L 8 RA 75/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 3 RA 716/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RA 75/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Juli 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (AVItech; Zusatzversorgungssystem nach Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG) in der Zeit vom 1. September 1955 bis 30. Juni 1990 sowie der in dieser Zeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte.

Der am 1933 geborene Kläger erlernte zunächst den Beruf des Maurers. Ab dem 1. September 1952 besuchte er die Fachschule für Bauwesen Berlin der Fachrichtung Architektur und bestand am 9. Juli 1955 die Abschlussprüfung mit der Abschlussbezeichnung Architekt. Ausweislich der Eintragungen in den vorgelegten Sozialversicherungsausweisen war er vom 1. September 1955 bis 31. Januar 1957 und nach zwischenzeitlicher Selbstständigkeit erneut vom 1. September 1961 an bei verschiedenen Betrieben sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Zuletzt war er ab 1. Januar 1980 als Leiter der Projektgruppe B beim VEB Holz- und Leichtmetallbauelemente L beschäftigt. Die Beschäftigung endete zum 31. März 1990. Seit dem 1. April 1990 war der Kläger als Inhaber der Firma M GmbH selbstständig erwerbstätig.

In ein Zusatzversorgungssystem war der Kläger nie einbezogen. Er hatte auch keine Versorgungszusage erhalten und es bestand auch kein einzelvertraglicher Anspruch auf eine derartige Zusage. Seit dem 1. März 1971 entrichtete der Kläger Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bis zum doppelten des in der Sozialpflichtversicherung versicherten Entgelts.

Den Antrag des Klägers auf Überführung von Zusatzanwartschaften der AVItech lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Mai 2002 ab. Eine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 AAÜG sei nicht entstanden. Weder habe eine positive Versorgungszusage (Anwartschaft) zu Zeiten der DDR vorgelegen, noch sei am 30. Juni 1990 eine Beschäftigung ausgeübt worden, die – aus bundesrechtlicher Sicht – dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen gewesen wäre. Das AAÜG sei nicht anwendbar. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2002 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG als unbegründet zurück. Der Kläger habe am 1. August 1991 keine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 des AAÜG besessen, da er im Juni 1990 im Beitrittsgebiet eine selbstständige Tätigkeit als Architekt ausgeübt habe und nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb (der Industrie oder des Bauwesens) oder einem gleichgestellten Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 beschäftigt gewesen sei.

Die dagegen gerichtete Klage, mit der der Kläger darauf verwies, dass er 1990 als Leiter des Ingenieurbüros mit den bestehenden Mitarbeitern ausschließlich weiterhin für den VEB Holz- und Leichtmetallbauelemente L tätig gewesen sei, wies das Sozialgericht (SG) Berlin durch Urteil vom 12. Juli 2004 ab. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe gegen die Beklagte als Versorgungsträger keinen Anspruch auf Feststellung versorgungsspezifischer Daten. Er sei nicht Berechtigter im Sinne des § 8 AAÜG, da er zum 1. August 1991 keine Versorgungsberechtigung gehabt habe, das AAÜG auf ihn also keine Anwendung finde. Das AAÜG gelte gemäß § 1 Abs. 1 AAÜG nur für Ansprüche und Anwartschaften, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- oder Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden seien und damit bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 bereits bestanden hätten. Der Kläger habe aber weder einen Anspruch auf Versorgung noch eine Anwartschaft im Versorgungssystem AVItech gehabt. Die von der Rechtsprechung (vgl. Urteil des BSG vom 9. April 2002 – B 4 RA 3/02 R) dazu klarstellend dargelegten Voraussetzungen erfülle der Kläger nicht. Denn er habe nach den insoweit maßgeblichen Regelungen der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 und der dazu ergangenen Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) vom 24. Mai 1951 am 30. Juni 1990 keinen Anspruch auf Einbeziehung in die AVItech gehabt, weil er zum Stichtag des 30. Juni 1990 nicht (mehr) in einem volkseigenen oder gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen sei. Dass der Kläger mit seiner Firma M-P GmbH nach seiner Schilderung ausschließlich für – seinen bisherigen Betrieb - VEB Holz- und Leichtmetallbauelemente L tätig geworden sei, reiche nicht, da zu diesem am 30. Juni 1990 kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis mehr bestanden habe. Geschäftliche Beziehungen allein genügten den Anforderungen nicht.

Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner Berufung gewandt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Juli 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Zeitraum vom 1. September 1995 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in dieser Zeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, das – wie sie noch einmal darlegt – den gesetzlichen Regelungen und dem danach maßgeblichen "Stichtag 30. Juni 1990" entspräche.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhaltes auf die Gerichtsakte, die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte (Versicherungsnummer: ) sowie die beigezogene Akte des Verfahrens L 6 RA 64/99 W 05, die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

II.

Der Senat hat nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -).

Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten nach dem AAÜG für die Zeit vom 1. September 1955 bis 30. Juni 1990 hat. Das AAÜG ist auf den Kläger nicht anwendbar (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG).

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG hat der zuständige Versorgungsträger gleich einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) die Daten festzustellen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung einer Leistung aus der Rentenversicherung erforderlich sind, und diese dem für die Feststellung der Leistung zuständigen Rentenversicherungsträger mitzuteilen. Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG hat der Versorgungsträger dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung durch Bescheid bekannt zu geben. Eine solche Verpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger besteht vorliegend nicht.

Das SG hat zutreffend dargelegt, dass der Kläger die Anwendbarkeit des AAÜG (vgl. dazu BSG, Urteil vom 18. Juni 2003 – B 4 RA 50/02 R) und damit die Feststellung der begehrten Zugehörigkeitszeiten nur beanspruchen kann, wenn er zum Stichtag des 30. Juni 1990 noch von den Regelungen der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz erfasst worden ist, mithin zu diesem Zeitpunkt noch in einem volkseigenen Betrieb oder einem diesem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen ist. An dieser betrieblichen Voraussetzung fehlt es jedoch, da der Kläger bereits ab dem 1. April 1990 und damit auch am 30. Juni 1990 selbstständig erwerbstätig war. Dies hat das SG in dem angefochtenen Urteil richtig dargelegt, sodass der Senat darauf zur Vermeidung von Wiederholungen verweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Berufungsvorbringen, mit dem der Kläger insbesondere auch auf seine unbefriedigende Altersversorgung und seine herausragende Einkommenssituation während seiner Beschäftigung und Tätigkeit in der DDR verweist, gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Für den Kläger kommt ein Anspruch auf eine Versorgungszusage allenfalls – wie es auch seinem Antrag entspricht – auf der Grundlage der Regelungen der Altersversorgung der technischen Intelligenz in Betracht. Nach den bundesrechtskonform auszulegenden Regeln dieses Versorgungssystems bestand am 1. August 1991 aus bundesrechtlicher Sicht zum Stichtag 30. Juni 1990 kein Recht, das die Beklagte im Sinne einer gebundenen Verwaltung verpflichtet hätte, den Kläger durch Einzelfallregelung in ein Versorgungssystem einzubeziehen. Denn er war am Stichtag 30. Juni 1990 nach den bereits zitierten versorgungsrechtlichen Regelungen kein obligatorisch Versorgungsberechtigter, da er nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gearbeitet und damit die so genannte betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt hat (vgl. BSG Urteil vom 29. Juli 2004 – B 4 RA 12/04 R- in SozR 4-8570 § 1 Nr. 4). Vielmehr war er zu diesem Stichtag in seinem eigenen Betrieb selbstständig erwerbstätig.

Ein Verstoß des § 1 AAÜG in der Auslegung des BSG gegen Verfassungsrecht, im Besonderen gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, liegt nicht vor. Die Ungleichbehandlung ist bereits in den Versorgungsordnungen der DDR angelegt. Der Gesetzgeber des Einigungsvertrages war von Verfassungs wegen nicht gehalten, sie nachträglich zu korrigieren; auch der Stichtag 30. Juni 1990 ist nicht zu beanstanden, da er an den Tag des Inkrafttretens des Verbots der Neueinbeziehung in die Versorgungssysteme der DDR und damit an einen in der geschriebenen Rechtsordnung verankerten Zeitpunkt anknüpft (vgl. Nichtannahmebeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts in SozR 4-8570 § 5 Nr. 4 und vom 26. Oktober 2005 – 1 BVR 1921/04 u. a. -, zitiert nach www.bundesverfassungsgericht.de).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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