L 8 R 560/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 10 RA 5710/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 R 560/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. April 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:
I. Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Der 1943 geborene Kläger war als Architekt und Bauleiter versicherungspflichtig tätig. Von der Beklagten bezieht er seit 1. Juli 2000 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner besteht nicht. Grundlage für die Berentung waren seit Jahren bestehende, stetig fortschreitende Taubheits- und Lähmungserscheinungen in beiden Armen. Die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation beantragte der Kläger im Januar 2004. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. Ernst, die in ihrem Gutachten vom 1. April 2004 eine komplett schlaffspastische Lähmung des ganzen linken Arms und die Unbrauchbarkeit der rechten Hand bei beweglichem rechtem Arm beschrieb. Die umfangreiche Diagnostik der vergangenen Jahre habe keine endgültige Klärung der Ursache erbracht. Die therapeutischen Möglichkeiten seien nahezu ausgeschöpft. Durch Bescheid vom 7. Mai 2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation lägen nicht vor, da die Erwerbsfähigkeit des Klägers in absehbarer Zeit nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne. Seinen Widerspruch begründete der Kläger vor allem mit einer unzureichenden Untersuchung durch die von der Beklagten bestellte Gutachterin und der fehlerhaften Bezeichnung seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Die Beklagte holte einen Befundbericht der Charité Campus Mitte – Klinik und Poliklinik für Neurologie – vom 5. Juli 2004 ein; ferner gelangte ein Arztbrief der Dres Prof. E und R (Charité) vom 2. Juli 2004 zur Akte. Durch Widerspruchsbescheid vom 16. September 2004 wies sie den Widerspruch zurück. Weiterhin sei nicht zu erwarten, dass durch die beantragte Leistung die bereits bestehende Erwerbsminderung beseitigt werden könne. Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass durch eine Rehamaßnahme sehr wohl eine wesentliche Verschlechterung seines Gesundheitszustands abgewendet beziehungsweise eine teilweise Erwerbsfähigkeit wieder hergestellt werden könne. Zur Begründung hat er sich neben dem Arztbrief vom 2. Juli 2004 auf einen Arztbrief des Dr. M (Charité) vom 28. Juli 2004 berufen sowie jeweils von Dres Prof. E und R verfasste Schreiben vom 25. August 2004 (zur Vorlage bei der Beamtenbeihilfe und privaten Krankenversicherung) und vom 12. Oktober 2004 (an die Beklagte gerichtet) vorgelegt. Ferner ist eine gutachtliche Stellungnahme der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie G vom 6. September 2004 zur Gerichtsakte genommen worden, die im Rahmen des Feststellungsverfahrens nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch erstattet worden war. Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 13. Dezember 2004 einen weiteren, vom Kläger im November 2004 gestellten Antrag auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wiederum mit der Begründung ab, dass eine Besserung des Gesundheitszustandes in absehbarer Zeit nicht zu erwarten sei. Die nach den vorliegenden Unterlagen bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen (hochgradige sensomotorische axonale Polyneuropathie mit schlaffer Parese beider Arme) erfordere eine ambulante fachärztliche Behandlung mit intensiver Physiotherapie. Durch Urteil vom 4. April 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation durch die gesetzliche Rentenversicherung lägen nicht vor. Eine sichere Diagnose hinsichtlich der unstreitigen Beeinträchtigungen in den oberen Extremitäten habe bislang nicht gestellt werden können. Zwar seien die behandelnden Ärzte des Klägers der Beschreibung des Krankheitsbildes durch die Gutachterin Dr. E vehement entgegen getreten. Den Arztbriefen der Charité lasse sich aber entnehmen, dass auch dort die Ätiologie der Beschwerden des Klägers nicht mit Sicherheit habe geklärt werden können. Eine spezifische Polyneuropathie sei als Arbeitsdiagnose gewählt worden. Eindeutig gehe aus den ärztlichen Unterlagen dagegen hervor, dass der Kläger an komplexen Lähmungserscheinungen der Arme und Hände leide, welche die Funktionsfähigkeit der oberen Extremitäten massiv beeinträchtigten. Selbst wenn die gegenwärtig durchgeführte ambulante Therapie Hoffnung für eine Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers gebe, führe die Linderung von Leiden bzw. die Besserung der alltäglichen Lebensumstände noch nicht zu der notwendigen Erfolgsaussicht im Sinne des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung. Es sei nicht zu erwarten, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers wenigstens teilweise wieder hergestellt werden könne. Auch im Hinblick auf das Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze im Juli 2008 erscheine es prognostisch äußerst unwahrscheinlich, dass der Kläger in das Erwerbsleben reintegriert werden könne. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er beantragt der Sache nach, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. April 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 7. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2004 sowie den Bescheid vom 13. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Gerichtsakte sowie die Reha-Akte der Beklagten lagen dem Gericht bei seiner Entscheidung vor. Für Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.

II. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung über die Berufung entscheiden, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung angesichts der Sach- und Rechtslage nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 SGG). Die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von medizinischen Leistungen zur Rehabilitation liegen nicht vor. Da der Kläger derzeit unstreitig in seiner Leistungsfähigkeit soweit gemindert ist, dass er eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beanspruchen kann, kommen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nur unter der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b) Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in Betracht. Danach ist bei Versicherten, bei denen – wie beim Kläger - die Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung gemindert ist, erforderlich, dass die geminderte Erwerbsfähigkeit durch die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation voraussichtlich wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann. Eine "wesentliche" Besserung verlangt, dass die Minderung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben zumindest teilweise und nicht nur vorübergehend behoben wird. Wenn bereits Erwerbsunfähigkeit vorliegt, reicht es nicht, wenn zwar die geminderte Erwerbsfähigkeit gebessert, nicht aber die Erwerbsunfähigkeit (oder "Erwerbsminderung" nach dem ab 1. Januar 2001 geltenden Recht) beseitigt wird. Denn Leistungen eines Rentenversicherungsträgers zur Rehabilitation scheiden von vornherein als nicht zweckgerichtet aus, wenn diese allein auf die Gesundung des Versicherten gerichtet sind oder lediglich dazu dienen sollen, ihn vor weiterem Abgleiten zu bewahren, ohne dass Aussicht besteht, seine Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen (s. Bundessozialgericht – BSG – in Entscheidungssammlung Sozialrecht – SozR – 3-2600 § 10 Nr. 2 unter Bezug auf BSG SozR 3-2200 § 1237 Nr 1 u. 2 und BSG SozR 3-5765 § 1 Nr 1). So verhält es sich beim Kläger, weil sein Leistungsvermögen nicht so weit gebessert werden kann, dass er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein könnte. Das Sozialgericht führt zutreffend aus, dass solch eine Prognose nach allen vorliegenden medizinischen Unterlagen, im besonderen auch den Äußerungen seiner behandelnden Ärzte, nicht gerechtfertigt ist. Auf die Ausführungen auf Seite 5, dritter Absatz, des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen, um Wiederholungen zu vermeiden (§ 153 Abs. 2 SGG). Zu ergänzen bleibt allenfalls, dass das bei ihm bestehende Krankheitsbild ungeachtet der zahlreichen ärztlichen Bemühungen seit den frühen 1990er Jahren stets progredient im Sinne einer Verschlimmerung verlief. Dass sich dieser Prozess in absehbarer Zeit in nennenswertem oder gar einem wieder zu Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt führenden Umfang umkehren ließe, behaupten auch die behandelnden Ärzte des Klägers nicht, zumal über die Ursache und Art der Erkrankung weiterhin keine Klarheit besteht. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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