L 8 RA 53/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 13 RA 320/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RA 53/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. April 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der am 1950 geborene Kläger begehrt die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG -).

Der Kläger war zunächst entsprechend seiner Ausbildung als Verkäufer beschäftigt. Von September 1970 bis Dezember 1971 absolvierte er ein Fernstudium an der Fachschule für Binnenhandel. Er legte am 31. Januar 1976 an der Fachschule für Finanzwirtschaft in Gotha die Abschlussprüfung in dem Ausbildungsgang Finanzwirtschaft ab. Auf Grund dieses Abschlusses ist er berechtigt, die staatliche Bezeichnung Diplom-Betriebswirt (FH) zu führen. Seit dem 21. Februar 1972 war er bei "Elektronik Export Import", Volkseigener Außenhandelsbetrieb der DDR, zunächst als Exportbearbeiter und seit 1. Januar 1974 als Planökonom und Exportkaufmann beschäftigt. Nach einer Zwischenbeschäftigung im Centrum - Warenhaus war er erneut als Exportkaufmann bis zum 13. Mai 1982 beschäftigt. Ab 17. Mai 1982 und über den 30. Juni 1990 hinaus war er beim VEB Funk- und Fernmelde-Anlagenbau bzw. dem Nachfolgebetriebe beschäftigt. Der Kläger entrichtete ab 1. September 1981 Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bis zum doppelten des in der Pflichtversicherung versicherten Entgeltes. In einem Zusatzversorgungssystem war der Kläger während seines Berufslebens in der DDR nicht einbezogen gewesen; auch war ihm keine Versorgungszusage erteilt oder einzelvertraglich zugesichert worden.

Im Rahmen der Kontenklärung beantragte der Kläger am 18. Oktober 2001, die Zeit der Beschäftigung vom 1. Januar 1977 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie die während dieser Zeit tatsächlich erzielten Entgelte festzustellen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Januar 2002 ab. Dazu führte sie aus, dass eine positive Versorgungszusage zu Zeiten der DDR nicht bestanden habe. Es sei auch keine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden, die ihrer Art nach von einem Versorgungssystem erfasst gewesen sei. Der Kläger als Ökonom habe nicht zu den Angehörigen der technischen Intelligenz im Sinne des § 1 der Verordnung (über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben) vom 17. August 1950 (GBl. I, S. 844, - VO-AVItech) in Verbindung mit (§ 1 Abs. 1) der Zweiten Durchführungsbestimmung zur AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl. I, S. 487, - 2. DB) gehört. Die Qualifikation als Ökonom entspreche nach dem Wortlaut der Versorgungsordnung nicht dem geforderten Titel eines Ingenieurs oder Technikers.

Der Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, er habe in der Zeit von 1982 bis 1990 als Ökonom die gleichen Tätigkeiten wie seine Kollegen als Ingenieure ausgeübt und seine Aufgabengebiete seien stets rein technischer Natur gewesen, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2002).

Dagegen hat sich der Kläger mit seiner zum Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage gewandt und weiterhin die Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zur AVItech beansprucht.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. April 2004 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, den Zeitraum vom 1. Januar 1977 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG anzuerkennen. Der Kläger habe zwar während seiner Tätigkeit in diesem Zeitraum keine Versorgungszusage erhalten, doch sei die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem im Sinne des § 5 Abs. 1 AAÜG nicht auf Inhaber in der DDR zuerkannter Rechte bzw. einer Versorgungszusage begrenzt (Hinweis auf BSG SozR 3-8570 § 5 Nr. 3). Der Kläger habe aber während seiner Tätigkeiten von 1977 bis 1990 nicht dem Personenkreis angehört, der nach den einschlägigen Regelungen der DDR einen Rechtsanspruch auf Einbeziehung in das Versorgungssystem Nr. 1 gehabt habe. Er habe nicht darauf vertrauen können, bei Fortsetzung seiner Tätigkeit bei dem VEB Funk- und Fernmelde-Anlagenbau bis zum Erreichen der Altersgrenze noch in die Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen zu werden. Als Ökonom habe der Kläger nicht den Titel eines Ingenieurs oder Technikers geführt. Das sei aber notwendig für die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem Nr. 1 gewesen (Hinweis auf BSG SozR 3-8570 § 5 Nr. 6). Die Beschäftigten, die diesen Titel nicht führten, hätten nur aufgrund einer Ermessensentscheidung des Werkdirektors in die Zusatzversorgung der technischen Intelligenz aufgenommen werden können. Diese Ermessensentscheidung könne von der Beklagten nicht nachgeholt werden.

Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner Berufung gewandt, mit der er sein bisheriges Begehren weiter verfolgt.

Der Kläger beantragt nach dem Inhalt seines Vorbringens,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. April 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeiten der Beschäftigung vom 1. Januar 1977 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz (Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in den jeweiligen Kalenderjahren tatsächlich erzielten Arbeitsverdienste festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, das der Sach- und Rechtslage entspreche. Die Anwendbarkeit des AAÜG ergebe sich nicht daraus, dass dem Kläger aus bundesrechtlicher Sicht nach den Gegebenheiten der DDR unter Beachtung des Gleichheitsgebots eine Anwartschaft auf eine Versorgung am 30. Juni 1990 hätte eingeräumt werden müssen. Dies wäre im Falle einer obligatorischen Einbeziehung der Fall gewesen. Der Kläger habe nicht zu dem Kreis der "zwingend" Versorgungsberechtigten im Sinne der VO-AVItech in Verbindung mit der 2. DB gehört, denn ihm sei weder der akademische Grad eines Ingenieurs noch ein entsprechendes Diplom einer Hochschule oder Universität zuerkannt worden, noch könne er ein abgeschlossenes technisches Studium bzw. eine erfolgreich abgelegte Prüfung durch ein entsprechendes Zeugnis nachweisen. Maßgebend sei, dass der Kläger zur Führung des Titels "Ingenieur" am 30. Juni 1990 nicht berechtigt gewesen sei (Hinweis auf BSG vom 10. April 2002 – B 4 RA 18/01 R). Ob der Kläger möglicherweise im Rahmen einer Ermessensentscheidung noch hätte aufgenommen werden können, sei insofern unerheblich.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhaltes auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte (Versicherungsnr.: ), die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

II.

Der Senat hat nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss in der Sache entschieden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung auf Grund der geklärten entscheidungserheblichen Sachlage nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -).

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat für die streitigen Zeiten keinen Anspruch auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zur AVItech und der während dieser Zeit erzielten Entgelte. Das AAÜG ist auf den Kläger nicht anwendbar (§ 1 Abs. 1 AAÜG).

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG hat der zuständige Versorgungsträger gleich einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) die Daten festzustellen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistung aus der Rentenversicherung erforderlich sind, und diese dem für die Feststellung der Leistung zuständigen Rentenversicherungsträger mitzuteilen. Nach § 8 Abs. 3 S. 1 AAÜG hat der Versorgungsträger dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung durch Bescheid bekannt zu geben. Eine solche Verpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger besteht vorliegend nicht.

Zwar war dem Kläger zu keinem Zeitpunkt in der DDR durch eine Einzelfallregelung (Versorgungszusage, Einzelentscheidung, Einzelvertrag) bei Eintritt des Versorgungsfalles die Gewährung von Leistungen aus einem Zusatzversorgungssystem zuerkannt worden. Doch sind die Vorschriften des AAÜG auf ihn auch anzuwenden, wenn ihm aus bundesrechtlicher Sicht nach den Gegebenheiten der DDR, d. h. nach den insoweit vom Einigungsvertrag noch partiell übernommenen Regelungen der Versorgungssysteme, wären diese unter Beachtung des Gleichheitsgebotes umgesetzt worden, eine Anwartschaft auf eine Versorgung am 30. Juni 1990 hätte eingeräumt werden müssen, er also, wäre der Versorgungsfall zu diesem Zeitpunkt eingetreten, zum 1. Juli 1990 im (jetzt) rechtsstaatlichen Umfeld Leistungen aus dem Versorgungssystem hätte beanspruchen können. Dies wäre der Fall gewesen, wenn er nach den Regelungen des Versorgungssystems "obligatorisch" im Sinne einer "gebundenen Verwaltung" – ohne Ermessensspielraum des Versorgungsträgers – in den Kreis der Versorgungsberechtigten hätte einbezogen werden müssen, weil die abstrakt-generellen Voraussetzungen hierfür insoweit am 30. Juni 1990 erfüllt waren. Daran fehlt es jedoch.

Der Kläger hatte aus bundesrechtlicher Sicht eine Versorgungsanwartschaft zur AVItech im dargelegten Sinne nicht erworben. Nach den diesbezüglichen Versorgungsregelungen war neben einer Beschäftigung in einem volkseigenen Produktions- oder gleichgestellten Betrieb eine Zugehörigkeit zu dem in § 1 Abs. 1 der 2. DB näher umschriebenen Personenkreis erforderlich. Als Ökonom gehörte er zweifelsfrei nicht dazu. Dies macht der Kläger auch nicht geltend, sondern beansprucht die Einbeziehung unter dem Gesichtspunkt, dass er wie Kollegen mit einem entsprechenden technisch ausgerichteten Abschluss gearbeitet habe, nachdem er sich entsprechende Kenntnisse durch zusätzliche betriebliche Schulungen angeeignet gehabt habe und deshalb wie ein Ingenieur zu behandeln sei. Der Kläger verkennt bei dieser Argumentation, dass als Angehörige der technischen Intelligenz im Sinne der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz unter anderem Ingenieure nur dann galten, wenn sie aufgrund eines staatlichen Zuerkennungsaktes in der DDR berechtigt waren, diese Berufungsbezeichnung zu führen; allein durch Ausübung einer ingenieurtechnischen Tätigkeit wurde die persönliche Voraussetzung für eine Einbeziehung in dieses Zusatzversorgungssystem nicht erfüllt (BSG Urteil vom 10. April 2002 – B 4 RA 18/01 R in SozR 3-8570 § 1 Nr. 8). Ob der Kläger möglicherweise aufgrund einer Ermessensentscheidung in das Versorgungssystem der technischen Intelligenz hätte einbezogen werden können, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, weil eine derartige Ermessensentscheidung bundesrechtlich nicht – rückschauend – ersetzt werden kann (BSG Urteil vom 31. Juli 2002 – B 4 RA 21/02 R in SozR 3-8570 § 1 Nr. 9). Daher bedarf auch keiner abschließenden Entscheidung, ob der Kläger überhaupt, was nach seiner Schilderung allerdings nicht anzunehmen ist, in dem gesamten geltend gemachten Zeitraum eine ingenieurtechnische Tätigkeit verrichtet hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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