L 8 RA 85/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 8 RA 1932/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RA 85/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. August 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:
I.

Der Kläger begehrt die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (AVItech; Zusatzversorgungssystem nach Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG) in der Zeit vom 1. September 1971 bis 30. Juni 1990 sowie der in dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte.

Dem am 1948 geborenen Kläger wurde nach dem Studium an der Ingenieurhochschule Leipzig in der Fachrichtung BMSR-Technik die Berechtigung verliehen, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen (Urkunde vom 31. Juli 1971). Anschließend war er ab dem 1. September 1971 bis 30. Juni 1990 und darüber hinaus als Ingenieur beim VEB E-Werke B T (VEB E) bzw. bei der durch Umwandlung aus diesem entstandenen E-Werke B GmbH (E GmbH) beschäftigt. Der Gesellschaftsvertrag der E GmbH wurde am 11. Juni 1990 geschlossen und die Eintragung im Handelsregister erfolgte am 27. Juni 1990 (lt. Registerauszug HRB 34437).

In ein Zusatzversorgungssystem war der Kläger nie einbezogen. Er hatte auch keine Versorgungszusage erhalten und es bestand auch kein einzelvertraglicher Anspruch auf eine derartige Zusage. Seit dem 1. Februar 1982 entrichtete der Kläger neben den Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR).

Den Antrag des Klägers auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften der AVItech lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Januar 2004 ab. Zur Begründung führte sie aus, der VEB E sei bereits vor dem 30. Juni 1990 privatisiert worden. Der Kläger sei daher am 30. Juni 1990 nicht mehr im Geltungsbereich der Zusatzversorgung der technischen Intelligenz tätig gewesen.

Der dagegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5. März 2004). Dazu führte die Beklagte aus, das der Kläger am 30. Juni 1990 eine Beschäftigung bei der EAW GmbH ausgeübt habe, bei der es sich nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb und auch nicht um einen im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1991 gleichgestellten Betrieb gehandelt habe. Für diese Beurteilung der Zugehörigkeit zur AVItech könnten die individuellen Umstände der Privatisierung nicht berücksichtigt werden; es komme ausschließlich auf die amtliche Eintragung im Handelsregister und die Löschung im Register der volkseigenen Wirtschaft an.

Mit seiner dagegen zum Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage hat der Kläger weiterhin die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit nach dem AAÜG beansprucht. Er hat dazu insbesondere auf die Tatsache verwiesen, dass Kollegen aus seinem Beschäftigungsbetrieb positive Bescheide von der Beklagten erhalten hätten.

Das SG hat den Registerauszug zu HRB 34437 (betreffend VEB E/ E GmbH) beigezogen und sodann die Klage mit Urteil vom 11. August 2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Feststellung der Versorgungsberechtigung zum 1. August 1991 und damit der Anwendbarkeit des AAÜG sowie auf Feststellung der Beschäftigungszeit vom 1. September 1971 bis 30. September 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech und der in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Entgelte. Einen solchen aus § 8 AAÜG sich ergebenden Anspruch gegen die Beklagte als insofern zuständiger Versorgungsträger habe der Kläger nicht, denn er sei nicht Berechtigter im Sinne des § 8 AAÜG, da dieses Gesetz auf ihn keine Anwendung finde. Das AAÜG gelte gemäß § 1 Abs. 1 AAÜG nur für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- oder Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden seien und damit bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 bereits bestanden hätten. Der Kläger habe aber weder einen Anspruch auf Versorgung noch eine Anwartschaft im Versorgungssystem AVItech gehabt. Die von der Rechtssprechung (vgl. Urteil des BSG vom 9. April 2002 – B 4 RA 3/02 R -) dazu klarstellend dargelegten Voraussetzungen erfülle der Kläger nicht. Denn er habe nach den insoweit maßgeblichen Regelungen der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 und der dazu ergangenen Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) vom 24. Mai 1951 am 30. Juni 1990 keinen Anspruch auf Einbeziehung in die AVItech gehabt, weil er zum Stichtag des 30. Juni 1990 nicht (mehr) in einem volkseigenen Betrieb beschäftigt gewesen sei. Mit seinen Entscheidungen vom 9. und 10. April 2002 habe das BSG abschließend klargestellt, dass es für die Feststellung, ob die Vorschriften des AAÜG anwendbar seien, nicht ausreiche, dass zu irgendeinem Zeitpunkt eine Beschäftigung ausgeübt worden sei, die möglicherweise den Tatbestand des § 5 AAÜG erfülle. Der Kläger habe am 30. Juni 1990 für eine GmbH, die E-Werke B GmbH, gearbeitet und also an diesem Tag nicht mehr in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit einem volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie, Bauwesen) gestanden. Gemäß § 7 der Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften vom 1. März 1990 (Gesetzblatt der DDR 1990, Teil I S. 107 f. – UmwandlungsVO) werde die Umwandlung mit der Eintragung der GmbH bzw. der AG in das Register wirksam. Mit der Eintragung werde die GmbH bzw. AG Rechtsnachfolger des umgewandelten Betriebes. Der vor der Umwandlung bestehende Betrieb sei damit erloschen. Die E GmbH sei ausweislich des im Klageverfahren vorliegenden Auszugs aus dem Handelsregister am 27. Juni 1990 in dieses erstmals eingetragen worden und der VEB E damit an diesem Tage erloschen. Der Kläger habe daher seit dem 27. Juni 1990 bei einer GmbH und nicht mehr bei einem volkseigenen Betrieb (vgl. BSG Urteil vom 29. Juli 2004 – B 4 RA 12/04 R) gearbeitet. Die E GmbH falle auch nicht unter die gemäß § 1 Abs. 2 der 2. DB aufgelisteten und einem volkseigenen Produktionsbetrieb gleichgestellten Betriebe. Da mithin das AAÜG auf den Kläger nicht anwendbar sei, könne eine Feststellung von Beschäftigungszeiten nach den §§ 5 bis 8 AAÜG nicht erfolgen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er weiterhin die Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zur AVItech begehrt. Unter Verweis darauf, dass er für die Folgezeit Versorgung aus der FZR erhalte, beansprucht er die entsprechende Feststellung nur noch für den Zeitraum vom 1. September 1971 bis 31. Januar 1982. Dazu trägt er ergänzend vor, dass es für ihn unverständlich sei, dass die Beklagte bis in die jüngste Vergangenheit offensichtlich falsche und Kollegen begünstigende Bescheide verschickt habe. Eine solche Ungleichbehandlung halte er für zutiefst ungerecht.

Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. August 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Januar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2004 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 1. September 1971 bis 31. Januar 1982 als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in dieser Zeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil, das - wie sie noch einmal ausführlich darlegt - den gesetzlichen Regelungen und der höchstrichterlichen Rechtssprechung und dem danach maßgeblichen Stichtag 30. Juni 1990 entspreche.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhaltes auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte (Versicherungsnummer: ), die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

II.

Der Senat hat nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -).

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten nach dem AAÜG für die Zeit vom 1. September 1971 bis 31. Januar 1982 hat. Das AAÜG ist auf den Kläger nicht anwendbar (§ 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG).

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG hat der zuständige Versorgungsträger gleich einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) die Daten festzustellen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistung aus der Rentenversicherung erforderlich sind, und diese dem für die Feststellung der Leistung zuständigen Rentenversicherungsträger mitzuteilen. Nach § 8 Abs. 3 S. 1 AAÜG hat der Versorgungsträger dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung durch Bescheid bekannt zu geben. Eine solche Verpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger besteht vorliegend nicht.

Das SG hat zutreffend dargelegt, dass der Kläger die Anwendbarkeit des AAÜG und damit die Feststellung der begehrten Zugehörigkeitszeiten nur beanspruchen kann, wenn er zum Stichtag des 30. Juni 1990 noch von den Regelungen der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in volkseigenen und in ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. 1, S. 844 – VO – AVItech) i. V. m. § 1 Abs. 1 der 2. Durchführungsbestimmung zur AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl. 1, S. 487 – 2. DB) erfasst worden ist, mithin zu diesem Zeitpunkt noch in einem volkseigenen Betrieb oder einem diesem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen ist. An dieser betrieblichen Voraussetzung fehlt es jedoch, da der Kläger am 30. Juni 1990 bereits in einer GmbH beschäftigt war. Dies hat das SG in dem angefochtenen Urteil richtig dargelegt, sodass der Senat darauf zur Vermeidung von Wiederholungen verweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Berufungsvorbringen gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. In dem zum Zeitpunkt der Klageabweisung nur aufgrund einer Pressemitteilung bekannten Urteil vom 29. Juli 2004 (SozR 4-8570 §1 Nr. 4) hat das BSG erneut bestätigt, dass für die Anwendbarkeit des AAÜG erforderlich ist, dass Ingenieure am 30. Juni 1990 eine dieser Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit in einem volkseigenem Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem diesem gleichgestellten Betrieb ausgeübt haben müssen, wenn sie zuvor nicht in ein Versorgungssystem einbezogen gewesen sind. Der Senat sieht keinen Anlass, den entsprechenden Erwägungen des BSG nicht zu folgen, insbesondere nachdem das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 26. Oktober 2005 (1 BvR 1921/04 u. a.) durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Stichtagsregelung nicht gesehen und die entsprechenden Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen hat.

Soweit der Kläger unter Verweis auf andere begünstigte Kollegen eine Gleichbehandlung beansprucht, ergibt sich daraus keine andere Bewertung. Zum einen lässt der pauschale Hinweis auf andere begünstigte Kollegen nicht erkennen, ob tatsächlich ein gleichartiger Sachverhalt den betreffenden Entscheidungen der Beklagten zu Grunde lag, oder ob möglicherweise frühere Einbeziehungen in ein Zusatzversorgungssystem oder eine Versorgungszusage vorlagen. Zum anderen besteht auch grundsätzlich kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht, sondern nur nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen. Angesichts der Vielzahl der anhängigen Verfahren ist auch nicht erkennbar, dass allein der Kläger von der zutreffenden Anwendung des Stichtags 30. Juni 1990 betroffen wäre.

Die Berufung des Klägers kann nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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