L 15 B 3/05 AY ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 2 AY 111/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 B 3/05 AY ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 6. Mai 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, den Antragsgegner zur Gewährung der vom Antragsteller begehrten höheren bzw. zusätzlichen Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz - AsylbLG - im Wege einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Begründet ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach dieser Vorschrift, wenn sich bei summarischer Prüfung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ergibt, dass ein Anspruch nach materiellem Recht besteht (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 916 Zivilprozessordnung – ZPO -; Anordnungsanspruch) und eine besondere Eilbedürftigkeit vorliegt (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 917, 918 ZPO; Anordnungsgrund; zusammenfassend zu den Voraussetzungen Binder in Handkommentar SGG, 2003, § 86b Randnummer 31 ff.). Danach kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht, weil der Antragsteller einen Anordnunganspruch nicht glaubhaft gemacht hat. Der Antragsteller, der seinen Angaben zufolge am 1. Juli 1989 geboren sein und aus "Kasan, Usbekistan" stammen will, gehört zwar zu den grundsätzlich Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG, solange er über eine Duldung nach § 60 a des Aufenthaltsgesetzes verfügt (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG); sein Anspruch ist jedoch derzeit nach § 1 a AsylbLG auf die unabweisbar gebotene Hilfe beschränkt. Zwar dürfte dem – minderjährigen – Antragsteller nicht zur Last zu legen sein, dass er im Oktober 2004 nach Deutschland eingereist ist, um Leistungen nach dem AsylbLG zu erlangen, weil es insoweit auf den Willen und die Motive seines gesetzlichen Vertreters im Heimatland ankommt, diesbezüglich aber Person und Umstände nicht geklärt sind. Das Sozialgericht hat aber zutreffend darauf abgestellt, dass die Voraussetzungen des § 1 a AsylbLG jedenfalls in ihrer zweiten Alternative erfüllt sind, da beim Antragsteller, der nach bestandskräftiger Ablehnung seines offensichtlich unbegründeten Asylantrages ausländerrechtlich zur Ausreise verpflichtet ist, aus von ihm zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen bislang nicht vollzogen werden konnten.

Denn er ist der Auflage der Ausländerbehörde, ein gültiges (Aus-) Reisedokument vorzulegen, bisher nicht nachgekommen. Wesentliche Ursache dafür ist seine mangelnde Mitwirkung bei der Klärung seiner Identität als Voraussetzung für die Ausstellung einer Einreiseerlaubnis in sein angegebenes Heimatland Usbekistan. Unabweisbar geboten sind nach § 1 a AsylbLG regelmäßig nur Leistungen zur Ermöglichung einer alsbaldigen Rückkehr, d.h. die Übernahme der Rückreisekosten (einschließlich Reiseproviant) und des bis dahin erforderlichen Aufenthaltes, dies allerdings nur, wenn der jeweilige Antragsteller bereit ist, seine (zumutbare) Rückkehr samt den erforderlichen Vorbereitungen freiwillig zügig zu betreiben, denn anderenfalls läge es im Belieben des jeweiligen Antragstellers, den Zeitraum der Leistungsgewährung zu bestimmen. Auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts wird Bezug genommen. Der darin zitierten Rechtsprechung des OVG Berlin hat sich der erkennende Senat in mehreren Entscheidungen grundsätzlich angeschlossen (z.B. Beschluss vom 21. Juni 2005 L 15 B 1002/05 AY ER ). Der Antragsteller hat sich nicht ausreichend um die Beschaffung von Personaldokumenten bemüht. Vielmehr versucht er bislang, die Klärung seiner Identität zu erschweren und zu verzögern. Die vom Antragsteller gegenüber der Botschaft der Republik Usbekistan bei seiner Vorführung zwecks Passbeantragung im Dezember 2004 gemachten Angaben sind äußerst dürftig und zumindest teilweise unzutreffend, so dass sie nicht bestätigt werden konnten. Die von ihm angegebene letzte Wohnanschrift in Usbekistan ist offensichtlich unzutreffend, weil es in Usbekistan keine Stadt "Kasan" gibt. An den Namen seiner ehemaligen Schule sowie von Lehrern oder Nachbarn konnte er sich angeblich nicht erinnern (telefonische Auskunft des Konsuls der Republik Usbekistan in Berlin gegenüber der Senatsvorsitzenden); für diese mangelhafte Erinnerung gibt es keine nachvollziehbare Erklärung. Das vom Kläger angegebene Geburtsdatum "1. Juli 1989" ist objektiv falsch, denn in dem vom Amtsgericht Schöneberg in der Freiheitsentziehungssache des Antragstellers eingeholten medizinischen Gutachten wurde sein Alter auf Grund der am 21.Oktober 2004 erhobenen zahnärztlichen und röntgenologischen Befunde auf "17 bis 18 Jahre geschätzt", was zur Festsetzung eines fiktiven Geburtsdatums "1. Januar 1988" durch das Familiengericht geführt hat. Ferner fehlt es bisher an jeglichen Willenserklärungen des Antragstellers gegenüber dem Antragsgegner bzw. der Rückkehr- und Weiterwanderungsberatungsstelle, dass er zu einer freiwilligen Ausreise bereit ist, vielmehr hat er dies sogar ausdrücklich abgelehnt.

Soweit der gesetzliche Vertreter des Antragstellers geltend macht, dass er als Minderjähriger insoweit nicht handlungsfähig sei, muss er sich entgegenhalten lassen, dass er den Antragsteller trotz seit Februar 2005 bestehender Vormundschaft und in Kenntnis des erstinstanzlichen Beschlusses mit Hinweis auf die Rechtssprechung des OVG Berlin nicht zur Bereitschaft seiner freiwilligen Ausreise und zu wahrheitsgemäßen Angaben über seine Person (zumindest das unzutreffende Geburtsdatum war auch für den Vormund ersichtlich) angehalten hat. Dabei musste sich ihm aufdrängen, dass zutreffende Angaben zur Person eine Grundvoraussetzung für eine Erfolg versprechende Identitätsprüfung durch die Botschaft sind. Die Auffassung des Antragstellers bzw. seines gesetzlichen Vertreters, dass die im Rahmen des § 1a AsylbLG eingeräumte Möglichkeit, missbräuchliches Verhalten jederzeit durch eigenes Handeln abzustellen, während der Identitätsprüfung durch die Organe des jeweiligen Herkunftslandes ins Leere gehen müsse mit der Folge, dass sich während dieses Zeitraumes eine Leistungseinschränkung nach diesem Gesetz verbiete, kann offensichtlich nicht richtig sein, weil es der "Identitätsschwindler" dann in der Hand hätte, durch immer wieder falsche Angaben die Klärung seiner Identität zu verzögern oder unmöglich zu machen und damit nicht nur seinen weiteren Aufenthalt in Deutschland, sondern auch die Gewährung weiterer Leistungen zum Lebensunterhalt zu erzwingen. Der Antragsteller geht auch fehl in der Annahme, dass er vom Antragsgegner zu bestimmten Handlungen aufgefordert werden müsse, bevor die Anspruchseinschränkung auf Grund von § 1a Nr. 2 AsylbLG eintritt. Auch wenn die ausländerrechtlichen Maßgaben, denen der Antragsteller unterworfen ist, im Leistungsrecht des AsylbLG keine formale Tatbestandswirkung entfalten, so besteht doch kein Grund, hier von ihnen abzuweichen (siehe zu § 2 AsylbLG BVerwG, Urteil vom 3. Juni 2003 – 5 C 32/02 -, FEVS 55, 114). Ausländerrechtlich ist der Antragsteller aber rechtswirksam zur Ausreise und zur Passbeschaffung verpflichtet. Damit ist im Rahmen des § 1a Nr. 2 AsylblG allein – im Sinne einer negativen Leistungsvoraussetzung – zu prüfen, ob der Antragsteller die Durchsetzung dieser Ausreiseverpflichtung durch ein Verhalten verhindert, das ihm vorgeworfen werden kann. Insoweit besteht ein Unterschied zur verfahrensrechtlichen Möglichkeit der Versagung oder Entziehung von Leistungen bei mangelnder Mitwirkung nach § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch, wo ausdrücklich die Androhung der leistungsrechtlichen Folge für den Fall verlangt wird, das bestimmte Mitwirkungshandlungen nicht vorgenommen werden.

Nach alledem kann der Antragsteller derzeit und im vorliegenden Verfahren vom Antragsgegner, der – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – seit Januar 2005 die Kosten seiner gegenwärtigen Unterkunft trägt und ihm Leistungen überwiegend als Wertgutschein gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 AsylbLG gewährt, keine darüber hinausgehenden Leistungen beanspruchen. Der Antragsteller ist mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass es für ihn in Deutschland derzeit keinerlei realistische Perspektive für einen durch einen Aufenthaltstitel gesicherten legalen Aufenthalt gibt und er bis zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland weitere Leistungen nach dem AsylbLG von Rechts wegen überhaupt nur beanspruchen kann, wenn er künftig alles in seiner Macht stehende tut, um schnellstmöglich die für eine freiwillige Ausreise erforderlichen Dokumente zu erlangen. Es steht dem Antragsteller - bis zum 31. Dezember 2005 über seinen Vormund, danach allein handelnd - jederzeit frei, umgehend seine Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise zu erklären und bei der Botschaft seines (tatsächlichen) Heimatstaates – sei es Usbekistan oder ein anderer Staat – unter wahrheitsgemäßer Angabe aller geforderten Personalien, d.h. also unter Korrektur und Ergänzung bisheriger Angaben, ein Einreisedokument zu beantragen und dadurch wieder leistungsberechtigt im Umfang des § 3 AsylbLG zu werden. Ob der Antragsteller bei künftigen glaubhaften Bemühungen um einen Identitätsnachweis auch den Leistungssatz für einen Haushaltsvorstand sowie die Zahlung eines Barbetrages nach § 3 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 Nr.1 AsylbLG und Fahrgeld beanspruchen kann, bedurfte im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung. Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung von § 193 SGG. Die Unanfechtbarkeit dieses Beschlusses folgt aus § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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