Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 23 AS 696/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 759/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 10. August 2006 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller auch die ihm für das Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Im Streit ist die Rechtmäßigkeit eines von der Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller für den Zeitraum 1. Juli bis 30. September 2006 erteilten Absenkungsbescheides gemäß § 31 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sowie der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2006, soweit damit die Absenkung für die Monate August uns September 2006 verfügt worden ist.
Die Antragsgegnerin hatte dem 1987 geborenen Antragsteller Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 695,76 Euro für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 2006 bewilligt (Leistungsbescheid vom 28. Dezember 2005). Nach Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung am 16. Dezember 2005 schlug die Antragsgegnerin mit Vermittlungsvorschlag vom 3. Mai 2006 dem Antragsteller eine Arbeitsgelegenheit als Landschaftsarbeiter (Beräumungsarbeiten, Laubbeseitigung im Herbst, Kontrollgänge an den Strandbereichen), beginnend am 15. Mai 2006, vor. Zuvor sollte sich der Antragsteller am 9. Mai 2006 persönlich bei dem Arbeitgeber, der W- mbH (W GmbH), vorstellen.
Mit Schreiben vom 22. Mai 2006 teilte der Arbeitgeber der Antragsgegnerin mit, dass der Antragsteller seit dem 15. Mai 2006 unentschuldigt fehle und dass der Betreuer der Maßnahme mehrfach erfolglos versucht habe, den Antragsteller telefonisch zu erreichen.
Der Antragsteller teilte hierzu der Antragsgegnerin mit, dass er sich am 9. Mai 2006 bei der Firma vorgestellt habe, diese Arbeit aber nicht machen könne, da er Asthma habe und mit Staub, Gräsern und Pollen nicht arbeiten könne. Von Seiten der Firma sei er darauf hingewiesen worden, dass keine Rücksicht auf gesundheitliche Probleme genommen werde und die Arbeitsaufnahme sei freiwillig.
Die Antragsgegnerin erließ daraufhin am 6. Juni 2006 einen Bescheid nach § 31 SGB II für die Zeit vom 1. Juli bis zum 30. September 2006, mit welchem sie unter teilweiser Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides ab dem 1. Juli 2006 nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Regelleistung monatlich um 100% absenkte, so dass sich ein Auszahlungsbetrag von nunmehr 334,90 Euro (Kosten der Unterkunft und Heizung [KdUuH]) ergab.
Mit Schreiben vom 8. Juni 2006 legte der Antragsteller gegen den Absenkungsbescheid Widerspruch ein.
Am 22. Juni 2006 erteilte die Antragsgegnerin einen Bescheid, in welchem sie dem Antragsteller Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. August bis 30. September 2006 in Höhe von 378,76 Euro (KdUuH) und für die Zeit vom 1. Oktober 2006 bis zum 31. Januar 2007 in Höhe von 709,76 Euro bewilligte.
Am 29. Juni 2006 erhob der Antragsteller bei dem Sozialgericht Cottbus (SG) "Feststellungsklage". Er wehrte sich gegen die Absenkung seiner Leistungen nach dem SGB II und legte zur Begründung ein ärztliches Gutachten vom 14. Februar 2006 des Facharztes für Allgemeinmedizin, Vertragsarzt des Arbeitsamtes, Dr. B vor. Hierin diagnostizierte Herr Dr. B eine Verkrümmung der Wirbelsäule und eine rezidivierende obstruktive Bronchitis, die die Einsatzfähigkeit des Antragstellers in Verbindung mit Staub, Rauch, Gasen und Dämpfen einschränke, bescheinigte dem Antragsteller – bei leichter Einschränkung der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit - im Übrigen aber einen guten Allgemein- zustand und die Fähigkeit, vollschichtig im Freien, in Werkhallen, in geschlossenen und in temperierten Räumen überwiegend mittelschwere, zeitweise leichte Arbeit in stehender, gehender oder sitzender Haltung ausführen zu können. Arbeiten in Staub, Rauch, Gasen, Dämpfen sowie mit Zwangshaltungen und häufiges Heben und Tragen ohne mechanische Hilfsmittel seien zu vermeiden.
Die Antragsgegnerin ist dem Begehren entgegen getreten.
Das SG hat die "Feststellungsklage" als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gewertet und mit Beschluss vom 10. August 2006 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 8. Juni 2006 zum Bescheid vom 6. Juni 2006 angeordnet und die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 1. August 2006 bis zum 30. September monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von 709,76 Euro zu gewähren.
Gegen den ihr am 15. August 2006 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 17. August 2006 Beschwerde eingelegt und vorgetragen, dass die Beeinträchtigungen des Antragstellers ausweislich des vorgelegten Attestes nicht so schwer seien, dass er die ihm angebotene Arbeit nicht hätte ausführen können und daher kein wichtiger Grund für die Nichtannahme der Arbeitsgelegenheit vorgelegen habe. Der Antragsteller sei über die Rechtsfolgen der Verweigerung der angebotenen Arbeit "laut beigelegtem Vermerk, siehe Anlage" belehrt worden, ferner in der mit ihm abgeschlossenen Eingliederungsvereinbarung vom 12. Dezember 2005.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 10. August 2006 (Az. S 23 AS 696/06 ER) aufzuheben und den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zurückzuweisen, ferner die Vollstreckung gemäß § 199 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auszusetzen.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten zu den Az. L 25 B 759/06 AS ER und verwiesen, die dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen haben.
II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG) ist im Ergebnis nicht begründet.
Zu Recht hat das SG die vom Antragsteller erhobene "Feststellungsklage", mit welcher er die Fortzahlung der Regelleistung begehrt, als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid vom 6. Juni 2006 umgedeutet (§ 123 SGG).
Gemäß § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben - wie bei Widerspruch und Klage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende entscheidet (§ 39 Nr. 1 SGB II) -, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Dem Begehren des Antragstellers entspricht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung jedoch nicht in vollem Umfang. Da der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 28. Dezember 2005 lediglich Leistungszeiträume von Februar bis Juli 2006 regelt, während der Sanktionsbescheid die Zeiträume Juli bis September 2006 erfasst, bedarf es noch einer ergänzenden Leistungsanordnung in Bezug auf den Bewilligungsbescheid vom 22. Juni 2006, der die Leistungen für August und September 2006 wegen der angeordneten Sanktion auf lediglich 378,76 Euro bemisst. Anders als bei Verhängung einer Sanktion innerhalb eines laufenden Bewilligungszeitraumes lebt vorliegend bei Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anspruch aus dem - durch den Sanktionsbescheid abgeänderten - Bescheid vom 28. Dezember 2006 lediglich hinsichtlich des Bewilligungszeitraumes Juli 2006 in voller Höhe wieder auf, nicht aber der Anspruch für August und September 2006, da dieser nicht Gegenstand des Bescheides vom 28. Dezember 2006 war. Dies bedeutet, dass eine einstweilige Regelung hinsichtlich der Monate August und September 2006 zu treffen ist, damit der Antragsteller auch für diese Monate die volle Regelleistung erhält. So ist auch der Tenor des Beschlusses des Sozialgerichts vom 10. August 2006 zu verstehen. Insoweit hat das Sozialgericht auch zu Recht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid wieder hergestellt und eine Regelungsanordnung – auf Zahlung von Arbeitslosengeld II – für die Monate August und September 2006 getroffen.
Das so ausgelegte Begehren des Antragstellers hat Erfolg. Bei summarischer Prüfung erscheint der Sanktionsbescheid der Antragsgegnerin vom 6. Juni 2006 rechtswidrig. Hinsichtlich der ergänzenden Leistungsanordnung in Bezug auf den Bewilligungsbescheid vom 22. Juni 2006 (auf die KdUuH abgesenkte Leistungen für August und September 2006) hat der Antragsteller auch Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 86 b Abs. 2 Satz 1, Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).
Im Einzelnen:
Der Sanktionsbescheid – hier gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1c SGB II (Aufgabe einer zumutbaren Tätigkeit) – begegnet nach summarischer Prüfung im einstweiligen Verfahren und unter Berücksichtigung der derzeitigen Aktenlage aus mehreren Gründen ernstlichen Rechtmäßigkeitzweifeln.
Es trifft zwar zu, dass der Antragsteller – nach einer Vorstellung am 9. Mai 2006 – zum festgelegten Arbeitsbeginn am 15. Mai 2006 nicht bei der Firma W GmbH erschienen ist.
Es lässt sich aber zunächst nicht feststellen, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller vor Erlass des Sanktionsbescheides nach § 24 SGB X angehört hätte oder dass einer der Gründe vorgelegen hätte, nach § 24 Abs. 2 SGB X von der Anhörung abzusehen.
Vor allem lässt sich – trotz nunmehriger Vorlage der Eingliederungsvereinbarung – nicht feststellen, dass der Antragsteller über die Rechtsfolgen bei Nichtannahme der Arbeit in ausreichendem Umfang belehrt worden ist.
Die Antragsgegnerin hat anlässlich ihres Vermittlungsvorschlages vom 3. Mai 2006 keine konkret auf die Folgen der Nichtannahme dieser Arbeitsgelegenheit bezogene Belehrung erteilt.
Auch aus dem Computerausdruck vom 31. Mai 2006, auf den sich die Antragsgegnerin bezieht, geht nicht hervor, wann und in welcher Art und Weise der Antragsteller über die Rechtsfolgen belehrt worden sein soll. Vielmehr lässt sich aus dem Computerausdruck lediglich entnehmen, dass mit dem Antragsteller eine Eingliederungsvereinbarung geschlossen wurde.
Die Eingliederungsvereinbarung als solche stellt bei summarischer Prüfung keine ausreichende Rechtsfolgenbelehrung dar. Zum Einen ist es zweifelhaft, ob eine bereits fünf Monate vor dem konkreten Einsatz, zumal mit einem jungen Erwerbslosen, geschlossene Eingliederungsvereinbarung überhaupt noch in einem ausreichenden zeitlichen Zusammenhang mit dem Angebot einer Arbeitsgelegenheit steht.
Vor allem aber erscheinen die Formulierungen in der Eingliederungsvereinbarung in der hier vorliegenden Form als zu allgemein gehalten, um den Anforderungen des § 31 Abs. 5 Satz 3 SGB II zu genügen. Hierbei wird nicht verkannt, dass es ein durchaus nachzuvollziehendes Interesse der Antragsgegnerin gibt, in einer einheitlich gefassten Vereinbarung sämtliche Fälle der Eingliederung von Arbeitslosen und der Verhängung von Sanktionen bei Pflichtverstößen zu erfassen.
Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass dem jungen Hilfsbedürftigen die besonderen, für ihn verschärften Rechtsfolgen nach § 31 Abs. 5 SGB II konkret, eindeutig und verständlich "vorher" vor Augen zu führen sind. Ihm muss in einer seinem Verständnishorizont angemessenen Form erläutert werden, welche Auswirkungen auf seinen Anspruch eine von ihm ohne wichtigen Grund erfolgende Weigerung hat (vgl. Eicher/Spellbrink, SGB II , § 31 Rdz. 44; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Juni 2006, L 19 B 40/06 AS ER; vgl. auch Bundessozialgericht [BSG], Sozialrecht [SozR] 4100 § 119 Nr. 18; in diesem Sinn auch die Gesetzesbegründung, Bundestagsdrucksache 15/1516, Seite 61).
Die Eingliederungsvereinbarung vom 16. Dezember 2005 verweist lediglich auf die Pflicht des Antragstellers, an "allen Maßnahmen zur Eingliederung mitzuwirken". In der "Rechtsfolgenbelehrung" enthält sie u. a. den Hinweis, dass das Arbeitslosengeld II auf die Leistungen nach § 22 SGB II (KdUuH) beschränkt werden kann, wenn der Hilfebedürftige nicht bereit ist, "die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten zu erfüllen" oder eine "Arbeit oder Arbeitsgelegenheit aufzunehmen". Diese Hinweise hätte sich der Antragsteller allerdings aus mehreren, eng beschriebenen Seiten heraus suchen müssen, was seinem Verständnishorizont nicht entsprochen haben dürfte. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass seine, für ihn zum Pfleger bestellte Großmutter R S für ihn den Schriftverkehr erledigt; sie hat aber anscheinend diese Eingliederungsvereinbarung überhaupt nicht gesehen.
Schließlich lässt sich derzeit auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass der Antragsteller trotz Belehrung über die Rechtsfolgen bewusst eine zumutbare Arbeitsgelegenheit nicht aufgenommen hätte. Auch wenn die Sanktionstatbestände des § 31 SGB II nicht das Tatbestandsmerkmal der subjektiven Vorwerfbarkeit enthalten, gebieten Sinn und Zweck der Sanktion es - insbesondere bei Absenkung der Regelleistung um 100% bei unter 25-jährigen (§ 31 Abs. 5 SGB II) -, diese grundsätzlich nur auf vorsätzliches, d. h. bewusstes und gewolltes Verhalten zu beziehen, nicht jedoch auf fahrlässiges Handeln. Insoweit ergeben sich im einstweiligen Verfahren nicht genügend Anhaltspunkte für die Annahme eines bewussten Sich-Entziehens. Vielmehr erscheint es möglich, dass der Antragsteller davon ausgegangen ist, die angebotenen Arbeiten wegen seiner Erkrankung der Atemwege nicht ausführen zu können. Zwar soll der Antragsteller nach dem vorgelegten Attest für mittelschwere Arbeiten, auch im Freien, vollschichtig einsetzbar sein. Jedoch war ihm die genaue Diagnose einer "bloßen" rezidivierenden obstruktiven Bronchitis, die er mit Asthma verwechselt hat, nicht bekannt; das Attest ist ihm von der Antragsgegnerin erst zugesandt worden. Hinzu kommt, dass seine Einsatzfähigkeit jedenfalls in der Weise eingeschränkt ist, dass mit Staub, Rauch, Gasen und Dämpfen verbundene Arbeiten gemieden werden sollten. Schließlich kommt hinzu die – angebliche – Auskunft von Seiten des Arbeitgebers, der Antragsteller "solle die Arbeit nicht annehmen", sie sei "freiwillig", es könne keine "Rücksicht auf gesundheitliche Probleme genommen werden". Diese Auskunft, deren Richtigkeit sich erst im Hauptsacheverfahren nachprüfen lässt, mag den Antragsteller in seiner Annahme bestärkt haben, die angebotene Arbeit nicht ausführen zu können.
Den genannten Umständen (Funktion und Fassung der Eingliederungsvereinbarung, Erfordernis einer konkret auf die Arbeitsgelegenheit bezogenen Belehrung, Umfang der Leistungsfähigkeit des Antragstellers, subjektive Vorstellung von der Zumutbarkeit der Arbeitsgelegenheit) kann erst im Hauptsacheverfahren abschließend nachgegangen werden. Da es sich andererseits um eine völlige Kürzung der Regelleistung handelt und – hinsichtlich der einstweiligen Anordnung betreffend die Monate August und September 2006 - auch ein Anordnungsgrund gegeben ist, hat das SG zu Recht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid vom 6. Juni 2006 angeordnet und die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 1. August 2006 bis zum 30. September monatliche Leistungen in Höhe von insgesamt 709,76 Euro (Regelleistung und KdUuH) zu gewähren.
Nach allem musste die Beschwerde zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Das Verfahren nach § 199 Abs. 2 SGG hat sich durch diesen Beschluss erledigt.
Gründe:
I.
Im Streit ist die Rechtmäßigkeit eines von der Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller für den Zeitraum 1. Juli bis 30. September 2006 erteilten Absenkungsbescheides gemäß § 31 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sowie der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2006, soweit damit die Absenkung für die Monate August uns September 2006 verfügt worden ist.
Die Antragsgegnerin hatte dem 1987 geborenen Antragsteller Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 695,76 Euro für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 2006 bewilligt (Leistungsbescheid vom 28. Dezember 2005). Nach Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung am 16. Dezember 2005 schlug die Antragsgegnerin mit Vermittlungsvorschlag vom 3. Mai 2006 dem Antragsteller eine Arbeitsgelegenheit als Landschaftsarbeiter (Beräumungsarbeiten, Laubbeseitigung im Herbst, Kontrollgänge an den Strandbereichen), beginnend am 15. Mai 2006, vor. Zuvor sollte sich der Antragsteller am 9. Mai 2006 persönlich bei dem Arbeitgeber, der W- mbH (W GmbH), vorstellen.
Mit Schreiben vom 22. Mai 2006 teilte der Arbeitgeber der Antragsgegnerin mit, dass der Antragsteller seit dem 15. Mai 2006 unentschuldigt fehle und dass der Betreuer der Maßnahme mehrfach erfolglos versucht habe, den Antragsteller telefonisch zu erreichen.
Der Antragsteller teilte hierzu der Antragsgegnerin mit, dass er sich am 9. Mai 2006 bei der Firma vorgestellt habe, diese Arbeit aber nicht machen könne, da er Asthma habe und mit Staub, Gräsern und Pollen nicht arbeiten könne. Von Seiten der Firma sei er darauf hingewiesen worden, dass keine Rücksicht auf gesundheitliche Probleme genommen werde und die Arbeitsaufnahme sei freiwillig.
Die Antragsgegnerin erließ daraufhin am 6. Juni 2006 einen Bescheid nach § 31 SGB II für die Zeit vom 1. Juli bis zum 30. September 2006, mit welchem sie unter teilweiser Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides ab dem 1. Juli 2006 nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Regelleistung monatlich um 100% absenkte, so dass sich ein Auszahlungsbetrag von nunmehr 334,90 Euro (Kosten der Unterkunft und Heizung [KdUuH]) ergab.
Mit Schreiben vom 8. Juni 2006 legte der Antragsteller gegen den Absenkungsbescheid Widerspruch ein.
Am 22. Juni 2006 erteilte die Antragsgegnerin einen Bescheid, in welchem sie dem Antragsteller Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. August bis 30. September 2006 in Höhe von 378,76 Euro (KdUuH) und für die Zeit vom 1. Oktober 2006 bis zum 31. Januar 2007 in Höhe von 709,76 Euro bewilligte.
Am 29. Juni 2006 erhob der Antragsteller bei dem Sozialgericht Cottbus (SG) "Feststellungsklage". Er wehrte sich gegen die Absenkung seiner Leistungen nach dem SGB II und legte zur Begründung ein ärztliches Gutachten vom 14. Februar 2006 des Facharztes für Allgemeinmedizin, Vertragsarzt des Arbeitsamtes, Dr. B vor. Hierin diagnostizierte Herr Dr. B eine Verkrümmung der Wirbelsäule und eine rezidivierende obstruktive Bronchitis, die die Einsatzfähigkeit des Antragstellers in Verbindung mit Staub, Rauch, Gasen und Dämpfen einschränke, bescheinigte dem Antragsteller – bei leichter Einschränkung der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit - im Übrigen aber einen guten Allgemein- zustand und die Fähigkeit, vollschichtig im Freien, in Werkhallen, in geschlossenen und in temperierten Räumen überwiegend mittelschwere, zeitweise leichte Arbeit in stehender, gehender oder sitzender Haltung ausführen zu können. Arbeiten in Staub, Rauch, Gasen, Dämpfen sowie mit Zwangshaltungen und häufiges Heben und Tragen ohne mechanische Hilfsmittel seien zu vermeiden.
Die Antragsgegnerin ist dem Begehren entgegen getreten.
Das SG hat die "Feststellungsklage" als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gewertet und mit Beschluss vom 10. August 2006 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 8. Juni 2006 zum Bescheid vom 6. Juni 2006 angeordnet und die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 1. August 2006 bis zum 30. September monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von 709,76 Euro zu gewähren.
Gegen den ihr am 15. August 2006 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 17. August 2006 Beschwerde eingelegt und vorgetragen, dass die Beeinträchtigungen des Antragstellers ausweislich des vorgelegten Attestes nicht so schwer seien, dass er die ihm angebotene Arbeit nicht hätte ausführen können und daher kein wichtiger Grund für die Nichtannahme der Arbeitsgelegenheit vorgelegen habe. Der Antragsteller sei über die Rechtsfolgen der Verweigerung der angebotenen Arbeit "laut beigelegtem Vermerk, siehe Anlage" belehrt worden, ferner in der mit ihm abgeschlossenen Eingliederungsvereinbarung vom 12. Dezember 2005.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 10. August 2006 (Az. S 23 AS 696/06 ER) aufzuheben und den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zurückzuweisen, ferner die Vollstreckung gemäß § 199 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auszusetzen.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten zu den Az. L 25 B 759/06 AS ER und verwiesen, die dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen haben.
II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG) ist im Ergebnis nicht begründet.
Zu Recht hat das SG die vom Antragsteller erhobene "Feststellungsklage", mit welcher er die Fortzahlung der Regelleistung begehrt, als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid vom 6. Juni 2006 umgedeutet (§ 123 SGG).
Gemäß § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben - wie bei Widerspruch und Klage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende entscheidet (§ 39 Nr. 1 SGB II) -, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Dem Begehren des Antragstellers entspricht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung jedoch nicht in vollem Umfang. Da der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 28. Dezember 2005 lediglich Leistungszeiträume von Februar bis Juli 2006 regelt, während der Sanktionsbescheid die Zeiträume Juli bis September 2006 erfasst, bedarf es noch einer ergänzenden Leistungsanordnung in Bezug auf den Bewilligungsbescheid vom 22. Juni 2006, der die Leistungen für August und September 2006 wegen der angeordneten Sanktion auf lediglich 378,76 Euro bemisst. Anders als bei Verhängung einer Sanktion innerhalb eines laufenden Bewilligungszeitraumes lebt vorliegend bei Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anspruch aus dem - durch den Sanktionsbescheid abgeänderten - Bescheid vom 28. Dezember 2006 lediglich hinsichtlich des Bewilligungszeitraumes Juli 2006 in voller Höhe wieder auf, nicht aber der Anspruch für August und September 2006, da dieser nicht Gegenstand des Bescheides vom 28. Dezember 2006 war. Dies bedeutet, dass eine einstweilige Regelung hinsichtlich der Monate August und September 2006 zu treffen ist, damit der Antragsteller auch für diese Monate die volle Regelleistung erhält. So ist auch der Tenor des Beschlusses des Sozialgerichts vom 10. August 2006 zu verstehen. Insoweit hat das Sozialgericht auch zu Recht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid wieder hergestellt und eine Regelungsanordnung – auf Zahlung von Arbeitslosengeld II – für die Monate August und September 2006 getroffen.
Das so ausgelegte Begehren des Antragstellers hat Erfolg. Bei summarischer Prüfung erscheint der Sanktionsbescheid der Antragsgegnerin vom 6. Juni 2006 rechtswidrig. Hinsichtlich der ergänzenden Leistungsanordnung in Bezug auf den Bewilligungsbescheid vom 22. Juni 2006 (auf die KdUuH abgesenkte Leistungen für August und September 2006) hat der Antragsteller auch Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 86 b Abs. 2 Satz 1, Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).
Im Einzelnen:
Der Sanktionsbescheid – hier gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1c SGB II (Aufgabe einer zumutbaren Tätigkeit) – begegnet nach summarischer Prüfung im einstweiligen Verfahren und unter Berücksichtigung der derzeitigen Aktenlage aus mehreren Gründen ernstlichen Rechtmäßigkeitzweifeln.
Es trifft zwar zu, dass der Antragsteller – nach einer Vorstellung am 9. Mai 2006 – zum festgelegten Arbeitsbeginn am 15. Mai 2006 nicht bei der Firma W GmbH erschienen ist.
Es lässt sich aber zunächst nicht feststellen, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller vor Erlass des Sanktionsbescheides nach § 24 SGB X angehört hätte oder dass einer der Gründe vorgelegen hätte, nach § 24 Abs. 2 SGB X von der Anhörung abzusehen.
Vor allem lässt sich – trotz nunmehriger Vorlage der Eingliederungsvereinbarung – nicht feststellen, dass der Antragsteller über die Rechtsfolgen bei Nichtannahme der Arbeit in ausreichendem Umfang belehrt worden ist.
Die Antragsgegnerin hat anlässlich ihres Vermittlungsvorschlages vom 3. Mai 2006 keine konkret auf die Folgen der Nichtannahme dieser Arbeitsgelegenheit bezogene Belehrung erteilt.
Auch aus dem Computerausdruck vom 31. Mai 2006, auf den sich die Antragsgegnerin bezieht, geht nicht hervor, wann und in welcher Art und Weise der Antragsteller über die Rechtsfolgen belehrt worden sein soll. Vielmehr lässt sich aus dem Computerausdruck lediglich entnehmen, dass mit dem Antragsteller eine Eingliederungsvereinbarung geschlossen wurde.
Die Eingliederungsvereinbarung als solche stellt bei summarischer Prüfung keine ausreichende Rechtsfolgenbelehrung dar. Zum Einen ist es zweifelhaft, ob eine bereits fünf Monate vor dem konkreten Einsatz, zumal mit einem jungen Erwerbslosen, geschlossene Eingliederungsvereinbarung überhaupt noch in einem ausreichenden zeitlichen Zusammenhang mit dem Angebot einer Arbeitsgelegenheit steht.
Vor allem aber erscheinen die Formulierungen in der Eingliederungsvereinbarung in der hier vorliegenden Form als zu allgemein gehalten, um den Anforderungen des § 31 Abs. 5 Satz 3 SGB II zu genügen. Hierbei wird nicht verkannt, dass es ein durchaus nachzuvollziehendes Interesse der Antragsgegnerin gibt, in einer einheitlich gefassten Vereinbarung sämtliche Fälle der Eingliederung von Arbeitslosen und der Verhängung von Sanktionen bei Pflichtverstößen zu erfassen.
Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass dem jungen Hilfsbedürftigen die besonderen, für ihn verschärften Rechtsfolgen nach § 31 Abs. 5 SGB II konkret, eindeutig und verständlich "vorher" vor Augen zu führen sind. Ihm muss in einer seinem Verständnishorizont angemessenen Form erläutert werden, welche Auswirkungen auf seinen Anspruch eine von ihm ohne wichtigen Grund erfolgende Weigerung hat (vgl. Eicher/Spellbrink, SGB II , § 31 Rdz. 44; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Juni 2006, L 19 B 40/06 AS ER; vgl. auch Bundessozialgericht [BSG], Sozialrecht [SozR] 4100 § 119 Nr. 18; in diesem Sinn auch die Gesetzesbegründung, Bundestagsdrucksache 15/1516, Seite 61).
Die Eingliederungsvereinbarung vom 16. Dezember 2005 verweist lediglich auf die Pflicht des Antragstellers, an "allen Maßnahmen zur Eingliederung mitzuwirken". In der "Rechtsfolgenbelehrung" enthält sie u. a. den Hinweis, dass das Arbeitslosengeld II auf die Leistungen nach § 22 SGB II (KdUuH) beschränkt werden kann, wenn der Hilfebedürftige nicht bereit ist, "die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten zu erfüllen" oder eine "Arbeit oder Arbeitsgelegenheit aufzunehmen". Diese Hinweise hätte sich der Antragsteller allerdings aus mehreren, eng beschriebenen Seiten heraus suchen müssen, was seinem Verständnishorizont nicht entsprochen haben dürfte. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass seine, für ihn zum Pfleger bestellte Großmutter R S für ihn den Schriftverkehr erledigt; sie hat aber anscheinend diese Eingliederungsvereinbarung überhaupt nicht gesehen.
Schließlich lässt sich derzeit auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass der Antragsteller trotz Belehrung über die Rechtsfolgen bewusst eine zumutbare Arbeitsgelegenheit nicht aufgenommen hätte. Auch wenn die Sanktionstatbestände des § 31 SGB II nicht das Tatbestandsmerkmal der subjektiven Vorwerfbarkeit enthalten, gebieten Sinn und Zweck der Sanktion es - insbesondere bei Absenkung der Regelleistung um 100% bei unter 25-jährigen (§ 31 Abs. 5 SGB II) -, diese grundsätzlich nur auf vorsätzliches, d. h. bewusstes und gewolltes Verhalten zu beziehen, nicht jedoch auf fahrlässiges Handeln. Insoweit ergeben sich im einstweiligen Verfahren nicht genügend Anhaltspunkte für die Annahme eines bewussten Sich-Entziehens. Vielmehr erscheint es möglich, dass der Antragsteller davon ausgegangen ist, die angebotenen Arbeiten wegen seiner Erkrankung der Atemwege nicht ausführen zu können. Zwar soll der Antragsteller nach dem vorgelegten Attest für mittelschwere Arbeiten, auch im Freien, vollschichtig einsetzbar sein. Jedoch war ihm die genaue Diagnose einer "bloßen" rezidivierenden obstruktiven Bronchitis, die er mit Asthma verwechselt hat, nicht bekannt; das Attest ist ihm von der Antragsgegnerin erst zugesandt worden. Hinzu kommt, dass seine Einsatzfähigkeit jedenfalls in der Weise eingeschränkt ist, dass mit Staub, Rauch, Gasen und Dämpfen verbundene Arbeiten gemieden werden sollten. Schließlich kommt hinzu die – angebliche – Auskunft von Seiten des Arbeitgebers, der Antragsteller "solle die Arbeit nicht annehmen", sie sei "freiwillig", es könne keine "Rücksicht auf gesundheitliche Probleme genommen werden". Diese Auskunft, deren Richtigkeit sich erst im Hauptsacheverfahren nachprüfen lässt, mag den Antragsteller in seiner Annahme bestärkt haben, die angebotene Arbeit nicht ausführen zu können.
Den genannten Umständen (Funktion und Fassung der Eingliederungsvereinbarung, Erfordernis einer konkret auf die Arbeitsgelegenheit bezogenen Belehrung, Umfang der Leistungsfähigkeit des Antragstellers, subjektive Vorstellung von der Zumutbarkeit der Arbeitsgelegenheit) kann erst im Hauptsacheverfahren abschließend nachgegangen werden. Da es sich andererseits um eine völlige Kürzung der Regelleistung handelt und – hinsichtlich der einstweiligen Anordnung betreffend die Monate August und September 2006 - auch ein Anordnungsgrund gegeben ist, hat das SG zu Recht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid vom 6. Juni 2006 angeordnet und die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 1. August 2006 bis zum 30. September monatliche Leistungen in Höhe von insgesamt 709,76 Euro (Regelleistung und KdUuH) zu gewähren.
Nach allem musste die Beschwerde zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Das Verfahren nach § 199 Abs. 2 SGG hat sich durch diesen Beschluss erledigt.
Rechtskraft
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