Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 6 KN 56/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 KN 31/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 30. Juli 2003 geändert. Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 23. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2002 verurteilt, dem Kläger auf seinen Antrag vom 21. August 2000 hin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer unter Berücksichtigung erbrachter Leistungen zu gewähren. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger, der von der Beklagten zunächst verlängerte Zeitrente und jetzt Dauerrente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Januar 2001 bezieht, begehrt darüber hinaus Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer ab 01. September 2000.
Der im 1948 geborene Kläger beantragte am 17. August 2000 bei der Bezirksgeschäftsführerin der DAK Wittenberge und Versicherungsältesten der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit/ Berufsunfähigkeit, nachdem er seit dem 22. Juni 2000 wegen eines aufgetretenen Krebsleidens arbeitsunfähig erkrankt gewesen war.
Da der Kläger von 1964 bis 1989 mit einer Unterbrechung durch ein abgebrochenes Studium im Bereich der knappschaftlichen Rentenversicherung gearbeitet hatte, übernahm die Beklagte die weitere Bearbeitung (Eingang bei der Beklagten am 08. Februar 2001).
Der Kläger hatte den Rentenantrag damit begründet, wegen des bei ihm bestehenden Magenkarzinoms könne er keinerlei Tätigkeiten mehr verrichten.
Die Beklagte zog den Entlassungsbericht der Sklinik in B bei, wo der Kläger vom 12. September 2000 bis 10. Oktober 2000 mit den Diagnosen Magen Ca., Colon Ca. und Lendenwirbelsäulensyndrom behandelt worden war. Im Entlassungsbericht wurde eine sozialmedizinische Beurteilung dahingehend vorgenommen, dass der Kläger arbeitsunfähig sei und dies auch während des Aufenthalts gewesen sei. Nach der endgültigen Stabilisierung könne er unter zwei Stunden täglich Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten ausüben. In absehbarer Zeit sei keine weitere Steigerung der Leistungsfähigkeit zu erwarten. Ohne eigene Untersuchung erstattete die Chirurgin Dr. K vom Sozialmedizinischen Dienst Cottbus der Beklagten nach Aktenlage am 07. Juni 2001 ein Gutachten. In diesem führte sie aus, sie lege den Entlassungsbericht aus B zugrunde, da er für eine Begutachtung per Aktenlage ausreiche. Der Einschätzung der dargelegten sozialmedizinischen Epikrise könne man sich anschließen und der Kläger sei nicht in der Lage, irgendeiner regelmäßigen Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert nachzugehen. Medizinische Reha Maßnahmen seien bereits durchgeführt worden und weitere medizinische Reha Maßnahmen können derzeit die Erwerbsfähigkeit nicht wiederherstellen. Für Berufsförderungsmaßnahmen sei der Kläger nicht belastbar. Er befinde sich zurzeit im Stadium der Heilungsbewährung. Bei weiterer Metastasen- und Rezidivfreiheit könne von einer langsamen Besserung des Gesundheitszustandes ausgegangen werden. Es sei nicht ausgeschlossen, dass dadurch Erwerbsfähigkeit für zumindest leichte körperliche Tätigkeit wiederhergestellt werden könne. Daher solle eine Nachuntersuchung in zwei Jahren erfolgen.
Daraufhin bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 23. Juli 2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zum 31. Juli 2003. Die Rente beginne am 01. Januar 2001 und falle mit dem 31. Juli 2003 weg.
Mit dem Widerspruch gegen diesen Bescheid begehrte der Kläger den Rentenbeginn ab dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit und wandte sich gegen die Befristung der Rente.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2002 zurück und begründete dies damit, der Kläger befände sich im Stadium der Heilungsbewährung und es sei nicht ausgeschlossen, dass zu einem späteren Zeitpunkt Erwerbsfähigkeit für zumindest leicht körperliche Tätigkeiten wiederhergestellt werden könne.
Hiergegen hat sich die am 14. Februar 2002 beim Sozialgericht Neubrandenburg erhobene Klage gerichtet, das diese mit Beschluss vom 21. März 2002 an das örtlich zuständige Sozialgericht Cottbus verwiesen hat. Der Kläger hat vorgetragen, er sei von Anfang an auf Dauer erwerbsunfähig gewesen und sein Gesundheitszustand habe sich nicht gebessert, sondern verschlechtert.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 23. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2002 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 21. August 2000 auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden berufen.
Das Sozialgericht hat medizinische Unterlagen der den Kläger behandelnden Krankenanstalten und Ärzte beigezogen. Der behandelnde Hausarzt Dr. S hat mitgeteilt, dem Kläger sei am 07. August 2000 im Krankenhaus Moabit der gesamte Magen sowie die Milz und der halbe Dickdarm entfernt worden. Er sei seit Juli 2000 durchgehend arbeitsunfähig, sein Allgemeinzustand habe sich inzwischen stabilisiert, jedoch auch nach fünf Jahren Tumorkrankheiten werde sich die Leistungsfähigkeit nicht wesentlich verbessern. Dies ergebe sich aus der Mangelernährung infolge der Magendarmoperationen. Hierzu nahmen Dr. K und Dr. A S vom Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten Cottbus dahingehend Stellung, dem Kläger sei nach wie vor eine regelmäßige Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert nicht zumutbar. Nach wie vor jedoch könne eine weitere Besserung des Gesundheitszustandes nach Heilungsbewegung (gemeint ist wohl Heilungsbewährung) nicht ausgeschlossen werden. Daher sei nach anfangs bestehender Erwerbsunfähigkeit eine Nachuntersuchung empfohlen worden. Könne dann kein Besserungsnachweis erbracht werden, sei eine Rente auf Dauer nicht ausgeschlossen.
Sodann hat das Sozialgericht mit Urteil vom 30. Juli 2003 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, bei Krebserkrankungen sei die Heilungsbewährung abzuwarten und durch Nachuntersuchung festzustellen, ob ein bleibender Zustand der Leistungsminderung gegeben sei. Die Entscheidung der Beklagten, nur eine befristete Rente zu gewähren, sei daher nicht zu beanstanden. Da befristete Renten nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet würden, sei, ausgehend von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit im Juni 2000, Rentenbeginn der 01. Januar 2001.
Gegen dieses der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 07. August 2003 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 05. September 2001, mit der an der Auffassung festgehalten wird, zum Zeitpunkt der Antragstellung habe keine begründete Aussicht auf Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit bestanden, so dass eine Dauerrente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren gewesen sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 30. Juli 2003 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 23. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2002 zu verurteilen, dem Kläger ausgehend von einem Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit auf Dauer gemäß dem Antrag vom 17. August 2000 die Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Über sie konnte der Berichterstatter des Senats ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis mit einem derartigen Verfahren erklärt haben (§§ 124, 155 Sozialgerichtsgesetz SGG ).
Der Kläger ist seit seiner Antragstellung im August 2000 auf Dauer erwerbsunfähig, so dass ihm die sich daraus ergebenden Ansprüche zustehen und die angefochtenen Bescheide und das diese bestätigende Urteil ihn in seinen Rechten verletzen.
Anspruchsgrundlage ist auch weiterhin § 44 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der Fassung vor dem am 01. August 20021 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (EM Reformgesetz) vom 20. Dezember 2000. Nach § 300 Abs. 2 SGB VI sind aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuches auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Dies ist vorliegend der Fall, denn der maßgebende Antrag wurde bereits im August 2000 gestellt. Nach dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelung ist auf die Geltendmachung des Anspruchs und nicht auf die Leistungsgewährung abzustellen, wie die Beklagte meint. Nach § 44 Abs. 2 SGB VI a. F. sind Versicherte erwerbsunfähig, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlich Bezugsgröße übersteigt.
Das Leistungsvermögen des Klägers war, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, aufgrund der Erkrankung des Klägers seit Juni 2000 und somit auch bei Antragstellung am 17. August 2000 so, dass dieser außerstande war, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßig auszuüben und ein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Somit lag dem Grunde nach ab Antragstellung ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beziehungsweise auf Übergangsgeld während der Reha Maßnahmen vor.
Diese Rente war auch nicht zu befristen. Für die Befristung findet gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI, § 102 Abs. 2 SGB VI in der Fassung vor dem 01. Januar 2001 Anwendung. Nach § 102 Abs. 2 SGB VI a. F. werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet, wenn
1. begründete Aussicht besteht, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit in absehbarer Zeit behoben sein kann, oder
2. der Anspruch auch von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig ist.
Da nach medizinischen Feststellungen wiederum zwischen den Beteiligten unstreitig der Kläger seit Juni 2000 keinerlei Tätigkeiten mehr verrichten kann, ist sein Anspruch nicht von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig, so dass eine Befristung aus diesem Grunde von vornherein ausscheidet.
Bei Rentenantragstellung am 17. August 2000 jedoch bestand auch keine begründete Aussicht, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit in absehbarer Zeit behoben sein kann. Begründete Aussicht besteht dann, wenn es sich um einen Zustand handelt, bei dem nach vernünftigem, menschlichen Ermessen die Aussicht besteht, dass dieser Zustand in absehbarer Zeit zumindest wesentlich gebessert wird. Dies muss nach medizinischen Erkenntnissen so überwiegend wahrscheinlich sein, dass andere Möglichkeiten deutlich überwogen werden (BSG SozR 2200 § 1276 RVO Nr. 6). Dazu ist, insoweit ist der Beklagten zuzustimmen, keine absolute Sicherheit erforderlich, wie sich daraus ergibt, dass es ausreicht, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit in absehbarer Zeit behoben sein kann. Dies schließt jedoch nicht aus, dass eine begründete Aussicht, wie dargelegt, bestehen muss. Begründete Aussicht ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der uneingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt und die begründet Aussicht besteht nur dann, wenn die Behebung der Erwerbsminderung nach medizinischen Erkenntnissen innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren ab Rentenbewilligung nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich ist. Dabei müssen die Gründe für die Annahme der Behebung der Erwerbsminderung gewichtiger sein als die dagegen sprechenden (BSG SozR 2200 §1276 Nr. 7). Derartige Feststellungen jedoch lassen sich weder dem Reha Bericht in B noch dem Gutachten nach Aktenlage der Prüfärztin Dr. K, die sich ausdrücklich auf diesen stützt, entnehmen. Danach hält Frau Dr. K in ihrer Stellungnahme vom 07. Juni 2001 (Bl. 10 R des ärztlichen Teils der Verwaltungsakte) eine Besserung nur für möglich. In einer weiteren Stellungnahme vom 07. Juni 2001 (Bl. 15/16 des ärztlichen Teils der Verwaltungsakte) schließt sie sich der Einschätzung des ärztlichen Entlassungsberichts aus Bad Sooden Allendorf vom 01. November 2000 an, demzufolge in absehbarer Zeit keine weitere Steigerung der Leistungsfähigkeit zu erwarten ist. In diesem Zusammenhang hält sie es lediglich für "nicht ausgeschlossen, dass Erwerbsfähigkeit für zumindest leichte körperliche Tätigkeiten wiederhergestellt werden kann.". Damit macht sie deutlich, dass sie eine Besserung der Leistungsfähigkeit zwar für möglich, nicht aber, wie in § 102 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI a. F. gefordert, für überwiegend wahrscheinlich hält. Auf diese Ausführungen der Dr. Künnemann lässt sich auch die Einschätzung im Widerspruchsbescheid, dass bei weiterer Metastasen- und Rezidivfreiheit von einer langsamen Besserung des Gesundheitszustandes ausgegangen werden könne, nicht stützen. Abzustellen ist nicht darauf, ob sich der allgemeine Gesundheitszustand des Klägers langsam bessert, sondern ob eine Aussicht auf die Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit daraus resultiert, die überwiegend wahrscheinlich ist. Dazu jedoch hat sich Frau Dr. K nicht geäußert. Dass Frau Dr. K insofern die dargelegten gesetzlichen Regelungen und die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht kennt, ergibt sich aus ihrer Stellungnahme vom 06. August 2002 (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 16. August 2002), wenn sie dort ausführt, dass eine Besserung des Gesundheitszustandes nach Heilungsbewährung nicht ausgeschlossen werden könne und aufgrund dessen eine Zeitrente gerechtfertigt sei. Diese Auffassung ist unzutreffend und stellt eine juristische Subsumtion und eine keine medizinische Prognose dar. Die Ausführungen in der Stellungnahme vom 03. Januar 2003 zielen auf Umstände ab, die erst nach Erteilung des Rentenbescheides eingetreten sind und daher außer Betracht zu bleiben haben (BSGE 53, 100).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da sie Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Tatbestand:
Der Kläger, der von der Beklagten zunächst verlängerte Zeitrente und jetzt Dauerrente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Januar 2001 bezieht, begehrt darüber hinaus Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer ab 01. September 2000.
Der im 1948 geborene Kläger beantragte am 17. August 2000 bei der Bezirksgeschäftsführerin der DAK Wittenberge und Versicherungsältesten der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit/ Berufsunfähigkeit, nachdem er seit dem 22. Juni 2000 wegen eines aufgetretenen Krebsleidens arbeitsunfähig erkrankt gewesen war.
Da der Kläger von 1964 bis 1989 mit einer Unterbrechung durch ein abgebrochenes Studium im Bereich der knappschaftlichen Rentenversicherung gearbeitet hatte, übernahm die Beklagte die weitere Bearbeitung (Eingang bei der Beklagten am 08. Februar 2001).
Der Kläger hatte den Rentenantrag damit begründet, wegen des bei ihm bestehenden Magenkarzinoms könne er keinerlei Tätigkeiten mehr verrichten.
Die Beklagte zog den Entlassungsbericht der Sklinik in B bei, wo der Kläger vom 12. September 2000 bis 10. Oktober 2000 mit den Diagnosen Magen Ca., Colon Ca. und Lendenwirbelsäulensyndrom behandelt worden war. Im Entlassungsbericht wurde eine sozialmedizinische Beurteilung dahingehend vorgenommen, dass der Kläger arbeitsunfähig sei und dies auch während des Aufenthalts gewesen sei. Nach der endgültigen Stabilisierung könne er unter zwei Stunden täglich Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten ausüben. In absehbarer Zeit sei keine weitere Steigerung der Leistungsfähigkeit zu erwarten. Ohne eigene Untersuchung erstattete die Chirurgin Dr. K vom Sozialmedizinischen Dienst Cottbus der Beklagten nach Aktenlage am 07. Juni 2001 ein Gutachten. In diesem führte sie aus, sie lege den Entlassungsbericht aus B zugrunde, da er für eine Begutachtung per Aktenlage ausreiche. Der Einschätzung der dargelegten sozialmedizinischen Epikrise könne man sich anschließen und der Kläger sei nicht in der Lage, irgendeiner regelmäßigen Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert nachzugehen. Medizinische Reha Maßnahmen seien bereits durchgeführt worden und weitere medizinische Reha Maßnahmen können derzeit die Erwerbsfähigkeit nicht wiederherstellen. Für Berufsförderungsmaßnahmen sei der Kläger nicht belastbar. Er befinde sich zurzeit im Stadium der Heilungsbewährung. Bei weiterer Metastasen- und Rezidivfreiheit könne von einer langsamen Besserung des Gesundheitszustandes ausgegangen werden. Es sei nicht ausgeschlossen, dass dadurch Erwerbsfähigkeit für zumindest leichte körperliche Tätigkeit wiederhergestellt werden könne. Daher solle eine Nachuntersuchung in zwei Jahren erfolgen.
Daraufhin bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 23. Juli 2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zum 31. Juli 2003. Die Rente beginne am 01. Januar 2001 und falle mit dem 31. Juli 2003 weg.
Mit dem Widerspruch gegen diesen Bescheid begehrte der Kläger den Rentenbeginn ab dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit und wandte sich gegen die Befristung der Rente.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2002 zurück und begründete dies damit, der Kläger befände sich im Stadium der Heilungsbewährung und es sei nicht ausgeschlossen, dass zu einem späteren Zeitpunkt Erwerbsfähigkeit für zumindest leicht körperliche Tätigkeiten wiederhergestellt werden könne.
Hiergegen hat sich die am 14. Februar 2002 beim Sozialgericht Neubrandenburg erhobene Klage gerichtet, das diese mit Beschluss vom 21. März 2002 an das örtlich zuständige Sozialgericht Cottbus verwiesen hat. Der Kläger hat vorgetragen, er sei von Anfang an auf Dauer erwerbsunfähig gewesen und sein Gesundheitszustand habe sich nicht gebessert, sondern verschlechtert.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 23. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2002 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 21. August 2000 auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden berufen.
Das Sozialgericht hat medizinische Unterlagen der den Kläger behandelnden Krankenanstalten und Ärzte beigezogen. Der behandelnde Hausarzt Dr. S hat mitgeteilt, dem Kläger sei am 07. August 2000 im Krankenhaus Moabit der gesamte Magen sowie die Milz und der halbe Dickdarm entfernt worden. Er sei seit Juli 2000 durchgehend arbeitsunfähig, sein Allgemeinzustand habe sich inzwischen stabilisiert, jedoch auch nach fünf Jahren Tumorkrankheiten werde sich die Leistungsfähigkeit nicht wesentlich verbessern. Dies ergebe sich aus der Mangelernährung infolge der Magendarmoperationen. Hierzu nahmen Dr. K und Dr. A S vom Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten Cottbus dahingehend Stellung, dem Kläger sei nach wie vor eine regelmäßige Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert nicht zumutbar. Nach wie vor jedoch könne eine weitere Besserung des Gesundheitszustandes nach Heilungsbewegung (gemeint ist wohl Heilungsbewährung) nicht ausgeschlossen werden. Daher sei nach anfangs bestehender Erwerbsunfähigkeit eine Nachuntersuchung empfohlen worden. Könne dann kein Besserungsnachweis erbracht werden, sei eine Rente auf Dauer nicht ausgeschlossen.
Sodann hat das Sozialgericht mit Urteil vom 30. Juli 2003 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, bei Krebserkrankungen sei die Heilungsbewährung abzuwarten und durch Nachuntersuchung festzustellen, ob ein bleibender Zustand der Leistungsminderung gegeben sei. Die Entscheidung der Beklagten, nur eine befristete Rente zu gewähren, sei daher nicht zu beanstanden. Da befristete Renten nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet würden, sei, ausgehend von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit im Juni 2000, Rentenbeginn der 01. Januar 2001.
Gegen dieses der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 07. August 2003 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 05. September 2001, mit der an der Auffassung festgehalten wird, zum Zeitpunkt der Antragstellung habe keine begründete Aussicht auf Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit bestanden, so dass eine Dauerrente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren gewesen sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 30. Juli 2003 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 23. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2002 zu verurteilen, dem Kläger ausgehend von einem Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit auf Dauer gemäß dem Antrag vom 17. August 2000 die Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Über sie konnte der Berichterstatter des Senats ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis mit einem derartigen Verfahren erklärt haben (§§ 124, 155 Sozialgerichtsgesetz SGG ).
Der Kläger ist seit seiner Antragstellung im August 2000 auf Dauer erwerbsunfähig, so dass ihm die sich daraus ergebenden Ansprüche zustehen und die angefochtenen Bescheide und das diese bestätigende Urteil ihn in seinen Rechten verletzen.
Anspruchsgrundlage ist auch weiterhin § 44 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der Fassung vor dem am 01. August 20021 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (EM Reformgesetz) vom 20. Dezember 2000. Nach § 300 Abs. 2 SGB VI sind aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuches auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Dies ist vorliegend der Fall, denn der maßgebende Antrag wurde bereits im August 2000 gestellt. Nach dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelung ist auf die Geltendmachung des Anspruchs und nicht auf die Leistungsgewährung abzustellen, wie die Beklagte meint. Nach § 44 Abs. 2 SGB VI a. F. sind Versicherte erwerbsunfähig, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlich Bezugsgröße übersteigt.
Das Leistungsvermögen des Klägers war, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, aufgrund der Erkrankung des Klägers seit Juni 2000 und somit auch bei Antragstellung am 17. August 2000 so, dass dieser außerstande war, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßig auszuüben und ein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Somit lag dem Grunde nach ab Antragstellung ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beziehungsweise auf Übergangsgeld während der Reha Maßnahmen vor.
Diese Rente war auch nicht zu befristen. Für die Befristung findet gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI, § 102 Abs. 2 SGB VI in der Fassung vor dem 01. Januar 2001 Anwendung. Nach § 102 Abs. 2 SGB VI a. F. werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet, wenn
1. begründete Aussicht besteht, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit in absehbarer Zeit behoben sein kann, oder
2. der Anspruch auch von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig ist.
Da nach medizinischen Feststellungen wiederum zwischen den Beteiligten unstreitig der Kläger seit Juni 2000 keinerlei Tätigkeiten mehr verrichten kann, ist sein Anspruch nicht von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig, so dass eine Befristung aus diesem Grunde von vornherein ausscheidet.
Bei Rentenantragstellung am 17. August 2000 jedoch bestand auch keine begründete Aussicht, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit in absehbarer Zeit behoben sein kann. Begründete Aussicht besteht dann, wenn es sich um einen Zustand handelt, bei dem nach vernünftigem, menschlichen Ermessen die Aussicht besteht, dass dieser Zustand in absehbarer Zeit zumindest wesentlich gebessert wird. Dies muss nach medizinischen Erkenntnissen so überwiegend wahrscheinlich sein, dass andere Möglichkeiten deutlich überwogen werden (BSG SozR 2200 § 1276 RVO Nr. 6). Dazu ist, insoweit ist der Beklagten zuzustimmen, keine absolute Sicherheit erforderlich, wie sich daraus ergibt, dass es ausreicht, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit in absehbarer Zeit behoben sein kann. Dies schließt jedoch nicht aus, dass eine begründete Aussicht, wie dargelegt, bestehen muss. Begründete Aussicht ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der uneingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt und die begründet Aussicht besteht nur dann, wenn die Behebung der Erwerbsminderung nach medizinischen Erkenntnissen innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren ab Rentenbewilligung nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich ist. Dabei müssen die Gründe für die Annahme der Behebung der Erwerbsminderung gewichtiger sein als die dagegen sprechenden (BSG SozR 2200 §1276 Nr. 7). Derartige Feststellungen jedoch lassen sich weder dem Reha Bericht in B noch dem Gutachten nach Aktenlage der Prüfärztin Dr. K, die sich ausdrücklich auf diesen stützt, entnehmen. Danach hält Frau Dr. K in ihrer Stellungnahme vom 07. Juni 2001 (Bl. 10 R des ärztlichen Teils der Verwaltungsakte) eine Besserung nur für möglich. In einer weiteren Stellungnahme vom 07. Juni 2001 (Bl. 15/16 des ärztlichen Teils der Verwaltungsakte) schließt sie sich der Einschätzung des ärztlichen Entlassungsberichts aus Bad Sooden Allendorf vom 01. November 2000 an, demzufolge in absehbarer Zeit keine weitere Steigerung der Leistungsfähigkeit zu erwarten ist. In diesem Zusammenhang hält sie es lediglich für "nicht ausgeschlossen, dass Erwerbsfähigkeit für zumindest leichte körperliche Tätigkeiten wiederhergestellt werden kann.". Damit macht sie deutlich, dass sie eine Besserung der Leistungsfähigkeit zwar für möglich, nicht aber, wie in § 102 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI a. F. gefordert, für überwiegend wahrscheinlich hält. Auf diese Ausführungen der Dr. Künnemann lässt sich auch die Einschätzung im Widerspruchsbescheid, dass bei weiterer Metastasen- und Rezidivfreiheit von einer langsamen Besserung des Gesundheitszustandes ausgegangen werden könne, nicht stützen. Abzustellen ist nicht darauf, ob sich der allgemeine Gesundheitszustand des Klägers langsam bessert, sondern ob eine Aussicht auf die Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit daraus resultiert, die überwiegend wahrscheinlich ist. Dazu jedoch hat sich Frau Dr. K nicht geäußert. Dass Frau Dr. K insofern die dargelegten gesetzlichen Regelungen und die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht kennt, ergibt sich aus ihrer Stellungnahme vom 06. August 2002 (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 16. August 2002), wenn sie dort ausführt, dass eine Besserung des Gesundheitszustandes nach Heilungsbewährung nicht ausgeschlossen werden könne und aufgrund dessen eine Zeitrente gerechtfertigt sei. Diese Auffassung ist unzutreffend und stellt eine juristische Subsumtion und eine keine medizinische Prognose dar. Die Ausführungen in der Stellungnahme vom 03. Januar 2003 zielen auf Umstände ab, die erst nach Erteilung des Rentenbescheides eingetreten sind und daher außer Betracht zu bleiben haben (BSGE 53, 100).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da sie Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
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