen ver-missen, die bei der Einschätzung des Leistungsvermögens zu berücksichtigen seien.
Die Klägerin, die weiterhin von ihrer aufgehobenen Leistungsfähigkeit ausgeht, beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 03. Mai 2004 aufzuheben und die Beklagte un-ter Aufhebung des Bescheides vom 09. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbeschei-des vom 22. April 2002 zu verurteilen, ihr ab 01. April 2001 Rente wegen Erwerbsmin-derung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 11. November 2005 sind die Beteiligten zu der beabsichtig-ten Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG gehört worden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Dezember 2005 hat der Senat mitgeteilt, es bleibe bei seiner Absicht, durch Beschluss zu entscheiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts-akte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf Kopien der Schwerbe-hindertenakte verwiesen.
II.
Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 4 SGG nach Anhörung der Beteiligten die form- und frist-gerecht eingelegte Berufung durch Beschluss zurückweisen, denn er hält die Berufung ein-stimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.
Die Klägerin hat, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, keinen Anspruch auf Ge-währung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der ab 01. April 2001 geltend gemachte Rentenanspruch der Klägerin richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung. Die bis 31. Dezember 2000 geltende Regelung ist nach Aufhebung durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 nicht mehr anwendbar (§ 300 Abs. 2 SGB VI).
Gemäß § 43 SGB VI sind Versicherte teilweise erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs. 1 S. 2).
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht ab-sehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmark-tes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs. 2 S. 2).
Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitmark-tes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarkt-lage nicht zu berücksichtigen (Abs. 3).
Zur Überzeugung des Senats ist die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, denn sie kann noch mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allge-meinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Dies folgt aus dem schlüssigen und nachvollziehbar begründeten Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. M vom 21. März 2003 nebst ergänzenden Stellungnahmen vom 31. März 2003 und 16. Januar 2004.
Im Vordergrund der Beschwerden der Klägerin steht eine anhaltende Anpassungsstörung mit depressiv gereizter Symptomatik sowie eine Somatisierungsstörung. Deren Auswirkungen ü-bersteigen die außerdem geltend gemachten orthopädischen Beschwerden, die von dem ge-richtlichen Sachverständigen nicht objektiviert werden konnten. Vielmehr waren bei seiner Untersuchung alle Extremitäten frei beweglich, es bestanden keine passiven schmerzhaften Bewegungseinschränkungen. Auch neurologisch fanden sich keine objektivierbaren Defizite oder Störungen. Insoweit besteht Übereinstimmung mit den gutachterlichen Feststellungen, wie sie die Neurologin und Psychiaterin W im Verwaltungsverfahren in ihrem Gutachten vom 08. Juni 2001 getroffen hat, und den Befunden des Gutachtens des MDK vom 06. April 2001. Die psychische Erkrankung der Klägerin ist, wie sich aus den Gutachten von Dr. M, das auch insoweit mit dem Gutachten von Frau W im Verwaltungsverfahren übereinstimmt, nicht so schwerwiegend, dass daraus ein eingeschränktes quantitatives Leistungsvermögen resultieren könnte. Insbesondere konnte der Sachverständige keinen Anhalt für eine depressive Störung schweren Ausmaßes, wie diese mehrfach von ihren behandelnden Ärzten attestiert worden ist, feststellen. Herr M hat dazu ausgeführt, dass zu einer schweren depressiven Störung auch wäh-rend einer Untersuchung objektivierbare Befunde zählen, wie massiv verminderte Stimmungs-fähigkeit des Affektes, formale Denkstörungen wie Verlangsamung des Denkens, Antwortla-tenzen, Grübelzwänge und die Fähigkeit, über anderes nachzudenken oder zu sprechen, schwerste Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit. All diese Symptome hätten bei der Klägerin nicht erhoben werden können, weshalb von einer anhaltenden Anpassungsstörung mit depressiv gereizter Symptomatik auszugehen sei. Bei depressiven Störungen könne von einer Verminderung oder Aufhebung des Leistungsvermögens nur bei den oben beschriebenen schweren Ausprägungsgraden ausgegangen werden und selbst dann oft nur vorübergehend, da es sich dabei in den meisten Fällen um eine phasenhaft verlaufende und heilbare Erkrankung handele. Diese Ausführungen hält der Senat für nachvollziehbar, denn der Sachverständige verweist zugleich darauf, dass aus der Befundbeschreibung des Neurologen und Psychiaters M die Schwere der von ihm diagnostizierten depressiven Episode nicht deutlich werde, da dort die eben geschilderten Kernsymptome einer schweren Depression nicht beschrieben seien. Dr. M konnte die Diagnose einer Panikstörung ebenfalls nicht bestätigen, da er das Folgebild der Pa-nikattacken explorativ nicht habe erkennen können. Selbst wenn eine solche Diagnose gerecht-fertigt sei, dann könne sie allenfalls als leichtgradig eingestuft werden, ohne relevanten Ein-fluss für die Beurteilung des Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, denn Panikstörungen seien auch bei Vermeidungsverhalten durch zumutbare Willensanstrengungen prinzipiell überwindbar. Außerdem habe die Symptomatik bei der Klägerin konkret im Rah-men der Alltagsgestaltung zu keinen erheblichen Beeinträchtigungen geführt.
Der Senat hält die gutachterlichen Ausführungen für überzeugend und hat keine Bedenken, ihnen zu folgen. Insbesondere teilt er nicht die Kritik der Klägerin an dem Sachverständigen. Allein der Umstand, dass Dr. M das Geburtsdatum der Klägerin verwechselt hat, macht sein Gutachten nicht unverwertbar. Er hat in seiner letzten Stellungnahme vom 16. Januar 2004 ausgeführt, es habe sich nur um eine Verwechslung des Geburtsdatums gehandelt, nicht aber um eine Verwechslung der erhobenen anamnestischen Daten und Befunde. Dies hält der Senat für zutreffend, denn die Klägerin hat im Übrigen keinerlei Ausführungen dazu gemacht, dass ihre Angaben gegenüber dem Sachverständigen falsch wiedergegeben worden seien, dem Se-nat ist auch durch den Vergleich der erhobenen Daten und Befunde in anderen Gutachten eine Verwechslung nicht aufgefallen. Die Ausführungen der Klägerin zu ihren mangelhaften Deutschkenntnissen sind dem Senat nicht verständlich, denn der Sachverständige hat ausdrück-lich angegeben, dass ihm eine mangelhafte Verständigung nicht aufgefallen sei. Auch der die Klägerin behandelnde Neurologe und Psychiater M hat in seinem Befundbericht vom 18. März 2005 ausdrücklich erklärt, eine Verständigung mit der Klägerin sei in der deutschen Sprache gut möglich, selbst über komplexere Zusammenhänge. Der Einwand, sie sei wegen ihrer feh-lenden Sprachkenntnisse nicht richtig verstanden worden, hat die Klägerin im Übrigen gegen-über der im Verwaltungsverfahren tätig gewordenen Sachverständigen W nicht erhoben. Dr. M, der bei seiner Untersuchung eine Dolmetscherin beigezogen hatte,hat außerdem in seinem Gutachten die Feststellungen von Dr. Mbestätigt. Es kann also nicht davon ausgegangen wer-den, dass mangelhafte Sprachkenntnisse der Klägerin das Ergebnis der Begutachtung durch Dr. M zu ihrem Nachteil beeinflusst haben.
Nach den gutachterlichen Feststellungen ist es der Klägerin trotz ihrer Gesundheitsstörungen möglich, mindestens noch regelmäßig körperlich leichte Arbeiten ohne Einfluss von Kälte, Zugluft, Hitze, Feuchtigkeit, im Gehen, Stehen oder Sitzen zu verrichten. Ausgeschlossen sind Akkord- und Fließbandarbeiten sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Zu vermeiden sind außerdem Tätigkeiten, die die Belastbarkeit der Wirbelsäule und der Arme und häufiges Über-kopfarbeiten voraussetzen. Die Klägerin kann in Wechselschicht arbeiten, Beschränkungen bei der Ausübung einfacher geistiger Arbeiten bestehen nicht. Besonderheiten für den Weg zur Arbeitsstelle sind ebenfalls nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf das gemäß § 109 SGG erstellte Gutachten von Dr. M vom 05. Oktober 2005 berufen. Dr. M hat im Wesentlichen die Feststellungen von Dr. M bestätigt, er hält im Gegensatz zu Dr. M die Klägerin sogar noch für fähig, gelegentlich auch mittelschwere Arbeiten zu verrichten. Dr. M konnte weder eine schwerwiegende Depression bei der Klägerin feststellen, noch eine Panikstörung. Er kritisiert an den Bescheinigungen des Neurologen und Psychiaters M, dass ein Nachweis für die von diesem erhobenen Diagnosen nicht geführt werde. Außerdem lasse der Befund die Diskussion der deutlich vorhandenen und bewusstseinsnahen Aggravationstendenzen, die auch von Dr. M festgestellt worden seien, bei der Einschätzung des Leistungsvermögens durch den Herrn M vermissen. Der Entlassungsbe-richt des Krankenhauses R über einen 4-tägigen Aufenthalt im August und September 2001 mit der Diagnose einer schweren depressiven Episode und Angststörungen lasse erkennen, dass die schwere Depressivität innerhalb kürzester Zeit abgeklungen sei und danach keine Motivation für eine stationäre Behandlung mehr bestanden habe. Der Bericht unterstütze insofern die heu-tige Einschätzung, dass eine schwere depressive Episode über einen längeren Zeitraum eher nicht vorgelegen habe. Eine Panikstörung liege auch nach den heutigen Angaben der Klägerin eindeutig nicht vor. Die tägliche Arbeitszeit müsse deshalb aus gesundheitlichen Gründen nicht auf ein untervollschichtiges Leistungsvermögen eingeschränkt werden.
Nach alledem ist ein aufgehobenes Leistungsvermögen der Klägerin nicht nachgewiesen. Der Klägerin steht auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähig-keit gemäß § 240 SGB VI zu, denn sie verfügt über keinen Berufsschutz und kann mit einem vollschichtigem Leistungsvermögen auf eine Vielzahl von Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden, die ihrem Leistungsvermögen gerecht werden.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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