L 4 KR 146/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 746/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 146/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger von der Beklagten für Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mittels In-Vitro-Fertilisation (IVF) und Intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI), soweit sie am oder im Körper seiner Ehefrau E. B. (E.B.) durchgeführt worden sind, EUR 12.783,12 abzüglich der gesetzlichen Eigenanteile erstattet verlangen kann.

Der am 1961 geborene Kläger ist bei der Beklagten freiwillig krankenversichert; E.B., geboren am 1964, ist hingegen privat krankenversichert. Die Eheleute sind nicht in der Lage, auf natürlichem Wege Kinder zu bekommen, weil beim Kläger eine Fertilitätsstörung vorliegt.

Am 03. Juli 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine IVF/ICSI-Behandlung mit hormoneller Stimulation bei unerfülltem Kinderwunsch. Es wurden insoweit drei Behandlungszyklen im Jahre 2003 durchgeführt, nämlich ein erster Versuch im Juni/Juli/August, ein zweiter Versuch im September/Oktober sowie ein dritter Versuch im November/Dezember. Mit Bescheid vom 09. Juli 2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie übernehme entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) diejenigen Kosten, die für Maßnahmen beim Ehemann anfielen. Die bei der privat krankenversicherten Ehefrau anfallenden Leistungen dürften entsprechend dieser Rechtsprechung von ihr nicht übernommen werden. Auch die Kosten für die extrakorporalen Maßnahmen würden von ihr erstattet. Nachdem der Kläger die Ansicht vertreten hatte, die komplette Behandlung sei von der Beklagten zu bezahlen, listete diese mit Schreiben an den Kläger vom 11. Juli 2003 diejenigen Maßnahmen auf, die einerseits die Frau und andererseits den Mann beträfen sowie ferner die extrakorporalen Behandlungsschritte. Auch danach machte der Kläger weiterhin geltend, aufgrund des Urteils des BSG vom 03. April 2001 (B 1 KR 22/00 R) ergebe sich ein Anspruch auf Kostenübernahme durch die Beklagte auch für die Maßnahmen bei der Ehefrau. Mit Bescheid vom 21. November 2003 bestätigte die Beklagte gegenüber dem Kläger, dass eine Kostenübernahme nur für die Behandlung des Ehemannes sowie für die extrakorporalen Behandlungsschritte erfolge. Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch verwies der Kläger erneut auf das Urteil des BSG vom 03. April 2001, das auch den Fall betreffe, dass die Ehefrau privat krankenversichert sei und keine Leistungen von ihrer Krankenkasse erhalte. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten gebildeten Widerspruchsausschusses vom 03. März 2004).

Deswegen erhob der Kläger am 11. März 2004 Klage beim Sozialgericht (SG) Heilbronn. Er bezifferte unter Vorlage von auf E.B. ausgestellten Rezepten und Arztrechnungen die für die drei Behandlungsversuche im Jahre 2003 durch den Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. M.-E. und die Ärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Prof. Dr. F., mit denen am 16. Juni 2003 begonnen worden war, entstandenen streitigen Kosten mit EUR 12.783,12. Der Kläger machte geltend, auch in der bei ihm vorliegenden Fallgestaltung, bei der der Ehemann gesetzlich und die Ehefrau privat versichert sei, bestehe ein Anspruch auf volle Kostenübernahme gegenüber der Beklagten, insbesondere dann, wenn bei der privat versicherten Ehefrau keine Fertilitätsstörung vorliege und deswegen deren Krankenkasse Kosten nicht übernehme. Eine verfassungskonforme Auslegung im Lichte des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebe, dass § 27a Abs. 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) auch die Behandlungskosten der privat versicherten Ehefrau umfasse, wenn nur der Ehemann gesetzlich versichert und er der Alleinverursacher der Fertilitätsstörung sei. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Sie wies darauf hin, dem Kläger für die bei ihm vorgenommenen Behandlungen sowie die extrakorporalen Behandlungsschritte EUR 4.412,13 erstattet zu haben. Ein weitergehender Erstattungsanspruch stehe dem Kläger nicht zu. Dies ergebe sich auch aus dem Urteil des BSG vom 22. März 2005 (B 1 KR 11/03 R), worin das Gericht ausgeführt habe, dass eine Krankenkasse gegenüber ihrem Versicherten nicht leistungspflichtig sei für Maßnahmen, die unmittelbar und ausschließlich am Körper des nicht bei ihr versicherten Ehegatten ihres Versicherten ausgeführt worden seien. Es sei dann gegebenenfalls Sache des Ehegatten, bei seiner eigenen Krankenkasse bzw. privaten Versicherung oder Beihilfestelle die unmittelbar und ausschließlich seinen Körper betreffende Behandlung zur künstlichen Befruchtung geltend zu machen. Der im Verfahren B 1 KR 33/04 R von ihr beim BSG geschlossene Vergleich betreffe einen Sonderfall. Mit Urteil vom 08. Dezember 2005 wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe des der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 22. Dezember 2005 zugestellten Urteils wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 11. Januar 2006 mit Fernkopie Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er trägt erneut vor, dass eine vollständige Kostentragung bei einer IVF/ICSI-Behandlung, bei der der Ehemann der alleinige Verursacher sei, in jeder Versichertenkonstellation grundsätzlich garantiert sei. Lediglich in dem bei ihm vorliegenden Fall blieben die unterschiedlich krankenversicherten Ehegatten auf einem Teil der Behandlungskosten sitzen. Diese Ungleichbehandlung sei im Ergebnis unbefriedigend und im Hinblick auf Art. 3 GG nicht sachgerecht. Das SG Heilbronn vergleiche Ehegatten, die beide gesetzlich und solche, die gesetzlich und privat versichert seien. Es stelle klar, dass es sich hier um ungleiche Sachverhalte handle und verneine einen Verstoß gegen Art. 3 GG. Die Bildung dieser Vergleichsgruppen sei jedoch nicht sachgerecht. Vielmehr seien Ehepaare zu vergleichen, bei denen entweder der Mann oder die Frau gesetzlich versichert sei und der Mann der alleinige Verursacher der Kinderwunschbehandlung sei. Nur insoweit sei von vergleichbaren Sachverhalten auszugehen. Während für den Fall, dass der Mann privat krankenversichert sei, die private Versicherung alle Kosten trage und die gesetzliche Krankenversicherung leistungsfrei bleibe, weigere sich die gesetzliche Krankenversicherung im umgekehrten Fall, die Kosten für die Behandlung zu tragen und verweise auf die enge Auslegung des § 27a SGB V. In beiden Fällen werde der Kreis der Solidargemeinschaft verlassen. Die gesetzliche Krankenversicherung vermöge in beiden Fällen von der Konstellation zu profitieren, denn sie bleibe leistungsfrei. Bei dieser systemübergreifenden Vergleichsweise zeige sich, dass vorliegend gleiche Fälle ungleich behandelt würden. Mithin verstoße die vom SG vorgenommene Auslegung des § 27a SGB V gegen Art. 3 GG. Die eigentlichen Behandlungen hätten erst nach dem 09. Juli 2003 begonnen, selbst wenn die vorgelegte Rechnung vom 29. September 2003 in Höhe von EUR 1.714,84 auch einige Positionen aufweise, die vorher erbracht worden seien. Im Übrigen habe es bereits vor dem 09. Juli 2003 einen ausführlichen Telefonkontakt zwischen seiner Ehefrau und einer Sachbearbeiterin der Beklagten gegeben; bereits vor Beginn der Behandlung sei ihnen die ablehnende Entscheidung der Beklagten mitgeteilt worden. Der Kläger verweist auch auf das von ihm vorgelegte nicht rechtskräftig gewordene Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 15. November 2004 (L 5 KR 223/03).

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 08. Dezember 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 09. Juli und 21. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. März 2004 zu verurteilen, an ihn EUR 12.783,12 abzüglich der gesetzlichen Eigenanteile zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die streitbefangenen Bescheide und das angegriffene Urteil für zutreffend.

Der Berichterstatter des Senats hat die Beteiligten mit Verfügung vom 19. Juni 2006 auf die Möglichkeit einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hingewiesen. Der Kläger hat um eine Entscheidung mit Darstellung der Gründe gebeten.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG entschieden hat, ist statthaft und zulässig, jedoch nicht begründet.

Das SG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger die begehrte Erstattung auf der Grundlage des § 13 Abs. 3 SGB V nicht verlangen kann, weshalb die Bescheide der Beklagten vom 09. Juli und 21. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. März 2004 rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Gründe des angegriffenen Urteils.

Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen: Der Senat lässt dahingestellt, ob eine Kostenerstattung hinsichtlich des vor dem 09. Juli 2003 (Datum des ablehnenden schriftlichen Bescheids) begonnenen ersten Behandlungszyklus schon deswegen ausgeschlossen ist, weil der Kläger den schriftlichen Bescheid vor Beginn dieser Behandlung nicht abgewartet hat. Der Kläger begehrt die Erstattung derjenigen Kosten, die durch Behandlungsschritte im Rahmen des § 27a SGB V, der hier in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung anzuwenden ist, entstanden sind, die unmittelbar und ausschließlich am bzw. im Körper der privat versicherten Ehefrau E.B. vorgenommen wurden, was auch durch die vorgelegten Rezepte und Arztrechnungen, die auf den Namen der Ehefrau lauten, belegt wird. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 22. März 2005 - B 1 KR 11/05 R = SozR 4-2500 § 27a Nr. 1 und Beschluss vom 22. März 2005 - B 1 KR 32/03 R), der sich der Senat anschließt, ist die Beklagte als gesetzliche Krankenkasse des Klägers für diese Maßnahmen nicht leistungs- und damit auch nicht erstattungspflichtig. Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, dass sich - hier zu Lasten der Beklagten - für ein Ehepaar stets eine hundertprozentige Kostendeckung bei der Durchführung einer IVF/ICSI-Behandlung ergeben muss, also auch dann, wenn ein Partner privat krankenversichert ist. Es ist dann vielmehr Sache dieses privat versicherten Ehegatten, bei seiner privaten Versicherung die unmittelbar und ausschließlich seinen Körper betreffende Behandlung geltend zu machen. Auch wenn sich die private Versicherung nicht für leistungspflichtig erklärt, ergibt dies keine weitergehende Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse des gesetzlich versicherten Ehepartners. Auch der Umstand, dass die Ursache der Fertilitätsstörung hier beim Kläger liegt, begründet im Hinblick auf § 27a Abs. 3 SGB V nicht eine hundertprozentige Leistungspflicht der Beklagten, weil die private Versicherung seiner Ehefrau eine Leistungspflicht generell abgelehnt hat.

Danach war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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