Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 38 SO 3003/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 B 1082/05 SO PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 08. November 2005 geändert. Der Klägerin zu 1) wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtanwalt T W, Estraße , B beigeordnet. Die Beschwerde der Klägerinnen zu 2) und 3) wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.
Gründe:
I.
Der Beklagte erließ unter dem 28. August 2002 vier "Rückforderungsbescheide" gegenüber der Klägerin zu 1) in eigener Sache, gegen sie als gesetzliche Vertreterin ihrer fünf minderjährigen Kinder M, I, M, J und J, gegen die am 1986 geborene Klägerin zu 2) sowie gegen die am 1983 geborene Klägerin zu 3), mit denen er jeweils die Bewilligung von Sozialhilfe teilweise zurücknahm und zu Unrecht gewährte Leistungen für die Zeit vom 1. bis 31. Mai 2001 bzw. vom 1. Mai bis zum 31. Dezember 2001 zurückforderte. Zur Begründung wurde angegeben, dass die Klägerin zu 1) entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung aus § 60 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I - zur unverzüglichen Mitteilung von Änderungen leistungserheblicher Tatsachen die Bewilligung von Wohngeld für die Zeit vom 1. Juli 2000 bis zum 31. Mai 2001 durch Bescheid des zuständigen Wohnungsamtes vom 5. April 2001 nicht rechtzeitig angegeben habe. Am 11. März 2005 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu 1) beim Verwaltungsgericht Berlin "namens und in Vollmacht" für sie und die Klägerinnen zu 2) und 3) Untätigkeitsklage erhoben und Fotokopien der vier Bescheide sowie seines Schriftsatzes vom 2. September 2002 vorgelegt, mit dem er ausdrücklich für die Klägerin zu 1), ihre oben genannten minderjährigen Kinder und die Klägerin zu 2) Widerspruch eingelegt hat. Dieser sei trotz mehrfacher Erinnerung noch nicht beschieden worden. Zugleich hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung beantragt.
Das Sozialgericht, an das der Rechtsstreit zuständigkeitshalber verwiesen worden ist, hat mit Beschluss vom 24. Oktober 2005 die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Diese komme gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – in Verbindung mit § 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO – in gerichtskostenfreien Verfahren nur in Betracht, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheine. Dies sei der Fall, wenn es in dem Rechtsstreit um nicht einfach überschaubare Tat- und Rechtsfragen gehe oder der Rechtsuchende aus persönlichen Umständen zu einem sachdienlichen Tatsachenvortrag nicht in der Lage sei (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 1976 – BVerwGE 51, 111, 113). Diese Voraussetzungen seien hier offensichtlich nicht gegeben. Es handle sich um einen rechtlich und tatsächlich überschaubaren Sachverhalt. Hinsichtlich der begehrten Bescheidung ihres Widerspruches gegen einen Sozialhilfe zurückfordernden Bescheid sei der – wenn überhaupt – erforderliche Vortrag zur Klärung eventueller Fragen auf Tatsachen gestützt, die in das Wissen der Klägerinnen gestellt seien. Den entsprechenden Vortrag könnten diese selbst ohne anwaltliche Anleitung verständlich formulieren. Eine anwaltliche Vertretung erscheine angesichts des einfach gelagerten Sachverhalts und des ohnehin bestehenden Amtsermittlungsgrundsatzes nicht erforderlich.
Gegen den am 31. Oktober 2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 7. November 2005 eingegangene Beschwerde, zu deren Begründung geltend gemacht wird, dass die Klägerin zu 1) als alleinerziehende Mutter von sechs Kindern in jeder Hinsicht überfordert sei, den vorliegenden Rechtsstreit allein zu führen, zumal ihr nicht einmal der Begriff der Untätigkeitsklage bekannt sei.
II.
Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Der Klägerin zu 1) war Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Bedürftigkeit der Klägerin zu 1), die ihren Lebensunterhalt derzeit ausschließlich von Leistungen nach dem SGB II unter Anrechnung von Kindergeld bestreitet, steht außer Frage. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sind aber auch die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe erfüllt.
Das Sozialgericht in im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass in einem gerichtskostenfreien Verfahren wie dem vorliegenden (vgl. § 183 S. 1 SGG) die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach den genannten Vorschriften nur in Betracht kommt, wenn die Vertretung durch einen Anwalt erforderlich erscheint. Die Auslegung, die das Gericht dem Tatbestandsmerkmal der "Erforderlichkeit" der Anwaltsbeiordnung im Sinne des § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO hier gegeben hat, verletzt die Klägerin zu 1) jedoch in ihrem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit (Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz – GG –) und die aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Garantie des effektiven Rechtsschutzes. Ob eine anwaltliche Vertretung im Rechtsstreit erforderlich erscheint, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage und der persönlichen Verhältnisse der Beteiligten zu beurteilen, wobei keine überspannten Anforderungen hieran zu stellen sind. Zu berücksichtigen sind die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Sache, deren Umfang sowie die wirtschaftliche und persönliche Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten ebenso wie deren Bildungshorizont und Ausdrucksfähigkeit. Maßstab ist auch, ob ein Beteiligter, der nicht auf Prozesskostenhilfe angewiesen ist, einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde. Die Beurteilung, ob der Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden vom 28. August 2002 die Bewilligung von Sozialhilfe für die Klägerin und ihre fünf minderjährigen Kinder teilweise zurücknehmen und die Erstattung zu Unrecht gewährter Leistungen verlangen durfte, wirft diverse, keineswegs ganz einfache Fragen im Rahmen der nach §§ 60 SGB I, 24, 45, 50 SGB X zu prüfenden Sach- und Rechtslage auf. Dass es im vorliegenden Verfahren jetzt "nur" um eine Untätigkeitsklage wegen des noch nicht beschiedenen Widerspruches der Klägerin zu 1) vom 2. September 2002 geht, rechtfertigt angesichts des zugrunde liegenden Sach- und Streitstandes, aber auch generell nicht die Annahme, es handele sich um einen tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fall, der keine rechtskundige Vertretung der Klägerin erfordere. Dass überhaupt und unter welchen Voraussetzungen im Bereich des Sozialrechts eine so genannte Untätigkeitsklage erhoben werden kann, ist juristischen Laien in der Regel nicht bekannt, und schon die Klärung der Frage, ob der Bescheid oder Widerspruchsbescheid ohne zureichenden Grund nicht erlassen worden ist (vgl. § 88 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 SGG), kann tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufwerfen (zur Gewährung von Prozesskostenhilfe bei Untätigkeitsklagen siehe z.B. auch OVG Nordrhein-Westfahlen, Beschlüsse vom 04. September 1998 – 24 E 587/97 – und vom 14. April 1992 – 14 E 1422/91 –, zitiert nach Juris).
Die Erforderlichkeit anwaltlicher Vertretung ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auch nicht deshalb zu verneinen, weil im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 103 SGG der Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen ist, weil die Aufklärungs- und Beratungspflicht des Anwalts über die Reichweite der Amtsermittlungspflicht des Richters hinaus geht, die allein nicht geeignet ist, das Ungleichgewicht zwischen rechts- und sachkundig vertretener Behörde bzw. Versicherungsträger und der anderen Prozesspartei auszugleichen. Hierauf wurde die Kammer bereits durch den Beschluss des erkennenden Senats vom 01. März 2005 – L 15 B 7/05 SO – unter ausführlicher Zitierung der einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Februar 1997 – 1 BvR 1440/96 – (NJW 1997, 2103) und vom 18. Dezember 2001 – 1 BvR 391/01 – (Breithaupt 2002, 486) hingewiesen, des Weiteren auch vom 23. Senat des LSG Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 25. Januar 2006 – L 23 B 1090/05 SO PKH (vgl. weiter Bayerisches LSG, Beschluss vom 23. Juli 2004 – L 18 B 305/04 SB PKH –, Breithaupt 2005, 254; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17. Oktober 2001 – L 3 B 8/01 RI –, zitiert nach Juris). Dass die Amtsermittlungspflicht des Gerichts im Falle der Klägerin zu 1) anwaltliche Vertretung im vorliegenden Verfahren nicht entbehrlich macht, zeigt sich im Übrigen auch daran, dass in den über 4 Monaten zwischen Eingang der Sache nach Verweisung vom Verwaltungsgericht und PKH-Beschluss von Seiten des Sozialgerichts außer der Aufforderung zur Stellungnahme an den Beklagten innerhalb einer – ungewöhnlich langen – Frist von 2 Monaten nichts weiter veranlasst wurde, das zur Klärung der Untätigkeit des Beklagten oder zur Beschleunigung der Bescheiderteilung hätte beitragen können (vgl. zum Verfahren und der Entscheidung des Gerichts nach Erhebung einer Untätigkeitsklage Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8. Auflage, Rdnr. 7 ff zu § 88).
Die von der Klägerin zu 1) beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet schließlich auch hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig. Ihre Untätigkeitsklage vom 14. März 2005 wurde weit nach Ablauf der 3–monatigen Sperrfrist gemäß § 88 Abs. 2 SGG erhoben. Zureichende Gründe dafür, dass ihr Widerspruch vom 2. September 2002 gegen die Bescheide vom 28. August 2002 bis zur Klageerhebung und darüber hinaus auch bis heute nicht beschieden worden sind, hat das Gericht weder festgestellt noch ergibt sich etwas dafür aus dem Schriftsatz des Beklagten vom 8. Juli 2005. Die darin geschilderten Probleme des Sozialamtes bei der Einarbeitung in die neuen Vorschriften des SGB II und XII und die dadurch erforderlichen Umstrukturierungen sind nachvollziehbar, traten aber nach eigenen Angaben des Beklagten erst seit Sommer 2004 auf und können keinesfalls die inzwischen mehr als dreijährige Verzögerung der Widerspruchsbescheidung rechtfertigen, für die sich aus § 88 Abs. 2 SGG wie aus § 75 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung eine grundsätzlich angemessene und ausreichende Bearbeitungsfrist von 3 Monaten entnehmen lässt. Soweit das Sozialgericht abschließend seine Einschätzung einer voraussichtlichen Erfolglosigkeit der Klage damit begründet hat, dass der angekündigte Klageantrag, der auf Bescheidung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 28. August 2002, hilfsweise auf eine positive Entscheidung gerichtet ist, "wegen Perplexität einer derartigen eventuellen Klagehäufung" unzulässig sein dürfte, wird es zu beachten haben, dass gemäß § 123 SGG ohne Bindung an die Fassung der Anträge über das sich aus dem Vorbringen und dem Akteninhalt ergebende, ggf. durch Auslegung zu ermittelnde – hier aber eindeutig auf Bescheidung des Widerspruches gerichtete – Klagebegehren zu entscheiden ist, wobei der Vorsitzende nach § 106 Abs. 1 SGG darauf hinzuwirken hat, dass unklare Anträge erläutert und sachdienliche Anträge gestellt werden. All dies gehört zu der vom Sozialgericht hervorgehobenen Amtsermittlungspflicht im sozialgerichtlichen Verfahren.
Hinsichtlich der Klägerinnen zu 2) und 3) konnte die Beschwerde dagegen keinen Erfolg haben. Sie war als unzulässig zu verwerfen, weil derzeit nicht festgestellt werden kann, dass Rechtsanwalt W zu einer Prozessführung auch für sie legitimiert ist. Die im Beschwerdeverfahren nachgereichte Prozessvollmacht nennt nur die Klägerin zu 1), die sie auch allein unterzeichnet hat, während es an Vollmachten der bei Klageerhebung beiden volljährigen Klägerinnen zu 2) und 3) fehlt. Für sie wurden auch keine Erklärungen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht. Schließlich ist nach Aktenlage auch nicht ersichtlich, dass für die Klägerin zu 3) seinerzeit ebenfalls Widerspruch eingelegt worden ist.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 193, 73 a SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Die Unanfechtbarkeit dieses Beschlusses folgt aus § 177 SGG
Gründe:
I.
Der Beklagte erließ unter dem 28. August 2002 vier "Rückforderungsbescheide" gegenüber der Klägerin zu 1) in eigener Sache, gegen sie als gesetzliche Vertreterin ihrer fünf minderjährigen Kinder M, I, M, J und J, gegen die am 1986 geborene Klägerin zu 2) sowie gegen die am 1983 geborene Klägerin zu 3), mit denen er jeweils die Bewilligung von Sozialhilfe teilweise zurücknahm und zu Unrecht gewährte Leistungen für die Zeit vom 1. bis 31. Mai 2001 bzw. vom 1. Mai bis zum 31. Dezember 2001 zurückforderte. Zur Begründung wurde angegeben, dass die Klägerin zu 1) entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung aus § 60 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I - zur unverzüglichen Mitteilung von Änderungen leistungserheblicher Tatsachen die Bewilligung von Wohngeld für die Zeit vom 1. Juli 2000 bis zum 31. Mai 2001 durch Bescheid des zuständigen Wohnungsamtes vom 5. April 2001 nicht rechtzeitig angegeben habe. Am 11. März 2005 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu 1) beim Verwaltungsgericht Berlin "namens und in Vollmacht" für sie und die Klägerinnen zu 2) und 3) Untätigkeitsklage erhoben und Fotokopien der vier Bescheide sowie seines Schriftsatzes vom 2. September 2002 vorgelegt, mit dem er ausdrücklich für die Klägerin zu 1), ihre oben genannten minderjährigen Kinder und die Klägerin zu 2) Widerspruch eingelegt hat. Dieser sei trotz mehrfacher Erinnerung noch nicht beschieden worden. Zugleich hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung beantragt.
Das Sozialgericht, an das der Rechtsstreit zuständigkeitshalber verwiesen worden ist, hat mit Beschluss vom 24. Oktober 2005 die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Diese komme gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – in Verbindung mit § 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO – in gerichtskostenfreien Verfahren nur in Betracht, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheine. Dies sei der Fall, wenn es in dem Rechtsstreit um nicht einfach überschaubare Tat- und Rechtsfragen gehe oder der Rechtsuchende aus persönlichen Umständen zu einem sachdienlichen Tatsachenvortrag nicht in der Lage sei (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 1976 – BVerwGE 51, 111, 113). Diese Voraussetzungen seien hier offensichtlich nicht gegeben. Es handle sich um einen rechtlich und tatsächlich überschaubaren Sachverhalt. Hinsichtlich der begehrten Bescheidung ihres Widerspruches gegen einen Sozialhilfe zurückfordernden Bescheid sei der – wenn überhaupt – erforderliche Vortrag zur Klärung eventueller Fragen auf Tatsachen gestützt, die in das Wissen der Klägerinnen gestellt seien. Den entsprechenden Vortrag könnten diese selbst ohne anwaltliche Anleitung verständlich formulieren. Eine anwaltliche Vertretung erscheine angesichts des einfach gelagerten Sachverhalts und des ohnehin bestehenden Amtsermittlungsgrundsatzes nicht erforderlich.
Gegen den am 31. Oktober 2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 7. November 2005 eingegangene Beschwerde, zu deren Begründung geltend gemacht wird, dass die Klägerin zu 1) als alleinerziehende Mutter von sechs Kindern in jeder Hinsicht überfordert sei, den vorliegenden Rechtsstreit allein zu führen, zumal ihr nicht einmal der Begriff der Untätigkeitsklage bekannt sei.
II.
Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Der Klägerin zu 1) war Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Bedürftigkeit der Klägerin zu 1), die ihren Lebensunterhalt derzeit ausschließlich von Leistungen nach dem SGB II unter Anrechnung von Kindergeld bestreitet, steht außer Frage. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sind aber auch die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe erfüllt.
Das Sozialgericht in im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass in einem gerichtskostenfreien Verfahren wie dem vorliegenden (vgl. § 183 S. 1 SGG) die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach den genannten Vorschriften nur in Betracht kommt, wenn die Vertretung durch einen Anwalt erforderlich erscheint. Die Auslegung, die das Gericht dem Tatbestandsmerkmal der "Erforderlichkeit" der Anwaltsbeiordnung im Sinne des § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO hier gegeben hat, verletzt die Klägerin zu 1) jedoch in ihrem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit (Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz – GG –) und die aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Garantie des effektiven Rechtsschutzes. Ob eine anwaltliche Vertretung im Rechtsstreit erforderlich erscheint, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage und der persönlichen Verhältnisse der Beteiligten zu beurteilen, wobei keine überspannten Anforderungen hieran zu stellen sind. Zu berücksichtigen sind die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Sache, deren Umfang sowie die wirtschaftliche und persönliche Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten ebenso wie deren Bildungshorizont und Ausdrucksfähigkeit. Maßstab ist auch, ob ein Beteiligter, der nicht auf Prozesskostenhilfe angewiesen ist, einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde. Die Beurteilung, ob der Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden vom 28. August 2002 die Bewilligung von Sozialhilfe für die Klägerin und ihre fünf minderjährigen Kinder teilweise zurücknehmen und die Erstattung zu Unrecht gewährter Leistungen verlangen durfte, wirft diverse, keineswegs ganz einfache Fragen im Rahmen der nach §§ 60 SGB I, 24, 45, 50 SGB X zu prüfenden Sach- und Rechtslage auf. Dass es im vorliegenden Verfahren jetzt "nur" um eine Untätigkeitsklage wegen des noch nicht beschiedenen Widerspruches der Klägerin zu 1) vom 2. September 2002 geht, rechtfertigt angesichts des zugrunde liegenden Sach- und Streitstandes, aber auch generell nicht die Annahme, es handele sich um einen tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fall, der keine rechtskundige Vertretung der Klägerin erfordere. Dass überhaupt und unter welchen Voraussetzungen im Bereich des Sozialrechts eine so genannte Untätigkeitsklage erhoben werden kann, ist juristischen Laien in der Regel nicht bekannt, und schon die Klärung der Frage, ob der Bescheid oder Widerspruchsbescheid ohne zureichenden Grund nicht erlassen worden ist (vgl. § 88 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 SGG), kann tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufwerfen (zur Gewährung von Prozesskostenhilfe bei Untätigkeitsklagen siehe z.B. auch OVG Nordrhein-Westfahlen, Beschlüsse vom 04. September 1998 – 24 E 587/97 – und vom 14. April 1992 – 14 E 1422/91 –, zitiert nach Juris).
Die Erforderlichkeit anwaltlicher Vertretung ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auch nicht deshalb zu verneinen, weil im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 103 SGG der Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen ist, weil die Aufklärungs- und Beratungspflicht des Anwalts über die Reichweite der Amtsermittlungspflicht des Richters hinaus geht, die allein nicht geeignet ist, das Ungleichgewicht zwischen rechts- und sachkundig vertretener Behörde bzw. Versicherungsträger und der anderen Prozesspartei auszugleichen. Hierauf wurde die Kammer bereits durch den Beschluss des erkennenden Senats vom 01. März 2005 – L 15 B 7/05 SO – unter ausführlicher Zitierung der einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Februar 1997 – 1 BvR 1440/96 – (NJW 1997, 2103) und vom 18. Dezember 2001 – 1 BvR 391/01 – (Breithaupt 2002, 486) hingewiesen, des Weiteren auch vom 23. Senat des LSG Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 25. Januar 2006 – L 23 B 1090/05 SO PKH (vgl. weiter Bayerisches LSG, Beschluss vom 23. Juli 2004 – L 18 B 305/04 SB PKH –, Breithaupt 2005, 254; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17. Oktober 2001 – L 3 B 8/01 RI –, zitiert nach Juris). Dass die Amtsermittlungspflicht des Gerichts im Falle der Klägerin zu 1) anwaltliche Vertretung im vorliegenden Verfahren nicht entbehrlich macht, zeigt sich im Übrigen auch daran, dass in den über 4 Monaten zwischen Eingang der Sache nach Verweisung vom Verwaltungsgericht und PKH-Beschluss von Seiten des Sozialgerichts außer der Aufforderung zur Stellungnahme an den Beklagten innerhalb einer – ungewöhnlich langen – Frist von 2 Monaten nichts weiter veranlasst wurde, das zur Klärung der Untätigkeit des Beklagten oder zur Beschleunigung der Bescheiderteilung hätte beitragen können (vgl. zum Verfahren und der Entscheidung des Gerichts nach Erhebung einer Untätigkeitsklage Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8. Auflage, Rdnr. 7 ff zu § 88).
Die von der Klägerin zu 1) beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet schließlich auch hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig. Ihre Untätigkeitsklage vom 14. März 2005 wurde weit nach Ablauf der 3–monatigen Sperrfrist gemäß § 88 Abs. 2 SGG erhoben. Zureichende Gründe dafür, dass ihr Widerspruch vom 2. September 2002 gegen die Bescheide vom 28. August 2002 bis zur Klageerhebung und darüber hinaus auch bis heute nicht beschieden worden sind, hat das Gericht weder festgestellt noch ergibt sich etwas dafür aus dem Schriftsatz des Beklagten vom 8. Juli 2005. Die darin geschilderten Probleme des Sozialamtes bei der Einarbeitung in die neuen Vorschriften des SGB II und XII und die dadurch erforderlichen Umstrukturierungen sind nachvollziehbar, traten aber nach eigenen Angaben des Beklagten erst seit Sommer 2004 auf und können keinesfalls die inzwischen mehr als dreijährige Verzögerung der Widerspruchsbescheidung rechtfertigen, für die sich aus § 88 Abs. 2 SGG wie aus § 75 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung eine grundsätzlich angemessene und ausreichende Bearbeitungsfrist von 3 Monaten entnehmen lässt. Soweit das Sozialgericht abschließend seine Einschätzung einer voraussichtlichen Erfolglosigkeit der Klage damit begründet hat, dass der angekündigte Klageantrag, der auf Bescheidung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 28. August 2002, hilfsweise auf eine positive Entscheidung gerichtet ist, "wegen Perplexität einer derartigen eventuellen Klagehäufung" unzulässig sein dürfte, wird es zu beachten haben, dass gemäß § 123 SGG ohne Bindung an die Fassung der Anträge über das sich aus dem Vorbringen und dem Akteninhalt ergebende, ggf. durch Auslegung zu ermittelnde – hier aber eindeutig auf Bescheidung des Widerspruches gerichtete – Klagebegehren zu entscheiden ist, wobei der Vorsitzende nach § 106 Abs. 1 SGG darauf hinzuwirken hat, dass unklare Anträge erläutert und sachdienliche Anträge gestellt werden. All dies gehört zu der vom Sozialgericht hervorgehobenen Amtsermittlungspflicht im sozialgerichtlichen Verfahren.
Hinsichtlich der Klägerinnen zu 2) und 3) konnte die Beschwerde dagegen keinen Erfolg haben. Sie war als unzulässig zu verwerfen, weil derzeit nicht festgestellt werden kann, dass Rechtsanwalt W zu einer Prozessführung auch für sie legitimiert ist. Die im Beschwerdeverfahren nachgereichte Prozessvollmacht nennt nur die Klägerin zu 1), die sie auch allein unterzeichnet hat, während es an Vollmachten der bei Klageerhebung beiden volljährigen Klägerinnen zu 2) und 3) fehlt. Für sie wurden auch keine Erklärungen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht. Schließlich ist nach Aktenlage auch nicht ersichtlich, dass für die Klägerin zu 3) seinerzeit ebenfalls Widerspruch eingelegt worden ist.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 193, 73 a SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Die Unanfechtbarkeit dieses Beschlusses folgt aus § 177 SGG
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