L 8 AL 67/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 62 AL 2892/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 AL 67/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juni 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte meldete dem Träger der Rentenversicherung am 15. Mai 2001 Ausfallzeiten des Klägers für die Zeit vom 1. Januar bis 11. April 2001. Am 25. Mai 2001 ging bei der Beklagten ein Schreiben des Klägers vom 22. Mai 2001 ein, in dem er unter anderem ausführte, dass er am 22. Mai 2001 die Mitteilung erhalten habe, ab Mitte April nicht mehr arbeitslos zu sein. Die Beklagte sah dieses Schreiben als Widerspruch gegen einen "Bescheid" vom 15. Mai 2001 an, den sie durch Widerspruchsbescheid vom 13. August 2001 zurückwies. Der Kläger habe sich zuletzt am 11. Januar 2001 gemeldet und sei auch auf die Erneuerung der Meldung hingewiesen worden. Bis zum 11. April 2001 sei keine neue Meldung beim Arbeitsamt erfolgt, so dass eine Meldung an den zuständigen Träger der Rentenversicherung nur bis zum 11. April 2001 habe erfolgen können. Mit seiner Klage vor dem Sozialgericht hat der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 15. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. August 2001 aufzuheben, die Beklagte zu verurteilen, ihn seit Januar 2001 ununterbrochen als arbeitslos zu führen, die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitsmöglichkeiten nachzuweisen sowie, die Beklagte zu verurteilen, dem Grunde nach Schadensersatz für die unterlassene Vermittlung im Jahr 2001 zu leisten. Die Beklagte behaupte, er habe sich nicht arbeitslos gemeldet, obwohl sie ihrerseits wegen Verletzung der gesetzlichen Pflicht zu Vermittlungsbemühungen verklagt sei. Im übrigen habe sie früher mitgeteilt, dass Personen, die 57 Jahre oder älter seien, sich nicht regelmäßig zu melden hätten, sondern nur mitteilen müssten, wenn sie Arbeit gefunden hätten. Das Verhalten der Beklagten sei schikanös. Durch Gerichtsbescheid vom 28. Juni 2002 hat das Sozialgericht die Klagen abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. August 2001 sei nicht zu beanstanden, auf dessen Begründung werde Bezug genommen. Auf die weiteren geltend gemachten Ansprüche sei nicht weiter einzugehen. Die Beklagte könne nicht dazu verurteilt werden, dem Kläger Arbeitsgelegenheiten nachzuweisen. Soweit Schadensersatzansprüche geltend gemacht würden, fehle es an der Zuständigkeit der Sozialgerichte. Mit der Berufung macht der Kläger geltend, dass der Gerichtsbescheid geltendes Recht verletze. Im laufenden Berufungsverfahren hat die Beklagte das Schreiben des Klägers vom 22. Mai 2001 als Erneuerung des Vermittlungsgesuchs angesehen und mitgeteilt, dass sie dem Träger der Rentenversicherung nunmehr die Zeiten vom 1. Januar bis zum 11. April und vom 22. Mai bis zum 31. Dezember 2001 sowie das gesamte Jahr 2002 als Zeiten der Arbeitslosigkeit gemeldet habe. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2003 teilte der Kläger mit, dass die Meldungen bis dahin noch nicht beim Rentenversicherungsträger eingegangen seien. Den Hinweis auf § 38 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) habe er 2001 nicht erhalten. Abgesehen davon ersetze die anhängige Klage auf Vermittlungsbemühungen jede neue Meldung. Die Bemühungen der Beklagten, ihn in Arbeit zu vermitteln, seien im Übrigen mangelhaft oder fänden gar nicht statt. Der Kläger beantragt, ausgehend von seinem mit der Klage geltend gemachten Begehren, der Sache nach, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juni 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. August 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn seit Januar 2001 ununterbrochen als arbeitslos zu führen, ihm Arbeitsmöglichkeiten nachzuweisen sowie dem Grunde nach Schadensersatz für die unterlassene Vermittlung im Jahr 2001 zu leisten. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Meldung der beitragsfreien Zeiten für die Jahre 2001 und 2002 habe sie am 14. Januar 2004 noch einmal an den Rentenversicherungsträger übermittelt und dem Kläger davon eine Kopie übersandt. Die Gerichtsakte sowie ein Band Verwaltungsakten der Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Soweit der Kläger – insoweit dem Sprachgebrauch der Beklagten in dem Widerspruchsbescheid vom 13. August 2001 folgend - die Aufhebung eines "Bescheides" vom 15. Mai 2001 begehrt, ergibt sich das daraus, dass nicht ersichtlich ist, dass die Beklagte einen Verwaltungsakt erlassen hätte. Verwaltungsakt ist nach § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Selbst wenn die Beklagte den Kläger über die nach Aktenlage am 15. Mai 2001 erfolgte Meldung an den Träger der Rentenversicherung in Kenntnis gesetzt hätte, hätte sie keine "Regelung" in diesem Sinne getroffen. Denn damit wäre weder auf dem Gebiet des Arbeitsförderungsrechts noch auf demjenigen der gesetzlichen Rentenversicherung durch Begründung, Veränderung oder Aufhebung eines subjektiven Rechts oder einer Pflicht eine Rechtsfolge gesetzt worden (s. zum Begriff der Regelung etwa Engelmann in von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 4. Aufl 2001, § 31 Rz. 24). Vielmehr wird durch die Mitteilung der gemeldeten Daten lediglich einer der Beklagten aus Gründen des Datenschutzes (s. Bundestags-Drucksache 11/2221 S. 21) auferlegten gesetzlichen Informationspflicht genügt und damit ohne erkennbaren Rechtsfolgewillen eine bloße Wissenserklärung abgegeben (vgl. Engelmann a. a. O., Rz. 52). Zudem kann die Beklagte mangels Rechtsgrundlage keine verbindlichen Rechtsfolgen im Einzelfall auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung setzen (s. Bundessozialgericht – BSG – in Entscheidungssammlung Sozialrecht – SozR - 4-2600 § 191 Nr. 1 sowie Urteil vom 20. Dezember 2001 - B 4 RA 50/01 R -, zitiert nach Juris). Eine reine Mitteilung über gemeldete Daten wäre auch nicht als sogenannter "formeller Verwaltungsakt" nach den für Verwaltungsakte geltenden Regelungen zu behandeln (s. dazu BSG SozR 4-2600 § 191 Nr. 1 und BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 – B 4 RA 60/02 R -, zitiert nach Juris). Die Beklagte hätte dadurch nicht den äußeren Anschein erweckt, sie wolle eine Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts treffen. Dass die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid vom 13. August 2001 davon ausgegangen war, es bestehe ein Verwaltungsakt vom 15. Mai 2001, ist als bloße Rechtsmeinung unerheblich. Die auf Aufhebung einer etwaig an den Träger der Rentenversicherung gerichteten Mitteilung vom 15. Mai 2001 gerichtete Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) war damit unzulässig (BSG SozR 4-2600 § 191 Nr. 1). Die gegen den Widerspruchsbescheid vom 3. Januar 2003 gerichtete Klage war zwar zulässig, weil insoweit zweifelsfrei ein Bescheid vorliegt. Der Widerspruchsbescheid ist aber im Ergebnis rechtmäßig ergangen. Denn ein Widerspruchsverfahren ist nur bei Anfechtung von Verwaltungsakten durchzuführen, so dass der Widerspruch mangels Zulässigkeit keinen Erfolg haben konnte (§ 78 SGG). Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen im Wege der reinen Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG durchsetzbaren Anspruch, ihn seit Januar 2001 ununterbrochen als arbeitslos zu führen. Ihm kann gegen die Beklagte allenfalls ein subjektiv-öffentliches Recht auf schriftliche Mitteilung dessen zustehen, was die Beklagte dem Rentenversicherungsträger tatsächlich gemeldet hat (Analogie zu § 191 Satz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch in Verbindung mit § 28a Abs 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch). Für weitergehendere subjektiv-öffentliche Rechte gegen die Beklagte besteht kein Grund, da die Feststellung rentenrechtlicher Tatbestände – wie bereits ausgeführt - in die Entscheidungskompetenz des Trägers der Rentenversicherung fällt, der auch die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür abschließend zu klären hat (s. auch hierzu BSG SozR 4-2600 § 191 Nr. 1). Für einen Anspruch auf den Nachweis (konkreter) Vermittlungsmöglichkeiten gibt es, wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, keine Rechtsgrundlage. Die Beklagte ist kraft Gesetzes lediglich verpflichtet, Ausbildung- und Arbeitsuchenden Ausbildungs- und Arbeitsvermittlung anzubieten und sie nach pflichtgemäßem Ermessen durchzuführen (§ 35 Abs. 1 und 2 SGB III). Dafür, dass die Beklagte dem Kläger ermessensfehlerhaft Vermittlungsbemühungen versagen würde, gibt es – nicht zuletzt angesichts der Arbeitsmarktlage – keinen Anhaltspunkt (s. zu den Rechten des Arbeitsuchenden im Rahmen der Vermittlung auch BSG SozR 1500 § 144 Nr. 30; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 5. Oktober 2004 – L 13 AL 965/04 -, zitiert nach Juris). Soweit der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz geltend gemacht hat, den er auf die Verletzung von Amtspflichten – nämlich unterlassene Vermittlungsbemühungen – stützt, fehlt die Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat. Für einen solchen Anspruch ist ausschließlich die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben (Art. 34 Satz 3 Grundgesetz in Verbindung mit § 40 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung und § 17 Abs. 2 Satz 2 GVG). Die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit wird nicht dadurch begründet, dass sie für den geltend gemachten Anspruch auf Vermittlung auf Grund von § 51 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegeben ist, weil eine Leistung der Arbeitsförderung begehrt wird.

Der Schadensersatzanspruch stellt daneben einen neuen Streitgegenstand dar ("objektive Klagenhäufung"), für den ein anderer Gerichtszweig kraft ausdrücklicher Anordnung zuständig ist. Erst dann, wenn das Gericht überhaupt für einen Klagegrund zuständig ist, muss es den Rechtsstreit aber unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten prüfen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 GVG; sogenannte rechtswegüberschreitende Kompetenz; siehe dazu etwa Bundesarbeitsgericht – BAG – Beschluss vom 18. August 1997, 9 AZB 15/97, Arbeitsrechtliche Praxis – AP - Nr. 70 zu § § 74 HGB). Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Beklagten sind auch nicht deshalb Kosten aufzuerlegen, weil sie unzutreffend davon ausgegangen war, einen "Bescheid" vom 15. Mai 2001 gesetzt zu haben. Mit seinem Rechtsmittel hatte der Kläger gleichwohl keinen Erfolg und die allenfalls vorliegende formale Beschwer fällt im Vergleich zu dem Begehren, mit dem der Kläger unterlegen war, nicht ins Gewicht. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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