Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 4 RA 5644/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 R 421/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. März 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Altersrente und die Zulassung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach Nr. 11 des Schlussprotokolls in der Fassung des Zusatzabkommens vom 12. Februar 1995 zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über soziale Sicherheit (SP/DISVA) unter Anerkennung von Fremdbeitragszeiten nach § 17 a des Fremdrentengesetzes (FRG). Insoweit ist insbesondere streitig die Zugehörigkeit des Klägers zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK).
Der Kläger ist am 1921 in P Kreis Lemberg in Polen geboren. Er ist Jude und lebt seit Mai 1957 in Israel und besitzt seit dem dessen Staatsangehörigkeit.
Im November 1997 beantragte er bei der Beklagten die Anerkennung von Zeiten nach dem FRG und von Ersatzzeiten, die Zulassung zur Nachentrichtung von Beiträgen und die Gewährung einer Rente. Dazu gab er an, von Januar 1937 bis Juni 1941 in Polen versicherungspflichtig beschäftigt gewesen zu sein und Beiträge zur polnischen Rentenversicherung entrichtet zu haben. Eine entsprechende Anfrage der Beklagten an den polnischen Versicherungsträger erbrachte keine Bestätigung; dieser teilte mit, Unterlagen hätten nicht ermittelt werden können. In einem Fragebogen für die Claims Conference hatte der Kläger bereits früher angegeben, dass er im Juni 1941 in die Sowjetunion geflüchtet sei. Bis August 1943 habe er dort in der Illegalität gelebt und sei dort auf fünf Jahre verurteilt worden und 1948 nach Polen zurückgekehrt. Für eine anschließende weitere Beschäftigung in Polen vom 20. August 1948 bis 30. April 1957 reichte der Kläger eine Arbeitsbescheinigung ein. Die Beklagte veranlasste eine Sprachprüfung durch das Finanzministerium in Israel vom 18. August 1999. Bei dieser Gelegenheit gab der Kläger an, dass seine beiden Eltern ebenfalls im Bezirk Lemberg, damals zu Österreich gehörend, geboren und deutscher Muttersprache gewesen seien. Beide Elternteile hätten Deutsch gelesen und geschrieben. Umgangssprache im Elternhaus sei Deutsch gewesen. Er habe die Schule von 1928 bis 1935 besucht; Unterrichtssprache sei Polnisch gewesen, Deutsch sei als Fach drei Jahre unterrichtet worden. Seine Ehefrau, die er 1948 geheiratet habe, sei in Lublin geboren. In dem Protokoll der Sprachprüfung ist festgehalten, dass der Kläger ein Gemisch aus Jiddisch und Deutsch spreche und auf Grund seiner Sehbehinderung weder Lesen noch Schreiben könne. Einen ihm vorgelesenen einfachen Text habe er verstanden. Er stamme aus einer sehr schlichten Familie, in der Kulturgut nicht vermittelt worden sei. An das Wenige, das er – der Kläger – gekannt haben mag, habe er sich nicht mehr erinnern können. Es sei glaubhaft, dass in seinem Elternhaus Deutsch gesprochen worden sei. Auf Grund der ausschließlich mündlichen Ausdrucksweise sei es aber nicht möglich festzustellen, ob und in welchem Maße der Kläger im Zeitpunkt der Verfolgung dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört habe. Unterlagen zur Zugehörigkeit zum dSK und zum Verfolgungsschicksal legte der Kläger der Beklagten auch auf Anforderung nicht vor.
Die Beklagte zog die über den Kläger geführte Entschädigungsakte von der Bezirksregierung Düsseldorf bei, aus der sich keinerlei zweckdienliche Angaben ergaben; eine Leistung war wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt worden (Bescheid des Regierungspräsidenten in Köln vom 12. August 1971). Mit Bescheid vom 7. Februar 2000 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab, weil berücksichtigungsfähige Beitragszeiten nicht vorlägen; die angegebenen Beitragszeiten in Polen vom 20. August 1948 bis 30. April 1957 könnten mangels Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen nicht berücksichtigt werden. Voraussetzung für die Anspruchsberechtigung nach § 17 a FRG sei unter anderem die Zugehörigkeit zum dSK; diese sei nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Den ohne Begründung gebliebenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2000 zurück.
Dagegen hat sich der Kläger mit seiner zum Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage gewandt und weiterhin die Gewährung einer Altersrente beansprucht. Er hat dazu die Auffassung vertreten, das Ergebnis der Sprachprüfung verpflichte die Beklagte nach einem Besprechungsergebnis, seine Zugehörigkeit zum dSK anzuerkennen.
Die Beklagte hat dazu vorgetragen, bei der vom Kläger angesprochenen Grundsatzentscheidung handele es sich um eine interne Anleitung im Hause der Beklagten. Im Übrigen könne aus der Zusammenfassung des Sprachprüfers nicht geschlossen werden, dass eine erfolgreiche Sprachprüfung absolviert worden sei.
Das SG hat die den Kläger betreffenden Akten des Entschädigungsamtes und der Claims Conference beigezogen.
Sodann hat das SG mit Urteil vom 16. März 2005 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die angefochtenen Bescheide seien rechtlich nicht zu beanstanden. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Berücksichtigung von Beitragszeiten in Polen über § 17 a FRG, Nachentrichtung von Beiträgen und auf Zahlung einer Rente bestehe nicht. Nach § 17 a FRG fänden die Vorschriften des FRG Anwendung auch auf Personen, die bis zu dem Zeitpunkt, in dem sich der nationalsozialistische Einflussbereich auf ihr jeweiliges Heimatgebiet erstreckt habe, dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört hätten, das 16. Lebensjahr bereits vollendet oder im Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört hätten und sich wegen ihrer Zugehörigkeit zum Judentum nicht zum deutschen Volkstum bekannt hätten und die Vertreibungsgebiete nach § 1 Satz 1 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes verlassen hätten. Zu diesem Personenkreis habe der Kläger nicht gehört; es sei nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass er zu dem Zeitpunkt, in dem sich der nationalsozialistische Einflussbereich auf sein Heimatgebiet erstreckt habe, dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört habe. Für eine Zugehörigkeit zum dSK reiche es nicht aus, dass der Betreffende (auch) die deutsche Sprache beherrscht und sie bei bestimmten Gelegenheiten oder in Teilbereichen des Lebens wie etwa im beruflichen Leben gebraucht habe. Vielmehr sei dem dSK nur zuzurechnen, wer die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht und sie auch im persönlichen Bereich überwiegend gebraucht habe. Neben der muttersprachlichen Beherrschung sei weitere Voraussetzung, dass gerade die deutsche Sprache im entscheidungserheblichen Zeitraum im persönlichen Bereich überwiegend gebraucht worden sei. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen müsse zumindest glaubhaft gemacht sein, woran es vorliegend fehle. Ausweislich der Sprachprüfung habe der Kläger ein Gemisch aus Jiddisch und Deutsch gesprochen und einen ihm vorgelesenen einfachen Text verstanden. Es sei glaubhaft, dass in seinen Elternhaus Deutsch gesprochen worden sei, und es sei möglich, dass sich sein aus dem Elternhaus stammendes Deutsch im Laufe einer 46-jährigen Ehe mit einer jiddisch sprechenden Frau verändert habe. Aufgrund der ausschließlich mündlichen Ausdrucksweise sei es aber nicht möglich festzustellen, ob und in welchem Maß der Kläger im Zeitpunkt der Verfolgung dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört habe. Diese Feststellungen seien nicht geeignet, eine Zugehörigkeit des Klägers zum dSK glaubhaft zu machen. Auch wenn danach durchaus im Elternhaus des Klägers auch Deutsch gesprochen worden sein mag, bedeute dies aber nicht, dass es sich nicht auch bei der Umgangssprache im Elternhaus des Klägers um ein Gemisch aus Jiddisch und Deutsch gehandelt habe. Eine bloße Vermutung, dass der Kläger möglicherweise früher besser Deutsch gesprochen habe, reiche nicht aus. Das Ergebnis der Sprachprüfung vermöge schon nicht die Überzeugung zu begründen, dass der Kläger überhaupt im entscheidungserheblichen Zeitraum die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht habe. Nicht für ein Beherrschen der deutschen Sprache wie eine Muttersprache spreche auch, dass der Kläger seine Erklärungen bei der Claims Conference 1989 nicht in Deutsch, sondern in Ivrit abgegeben habe, und diese dann von dem Aufnehmenden in die deutsche Sprache übersetzt worden seien. Im Übrigen sei auch eine entsprechende Beherrschung der deutschen Sprache allein nicht ausreichend. Da davon auszugehen sei, dass der Kläger Jiddisch und Polnisch in zumindest dem gleichen Maße beherrscht habe wie die deutsche Sprache, sei weitere Voraussetzung, dass der Kläger bis zu dem Zeitpunkt, in dem sich der nationalsozialistische Einflussbereich auf sein Heimatgebiet erstreckt habe, im gesamten persönlichen Lebensbereich gerade die deutsche Sprache überwiegend gebraucht habe. Irgendwelche Belege in diese Richtung habe der Kläger nicht vorlegen können und seien auch nicht den beigezogenen Akten zu entnehmen.
Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner fristwahrenden Berufung gewandt.
Seiner ohne Begründung gebliebenen Berufung entnimmt der Senat den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. März 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. Februar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Fremdbeitragszeiten von 1937 bis 1941 und August 1948 bis April 1957 zu berücksichtigen, ihn zur Nachentrichtung zuzulassen und eine Rente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung, die der Sach- und Rechtslage entspreche.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Gerichtsakte, die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte (Versicherungsnummer: ) sowie die dieser beiliegenden Entschädigungsakte, die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.
II
Der Senat hat nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss entschieden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG-).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 7. Februar 2000 zu Recht die Gewährung eines Altersruhegeldes mangels erfüllter Wartezeit und die Zulassung zur Nachentrichtung gemäß Nr. 11 SP/DISVA abgelehnt.
Der geltend gemachte Rentenanspruch richtet sich noch nach dem bis zum Inkrafttreten des 6. Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) am 1. Januar 1992 geltenden Recht des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) und des Fremdrentenrechts. Der gegenüber den Bestimmungen des SGB VI nach § 30 Abs. 2 SGB I vorrangige Artikel 2 des Zusatzabkommens zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über soziale Sicherheit vom 12. Februar 1995 (BGLBL II 1996, 299) in Verbindung mit Nr. 11 des Schlussprotokolls zum DISVA, eingefügt durch Artikel 1 des Zusatzabkommens zum DISVA, erfordert trotz der erst im November 1997 erfolgten Antragstellung die Anwendung des bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Rechts (vgl. dazu BSG, Urteil vom 20. Oktober 2004 – B 5 RJ 27/03 R in SozR 4-6481 Nr. 11 Nr. 1).
Nach § 25 Abs. 5 AVG erhält Altersruhegeld der Versicherte, der das 65. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit nach Absatz 7 Satz 3 erfüllt hat. Die Wartezeit für das Altersruhegeld nach Absatz 5 ist erfüllt, wenn eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt ist. Der Kläger hat zwar bereits im Januar 1986 das 65. Lebensjahr vollendet, doch ist die Wartezeit nicht erfüllt. Für die Wartezeit werden gemäß § 26 AVG die ab 1. Januar 1924 zurückgelegten Versicherungszeiten, das sind gemäß § 27 AVG Zeiten, für die nach Bundesrecht oder früheren Vorschriften der reichsgesetzlichen Angestelltenversicherung Beiträge wirksam entrichtet sind oder als entrichtet gelten (Beitragszeiten) und Ersatzzeiten (§ 28 AVG), berücksichtigt. Ob und in welchem Umfang wegen der erlittenen Verfolgung Ersatzzeiten gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 4 AVG anerkannt werden könnten, bedarf jedoch keiner Entscheidung, da solche Zeiten für die Erfüllung der Wartezeit nur angerechnet werden können, wenn Beitragszeiten vor der Ersatzzeit bzw. in bestimmten Maße nach der Ersatzzeit vorhanden sind (zu den Einzelheiten § 28 Abs. 2 AVG). Solche Beitragszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung hat der Kläger jedoch nicht zurückgelegt, wie zwischen den Beteiligten unstreitig sein dürfte.
Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Rente kann sich daher nur nach Maßgabe des Zusatzabkommens vom 12. Februar 1995 ergeben. Unter den in Nr. 11 SP/DISVA aufgeführten Voraussetzungen können die im Abkommen deutschen Staatsangehörigen gleichgestellten Personen freiwillige Beiträge zur deutschen Rentenversicherung nachentrichten, sofern für sie durch die Anwendung des § 17 a FRG erstmals Beitragszeiten oder Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen sind. Die unter Einhaltung der Frist des Artikel 2 des Zusatzabkommens (24 Monate nach Inkrafttreten des Abkommens am 1. Juni 1996 [Bekanntmachung BGBL 1996 II, Seite 1033]) gestellten Anträge sind rechtzeitig im November 1997 erfolgt. Die Rentenleistungen werden vom 1. Juli 1990 an geleistet, wenn bis zu diesem Zeitpunkt der Versicherungsfall eingetreten und die am 1. Juli 1990 geltenden Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger jedoch nicht, weil für ihn nicht erstmals gemäß § 17 a FRG Fremdrentenzeiten anzuerkennen sind.
Die Berücksichtigung von in Polen zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten (§§ 15, 16 FRG) in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 17 a FRG verlangt unter anderem, wie das SG zutreffend dargelegt hat, die Zugehörigkeit zum dSK zum Zeitpunkt der Erstreckung des nationalsozialistischen Einflusses auf Polen oder zum Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG kommt dem Gebrauch der deutschen Sprache im persönlichen Bereich für die Zugehörigkeit zum dSK im Regelfall ausschlaggebende Bedeutung zu. Denn wer eine Sprache in seinem persönlichen Bereich, der durch die Familie, aber auch durch den Freundes- und Bekanntenkreis bestimmt wird, ständig verwendet, gehört nicht nur diesem Sprachkreis, sondern auch dem durch die Sprache vermittelten Kulturkreis an, weil sie ihm den Zugang zu dessen Weltbild und Denkwelt erschließt. Eine Mehrsprachigkeit steht der Zugehörigkeit zum dSK dann nicht entgegen, wenn der Verfolgte die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht und sie in seinem persönlichen Bereich überwiegend gebraucht hat (vgl. z. Bsp. BSG Urteil vom 26. September 1991 – 4 RA 89/90 in SozR 3- 5070 § 20 Nr. 2 mit weiteren Nachweisen). Die entsprechenden Umstände müssen nicht nachgewiesen werden; es genügt, dass diese glaubhaft gemacht werden (§ 4 FRG). Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Der Senat sieht es mit dem SG nicht für überwiegend wahrscheinlich an, dass der Kläger dem dSK angehört hat.
Für die Beantwortung dieser Frage liegen allein die Angaben des Klägers vor, wie sie sich aus den Verwaltungsakten und der Sprachprüfung ergeben. Nach seinen Angaben in dem bei der Beklagten eingereichten Fragebogen hat er Deutsch und Polnisch in Wort und Schrift beherrscht und ansonsten sowohl im persönlichen Lebensbereich (in der Familie) als auch außerhalb der Familie und im Berufsleben überwiegend Deutsch benutzt. Bei der Sprachprüfung gab er dagegen an, im Elternhaus und im persönlichen Lebensbereich unter den Geschwistern sei ausschließlich Deutsch gesprochen worden. Letzteres erscheint angesichts des vom Kläger angegebenen Besuchs einer polnischen Volksschule mit drei Jahren Deutsch als Fach kaum glaubhaft, da dies bedeuten würde, dass er die polnische Sprache bei Eintritt in die Schule nur unzulänglich gesprochen hätte. Da sein Vater nach – den als zutreffend unterstellten - Angaben des Klägers die Mittelschule besucht hat und als Lebensmittelhändler tätig war, ist vielmehr anzunehmen, dass der Vater angesichts seines Bildungsstandes und dem Leben in einer stark polnisch geprägten Umgebung jedenfalls auch um die Beherrschung der polnischen Sprache seitens der Kinder bemüht war. Der Kläger zog nach seien Angaben mit seinen Eltern im Alter von fünf Jahren von seinem Geburtsort in die nahe gelegene Kreisstadt Lemberg. Diese in einem ukrainischsprachigen Umland gelegene Stadt hatte sich im Laufe seiner Geschichte zu einem wichtigen Handelplatz sowie neben Krakau, Posen und Warschau zu einem Zentrum polnischen Kultur- und Geisteslebens entwickelt und fiel schließlich an das Habsburger Reich. Nach dem 1. Weltkrieg fiel Lemberg an Polen zurück. Die Stadt hatte damals 361000 Einwohner, die meisten davon Polen, ein Drittel Juden, außerdem Deutsche und Armenier (aus: Wikipedia, der freien Enzyklopädie im Internet). Auch angesichts dieser ganz überwiegend polnisch und jüdisch geprägten Stadt überzeugt es deshalb nicht, wenn der Kläger für den persönlichen Bereich eine Verwendung ausschließlich der deutschen Sprache behauptet. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger mehrsprachig aufgewachsen ist. Insofern reicht es nicht, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, dass ein Antragsteller auch die deutsche Sprache (wie eine Muttersprache) beherrscht hat, sondern hinzukommen muss auch der überwiegende Gebrauch des Deutschen im persönlichen Bereich. Ob man angesichts der wegen seiner Sehschwäche nur begrenzten Möglichkeiten einer Sprachprüfung aus dem gesprochenen Gemisch von Jiddisch und Deutsch bei einem Leseverständnis für einfache Texte auf eine muttersprachliche Beherrschung des Deutschen durch den Kläger schließen kann, kann im Ergebnis dahinstehen, weil jedenfalls der überwiegende Gebrauch der deutschen Sprache im persönlichen Bereich nicht als glaubhaft gemacht angesehen werden kann. Denn vor dem Hintergrund des in der Sprachprüfung gewonnenen Eindrucks, dass der Kläger aus einer "schlichten Familie" stammt, kann die Angabe des Vorhandenseins anspruchsvoller Literatur sowohl in dem Fragebogen als auch in der Sprachprüfung ebenso wie der Gebrauch ausschließlich der deutschen Sprache im familiären Kreis nur als zweckgerichtete Angabe angesehen werden, die nicht im Einklang mit den sonstigen nach den klägerischen Schilderungen anzunehmenden Gegebenheiten steht. Hinzu kommt, worauf auch bereits das SG hingewiesen hat, dass die Befragung zu dem bei der Claims Conference eingereichten Fragebogen in Ivrit und die Übersetzung ins Deutsche durch den zuständigen Sachbearbeiter erfolgte. Auch wenn daraus keine zwingenden Schlüsse gezogen werden können, so ergeben sich doch auch daraus Zweifel an der auch durch überwiegenden Gebrauch erworbenen sprachlichen Kompetenz. Nach alledem kann allein aufgrund der in sich nicht stimmigen Angaben des Klägers nicht als überwiegend wahrscheinlich angesehen werden, dass er zum Zeitpunkt der Erstreckung des nationalsozialistischen Einflussbereiches auf sein Heimatland Polen im Jahre 1939 dem dSK angehört hat. Gleiches gilt, wollte man im Hinblick auf die 1939 erfolgte Besetzung seines Heimatgebietes durch die Sowjetunion auf die spätere Besetzung im Jahre 1941 nach Ausbruch des deutsch-sowjetischen Krieges abstellen, da insoweit eine Änderung der sprachlichen Verhältnisse in Bezug auf die Frage der Zugehörigkeit zum dSK nicht erkennbar ist. Schließlich ergibt sich auch keine andere Beurteilung, wollte man auf das Verlassen Polens im Jahre 1957 abstellen. Denn dem Hinweis auf seine jiddisch sprechende Ehefrau ist zu entnehmen, dass er nach dem Krieg in Polen jedenfalls nicht überwiegend Deutsch im persönlichen Bereich gesprochen hat.
Nach alledem musste der Kläger auch mit seiner Berufung erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Gründe:
I
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Altersrente und die Zulassung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach Nr. 11 des Schlussprotokolls in der Fassung des Zusatzabkommens vom 12. Februar 1995 zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über soziale Sicherheit (SP/DISVA) unter Anerkennung von Fremdbeitragszeiten nach § 17 a des Fremdrentengesetzes (FRG). Insoweit ist insbesondere streitig die Zugehörigkeit des Klägers zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK).
Der Kläger ist am 1921 in P Kreis Lemberg in Polen geboren. Er ist Jude und lebt seit Mai 1957 in Israel und besitzt seit dem dessen Staatsangehörigkeit.
Im November 1997 beantragte er bei der Beklagten die Anerkennung von Zeiten nach dem FRG und von Ersatzzeiten, die Zulassung zur Nachentrichtung von Beiträgen und die Gewährung einer Rente. Dazu gab er an, von Januar 1937 bis Juni 1941 in Polen versicherungspflichtig beschäftigt gewesen zu sein und Beiträge zur polnischen Rentenversicherung entrichtet zu haben. Eine entsprechende Anfrage der Beklagten an den polnischen Versicherungsträger erbrachte keine Bestätigung; dieser teilte mit, Unterlagen hätten nicht ermittelt werden können. In einem Fragebogen für die Claims Conference hatte der Kläger bereits früher angegeben, dass er im Juni 1941 in die Sowjetunion geflüchtet sei. Bis August 1943 habe er dort in der Illegalität gelebt und sei dort auf fünf Jahre verurteilt worden und 1948 nach Polen zurückgekehrt. Für eine anschließende weitere Beschäftigung in Polen vom 20. August 1948 bis 30. April 1957 reichte der Kläger eine Arbeitsbescheinigung ein. Die Beklagte veranlasste eine Sprachprüfung durch das Finanzministerium in Israel vom 18. August 1999. Bei dieser Gelegenheit gab der Kläger an, dass seine beiden Eltern ebenfalls im Bezirk Lemberg, damals zu Österreich gehörend, geboren und deutscher Muttersprache gewesen seien. Beide Elternteile hätten Deutsch gelesen und geschrieben. Umgangssprache im Elternhaus sei Deutsch gewesen. Er habe die Schule von 1928 bis 1935 besucht; Unterrichtssprache sei Polnisch gewesen, Deutsch sei als Fach drei Jahre unterrichtet worden. Seine Ehefrau, die er 1948 geheiratet habe, sei in Lublin geboren. In dem Protokoll der Sprachprüfung ist festgehalten, dass der Kläger ein Gemisch aus Jiddisch und Deutsch spreche und auf Grund seiner Sehbehinderung weder Lesen noch Schreiben könne. Einen ihm vorgelesenen einfachen Text habe er verstanden. Er stamme aus einer sehr schlichten Familie, in der Kulturgut nicht vermittelt worden sei. An das Wenige, das er – der Kläger – gekannt haben mag, habe er sich nicht mehr erinnern können. Es sei glaubhaft, dass in seinem Elternhaus Deutsch gesprochen worden sei. Auf Grund der ausschließlich mündlichen Ausdrucksweise sei es aber nicht möglich festzustellen, ob und in welchem Maße der Kläger im Zeitpunkt der Verfolgung dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört habe. Unterlagen zur Zugehörigkeit zum dSK und zum Verfolgungsschicksal legte der Kläger der Beklagten auch auf Anforderung nicht vor.
Die Beklagte zog die über den Kläger geführte Entschädigungsakte von der Bezirksregierung Düsseldorf bei, aus der sich keinerlei zweckdienliche Angaben ergaben; eine Leistung war wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt worden (Bescheid des Regierungspräsidenten in Köln vom 12. August 1971). Mit Bescheid vom 7. Februar 2000 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab, weil berücksichtigungsfähige Beitragszeiten nicht vorlägen; die angegebenen Beitragszeiten in Polen vom 20. August 1948 bis 30. April 1957 könnten mangels Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen nicht berücksichtigt werden. Voraussetzung für die Anspruchsberechtigung nach § 17 a FRG sei unter anderem die Zugehörigkeit zum dSK; diese sei nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Den ohne Begründung gebliebenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2000 zurück.
Dagegen hat sich der Kläger mit seiner zum Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage gewandt und weiterhin die Gewährung einer Altersrente beansprucht. Er hat dazu die Auffassung vertreten, das Ergebnis der Sprachprüfung verpflichte die Beklagte nach einem Besprechungsergebnis, seine Zugehörigkeit zum dSK anzuerkennen.
Die Beklagte hat dazu vorgetragen, bei der vom Kläger angesprochenen Grundsatzentscheidung handele es sich um eine interne Anleitung im Hause der Beklagten. Im Übrigen könne aus der Zusammenfassung des Sprachprüfers nicht geschlossen werden, dass eine erfolgreiche Sprachprüfung absolviert worden sei.
Das SG hat die den Kläger betreffenden Akten des Entschädigungsamtes und der Claims Conference beigezogen.
Sodann hat das SG mit Urteil vom 16. März 2005 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die angefochtenen Bescheide seien rechtlich nicht zu beanstanden. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Berücksichtigung von Beitragszeiten in Polen über § 17 a FRG, Nachentrichtung von Beiträgen und auf Zahlung einer Rente bestehe nicht. Nach § 17 a FRG fänden die Vorschriften des FRG Anwendung auch auf Personen, die bis zu dem Zeitpunkt, in dem sich der nationalsozialistische Einflussbereich auf ihr jeweiliges Heimatgebiet erstreckt habe, dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört hätten, das 16. Lebensjahr bereits vollendet oder im Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört hätten und sich wegen ihrer Zugehörigkeit zum Judentum nicht zum deutschen Volkstum bekannt hätten und die Vertreibungsgebiete nach § 1 Satz 1 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes verlassen hätten. Zu diesem Personenkreis habe der Kläger nicht gehört; es sei nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass er zu dem Zeitpunkt, in dem sich der nationalsozialistische Einflussbereich auf sein Heimatgebiet erstreckt habe, dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört habe. Für eine Zugehörigkeit zum dSK reiche es nicht aus, dass der Betreffende (auch) die deutsche Sprache beherrscht und sie bei bestimmten Gelegenheiten oder in Teilbereichen des Lebens wie etwa im beruflichen Leben gebraucht habe. Vielmehr sei dem dSK nur zuzurechnen, wer die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht und sie auch im persönlichen Bereich überwiegend gebraucht habe. Neben der muttersprachlichen Beherrschung sei weitere Voraussetzung, dass gerade die deutsche Sprache im entscheidungserheblichen Zeitraum im persönlichen Bereich überwiegend gebraucht worden sei. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen müsse zumindest glaubhaft gemacht sein, woran es vorliegend fehle. Ausweislich der Sprachprüfung habe der Kläger ein Gemisch aus Jiddisch und Deutsch gesprochen und einen ihm vorgelesenen einfachen Text verstanden. Es sei glaubhaft, dass in seinen Elternhaus Deutsch gesprochen worden sei, und es sei möglich, dass sich sein aus dem Elternhaus stammendes Deutsch im Laufe einer 46-jährigen Ehe mit einer jiddisch sprechenden Frau verändert habe. Aufgrund der ausschließlich mündlichen Ausdrucksweise sei es aber nicht möglich festzustellen, ob und in welchem Maß der Kläger im Zeitpunkt der Verfolgung dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört habe. Diese Feststellungen seien nicht geeignet, eine Zugehörigkeit des Klägers zum dSK glaubhaft zu machen. Auch wenn danach durchaus im Elternhaus des Klägers auch Deutsch gesprochen worden sein mag, bedeute dies aber nicht, dass es sich nicht auch bei der Umgangssprache im Elternhaus des Klägers um ein Gemisch aus Jiddisch und Deutsch gehandelt habe. Eine bloße Vermutung, dass der Kläger möglicherweise früher besser Deutsch gesprochen habe, reiche nicht aus. Das Ergebnis der Sprachprüfung vermöge schon nicht die Überzeugung zu begründen, dass der Kläger überhaupt im entscheidungserheblichen Zeitraum die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht habe. Nicht für ein Beherrschen der deutschen Sprache wie eine Muttersprache spreche auch, dass der Kläger seine Erklärungen bei der Claims Conference 1989 nicht in Deutsch, sondern in Ivrit abgegeben habe, und diese dann von dem Aufnehmenden in die deutsche Sprache übersetzt worden seien. Im Übrigen sei auch eine entsprechende Beherrschung der deutschen Sprache allein nicht ausreichend. Da davon auszugehen sei, dass der Kläger Jiddisch und Polnisch in zumindest dem gleichen Maße beherrscht habe wie die deutsche Sprache, sei weitere Voraussetzung, dass der Kläger bis zu dem Zeitpunkt, in dem sich der nationalsozialistische Einflussbereich auf sein Heimatgebiet erstreckt habe, im gesamten persönlichen Lebensbereich gerade die deutsche Sprache überwiegend gebraucht habe. Irgendwelche Belege in diese Richtung habe der Kläger nicht vorlegen können und seien auch nicht den beigezogenen Akten zu entnehmen.
Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner fristwahrenden Berufung gewandt.
Seiner ohne Begründung gebliebenen Berufung entnimmt der Senat den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. März 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. Februar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Fremdbeitragszeiten von 1937 bis 1941 und August 1948 bis April 1957 zu berücksichtigen, ihn zur Nachentrichtung zuzulassen und eine Rente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung, die der Sach- und Rechtslage entspreche.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Gerichtsakte, die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte (Versicherungsnummer: ) sowie die dieser beiliegenden Entschädigungsakte, die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.
II
Der Senat hat nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss entschieden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG-).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 7. Februar 2000 zu Recht die Gewährung eines Altersruhegeldes mangels erfüllter Wartezeit und die Zulassung zur Nachentrichtung gemäß Nr. 11 SP/DISVA abgelehnt.
Der geltend gemachte Rentenanspruch richtet sich noch nach dem bis zum Inkrafttreten des 6. Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) am 1. Januar 1992 geltenden Recht des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) und des Fremdrentenrechts. Der gegenüber den Bestimmungen des SGB VI nach § 30 Abs. 2 SGB I vorrangige Artikel 2 des Zusatzabkommens zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über soziale Sicherheit vom 12. Februar 1995 (BGLBL II 1996, 299) in Verbindung mit Nr. 11 des Schlussprotokolls zum DISVA, eingefügt durch Artikel 1 des Zusatzabkommens zum DISVA, erfordert trotz der erst im November 1997 erfolgten Antragstellung die Anwendung des bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Rechts (vgl. dazu BSG, Urteil vom 20. Oktober 2004 – B 5 RJ 27/03 R in SozR 4-6481 Nr. 11 Nr. 1).
Nach § 25 Abs. 5 AVG erhält Altersruhegeld der Versicherte, der das 65. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit nach Absatz 7 Satz 3 erfüllt hat. Die Wartezeit für das Altersruhegeld nach Absatz 5 ist erfüllt, wenn eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt ist. Der Kläger hat zwar bereits im Januar 1986 das 65. Lebensjahr vollendet, doch ist die Wartezeit nicht erfüllt. Für die Wartezeit werden gemäß § 26 AVG die ab 1. Januar 1924 zurückgelegten Versicherungszeiten, das sind gemäß § 27 AVG Zeiten, für die nach Bundesrecht oder früheren Vorschriften der reichsgesetzlichen Angestelltenversicherung Beiträge wirksam entrichtet sind oder als entrichtet gelten (Beitragszeiten) und Ersatzzeiten (§ 28 AVG), berücksichtigt. Ob und in welchem Umfang wegen der erlittenen Verfolgung Ersatzzeiten gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 4 AVG anerkannt werden könnten, bedarf jedoch keiner Entscheidung, da solche Zeiten für die Erfüllung der Wartezeit nur angerechnet werden können, wenn Beitragszeiten vor der Ersatzzeit bzw. in bestimmten Maße nach der Ersatzzeit vorhanden sind (zu den Einzelheiten § 28 Abs. 2 AVG). Solche Beitragszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung hat der Kläger jedoch nicht zurückgelegt, wie zwischen den Beteiligten unstreitig sein dürfte.
Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Rente kann sich daher nur nach Maßgabe des Zusatzabkommens vom 12. Februar 1995 ergeben. Unter den in Nr. 11 SP/DISVA aufgeführten Voraussetzungen können die im Abkommen deutschen Staatsangehörigen gleichgestellten Personen freiwillige Beiträge zur deutschen Rentenversicherung nachentrichten, sofern für sie durch die Anwendung des § 17 a FRG erstmals Beitragszeiten oder Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen sind. Die unter Einhaltung der Frist des Artikel 2 des Zusatzabkommens (24 Monate nach Inkrafttreten des Abkommens am 1. Juni 1996 [Bekanntmachung BGBL 1996 II, Seite 1033]) gestellten Anträge sind rechtzeitig im November 1997 erfolgt. Die Rentenleistungen werden vom 1. Juli 1990 an geleistet, wenn bis zu diesem Zeitpunkt der Versicherungsfall eingetreten und die am 1. Juli 1990 geltenden Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger jedoch nicht, weil für ihn nicht erstmals gemäß § 17 a FRG Fremdrentenzeiten anzuerkennen sind.
Die Berücksichtigung von in Polen zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten (§§ 15, 16 FRG) in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 17 a FRG verlangt unter anderem, wie das SG zutreffend dargelegt hat, die Zugehörigkeit zum dSK zum Zeitpunkt der Erstreckung des nationalsozialistischen Einflusses auf Polen oder zum Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG kommt dem Gebrauch der deutschen Sprache im persönlichen Bereich für die Zugehörigkeit zum dSK im Regelfall ausschlaggebende Bedeutung zu. Denn wer eine Sprache in seinem persönlichen Bereich, der durch die Familie, aber auch durch den Freundes- und Bekanntenkreis bestimmt wird, ständig verwendet, gehört nicht nur diesem Sprachkreis, sondern auch dem durch die Sprache vermittelten Kulturkreis an, weil sie ihm den Zugang zu dessen Weltbild und Denkwelt erschließt. Eine Mehrsprachigkeit steht der Zugehörigkeit zum dSK dann nicht entgegen, wenn der Verfolgte die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht und sie in seinem persönlichen Bereich überwiegend gebraucht hat (vgl. z. Bsp. BSG Urteil vom 26. September 1991 – 4 RA 89/90 in SozR 3- 5070 § 20 Nr. 2 mit weiteren Nachweisen). Die entsprechenden Umstände müssen nicht nachgewiesen werden; es genügt, dass diese glaubhaft gemacht werden (§ 4 FRG). Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Der Senat sieht es mit dem SG nicht für überwiegend wahrscheinlich an, dass der Kläger dem dSK angehört hat.
Für die Beantwortung dieser Frage liegen allein die Angaben des Klägers vor, wie sie sich aus den Verwaltungsakten und der Sprachprüfung ergeben. Nach seinen Angaben in dem bei der Beklagten eingereichten Fragebogen hat er Deutsch und Polnisch in Wort und Schrift beherrscht und ansonsten sowohl im persönlichen Lebensbereich (in der Familie) als auch außerhalb der Familie und im Berufsleben überwiegend Deutsch benutzt. Bei der Sprachprüfung gab er dagegen an, im Elternhaus und im persönlichen Lebensbereich unter den Geschwistern sei ausschließlich Deutsch gesprochen worden. Letzteres erscheint angesichts des vom Kläger angegebenen Besuchs einer polnischen Volksschule mit drei Jahren Deutsch als Fach kaum glaubhaft, da dies bedeuten würde, dass er die polnische Sprache bei Eintritt in die Schule nur unzulänglich gesprochen hätte. Da sein Vater nach – den als zutreffend unterstellten - Angaben des Klägers die Mittelschule besucht hat und als Lebensmittelhändler tätig war, ist vielmehr anzunehmen, dass der Vater angesichts seines Bildungsstandes und dem Leben in einer stark polnisch geprägten Umgebung jedenfalls auch um die Beherrschung der polnischen Sprache seitens der Kinder bemüht war. Der Kläger zog nach seien Angaben mit seinen Eltern im Alter von fünf Jahren von seinem Geburtsort in die nahe gelegene Kreisstadt Lemberg. Diese in einem ukrainischsprachigen Umland gelegene Stadt hatte sich im Laufe seiner Geschichte zu einem wichtigen Handelplatz sowie neben Krakau, Posen und Warschau zu einem Zentrum polnischen Kultur- und Geisteslebens entwickelt und fiel schließlich an das Habsburger Reich. Nach dem 1. Weltkrieg fiel Lemberg an Polen zurück. Die Stadt hatte damals 361000 Einwohner, die meisten davon Polen, ein Drittel Juden, außerdem Deutsche und Armenier (aus: Wikipedia, der freien Enzyklopädie im Internet). Auch angesichts dieser ganz überwiegend polnisch und jüdisch geprägten Stadt überzeugt es deshalb nicht, wenn der Kläger für den persönlichen Bereich eine Verwendung ausschließlich der deutschen Sprache behauptet. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger mehrsprachig aufgewachsen ist. Insofern reicht es nicht, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, dass ein Antragsteller auch die deutsche Sprache (wie eine Muttersprache) beherrscht hat, sondern hinzukommen muss auch der überwiegende Gebrauch des Deutschen im persönlichen Bereich. Ob man angesichts der wegen seiner Sehschwäche nur begrenzten Möglichkeiten einer Sprachprüfung aus dem gesprochenen Gemisch von Jiddisch und Deutsch bei einem Leseverständnis für einfache Texte auf eine muttersprachliche Beherrschung des Deutschen durch den Kläger schließen kann, kann im Ergebnis dahinstehen, weil jedenfalls der überwiegende Gebrauch der deutschen Sprache im persönlichen Bereich nicht als glaubhaft gemacht angesehen werden kann. Denn vor dem Hintergrund des in der Sprachprüfung gewonnenen Eindrucks, dass der Kläger aus einer "schlichten Familie" stammt, kann die Angabe des Vorhandenseins anspruchsvoller Literatur sowohl in dem Fragebogen als auch in der Sprachprüfung ebenso wie der Gebrauch ausschließlich der deutschen Sprache im familiären Kreis nur als zweckgerichtete Angabe angesehen werden, die nicht im Einklang mit den sonstigen nach den klägerischen Schilderungen anzunehmenden Gegebenheiten steht. Hinzu kommt, worauf auch bereits das SG hingewiesen hat, dass die Befragung zu dem bei der Claims Conference eingereichten Fragebogen in Ivrit und die Übersetzung ins Deutsche durch den zuständigen Sachbearbeiter erfolgte. Auch wenn daraus keine zwingenden Schlüsse gezogen werden können, so ergeben sich doch auch daraus Zweifel an der auch durch überwiegenden Gebrauch erworbenen sprachlichen Kompetenz. Nach alledem kann allein aufgrund der in sich nicht stimmigen Angaben des Klägers nicht als überwiegend wahrscheinlich angesehen werden, dass er zum Zeitpunkt der Erstreckung des nationalsozialistischen Einflussbereiches auf sein Heimatland Polen im Jahre 1939 dem dSK angehört hat. Gleiches gilt, wollte man im Hinblick auf die 1939 erfolgte Besetzung seines Heimatgebietes durch die Sowjetunion auf die spätere Besetzung im Jahre 1941 nach Ausbruch des deutsch-sowjetischen Krieges abstellen, da insoweit eine Änderung der sprachlichen Verhältnisse in Bezug auf die Frage der Zugehörigkeit zum dSK nicht erkennbar ist. Schließlich ergibt sich auch keine andere Beurteilung, wollte man auf das Verlassen Polens im Jahre 1957 abstellen. Denn dem Hinweis auf seine jiddisch sprechende Ehefrau ist zu entnehmen, dass er nach dem Krieg in Polen jedenfalls nicht überwiegend Deutsch im persönlichen Bereich gesprochen hat.
Nach alledem musste der Kläger auch mit seiner Berufung erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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