L 15 B 1052/05 SO ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 50 SO 4405/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 B 1052/05 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. September 2005 wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller auch für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Da der Antragsteller eine Veränderung des zuvor "leistungslosen" Zustands erstrebt, kommt einstweiliger Rechtsschutz nur unter der Voraussetzung des § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht. Danach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Begründet ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach dieser Vorschrift, wenn sich bei summarischer Prüfung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ergibt, dass ein Anspruch nach materiellem Recht besteht (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 916 Zivilprozessordnung – ZPO -; Anordnungsanspruch) und eine besondere Eilbedürftigkeit vorliegt (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 917, 918 ZPO; Anordnungsgrund; zusammenfassend zu den Voraussetzungen Binder in Handkommentar SGG, 2003, § 86b Randnummer 31 ff).

Weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund sind dargelegt.

Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, die Pflegekosten für die Unterbringung des Antragstellers in der Einrichtung P S Krankenheim Edamm zu übernehmen, denn zumindest seit der Beantragung des Eilrechtsschutzes am 11. August 2005 bedurfte der Antragsteller keiner vollstationären Betreuung mehr. Dies ergibt sich, wie das Gericht zutreffend festgestellt hat, bereits aus dem Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß dem Elften Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI - vom 25. April 2005 nebst ergänzender Stellungnahme vom 4. August 2005( vgl. §§ 61 Abs. 1und 2, 62 SGB XII). Der begutachtende Arzt stellte u. a. folgendes fest: "Zustand nach Wirbelsäulenfraktur (im Vollrausch Fenstersturz aus der 5. Etage), operativ versorgt, aktuell Gangunsicherheit und Blasenentleerungsstörung mit Überlaufblase; Betreuter kommt selbständig ins Dienstzimmer der Station, vollständig gekleidet, allseits orientiert und bewusstseinsklar, nach eigenen Angaben wasche und kleide er sich selbständig, lediglich nachts müsse er 2x geweckt und zur Toilette geschickt werden, ggf. müsse durch das Pflegepersonal die Vorlage gewechselt werden; obere Extremitäten: keine Bewegungseinschränkungen, Nacken-Schürzen-Griff und Faustschluss vollständig, grobe Kraft und Feinmotorik der Hände intakt; untere Extremitäten: deutliche motorische Schwäche bds., können maximal 15 cm angehoben werden, keine Fußheberparese, Aufstehen mit Abstemmen, freier Stand möglich, Gangbild leicht- bis mittelgradig ataktisch, jedoch ohne Hilfsmittel einige Meter möglich, benutzt zur Sicherheit einen Rollator; bei der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität besteht kein Hilfebedarf, sondern nur bei der hauswirtschaftlichen Versorgung im Umfang von durchschnittlich 43 Minuten pro Tag; aus medizinischer und pflegerischer Sicht ist eine vollstationäre Pflege nicht erforderlich, wäre eine eigene Wohnung vorhanden, wäre die erforderliche Unterstützung in der Hauswirtschaft gut über einen Pflegedienst organisierbar; inwieweit der Betroffene aufgrund seiner Vorgeschichte (Minderbegabung, Neigung zu Strafdelikten, Bewährungsstrafe) psychosoziale Betreuung benötigt, etwa im Rahmen eines Betreuten Wohnens, ist nicht Gegenstand dieses Gutachtens."

Dieses Pflegegutachten ist der Betreuerin des Antragstellers bekannt und führte zur Ablehnung des Antrages auf Übernahme der Heimkosten durch Bescheid vom 24. Mai 2005. Dass der Antragsteller zumindest seit dem Zeitpunkt der Begutachtung aus gesundheitlichen Gründen keiner vollstationären Versorgung im Pflegeheim P S bedarf, wurde von seiner Betreuerin im anschließenden Widerspruchs- sowie im vorliegenden Gerichtsverfahren (zunächst) auch eingeräumt. Allein der Umstand, dass bisher – aus welchen Gründen auch immer – noch keine den objektiven Bedürfnissen des Antragstellers angemessene andere Wohnform, zum Beispiel im Rahmen des auch von ihm seit jeher bevorzugten Betreuten Wohnens, gefunden wurde, begründet jedoch keinen Anspruch gemäß § 61 Abs. 2 AGB XII auf Übernahme nicht erforderlicher vollstationärer Betreuungskosten in Höhe von täglich über 90,- EUR zu Lasten der Steuerzahler. Dies gilt entgegen der Auffassung des Antragstellers auch dann, wenn das bisherige Scheitern seiner anderweitigen Unterbringung allein dem Antragsgegner anzulasten wäre. Denn es steht dem – durch eine Rechtsanwältin als Betreuerin fachkundig vertretenen – Antragsteller frei, einen dahingehenden Anspruch mit mehr Nachdruck und gegebenenfalls auch im Wege einstweiligen Rechtsschutzes zu verfolgen.

Soweit der Antragsteller nunmehr geltend macht, dass bei ihm mit Bescheid des Versorgungsamtes vom 22. November 2005 ein Grad der Behinderung von 100 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel), "aG" (außergewöhnlich gehbehindert), "H" (Hilflosigkeit) und "T" (Teilnahme am Sonderfahrdienst) festgestellt worden seien, folgt daraus entgegen seiner Auffassung in keiner Weise die Notwendigkeit seiner weiteren Unterbringung in der in Rede stehenden vollstationären Pflegeeinrichtung. Wie sich aus der beigezogenen Schwerbehindertenakte ergibt, erfolgte die Bescheiderteilung nämlich aufgrund unvollständiger, dem aktuellen Zustand nicht entsprechender medizinischer Unterlagen, denn im Verlauf des von der Betreuerin des Antragstellers im Juni 2005 – das heißt in Kenntnis des oben zitierten Pflegegutachtens – eingeleiteten Feststellungsverfahrens wurden nur ein Kurzbericht der behandelnden Neurologin vom 23. Juni 2005 (Diagnosen: inkompletter Querschnitt bei Fraktur LWK 1/2, Blasenstörung, Alkoholkrankheit) und ein Bericht des V Klinikum S vom 31. Januar 2005 (Diagnosen: u. a. Zustand nach Delir bei langjähriger Alkoholkrankheit, Borderline-Persönlichkeitsstörung, komplette Querschnittslähmung mit Zonen partiellen Funktionserhaltes nach Fenstersturz in suizidaler Absicht, Harn- und Stuhlinkontinenz) eingereicht, während die späteren – unstreitigen – ganz erheblichen Verbesserungen seines Gesundheitszustandes unerwähnt blieben. Infolgedessen ist zum Beispiel die Zuerkennung des Merkzeichens "H" äußerst fraglich und nicht geeignet, das Begehren des Antragstellers im vorliegenden Verfahren zu stützen.

Auch seinen weitergehenden Antrag, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, seinen Krankenversicherungsschutz sicherzustellen, hat das Sozialgericht mit zutreffender Begründung abgelehnt. Der Antragsteller muss dahingehende Ansprüche nämlich vorrangig nach dem SGB II und gegenüber dem JobCenter geltend machen. Damit hat er inzwischen auch Erfolg gehabt, denn das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 21. November 2005 im Verfahren - S 94 AS 10346/05 ER - das JobCenter Spandau verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 28. Oktober 2005 bis zur rechts- oder bestandskräftigen Entscheidung über seinen mit Bescheid vom 29. August 2005 abgelehnten Leistungsantrag zu zahlen. Durch diese Leistungsverpflichtung nach dem SGB II ist der Antragsteller nunmehr pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Die Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung folgt aus § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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