L 15 B 66/05 SO

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 18 SO 1402/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 B 66/05 SO
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. Mai 2005 aufgehoben. Dem Kläger wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Henry Schaaf beigeordnet. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe:

I.

Der 1948 geborene Kläger bezog von der Beklagten im Rahmen ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt von März 2003 bis Mai 2004 einen Mehrbedarfszuschlag wegen kostenaufwändigerer Ernährung in Höhe von monatlich 31,39 Euro. Dieser Zuschlag wurde gemäß amtsärztlicher Stellungnahme vom 05. Juni 2003 im Hinblick auf die dem Kläger unter dem 14. März 2003 attestierten Leiden Hyperurikämie und Diabetes mellitus Typ II b bei einem Gewicht von 113 kg (Größe 180 cm ) für erforderlich gehalten.

Den erneuten Antrag vom 19. August 2004, zu dessen Begründung der Kläger ein Attest vom 03. September 2004 vorlegte, in dem ihm ein Gewicht von 108 kg und rezidivierende Gichtanfälle im linken Großzehengrundgelenk bescheinigt wurden, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 01. Oktober 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03. Februar 2005 ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, bei der Anerkennung eines Mehrbedarfes wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 23 Abs. 4 Bundessozialhilfegesetz – BSHG – richte er sich nach den Empfehlungen für Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe des Deutschen Vereins für Öffentliche und Private Fürsorge. Diese sähen für das attestierte Krankheitsbild keine Zulage vor. Die deshalb eingeholte Stellungnahme des amts- und vertrauensärztlichen Dienstes habe ergeben, dass die bei der Diagnose Gicht erforderliche purinreduzierte Kost keinen besonderen Kostenaufwand verursache. Auch die früher attestierte Grunderkrankung Diabetes mellitus Typ II müsse nicht zwingend zu einer kostenaufwändigen Diät führen. Vordringlich sei beim Kläger, sein Körpergewicht zu reduzieren, also weniger zu essen, wodurch kein Kostenmehraufwand entstehe.

Das Sozialgericht Berlin hat den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für seine am 08. März 2005 erhobene Klage mit Beschluss vom 17. Mai 2005 abgelehnt, weil ihr die erforderliche Erfolgsaussicht fehle. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 4 BSHG für die Anerkennung eines Mehrbedarfes lägen nicht vor. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins sähen für die Erkrankungen des Klägers keinerlei Krankenkostzulagen vor, auch sei kein auf den Kläger konkret abgestimmtes ärztliches Ernährungskonzept ersichtlich, das die Anerkennung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfes rechtfertigen könne.

Gegen den am 27. Mai 2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 15. Juni 2005 eingegangene Beschwerde des Klägers, zu deren Begründung er geltend macht, dass er krankheitsbedingt und zur Gewichtsreduzierung bestimmte Diätvorschriften einhalten müsse und gegen bestimmte Obst- und Gemüsesorten allergisch reagiere, was zu weit höheren Kosten als "Normalkost" führe.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts bietet die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg, sodass ihm mit Rücksicht auf seine nachgewiesene Bedürftigkeit – er bezieht seit dem 01. Januar 2005 Arbeitslosengeld II – für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des von ihm benannten Rechtsanwaltes H S zu gewähren war, § 73 a Sozialgerichtsgesetz – SGG – in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung – ZPO –).

Ein Anspruch des Klägers auf Anerkennung eines Mehrbedarfes bei der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs. 4 BSHG, der im hier streitigen Zeitraum der Sozialhilfegewährung vom Beklagten vom 19. August 2004 bis zum 31. Dezember 2004 noch anzuwenden ist, erscheint durchaus nicht als ausgeschlossen. Der erkennende Senat hält es in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht und der bisherigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung für sachgerecht, dass sich der Beklagte hinsichtlich der Gewährung von Krankenkostzulagen nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für Öffentliche und Private Fürsorge richtet, die eine sachverständige, an typisierten Fallgestaltungen ausgerichtete praktische Hilfe bei der Beurteilung des Mehrbedarfes darstellen (vgl. z. Bsp. Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Mai 1992 – FEVS 43, 414 ff). Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und der Beklagten stützen diese Empfehlungen aber das Begehren des Klägers. Das vom Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 03. Februar 2005 zitierte Rundschreiben V Nr. 13/1998 der damaligen Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales vom 10. August 1998 gibt die überarbeiteten Empfehlungen des Deutschen Vereins für Krankenkostzulagen aus dem Jahre 1997 wieder, die bei Hyperurikämie und Gicht für die erforderliche purinreduzierte Kost einen Mehrbedarf von 60,60 DM bzw. ab 1999 entsprechend 31,39 Euro aufführen, den der Beklagte beim Kläger von März 2003 bis Mai 2004 auch anerkannt hat. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Beklagte diesen Empfehlungen bei dem Antrag auf Weiterbewilligung des Mehrbedarfszugeschlages vom 19. August 2004 nicht mehr gefolgt ist, zumal der Kläger sein – offenbar schwankendes – Gewicht im Verhältnis zur Erstbeantragung durchaus reduziert hat. Allein die offenbar abweichende Auffassung des nun zuständigen Amtsarztes dürfte die Versagung des Mehrbedarfszuschlages nicht rechtfertigen. Die in entsprechende Rundschreiben der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales eingegangenen Empfehlungen zur Verfahrensweise bei der Gewährung von Krankenkostzulagen sollen eine gleichmäßige Praxis gewährleisten. Dass bei der Bemessung eines Mehrbedarfes für krankheitsgedingt erhöhten Ernährungsaufwand die Empfehlungen des Deutschen Vereins für die Gewährung von Krankenkostzulagen eine sachgerechte Entscheidungshilfe darstellen, entspricht auch der Auffassung des Gesetzgebers, die in den Materialien zur Nachfolgenorm des § 30 Abs. 5 Sozialgesetzbuch – SGB – XII zum Ausdruck kommt (vgl. Hofmann in LPK – SGB XII, Rd.-Nr. 29 ff zu § 30 m. w. n.). Auch nach neuem Recht wird bei Hyperurikämie/Gicht für die bei diesem Krankheitsbild erforderliche purinreduzierte Kost ein Mehrbedarf von monatlich ca. 30,00 Euro angenommen (vgl. Hofmann aaO).

Die Unanfechtbarkeit dieses Beschlusses folgt aus § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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