L 22 RA 300/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 8 RA 182/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 RA 300/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. August 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung ab 21. September 2000 aufgrund ihres am 18. Oktober 2000 gestellten Antrages, den die Beklagte wegen der Nichterfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abgelehnt hatte. Ausschlaggebend ist, ob der Klägerin insoweit ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zur Seite steht.

Die 1949 geborene Klägerin ist Facharbeiterin für Qualitätskontrolle (Metall) und arbeitete in verschiedenen Tätigkeiten, zuletzt von 1988 bis 1991 als Sekretärin. Im Gefolge war die Klägerin arbeitslos beziehungsweise in einer ABM Tätigkeit vom 01. Dezember 1994 bis zum 30. November 1995 tätig. Danach war sie wieder arbeitslos.

Auf den Rentenantrag der Klägerin vom 18. Oktober 2000 hin gelangte die Beklagte nach Einholung entsprechender medizinischer Unterlagen zu der Auffassung, bei der Klägerin bestünde noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes. Auf den Widerspruch der Klägerin hin führte die Beklagte weitere medizinische Ermittlungen durch und wies den Widerspruch dann mit Widerspruchsbescheid vom 22, Mai 2001 zurück. Dagegen hat sich die am 14. Juni 2001 beim Sozialgericht Neuruppin erhobene Klage gerichtet.

Das Sozialgericht hat Behandlungs- und Befundunterlagen der behandelnden Ärzte und Krankenanstalten beigezogen und sodann den Sachverständigen Dr. K, Orthopäde, Dr. W, Sportmedizinerin, und Dr. M, Neurologe und Psychiater, zu Sachverständigen ernannt. Das Ergebnis der Beweisaufnahme war, dass bei der Klägerin seit 18. Oktober 2000 (Untersuchung durch den Orthopäden K) ein Leistungsfall nicht vor dem 21. September 2000 eingetreten ist.

Sodann hat das Sozialgericht mit Urteil vom 23. August 2004 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, ausgehend von einem Versicherungsfall am 21. September 2000 lägen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vor. Der Fünfjahreszeitraum gemäß §§ 43 Abs. 3 und 44 Abs. 14 a. F. Sozialgesetzbuch Sechstes Buch SGB VI reiche vom 21. September 1995 bis zum 30. September 2000. Die Klägerin habe jedoch seit dem 01. September 1997 weder eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt noch Leistungen der damaligen Bundesanstalt für Arbeit bezogen. Nach der Personalakte des B war die Klägerin dort bis zum 22. Oktober 1995 tätig, hatte vom 23. Oktober 1995 bis 31. Oktober 1995 Urlaub und war ab dem 03. November 1995 arbeitsunfähig geschrieben. Ab Januar 1997 sei sie arbeitslos gewesen und habe entsprechende Leistungen bis zum 01. September 1997 bezogen. Es existieren jedoch lediglich 35 mit Pflichtbeiträgen belegte Monate und nicht, wie im Gesetz gefordert, 36.

Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 25. August 2004 zugestellte Urteil richtet sich dessen Berufung vom 27. September 2004 (Montag), die damit begründet wird, der Klägerin stünde ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zur Seite. Wenn nunmehr festgestellt werde, dass die Klägerin im Oktober 2000 einen Rentenantrag gestellt habe und zu diesem Zeitpunkt auch die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung dieser Leistung vorgelegen hätten, so wäre es bereits im Jahre 2000 Pflicht der Beklagten gewesen, sie darauf hinzuweisen, dass im Falle des Vorliegens medizinischer Voraussetzungen gegebenenfalls Probleme in den sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen entstehen könnten. Zum Zeitpunkt der Antragstellung nämlich wäre die Klägerin noch in der Lage gewesen, sich nachzuversichern. Sie sei jedoch auf diese Möglichkeit nicht hingewiesen worden, so dass sie so zu stellen sei, als wäre sie zutreffend beraten worden und hätte die Nachversicherung durchgeführt.

Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich der Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. August 2004 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2001 zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Erwerbsminderung ab 01. Oktober 2000 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Berichterstatters ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten zur Versicherungsnummer verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, somit insgesamt zulässig.

Über die Berufung konnte der Berichterstatter gemäß §§ 155, 124 Sozialgerichtsgesetz SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis mit einem derartigen Verfahren erklärt haben.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung gegen die Beklagte.

Das Sozialgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 02. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2001 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Als Anspruchsgrundlagen kommen auch weiterhin die §§ 43 und 44 SGB VI in der Fassung vor dem am 01. Januar 2001 in Kraft getretenen Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (EM Reformgesetz) in Betracht. Nach § 300 Abs. 2 SGB VI nämlich sind aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuches auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Dies ist vorliegend der Fall, denn der maßgebende Antrag wurde bereits im Oktober 2000 gestellt.

Nach den §§ 43 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 2 und 44 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 2 SGB VI besteht Anspruch auf Rente wegen Erwerbs- beziehungsweise Berufsunfähigkeit, wenn die Versicherten in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben.

Der frühestmögliche Leistungsfall, wie vom Sozialgericht zutreffend festgestellt, insoweit wird gemäß § 154 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf dessen Darlegungen verwiesen, ist der 21. September 2000. Wird der dargelegte Fünfjahreszeitraum von diesem Tag an bemessen, so beginnt er am 21. September 1995 und endet am 20. September 2000.

Dass die Klägerin in dieser Zeit keine 36 mit Pflichtbeiträgen belegte Monate zurückgelegt hat, ist zwischen den Beteiligten unstreitig, weil die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit beim B am 30. November 1995 geendet hat. Somit liegen nicht 36 Monate einer versicherungspflichtigen Beschäftigung vor, die mit Pflichtbeiträgen belegt sind. Im Versicherungsverlauf vom 02. September 2003 folgen auf die Pflichtbeiträge wegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung vom 01. Dezember bis zum 30. August 1997 noch Pflichtbeiträge wegen Arbeitslosigkeit. Vom 01. Januar 1997 an liegen dann lediglich Vormerkungszeiten wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vor.

Somit sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Der Klägerin steht auch kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch insoweit zur Seite.

Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt voraus, dass der in Anspruch genommene Versicherungsträger eine gerade gegenüber der Antragstellerin bestehende Pflicht aus dem Sozialrechtsverhältnis objektiv rechtswidrig nicht oder schlecht erfüllt hat und daraus ein sozialrechtlicher Nachteil der Antragstellerin ursächlich entstanden ist. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch schafft kein neues Recht. Er ermöglicht lediglich die Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger seiner Beratungspflicht in vollem Umfange nachgekommen wäre. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist von der Rechtsprechung in Fortbildung des geschriebenen Rechts entwickelt worden und dient dazu, Lücken füllend Entscheidungen und Handlungen durch Verwaltungsfehler zu korrigieren, für die das Gesetz keine ausdrücklichen Vorschriften vorsieht. Ein derartiger Sachverhalt liegt hier nicht vor. Die Klägerin hat weder vor der Antragstellung beziehungsweise bei der Antragstellung um eine Beratung über die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gebeten noch musste sich der Beklagten aufdrängen, dass sie zu diesem Zeitpunkt die Klägerin, ohne dass diese darum gebeten hatte, auf nahe liegende, jedem Vernünftigen einleuchtende Gestaltungsmöglichkeiten hingewiesen hätte. Der Rentenantrag wurde während der Reha Maßnahme vom 05. Oktober bis 26. Oktober 2000 gestellt. Dort wurde die Klägerin nach Auffassung der Ärzte als vollschichtig einsatzfähig für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten nach Erreichung der Arbeitsfähigkeit entlassen, so dass kein Verschulden der Beklagten erkennbar ist, dass sie zu diesem Zeitpunkt von einem Ausgehen eines Leistungsfalls und der unmittelbaren Notwendigkeit zur Nachentrichtung von Beiträgen ausgehen musste. Erst durch die Untersuchung durch Dr. W im Jahr 2003 wurde festgestellt, dass bereits im Jahr 2000 die leistungsrechtlichen Voraussetzungen vorgelegen haben. Freiwillige Beiträge können nur drei Monate nach Ende des Jahres entrichtet werden, für das sie entrichtet werden, das heißt, im vorliegenden Fall war die Möglichkeit, freiwillige Beiträge bis 1999 zu entrichten am 31. März 2000, also vor Antragstellung im Oktober 2000 verstrichen (§ 197 Abs. 2 SGB VI). Eine Möglichkeit zum wirksamen Entrichten für diese Zeit danach lag nicht mehr vor, so dass, selbst wenn die Klägerin im Jahr 2000 entsprechend beraten worden wäre, eine entsprechende Beitragsentrichtung nicht mehr möglich gewesen wäre. Da aber gemäß § 241 Abs. 2 SGB VI jeder Monat belegt sein müsste, wäre ein Beratungsfehler der Beklagten, selbst wenn er vorläge, nicht ursächlich dafür, dass die Klägerin im Oktober 2000 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllen konnte.

Die Berufung war daher insgesamt mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision ist keiner der in § 160 SGG dargelegten Gründe ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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