L 3 B 1766/05 R

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 29 R 2591/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 B 1766/05 R
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des sachverständigen Zeugen Dipl. med. K B gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 29. September 2005 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Der Beschwerdeführer ist der behandelnde Arzt des Klägers, der in dem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Berlin (S 29 R 2591/05) um die Weitergewährung einer Rente aus Erwerbsminderungsgründen streitet.

Zur Klärung der bei dem Kläger vorliegenden Krankheiten und Behinderungen ordnete das Sozialgericht am 12. Juli 2005 die Einholung eines Befundberichts von dem Beschwerdeführer an. Nachdem dieser den Befundbericht nicht erstattet hatte, wurde er von dem Sozialgericht zu dem auf dem 29. September 2005 anberaumten Termin zur Beweisaufnahme um 13 Uhr als sachverständiger Zeuge geladen. Die Ladung ist dem Beschwerdeführer ausweislich der Zustellungsurkunde am 19. September 2005 zugestellt worden. Dieser ist weder zu dem Termin erschienen noch ist vor dem Termin ein Befundbericht eingegangen.

In einem in der Gerichtsakte befindlichen Aktenvermerk vom 29. September 2005 heißt es, "heute teilt Frau S, Arztpraxis B, telefonisch mit (gegen 11 Uhr), dass der vom Gericht angeforderte Befundbericht bereits am Montag, 26.09.05, an das Sozialgericht Berlin zum entsprechenden Aktenzeichen gesandt worden ist".

Durch Beschluss vom 29. September 2005 hat das Sozialgericht dem Beschwerdeführer wegen unentschuldigten Fernbleibens zu dem Termin gleichen Datums die durch das Ausbleiben verursachten Kosten des Verfahrens sowie ein Ordnungsgeld in Höhe von 200 Euro auferlegt.

Gegen den ihm am 04. November 2005 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 09. November 2005 "Widerspruch" eingelegt und ein mit seiner Unterschrift versehenes den Kläger betreffendes "Ärztliches Attest zur Vorlage beim Sozialgericht" vom 26. September 2005 beigefügt. Er hat ausgeführt, am 26. September 2005 seien "das Attest und Befundbericht an das Sozialgericht abgesandt" worden.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die gemäß §§ 172 Abs. 1, 118 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 380 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) statthafte und gemäß § 173 Satz 1 SGG frist- und formgemäß eingelegte Beschwerde ist unbegründet.

Gemäß §§ 414, 380 Abs. 1 ZPO werden – ohne dass es eines Antrages bedarf – einem ordnungsgemäß geladenen sachverständigen Zeugen, der nicht erscheint, die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und – was hier allerdings nicht geschehen ist – für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt. § 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO schreibt vor, dass die Auferlegung der Kosten und die Festsetzung eines Ordnungsmittels unterbleiben, wenn das Ausbleiben des Zeugen rechtzeitig genügend entschuldigt wird. Erfolgt die Entschuldigung nach Satz 1 nicht rechtzeitig, so unterbleiben die Auferlegung der Kosten und die Festsetzung des Ordnungsmittels nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Zeugen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft (Satz 2). Erfolgt die genügende Entschuldigung oder die Glaubhaftmachung nachträglich, so werden die getroffenen Anordnungen unter den Voraussetzungen des Satzes 2 aufgehoben (Satz 3). Nach § 381 Abs. 2 ZPO können die Anzeigen und Gesuche des Zeugen schriftlich oder zum Protokoll der Geschäftsstelle oder mündlich in dem zur Vernehmung bestimmten neuen Termin angebracht werden.

Dem Beschwerdeführer ist, wie aus der Zustellungsurkunde folgt, die Ladung ordnungsgemäß zugestellt worden. Dem steht nicht entgegen, dass die im § 110 Abs. 1 SGG vorgesehene Ladungsfrist von zwei Wochen nicht eingehalten wurde. Hierbei handelt es sich um eine Sollbestimmung, deren Nichteinhaltung die Ordnungsmäßigkeit der Ladung nicht in Frage stellt, sondern lediglich – auf eine entsprechende Rüge – einen Entschuldigungsgrund gemäß § 381 Abs. 1 ZPO darstellen kann, wenn es dem Zeugen wegen der Kürze der Zeit unmöglich oder unzumutbar wäre, sich auf den Termin einzustellen.

Der Beschwerdeführer hat sein Ausbleiben im Termin am 29. September 2005 weder rechtzeitig entschuldigt noch hat er glaubhaft gemacht, dass ihn an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft. Es ist auch kein Sachverhalt vorgetragen worden, der den Schluss rechtfertigen könnte, ein Erscheinen zu dem Termin am 29. September 2005 sei dem Beschwerdeführer nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen.

Rechtzeitigkeit der Entschuldigung liegt nur vor, wenn der Zeuge dem Gericht den Hinderungsgrund zu einem Zeitpunkt mitteilt, zu dem es dem Vorsitzenden noch möglich ist, den Termin zur mündlichen Verhandlung bzw. zur Beweisaufnahme aufzuheben oder zu verlegen und insbesondere die übrigen Beteiligten hiervon in Kenntnis zu setzen (Peters/Sautter/Wolff, Komm. zum SGG, 4. Auflage, 79. Lfg., Dezember 2004, Bd. III, § 111 SGG Rz. 95; Hartmann in: Baumbach u.a. ZPO, 63. Auflage 2005, § 380 ZPO Rz. 4A). Eine solche Möglichkeit besteht jedenfalls am Sitzungstag regelmäßig nicht mehr.

Anstatt dem Gericht durch eine Mitarbeiterin seiner Arztpraxis erst ca. zwei Stunden vor dem Termin telefonisch mitteilen zu lassen, dass der Befundbericht am 26. September 2005 abgesandt worden sei, hätte sich der Beschwerdeführer rechtzeitig vor dem Termin, spätestens am Vortage, bei dem Gericht erkundigen müssen, ob der Termin aufgehoben wurde bzw. ob sein Erscheinen noch erforderlich war. Dann hätte er erfahren, dass bei dem Gericht weder ein Befundbericht noch ein Attest eingegangen war und deshalb für das Gericht kein Grund vorlag, den Termin am 29. September 2005 aufzuheben oder auf sein Erscheinen als Zeuge zu verzichten. Selbst wenn, was der Senat zu seinen Gunsten unterstellt, am 26. September 2005 der von dem Sozialgericht Berlin angeforderte Befundbericht abgesandt wurde, hätte der Beschwerdeführer nicht darauf vertrauen dürfen, dass das Gericht von seiner Einvernahme als Zeuge Abstand nehmen würde und dass er deshalb der Ladung zum Termin am 29. September 2005 nicht mehr Folge leisten müsse. Er hätte die Möglichkeit, dass er noch als Zeuge benötigt werden würde, nicht ausschließen dürfen und sich durch eine Rückfrage bei dem Gericht – rechtzeitig vor dem Termin und nicht erst am Sitzungstag – Gewissheit verschaffen müssen.

Gegen die Höhe des vom Sozialgericht festgesetzten Ordnungsgeldes bestehen angesichts des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens von 5 Euro bis 1.000 Euro (vgl. Art. 6 Abs. 1 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch -EGStGB-) keine Bedenken. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer zuvor schon die Aufforderung des Gerichts, einen Befundbericht über den Kläger zu erstellen, missachtet und damit durch sein Verhalten die Anberaumung des Beweistermins veranlasst hat.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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